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Und sich in seinen Mantel hüllend, verließ er das Gemach. Alsbald kam der Führer, geleitete sie hinab zur Straße und von da zur Herberge. Beim Tore angelangt, rief der Grieche bewegt:

»Laßt uns nach Bethlehem gehn, Brüder, wie der König uns geraten hat!«

»Ja,« rief der Inder, »der Geist drängt mich.«

»Es sei!« sprach Balthasar mit gleicher Wärme. »Die Kamele stehn bereit.«

Sie beschenkten den Torwächter, schwangen sich in die Sättel, ließen sich den Weg nach dem Joppe-Tore zeigen und ritten fort. Als sie auf die Ebene von Rephaim gelangten, erschien am Himmel ein Licht, zuerst unbestimmt und matt. Ihre Herzen pochten schneller. Das Licht nahm rasch an Stärke zu, und schließlich sahen sie wieder den Stern. Er stand ganz niedrig am Himmel und ging langsam vor ihnen her. Sie falteten die Hände und stießen im Übermaß der Freude einen Schrei aus.

»Gott ist mit uns! Gott ist mit uns!« jubelten sie und folgten dem Stern, bis er über einem abgelegenen Stalle in der Nähe von Bethlehem stille stand.

Eben begann die dritte Nachtwache. Im Osten dämmerte bereits über den Bergen der Morgen, aber so schwach, daß es im Tale noch Nacht war. Der Wächter auf dem Dache der Herberge lauschte, von Kälte durchschauert, sehnsüchtig den ersten vernehmbaren Lauten, womit das erwachende Leben den anbrechenden Tag begrüßt, als ein Licht den Berg heraufschimmerte und dem Hause sich näherte. Er hielt es erst für eine Fackel in der Hand eines nächtlichen Wanderers, dann meinte er, ein Meteor zu sehen. Der Glanz des Lichtes nahm aber immer zu, bis er sah, daß es ein Stern war. Aufs höchste erschreckt, schrie er auf und weckte dadurch alle Leute, die im Khan schliefen, sie eilten auf das Dach.

Die Erscheinung kam immer näher. Die Felsen, die Bäume und die Straße waren hell erleuchtet, und das Licht wurde so blendend, daß man die Augen hinwegwenden mußte. Einige unter den Zuschauern fielen auf die Knie nieder, verhüllten ihr Angesicht und beteten. Wer nach dem Stern zu schauen wagte, sah ihn gerade über dem Hause vor der Höhle, wo das Kind geboren wurde, stillstehn.

Als das Licht am stärksten strahlte, langten die Weisen bei der Herberge an. Vor dem Tore stiegen sie von den Kamelen und begehrten laut Einlaß. Erst nach einiger Zeit hatte der Wächter sich so weit von seinem Schrecken erholt, daß er ihrem Rufe Folge leisten konnte, er stieg hinab, schob den Riegel zurück und öffnete ihnen. Die Kamele erschienen in dem wunderbaren Lichte wie geisterhaft; das Fremdländische an den drei Besuchern, ihr ungestümer Eifer und ihre Begeisterung, die sich auf ihren Gesichtern wie an ihrem ganzen Wesen zeigten, mußten die Furcht und die Phantasie des Wächters noch mehr erregen. Er taumelte zurück und konnte eine Zeitlang die an ihn gestellten Fragen nicht beantworten.

»Ist dies nicht Bethlehem in Judäa?«

Es traten auch andere hinzu und ihre Gegenwart gab ihm wieder Mut.

»Nein, dies ist nur die Herberge; die Stadt liegt weiter drüben.« »Befindet sich hier nicht ein neugebornes Kind?«

Die Nebenstehenden blickten einander verwundert an, einige aber antworteten: »Ja, ja!«

»Führt uns zu ihm!« rief Balthasar, »denn wir haben seinen Stern gesehen, den nämlichen, den ihr dort über dem Hause seht, und sind gekommen, ihn anzubeten.«

Die Leute auf dem Dache stiegen herab und folgten den Fremden, als sie jetzt über den Hof und in die Einfriedung hinausgeführt wurden. Als die Fremden sich dem Hause näherten, erhob sich der Stern, als sie an der Tür waren, schwebte er erblassend hoch über ihnen, und als sie eintraten, entschwand er vollends dem Gesichtskreis. Alle Zuschauer begriffen, daß zwischen dem Sterne und den Fremden ein innerer Zusammenhang waltete, der sich auch auf die Bewohner der Höhle erstreckte. Als die Tür geöffnet ward, drängten sie sich hinein.

