Читайте только на ЛитРес

Книгу нельзя скачать файлом, но можно читать в нашем приложении или онлайн на сайте.

Читать книгу: «Eine gefährliche Unschuld», страница 5

Шрифт:

Arthur hielt es nicht länger aus. Er schämte sich seiner Geduld gegen dies wunderliche Advocatenpaar, und wenn er ja mit einigen Gewissensbissen zu Tisch gegangen war, so fühlte er sich jetzt von diesen Feuerzungen statt erweicht nur ausgetrocknet und verhärtet.

Hatte Lucie dieses Resultat voraus berechnen können? Wollte sie geflissentlich seinen Aerger und seine Eitelkeit reizen? Und hatte sie sich nicht gerade in dieser Absicht den boshaften Spaß gemacht, dies lächerliche Ehepaar auf ihn zu hetzen, deren Erbitterung natürlich um so größer war, als sie ja die Verbindung mit Fräulein von Albingen gestiftet hatten? Wir haben einigen Grund, es zu vermuthen, und der Erfolg spricht für unsere Annahme.

Das heißt viel Lärm um eine sehr einfache Sache machen, sagte der Oberst gemessen, mit einer Anstrengung, höflich zu bleiben, Ich liebe Fräulein von Albingen nicht mehr, sondern Fräulein von Beaulieu; das ist ein Unglück, das ich aber nicht durch eine Heirath, wie Sie es wünschen, vergrößern werde.

Aber Lucie von Beaulieu liebt Sie nicht! kläffte Madame Germanet.

Woher wissen Sie das? erwiderte Arthur.

Weil sie es mir selbst gesagt hat! rief triumphirend die unerschrockene Amazone.

Pah, was sagt man nicht Alles seinen Freunden zu Gefallen!

Aber sie heirathet ja Herrn Julius Hammel!

Meint die Welt nicht auch, ich sei im Begriff, Fräulein von Albingen zu heirathen?

Also Sie bestehen auf Ihrem Vorsatz? fragten die beiden Gatten aus Einem Munde.

Mehr als je.

Nun, dann fängt der Prozeß von vorne an.

Mag er anfangen!

Und Sie verlieren ihn!

Nein, ich gewinne – meine Freiheit.

Oberst, das giebt einen Kampf auf Leben und Tod.

Der Krieg ist mein Handwerk.

Sie sind unwürdig . . .

Fräulein von Albingen zu heirathen, das glaube ich gerne. Und außerdem, lieber Germanet, rechne ich darauf, daß Sie die Werbung bei Fräulein von Beaulieu übernehmen werden.

Nimmermehr! schrie Zenobia, kirschroth vor Zorn.

Germanet hatte nicht geantwortet.

Der Oberst verbeugte sich zum Abschied vor dem Notar und seiner Frau und ging, innerlich wüthend, daß er sich diesem Auftritt ausgesetzt hatte.

Kaum war die Thür hinter ihm ins Schluß gefallen, als Zenobia ihren Gatten interpellirte.

Nun wahrhaftig, jetzt möchte ich doch wissen, warum du dem Oberst keine Antwort gabst, als er so unverschämt war, dich zum Vermittler bei der Familie Beaulieu zu wollen!

Der Tausend, liebes Kind, erwiderte Germanet mit einem sehr diplomatischen Lächeln, ich habe Alles gethan, was ich meiner Freundschaft für Albingen schuldig war. Jetzt handelt es sich darum, einen andern Clienten nicht allzusehr aufzubringen.

Also würdest du vorkommenden Falls den Interessen dieses Menschen dienen?

Germanet zuckte die Achseln.

Habe ich ein anderes Interesse, als mein Geschäft?

Zenobie war augenscheinlich überzeugt. Sie erkannte an ihrem Gatten oft plötzlich die tiefe Weisheit eines Telleyrand.

Große Trauer herrschte in der Familie Albingen, als der Notar am andern Morgen von dem bedauerlichen Erfolg seiner Vorstellungen Bericht erstattete. Lucie war, vermuthlich ganz zufällig, anwesend. Sie schien lebhaft bewegt und erklärte mit einer an ihr ganz ungewohnten Wärme, sie wolle sich für den Sieg verbürgen, wenn man keinen Fuß breit nachgebe und von den Bitten zu Drohungen und offenen Feindseligkeiten übergehe.