Der Raum, den sie betraten, war so weit von einer Laterne erleuchtet, daß es den Fremden möglich war, die Mutter und das Kind, das wach in ihren Armen lag, zu sehen.

»Ist das dein Kind?« fragte Balthasar Maria.

Und sie, die alles, was irgendwie das Kind betraf, in ihrem Herzen bewahrte und erwog, hielt es gegen das Licht und sprach: »Dies ist mein Sohn!«

Und sie fielen nieder und beteten ihn an.

Wie sie sahen, glich das Kind anderen Kindern, sein Haupt schmückte weder ein Glorienschein noch eine irdische Krone. Seine Lippen öffneten sich nicht zur Rede, wenn es auch ihre Freudenrufe, ihre Lobpreisungen und Gebete hörte, es gab doch kein Zeichen davon, sondern blickte nach Kindesart länger nach dem Lichte als nach ihnen.

Nach einiger Zeit erhoben sie sich und gingen zu den Kamelen. Dann kamen sie wieder mit Geschenken, Gold, Weihrauch und Myrrhen, und legten sie unter ehrfurchtsvollen Reden und Gebeten dem Kinde zu Füßen. Dies war also der Erlöser, den zu suchen sie aus weiter Ferne gekommen waren! Und sie beteten ihn an ohne irgendwelchen Zweifel im Herzen.

Ihr Glaube gründete sich auf die Zeichen, die ihnen derjenige gesandt hatte, den auch wir als unsern Vater erkennen. Seine Verheißungen genügten ihnen so vollständig, daß sie nicht nach feinen Mitteln und Wegen fragten. Wenige waren es, welche die Zeichen gesehen und die Verheißungen gehört hatten: die Mutter und Josef, die Hirten und die drei Weisen, und sie alle glaubten in gleicher Weise.

Sechstes Kapitel

Wir übergehen nun die folgenden einundzwanzig Jahre und versetzen uns in den Beginn der Verwaltung des Valerius Gratus, des vierten kaiserlichen Statthalters oder Landpflegers von Judäa. Während dieser Zeit hatten in dem Lande große Veränderungen stattgefunden. Herodes der Große war innerhalb eines Jahres nach der Geburt des Kindes gestorben, und zwar in einer so elenden Weise, daß die christliche Welt nicht ganz mit Unrecht behauptet, er sei vom göttlichen Zorne getroffen worden. Wie alle Herrscher, die nur auf Verstärkung ihrer Macht bedacht sind, träumte er davon, Krone und Reich zu vererben, eine Dynastie zu gründen. In dieser Absicht verfügte er testamentarisch, daß sein Land unter seine drei Söhne Antipas, Philipp und Archelaus geteilt werden, der Königstitel aber auf letzteren übergehen sollte.

Der Kaiser Augustus bestätigte auch dieses Testament, doch sollte der Königstitel dem Archelaus so lange vorenthalten bleiben, bis er Beweise seiner Befähigung und loyalen Gesinnung erbracht haben würde. Dafür aber wurde er zum Ethnarchen ernannt. Als solcher führte er neun Jahre hindurch die Regierung, wurde aber dann wegen schlechter Verwaltung und Unfähigkeit abgesetzt und in Gallien in die Verbannung geschickt.