Was hatte sie vor? Hoffte sie, all diese Drahtpuppen so vollständig in der Hand zu haben, um sie schließlich noch als Werkzeuge zu einem ehrgeizigen Zweck zu gebrauchen? Schien ihr die Rache endlich weit genug getrieben, und wollte sie Arthur von Corval durch das Schreckbild des Prozesses zum Einlenken bewegen? Das war ein gewagtes Mittel. Oder dachte sie, die Angelegenheit so rettungslos zu verwirren, daß die Wage sich schließlich ganz auf ihre Seite neigen mußte; wollte sie zugleich mit Clara’s Glück ihre eigene Liebe opfern und den Grafen Arthur Sigismund von Corval heirathen?

Das hieß doch eine allzu starke Blindheit der Familie Albingen voraussetzen. Man möchte wohl schwerlich entziffern können, was in dieser verhüllten Seele vorging, die ihre Schachpartie so sicher von oben herab regierte.

Vielleicht wollte Lucie einfach jede andere Entwicklung, als die nach ihrem Kopf, unmöglich machen, und es schienen ihr die Karten noch nicht so weit verwirrt, daß es sie nicht interessiren konnte, die Partie aufzunehmen und glorreich zu beendigen. Wie dem auch sein mochte, sie sprach ihre Ansichten mit einer so einfachen, richtigen und überzeugten Art aus, daß Alle ihr zuhörten, wie einer kleinen Prophetin. Es wurde also einstimmig beschlossen, dem Grafen bis aufs Aeußerste zuzusetzen. Der Treulose sollte von dem jammervollen Schatten seiner aufgelös’ten Verlobung verfolgt werden und der wieder aufgenommene Erbschafts-Prozeß dabei als Fackel dienen. Der Notar versprach die betreffenden Acten.

Ich übernehme die Sorge für den Advocaten, sagte Lucie, als ihre Meinung die allgemeine Anerkennung gefunden hatte.

Bravo! rief Papa Albingen. Da muß unsere Vertheidigung wohl beredt genug ausfallen!

Das Honorar werde ich dann gleichfalls auf mich nehmen, lächelte Lucie.

O, ich kann dir nie genug danken, rief Clara. Eine Kokette an deiner Stelle hätte mich zu Grunde gerichtet und du rettest mich!

Lucie flüsterte ihr ins Ohr:

Ich fühle ja vollständig mit, was du leidest. Glaubst du, ich würde es ruhiger ertragen, wenn ich mein Hämmelchen verlieren sollte?

V.
Gewissensbisse eines Engels

Wir haben bis jetzt kaum von Herrn Julius Hammel, Fräulein von Beaulieu’s Bräutigam, gesprochen. Er war ein ernsthafter junger Mann, blaß und mager von angestrengtem Studium und übermäßiger wissenschaftlicher Arbeit, aber innerlich von einem riesenhaften Ehrgeiz beseelt. Er wollte Auszeichnung und Ruhm erwerben um Luciens willen, die er mit aller Glut einer ersten und einzigen Liebe umfaßte. Die Armuth hatte ihn rein erhalten und die Leidenschaft sein religiöses Gefühl erweckt. Er erwartete, ohne den Wunsch nach Beschleunigung zu wagen, den ersehnten Tag, der ihn mit dem Engel seiner Träume auf immer vereinigen sollte. Lucie täuschte sich nicht, wenn sie sich so geliebt fühlte, wie eine Frau es selten ist, obgleich alle es zu sein glauben. Dieser Triumph erfüllte sie aber auch mit einer himmlischen Glückseligkeit, und sie gab sich ganz im Stillen noch viel kühneren Träumen hin, als ihr Verlobter. Die blasse Stirn des jungen Mannes verrieth Geist und Charakterfestigkeit, und durch die großen melancholischen Augen konnte man leicht in seine Seele blicken. Er gehörte zu den hochsinnigen Idealisten, welche an die Ehrlichkeit des Wortes, an die Heiligkeit eines gegebenen Versprechens glauben, und theilte mit der Mehrzahl von diesen das Schicksal, gelegentlich von den Dummköpfen übervortheilt zu werden, ohne sich doch jemals entschließen zu können, sie zu hassen, statt sie zu bemitleiden. Sein bescheidenes Heldenthum gehörte der geistigen Ritterschaft an, wie sie in unserer Zeit edler und reiner besteht, als die alte Kriegs-Aristokratie. Aber Talent und ein unbestechliches Gewissen sind nicht immer die günstigsten Bedingungen zum Vorwärtskommen, und Julius Hammel mußte sich in der That bedeutend mehr anstrengen, als ein mittelmäßiger Kopf.