Judäa wurde nun eine römische Provinz und zur Präfektur Syrien geschlagen. Auch war nicht länger Jerusalem der Sitz der Regierung, sondern Cäsarea. Alles dies kränkte das Selbstgefühl der Juden sehr, und sie hatten nur den einen Trost, daß der Hohepriester im herodianischen Palast wohnte und dort wenigstens den Schein einer Herrschergewalt ausübte. Aber die Entscheidung über Leben und Tod war dem Landpfleger vorbehalten. Die gerichtlichen Verhandlungen wurden im Namen Roms und nach römischen Gesetzen geführt. Zudem war im königlichen Palast auch die kaiserliche Steuerbehörde mit ihrem Heer von Beamten, Unterbeamten, Schreibern, Einnehmern, Denunzianten und Spähern untergebracht. Und doch fanden die Juden in ihren Träumen von Freiheit und Selbständigkeit eine gewisse Genugtuung in dem Umstände, daß der oberste Beamte im Palast ein Jude war. Seine bloße tägliche Gegenwart daselbst erinnerte sie an die Verheißungen der Propheten, an den Bund Jehovahs mit seinem Volke und an die Zeiten, da er durch die Söhne Aarons die zwölf Stämme regierte. Es galt ihnen als sicheres Zeichen, daß Jehovah sie nicht verlassen habe.

Auf diese Weise nährten sie ihre Hoffnung und warteten in Geduld, bis der Löwe aus dem Stamme Juda kommen und Israel regieren werde.

Mehr als achtzig Jahre lang war Judäa eine römische Provinz gewesen, und die Römer waren zur Überzeugung gelangt, daß dieses Volk leicht zu regieren sei, wenn man nur seine Religion achte. Dementsprechend hatten sich die Vorgänger des Gratus jeder Einmengung in die religiösen Gebräuche ihrer Untertanen gewissenhaft enthalten. Dieser aber schlug einen andern Weg ein, und seine erste Regierungshandlung war die Absetzung des Hohenpriesters Annas, an dessen Stelle er den Ismael, den Sohn des Fabus, fetzte. Um diese Zeit gab es in Judäa eine Partei der Vornehmen und eine Volkspartei, die eine Zeitlang gemeinsam gegen Archelaus gekämpft hatten, dann sich aber immer mehr gegeneinander wandten. Die Vornehmen haßten den Hohenpriester Joazar, die Volkspartei hing ihm mit Eifer an. Als der von Herodes zum Thronfolger bestimmte Archelaus unterlag, teilte Joazar seinen Fall, an seine Stelle wurde von den Vornehmen Annas, der Sohn Seths, zum Hohenpriester erwählt. Dadurch wurde der Gegensatz zwischen beiden Parteien zu erbitterter Feindschaft verschärft. Die Vornehmen waren zwar nach Archelaus' Fall in der Minderheit, aber sie wußten sich doch fünfzehn Jahre, nämlich bis zur Ankunft des Valerius Gratus, sowohl im Tempel als auch im Palaste zu behaupten. Annas, der Liebling seiner Partei, hatte seine Macht getreulich im Interesse seines kaiserlichen Schutzherrn verwendet. Eine römische Garnison hielt die Burg Antonia besetzt, römische Wachen standen vor dem Tore des Palastes, römische Steuern, die mit unnachsichtlicher Härte eingetrieben wurden, lasteten gleich schwer auf Stadt und Land. Täglich, stündlich und in tausenderlei Weise wurde das Volk gedrückt und gequält und an den Unterschied zwischen Freiheit und Knechtschaft erinnert; dennoch wußte Annas es in äußerlicher Ruhe zu erhalten. Als aber Ismael sein Amt antrat, begann das Feuer der Unzufriedenheit immer stärker aufzulodern, und der Prokurator Gratus sah sich gezwungen, die Burg Antonia mit einer ganzen Kohorte Legionssoldaten zu belegen.

So lagen die Dinge in Jerusalem, als an einem heißen Julitag um die Mittagszeit sich zwei Jünglinge im Garten eines Palastes auf dem Berge Sion befanden. Der Garten war rings von Gebäuden umgeben, an deren Seiten sich Galerien und Altane hinzogen. Grasflächen, Gesträuche und Bäume boten dem Auge einen entzückenden Anblick. Ein Springbrunnen in der Mitte ergoß sein kühles Wasser in ein Marmorbecken. Die beiden Jünglinge, die ein Alter von ungefähr neunzehn und siebzehn Jahren haben mochten, waren beide wohlgestaltet und konnten auf den ersten Blick für Brüder gehalten werden. Beide hatten schwarzes Haar und schwarze Augen, die Gesichtsfarbe war tiefbraun. Der ältere hatte die Kopfbedeckung abgelegt. Eine lose Tunika, die bis zu den Knien reichte, kennzeichnete ihn als Römer. Und wenn er im Gespräche von Zeit zu Zeit stolz auf seinen Gefährten herabblickte und ihn wie einen Untergeordneten anredete, so konnte man das einigermaßen entschuldigen, denn er stammte aus einer vornehmen Familie, die selbst in Rom im höchsten Ansehen stand – ein Umstand, der zu jener Zeit jede Anmaßung als verzeihlich erscheinen ließ.

In den großen Kriegen der ersten Kaiserzeit hatte sich die Familie Messala stets ausgezeichnet, der Kaiser Augustus verdankte ihnen viel und überhäufte sie mit Ehren. Unter anderm sandte er, als Judäa eine römische Provinz geworden war, den jungen Messala, den vorhin beschriebenen Jüngling, nach Jerusalem und übertrug ihm die Eintreibung und Verwaltung der in dieser Provinz erhobenen Steuern. Als oberster Steuerbeamter wohnte er neben dem Hohenpriester im königlichen Palaste.

Der Gefährte des Messala war schmächtiger von Gestalt, seine Kleider waren aus feinem weißen Linnen, seine Gesichtszüge kennzeichneten ihn als Juden. Die Stirn des Römers war hoch und schmal, seine Adlernase scharf, seine Lippen dünn und gerade, seine Augen kalt und unter dichten Brauen verborgen. Der jüdische Jüngling hatte eine niedrige, breite Stirn, eine lange Nase mit weiten Flügeln, eine kurze Oberlippe, die leicht die untere beschattete und wie mit einem Bogen die beiden Grübchen an den Mundwinkeln überspannte.

»Sagtest du nicht soeben, der neue Landpfleger werde morgen kommen?«

Diese Frage wurde von dem jüngeren der beiden Freunde gestellt, und zwar in griechischer Sprache, die in den gebildeten Kreisen Judäas allgemeine Umgangssprache geworden war.

»Ja, morgen,« antwortete Messala.

»Wer hat es dir gesagt?«

»Ismael, der neue Palastverwalter – ihr nennt ihn Hohenpriester – hat es gestern abend meinem Vater mitgeteilt. Auch habe ich heute morgen mit einem Hauptmann von der Burg gesprochen, und dieser erzählte mir, es würden bereits Vorbereitungen zu seinem Empfange getroffen, Helme und Schilde geputzt, die Adler und Kugeln vergoldet und Räumlichkeiten, die lange unbenutzt waren, gereinigt und gelüftet, als sollte die Besatzung um eine neue Abteilung verstärkt werden. Wahrscheinlich handelt es sich nur um die Leibwache des großen Mannes.«

Die Wangen des jüdischen Jünglings färbten sich röter und stumm, wie geistesabwesend, blickte er in die Tiefe des Teiches. Der spöttisch überlegene Ton in den Worten des Römers hatte sein Nationalgefühl gekränkt.

»Vor fünf Jahren nahmen wir in diesem Garten voneinander Abschied, als ich nach Rom ging,« sagte Messala, das Gespräch ablenkend. »Du hast dich inzwischen prächtig entwickelt, Judah!«

»Ja, es sind fünf Jahre,« antwortete der Jüngere. »Ich erinnere mich jenes Abschiedes recht gut. Du gingst nach Rom, ich sah dich abreisen und weinte, denn ich liebte dich. Die Jahre sind dahin. Hochgebildet und weltgewandt kehrst du zurück – ich scherze nicht. Und doch wünschte ich, du wärest derselbe Messala, der damals von mir geschieden ist.«

Der Nasenflügel des Spötters zuckte, und noch gedehnter kam es von seinen Lippen: »Warum so ernst? Und was meinst du mit deinem Ausspruch, ich sei nicht mehr derselbe Messala wie vorher?«

Der Jüngling errötete von neuem, doch antwortete er fest:

»Du hast, wie ich sehe, die Gelegenheiten, die sich dir boten, wohl benützt, du hast dir von deinen Lehrern manche Kenntnisse und ein vornehmes Betragen angeeignet. Du sprichst mit der Gewandtheit eines Meisters in der Redekunst, aber deine Rede birgt einen Stachel. Mein Messala hatte dieses Gift nicht, als er von mir schied; nicht um die Welt hätte er die Gefühle eines Freundes verletzt!«

Der Römer lächelte, als ob man ihm eine Schmeichelei gesagt hätte, und stolz warf er den Kopf zurück.