Meister Germanet, der viel von ihm hielt und ihn vermöge seiner eigenen ehrlichen Natur verstand und schätzte, wenn auch zugleich bedauerte, ließ ihn kommen, erzählte ihm kurz die Treulosigkeit des Obersten, indem er aber Alles verschwieg, was auf Lucien Bezug hatte, und ihm zum Schluß das Actenbündel übergab. Julius ging die einzelnen Stücke eifrig durch, bildete sich daraus seine Ansicht, die glücklicherweise ganz von selbst günstig für die Familie Albingen ausfiel, und erschien eines Abends mit den Arten unter dem Arm bei Clara’s Eltern, um sich mit ihnen wegen der besonderen Wendung des Prozesses zu besprechen. Herr Germanet war auch anwesend, er hörte mit Kennermiene der warmen Auseinandersetzung des jungen Advocaten zu, nickte zustimmend mit dem Köpfe und klopfte ihm auf die Schulter, Bravo! rief er dann, bei dieser Rede wollen wir die Zuhörer machen, vorausgesetzt, daß der Oberst nicht in sich geht und nachgiebt.

Ah, lieber Germanet, sagte der Millionär Albingen sehr niedergeschlagen, mir liegt wenig daran, ob ich den Prozeß gewinne. Wenn ich meine Tochter glücklich sähe, ließe ich die Erbschaft gerne fahren!

Julius betrachtete Clara mitleidig gerührt. Ihm, dem Liebenden, der jede Nacht für seine Braut betete, waren die Qualen ihres reinen Herzens verständlich.

O mein Fräulein, sagte er mit liebenswürdiger Anmuth, sollte es denn möglich sein, Sie zu vergessen, wenn man Sie einmal geliebt hat?

Ach, mein Herr, erwiderte sie naiv, muß man mir denn nicht Lucie vorziehen, wenn man sie auch nur ein einziges Mal sieht?

Wie? Was wollen Sie damit sagen? stotterte Julius, von einem plötzlichen Schauer ergriffen.

Germanet hustete, um Clara aufmerksam zu machen, sie achtete nicht darauf, wohl aber bemerkte Hammel die telegraphische Mittheilung. Er wandte sich rasch nach dem Notar um; dieser stand roth und verlegen aussehend da.

Ja, wissen Sie denn nicht, daß Sie zugleich Ihr eigenes Glück vertheidigen? fuhr Clara fort, daß der Graf von Corval mir nur untreu wird, weil er Ihre Braut liebt?

Julius erblaßte, eine eiserne Hand preßte ihm das Herz zusammen, die Blätter entfielen seiner Hand.

Lucie! stammelte er unwillkürlich. Seine brennende Herzensangst trat damit auf die zitternden Lippen.

O, Lucie ist ein Engel, rief Clara heftig, indem sie den entschiedensten Ausdruck für die Heiligkeit ihrer Freundin wählte. Lucie ist ein Engel, aber der Oberst will sie heirathen!

Germanet zuckte die Achseln, wie ein Mann, der mit Bedauern die kostbare Zeit in müßigem Geschwätz vergeuden sieht, während Herr von Albingen wie der Vertraute in der Tragödie dabeistand, der an der Handlung nur durch gelegentliche Erwiderungen Theil nimmt.

Es gelang Julius rasch, seiner heftigen Erregung Meister zu werden. Seine Wangen rötheten sich wieder, er legte die Actenbündel vor seine Clienten hin und sagte:

Was haben Sie gethan, meine Herren? Warum bin ich nicht in Kenntniß gesetzt worden? Glauben Sie denn, daß ich gesonnen wäre, mir auf diese Weise meine Braut zu erkämpfen? Er sprach diese letzten Worte mit dem stolzen Blick und der heroischen Kopfbewegung eines Tancred. Germanet sah im Geist schon eine Klinge in seiner Rechten blitzen.

Aber lieber Freund . . . wollte der Notar begütigen.

Aber, mein Herr, Sie entehren mich in meinem Berufe! erwiderte Julius fest. Ich würde zum Gelächter des Gerichtshofs geworden sein. Mir Luciens Besitz durch einen Richterspruch zuerkennen lassen! Welche Abscheulichkeit! Adieu, meine Herren! Seien Sie unbesorgt, Herr von Albingen, Sie finden ohne Schwierigkeit einen andern Advocaten für Ihren Prozeß; er kann nicht verloren gehen. Sie aber, mein Fräulein, können sich getrost darauf verlassen: so lange ich lebe, daß schwöre ich Ihnen, wird Herr von Corval Fräulein von Beaulieu nicht heirathen!

Und Julius entfernte sich mit ernstem Gruß.

Da haben Sie ein Meisterstück gemacht! rief Germanet Clara zu, als die Thür sich kaum geschlossen hatte. Der arme Junge geht jetzt hin und läßt sich von dem Obersten todtschießen!

Glauben Sie wirklich? stieß Clara mit unverstelltem Entsetzen heraus.

Ja wohl, das stand in seinen großen Augen deutlich genug geschrieben. Aber ich will zum Obersten, damit der wenigstens Vernunft annimmt.

Und ich schreibe an Lucie.

Eine halbe Stunde später, als Lucie in einem Winkelchen ihres elterlichen Salons saß und mit der Sicherheit eines Künstlers, der den Wahrspruch der Jury im Voraus kennt, sich in süßen Träumen wiegte, erhielt sie das Billet. Es war dunkel im Zimmer, denn draußen brach schon die Nacht herein. Bis Licht gebracht wurde, wendete Lucie das Billet zwischen ihren Fingern hin und her, indem sie boshaft überlegte, was ihre Freundin jetzt noch von ihr wollen könne. Da kam die Lampe, sie erbrach rasch das Couvert und las begierig, rascher noch mit dem Herzen, als mit den Augen, die folgenden Zeilen:

»Liebste Freundin!

Soeben verläßt uns Herr Julius, er will den Obersten fordern. Meine Unbesonnenheit hat ihm verrathen, daß dieser sein Nebenbuhler ist. Bitte ihn! noch ist es Zeit.«

Lucie schrie laut auf und stürzte ohnmächtig zur Erde. Clara hatte sich, ohne zu wollen oder zu ahnen, mit einem einzigen Federzug gerächt.

Als Lucie wieder zu sich kam, weinte sie die heißesten, aufrichtigsten Thränen. Sie sah mit Entsetzen das über sie hereingebrochene Gericht und erkannte, wie ein höherer Wille sie hier in ihren eigenen Schlingen gefangen hatte. Was nun beginnen? Julius natürlich um jeden Preis retten. Aber wie? Ihre gewohnte angenommene Züchtigkeit von sich werfen, die lügnerischen Schleier zerreißen, die ihre Seele verdeckten und ein toll verliebtes Mädchen wie eine undurchdringliche Isis erscheinen ließen; zu ihm hinlaufen, in seine Arme stürzen und unaufhörlich rufen: Ich liebe dich! ich liebe nur dich! – ihn zurückhalten, bewachen, einschließen? Und den Obersten, wenn er sich zu zeigen wagte, mit Schmähworten und Verachtung hinaustreiben? Das waren ihre ersten unwillkürlichen Regungen. Aber konnte sie das wagen? Ließen, sich solche Vorsätze ausführen? Unsere gesellschaftlichen Gewohnheiten sind in vielen Fällen wie Mauern, an welchen auch ein starker Wille zerschellen muß. Wie sollte es möglich sein, sich allein in der Nacht zu ihrem Bräutigam zu begeben? Sollte sie, die bisher unnahbar als Madonna in ihrem Heiligthum thronte und gnädig die zu ihren Füßen niedergelegten Blumenspenden annahm, jetzt plötzlich aus der Rolle fallen und sich wie ein gewöhnliches liebendes Weib compromittiren? Sich compromittiren! Das war ein sehr schmerzlicher Punkt, und Koketterie und Leidenschaft stritten einen harten Kampf darum.