»O feierlicher Judah, wir sind nicht in Dodona oder Delphi. Laß deine Orakelsprüche und rede deutlich! Womit habe ich dich verletzt?«

Dieser atmete tief auf und antwortete, während er an der Schnur seines Kleides zupfte:

»In diesen fünf Jahren habe auch ich etwas gelernt. Hillel mag sich ja mit deinem Logiker nicht messen können und Simeon und Schammai erreichen jedenfalls deinen Lehrer am Forum nicht. Ihr Unterricht aber führt nicht auf verbotene Pfade, wer zu ihren Füßen sitzt, steht auf, bereichert mit der Kenntnis Gottes, des Gesetzes und Israels. Die Frucht dieser Kenntnis ist Liebe und Ehrfurcht gegen alles, was mit diesen im Zusammenhang steht. Der Besuch der hohen Schule und der Unterricht, den ich dort genoß, lehrte mich, daß Judäa heute nicht ist, was es ehedem war. Ich kenne den Abstand zwischen einem unabhängigen Königreich und einer armseligen Provinz, wie Judäa sie ist. Ich wäre niederträchtiger und verächtlicher als ein Samariter, wenn ich diese Erniedrigung meines Vaterlandes nicht fühlte. Ismael ist nicht rechtmäßiger Hoherpriester und kann es nicht sein, solange der edle Annas lebt. Doch ist er ein Levite, einer jener Gottgeweihten, die durch Jahrtausende treu dem Herrn, dem Gott unseres Glaubens und unserer Anbetung, gedient haben.«

Messala unterbrach ihn mit einem höhnischen Lachen: »O! ich verstehe dich jetzt! Ismael, sagst du, ist ein Eindringling. Was für merkwürdige Menschen ihr Juden doch seid. Was für merkwürdige Menschen ihr Juden doch seid. Alle Menschen und Dinge ändern sich, nur ihr bleibt immer dieselben. Alles dreht sich für euch um den kleinen Kreis eures Glaubens, außerhalb dessen ihr für gar nichts, weder für Kunst, noch für Wissenschaft Interesse habt. Das ist euer Leben mit seinen Schranken! Wer kann es mir verargen, wenn ich über euch lache? Was ist euer Gott, der sich mit der Anbetung eines solchen Volkes begnügt, gegen unfern römischen Jupiter, der uns seine Adler leiht, damit wir dis ganze Welt mit unsern Waffen erobern? Hillel, Simeon, Echammai, Abtalion – was sind diese gegen unsere Meister, die lehren, daß alles wissenswert ist, was im Bereiche des menschlichen Wissens liegt?«

Der Jude erhob sich, Zornesröte stieg ihm ins Gesicht. »Nein, nein; bleib sitzen, Judah, bleib sitzen!« rief Messala und begleitete sein Wort mit entsprechender Handbewegung.

»Du spottest meiner.«

»Höre mich ein wenig weiter!« sprach der Römer. »Ich danke dir, daß du hierher gekommen bist, um mich nach meiner Rückkehr zu begrüßen und die Freundschaft unserer Kindheit zu erneuern. Nun, inzwischen haben mir meine Lehrer gezeigt, daß heute Mars die Welt regiert, und daß Ruhm das einzige ist, was eines Römers würdig. Ich werde Soldat; und du, mein Judah? Ich bedaure dich; was kannst du werden? Von der Schule in die Synagoge, dann in den Tempel; und dann – welch hohe Auszeichnung! – ein Sitz im Hohen Rate. Ein Leben ohne Aussichten; mögen die Götter dir gnädig sein! Aber ich–«

Judah blickte auf, gerade im rechten Augenblicke, um den Ausdruck des Stolzes zu gewahren, den Messalas Gesichtszüge angenommen hatten, da er fortfuhr:

»Aber ich – noch ist nicht die ganze Welt erobert! Das Meer birgt Inseln, die noch niemand entdeckt hat. Im Norden wohnen Völker, die noch keinen Römer gesehen haben. Der Ruhm, den Zug Alexanders nach dem fernen Osten vollendet zu haben, ist bisher noch nicht errungen! Sieh, die ganze Welt steht einem Römer offen!«

Nach einer kleinen Pause verfiel er wieder in seinen gewohnten schleppenden Ton:

»Ein Feldzug nach Afrika oder gegen die Skythen; dann eine Legion! Hiermit beenden die meisten ihre Laufbahn; nicht so ich! Ich, ich lasse die Legion für eine Präfektur. Denke dir, was für ein Leben in Rom mit Geld – Geld, Wein, Weiber, Spiele – Sänger an der Tafel, Intrigen am Hofe, Würfelspiele das ganze Jahr! Ein solches Leben mit seinem Kreislauf kann eine fette Präfektur bieten, – und die muß ich haben. O mein Judah, hier ist Syrien; Judäa ist reich; Antiochien eine Hauptstadt für die Götter. Ich will der Nachfolger des Cyrenius werden und du sollst mein Glück mit mir teilen!« Bei den Sophisten und Rhetorikern Roms, die den Unterricht und die Erziehung der vornehmen Jugend fast ausschließlich in ihren Händen hatte, hätte Messala mit seinen Ausführungen jedenfalls Beifall gefunden, denn sie entsprachen ganz dem damaligen Zeitgeiste. Dem jüdischen Jüngling aber waren sie etwas Neues, da sie von dem feierlichen Gesprächston, an den er gewöhnt war, zu weit abstanden. Mit wechselnden Gefühlen, die immer mehr zu Zorn und herbem Schmerz anwuchsen, hörte er die spöttischen, hochfahrenden Worte feines Freundes an. Doch zwang er sich zu einem Lächeln, als er entgegnete:

»Es gibt, wie ich gehört habe, Leute, die es zustande bringen, in betreff ihrer Zukunft zu scherzen. Ich gehöre jedenfalls nicht dazu.«

Der Römer betrachtete ihn aufmerksam, dann erwiderte er: »Warum sollte man die Wahrheit nicht ebensogut in einen Scherz wie in einen Vergleich kleiden können? Eines Tages ging die große Fulvia mit anderen fischen, sie allein fing mehr Fische als die ganze übrige Gesellschaft. Man sagte, deshalb, weil ihr Angelhaken vergoldet war.« »Du hast also nicht bloß im Scherz geredet?«

»Ich sehe, mein Judah, ich habe dir noch nicht genug geboten,« antwortete der Römer lebhaft, während seine Augen blitzten. »Wenn ich einmal Präfekt bin und Judäa habe, um mich zu bereichern, dann – will ich dich zum Hohenpriester machen.«

Zornentflammt wandte sich der Jude zum Gehn.

»Bleib doch,« sagte Messala.

Der andere blieb unentschlossen stehn.

»Bei den Göttern, Judah, wie heiß die Sonne scheint!« rief der Patrizier, da er die Erregung seines Freundes bemerkte. »Suchen wir den Schatten auf.«

Judah antwortete kühl: »Es ist besser, wir scheiden. Ich wünschte, ich wäre nicht gekommen. Ich suchte einen Freund und finde einen –«

»Römer,« ergänzte Messala schnell.

Die Hände des Juden ballten sich, doch beherrschte er sich wieder und ging dann ruhig fort. Auch Messala erhob sich, nahm den Mantel von der Ruhebank auf, warf ihn um und folgte dem Gefährten. Als er ihn eingeholt hatte, legte er ihm die Hand auf die Schulter und schritt an seiner Seite dahin.

»In dieser Weise – meine Hand auf deiner Schulter – pflegten wir miteinander zu gehn, als wir Kinder waren. Gehn wir auch jetzt so bis zum Tore.«

Messala bemühte sich augenscheinlich, ernst und freundlich zu sein, obschon es ihm nicht gelang, den satirischen Ausdruck aus seinem Gesichte zu verbannen. Judah gestattete diese vertrauliche Annäherung.