O wie bereute sie jetzt die kühle Ruhe, die sie mit so viel Kunst und Berechnung zur Schau getragen hatte! Aber, mochte kommen, was wollte, machte sie entlarvt, verspottet, verleumdet werden – einerlei, wenn sie nur Julius retten konnte, wenn ihr nur der entsetzliche Oberst den schönen, zärtlichen Geliebten nicht in einen kalten Leichnam verwandelte! Sie ging hastig im Salon auf und nieder, wie vom Fieber geschüttelt, ihr Athem flog, sie biß in die Fäuste und zerriß ihr Taschentuch, aber all dies schweigend. Furcht und Entsetzen in sich verarbeitend, nur von Zeit zu Zeit kam ein abgestoßener Laut oder ein halb erstickter Seufzer über ihre Lippen. Alle Fragen der erstaunten und erschrockenen Mutter waren umsonst.

Da erschien inmitten dieser Qualen Herr Germanet. Luciens Kniee zitierten so, daß sie nicht wagte ihm entgegenzugehen, doch nahm sie sich gewaltsam zusammen und verbeugte sich gegen ihn.

Ich komme von dem Obersten, sagte der gute Notar so schnell als möglich – er hat mir sein Ehrenwort gegeben, sich ruhig zu verhalten und Herrn Hammel nicht zu antworten, bis Sie ihm die Ehre einer Unterredung erzeigt haben werden.

Eine Unterredung? Was kann er von mir wollen?

Der Tausend! sagte Germanet, der nicht gleich wußte, wie er die etwas komische Neuigkeit mit den ernsthaften Gemüthsbewegungen des Augenblicks in Einklang bringen sollte: er will Ihnen seine Erklärung machen und um Ihre Hand bitten.

Ihrer Aufregung zum Trotz mußte Lucie lächeln; die Kotette fühlte sich wieder, es kamen einige Triumphstrahlen unter ihren Augenwimpern zum Vorschein. Dann erwiderte sie mit ihrer gewöhnlichen Majestät:

Herr Germanet, wollen Sie dem Obersten sagen, daß ihn meine Mutter morgen Vormittag erwartet. Aber benachrichtigen Sie auch Clara und ihre Eltern, daß diese sich schon früher hier einfinden, und jedenfalls vergessen Sie selbst nicht zu erscheinen!

Germanet empfahl sich vergnügt, denn er witterte mehr als einen Heirathscontract, und eilte zu Albingens, seinen Auftrag zu bestellen.

Lucie, schon etwas getrösteter, schrieb an Julius. Kommen Sie diesen Abende zu welcher Stunde es auch sein mag, ich muß Sie sprechen. Es handelt sich um Ihr Glück und mein Leben!

Sie schickte das Billet weg und überlegte nun, während sie ihren Bräutigam erwartete, die Lösung des Knotens den sie so künstlich geschürzt hatte.

Aber seit Germanet’s Besuch waren zwei Stunden vergangen, und Julius erschien noch immer nicht. Lucie verfiel aufs Neue ihren Angst- und Schreckensqualen, sie wartete wie im Fieber, es schlug elf Uhr, dann Mitternacht, und Niemand kam. Was sollte dies bedeuten? Warum kam er nicht? War er beleidigt, oder hielt er sie für strafbar? Sie war in ihr Zimmer gegangen und horchte dort angestrengt auf das leiseste Geräusch; jedes Wagenrollen setzte ihr Herz in stürmische Bewegung. An Schlafengehen dachte sie nicht, sie wartete weiter und zählte die Minuten.

O mein Gott, sprach sie leise vor sich hin, das ist deine Strafe. Ich wollte mit dem Glück meiner Freundin spielen, und nun stürzt vielleicht das meinige zusammen. Armer Julius! Warum mußte ich dich in diese Komödie hineinbringen. Wenn der Oberst nicht Wort hielte, wenn es nur eine Erfindung wäre, um Ort und Stunde des Duells zu verbergen! Kann man sich nicht auch bei Nacht, bei Fackellicht duelliren? Und Julius ist vielleicht schon verwundet, vielleicht todt! Was könnte ihn sonst am Kommen verhindern?

Lucie fühlte die heftigste Versuchung, hinauszulaufen, ihn zu suchen und mit sich fortzunehmen, ihn in ihr Zimmer einzuschließen und darin mit allen Mitteln festzuhalten.

In dieser einen entsetzlichen Nacht vergoß sie eben so viele Thränen, als Clara im Laufe des letzten Monats geweint hatte. Sie betete inbrünstig, und zwar diesmal nicht mehr mit den Lippen, sondern aus tiefstem Herzen, indem sie die Hände erhob und sich vor dem Crucifix an der Wand niederwarf. Bald rief sie Gott mit lauter Stimme an und wand sich verzweiflungsvoll am Boden, bald sprang sie wieder auf und horchte zum Fenster hinaus. So ging diese Leidensnacht herum.

Endlich gegen Morgen sank es wie Blei auf ihre Augenlider, und ein paar Stunden Bewußtlosigkeit überkamen sie, aber nur um ihr in einem furchtbaren Traume Clara zu zeigen, die sich haßerfüllt über Julius’ Leichnam beugte und ihr zurief:

Du hast mir des Grafen Herz gestohlen, ich habe das deines Advocaten durchbohren lassen, jetzt sind wir quitt!

Man weckte sie, um ihr zu sagen, Herr Julius Hammel erwarte sie im Salon. Bei dieser Nachricht ging ein Freudenschein über ihr Gesicht. Sie kleidete sich rasch an und warf noch, ehe sie hinunter ging, einen Blick in den Spiegel, um sich zu überzeugen, daß sie wieder ganz das bescheidene Mädchen war, das Clara einen Engel nannte. So stieg sie langsam und würdevoll die Treppe hinab, ihrer selbst und ihrer Zukunft wieder sicher, während die Gewissensbisse mit den Schrecken der Nacht mehr und mehr erloschen.

Julius sah sehr blaß aus. Er entschuldigte sein Ausbleiben, er hatte die Nacht bei einem Freunde zugebracht und so das Billet erst am Morgen beim Nachhausekommen gefunden.

Lucie verstand den Schmerz seiner edlen Seele und bereute bitter, ihn mit ins Spiel gezogen zu haben. Offenbar war er zum Kampf auf Tod und Leben entschlossen und hatte der Gegenwart und Theilnahme eines treuen Freundes für seine Waffenwacht bedurft. Lucie war auf diese Nacht und diesen Freund eifersüchtig. Sie sah tief in die schönen Augen ihres Verlobten und sagte halb scherzend, doch mit inniger Zärtlichkeit zu ihm:

Was machen Sie für Streiche, Herr Julius? Wollen Sie denn mit Gewalt die Männer meiner Freundinnen umbringen?

Mein Fräulein —! stammelte Julius und hätte sich beinahe der heiligen Jungfrau zu Füßen geworfen.

Hören Sie, lieber Freund, sagte Lucie, indem sie ihm die Hand reichte, ich hätte Ihnen die Ursache von Clara’s Kummer nicht so lange verschweigen sollen, aber wenn ich auch die Discretion zu weit trieb, durften Sie deßhalb doch nicht an mir zweifeln.

Ich an Ihnen zweifeln! Nie habe ich das gethan!

Und warum wollen Sie sich dann schlagen?

Julius antwortete nicht, Lucie erzählte ihm nun unbefangen mit der liebenswürdigsten Bescheidenheit alles Vorgefallene. Ihre Reden fielen wie lindernder Schnee auf die Glut seines Herzens. Eine Stunde später kamen Clara, ihr Vater und Herr Germanet.

Ich erwarte den Obersten, sagte Lucie mit der einfachen Hoheit, wie etwa die heilige Genovefa gesagt haben mag: »Ich erwarte Attila!« Ich denke, er wird Vernunft annehmen. Deine schönen Augen sollen nicht mehr um ihn weinen! – dabei umarmte sie ihre Freundin – und ebensowenig darf er mir meinen Mann todtschießen. Hier nickte sie Julius zu.

Nun, mein Fräulein, machen Sie, daß ich meine zwei Contracte nicht umsonst aufgesetzt habe, scherzte Herr Germanet.

Herzlich gern, versetzte Lucie, aber versprechen Sie mir dagegen, meinem Advocaten künftig keine Prozesse mehr zu verschaffen.

Im Gegentheil, ich verspreche ihm alle diejenigen, welche Sie nicht selbst verfechten wollen, sagte Zenobiens Gatte sehr galant.

Da kommt der Graf! rief Herr von Albingen vom Fenster her.

Also verschwinden Sie Alle auf mein Gebot! beschwor die Zauberin Lucie mit komischem Ernst; das Horchen an der Thüre ist übrigens gestattet.

Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
10 декабря 2019
Объем:
80 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

С этой книгой читают