»Du bist ein Knabe, ich bin ein Mann; als solcher will ich reden.«

Die Selbstgefälligkeit des Römers war ergötzlich.

»Judah, warum wurdest du so zornig, als ich davon sprach, einmal der Nachfolger des Cyrenius werden zu wollen? Du dachtest vielleicht, ich wolle mich durch Plünderung eures Judäa bereichern. Gesetzt den Fall, irgendein Römer wird es eines Tages doch tun. Warum nicht ich?«

Judah hemmte seine Schritte.

»Es haben schon vor den Römern Fremde über Judäa geherrscht,« sagte er mit erhobener Hand. »Wo sind sie jetzt, Messala? Judäa hat sie alle überlebt. Was einmal war, wird wieder sein.«

Messala nahm wieder seinen schleppenden Ton an:

»Nur nicht zu hitzig, mein Judah! Wie hätte mein Lehrer mir gezürnt, wenn ich in seiner Gegenwart diese Leidenschaftlichkeit entwickelt hätte! Ich hatte noch anderes mit dir zu besprechen vor, aber ich wage es jetzt nicht.«

Als sie einige Schritte gegangen waren, nahm der Römer wieder das Wort:

»Ich meine, du bist jetzt stark genug, mich anzuhören, zumal das, was ich dir mitzuteilen habe, dich selbst betrifft. Ich wollte dir nützlich sein, mein schöner Judah, ich wollte dir von Herzen gerne dienen. Ich liebe dich mit jener Liebe, deren ich überhaupt fähig bin. Ich sagte dir vorhin, daß ich Soldat zu werden gedenke. Warum nicht auch du? Warum nicht aus dem engen Kreise heraustreten, in den ihr durch Gesetz und Herkommen gebannt seid?«

Judah antwortete nicht.

»Wer sind die Weisen unserer Tage?« fragte Messala weiter. »Nicht jene, die ihr Leben lang sich über Totes und Vergangenes herumzanken: über einen Baal, Jupiter und Jehovah, über philosophische Systeme und Religionen. Nenne mir einen großen Namen, Judah. Es ist mir einerlei, wo du ihn suchst, sei es in Rom oder in Ägypten, im Osten oder hier in Jerusalem – Pluto soll mich holen, wenn er nicht einem Manne gehört, der sich seinen Ruhm aus dem Materiale schuf, das die Gegenwart ihm lieferte; der nichts heilig hielt, was nicht seinen Zwecken diente, und nichts verachtete, was ihnen förderlich war! War's nicht so bei Herodes? oder den Makkabäern? oder bei Cäsar? Folge ihrem Beispiel! Beginne gleich jetzt! Sieh, Rom reicht dir ebenso bereitwillig die Hand zur Hilfe wie dem Idumäer Antipater.«

Judah zitterte vor Erregung. Da sie schon dem Gartentore nahe waren, beschleunigte er seine Schritte, um dem Römer zu entrinnen.

»O Rom! Rom!« murmelte er.

»Sei weise,« drängte Messala weiter in ihn. »Laß die Torheiten eines Moses und die jüdischen Überlieferungen: betrachte die Verhältnisse, wie sie einmal sind. Blick' den Parzen beherzt ins Gesicht und sie werden dir sagen, daß Rom die Welt ist, und daß Judäa nur ist, was Rom will.«

Sie standen jetzt vor dem Tore. Judah blieb stehen, zog die Hand Messalas sanft von seiner Schulter und blickte ihn mit Tränen in den Augen an.

»Ich verstehe dich; du bist ein Römer. Du kannst mich nicht verstehn – ich bin ein Israelit. Du hast mir heute bittere Qual bereitet und mich überzeugt, daß wir nie mehr die Freunde sein können, die wir waren – nie mehr. Hier scheiden wir. Der Friede des Gottes meiner Väter sei mit dir!«

Messala streckte ihm die Hand entgegen, der Jude aber entfernte sich, unbekümmert um ihn, durch das Tor. Der Römer blickte ihm eine Weile schweigend nach; dann schritt auch er durch das Tor und sprach kopfschüttelnd zu sich selber:

»So sei es denn! Mars regiert die Welt!«

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