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»Tretet ein!«

Sie traten in den Raum und blickten sich um. Durch die geöffnete Tür strömte das Licht auf einen unebenen Boden und ließ in der Mitte des Raumes Haufen von Getreide und Heu, irdene Gefäße und andere Hausgeräte wahrnehmen. Längs der Seitenwände standen aus Stein gemauerte Krippen, die auch für Schafe niedrig genug waren. Stallungen oder gesonderte Abteilungen waren nicht zu sehen.

»Diese Vorräte«, sagte der Führer, »sind für Wanderer wie ihr. Nehmt davon, was ihr benötigt.« Dann wandte er sich zu Maria: »Kannst du hier ruhen?«

»Diese Stätte ist heilig,« antwortete sie. »So will ich euch verlassen. Friede sei mit euch!«

Als er sich entfernt hatte, machten sie sich eilig daran, die Höhle wohnlich herzurichten.

Zu einer bestimmten Stunde am Abend hörte der Lärm in der Herberge auf. Gleichzeitig erhob sich jeder Israelit, blickte mit feierlich ernstem Gesichte gegen Jerusalem, kreuzte die Hände über der Brust und betete, denn es war die heilige neunte Stunde, zu welcher im Tempel auf dem Berge Moriah in Gottes geheimnisvoller Nähe das Opfer dargebracht wurde. Als das Gebet zu Ende war, begann das Gewoge aufs neue, jeder beeilte sich, ein Nachtmahl zu bereiten oder seine Lagerstätte herzurichten. Etwas später wurden die Lichter ausgelöscht; alles schwieg und sank in Schlaf.

Ungefähr um Mitternacht rief jemand auf dem Dache: »Was ist das für ein Licht am Himmel? Wachet auf, Brüder, wachet auf und schauet!«

Schlaftrunken richteten sich die Leute auf und blickten um sich, Staunen erfaßte alle, als sie zu vollem Bewußtsein gekommen waren. Ein Lichtstrahl, der in unermeßlicher Ferne über den nächsten Sternen seinen Anfang nahm, fiel schräg zur Erde, an seinem Beginne ein verschwindend kleiner Punkt, erweiterte er sich allmählich, so daß er auf der Erde sich auf Meilen zu erstrecken schien. Der Khan war so vom Licht beschienen. daß auf dem Dache jeder des andern Gesicht und das Staunen, das sich auf demselben malte, deutlich sehen konnte.

Minutenlang blieb der Strahl unverändert am Himmel. Das Staunen der Leute verwandelte sich in Scheu und Furcht: die Zaghaften zitterten, die Kühnsten sprachen nur im Flüsterton.

»Habt ihr je Ähnliches gesehen?« fragte einer.

»Es scheint gerade über dem Berge dort zu sein. Ich kann nicht sagen, was es ist: ich habe auch nie etwas Ähnliches gesehen,« lautete die Antwort.

»Ich weiß, was es ist,« rief einer. »Die Hirten haben einen Löwen gesehen und Feuer gemacht, um ihn von den Herden fernzuhalten.«

Die Umstehenden atmeten erleichtert auf und sagten:

»Ja, so ist es! Wir sahen die Herden heute drüben im Tale weiden.«

Die Beruhigung dauerte aber nicht lange. Einer der Umstehenden rief:

»Nein, nein! Wenn man alles Holz in allen Tälern Judas auf einem Haufen zusammentrüge und in Brand steckte, könnte die Flamme kein so starkes und helles Licht geben.«

Tiefes Schweigen folgte dieser Bemerkung auf dem Dache, das nur einmal unterbrochen wurde, solange die Erscheinung dauerte.

»Brüder!« rief ein Jude von ehrwürdigem Aussehen, »was wir hier schauen, ist die Himmelsleiter, die unser Vater Jakob im Traume gesehen. Gepriesen sei der Herr, der Gott unserer Väter!«

Drittes Kapitel

Ungefähr zwei Meilen südöstlich von Bethlehem liegt eine Ebene, die durch einen Gebirgszug von der Stadt geschieden ist. Gegen die Nordwinde wohl geschützt, war das Tal dicht mit Maulbeerbäumen, Zwergeichen und Fichten bewachsen, während die angrenzenden Schluchten mit Oliven- und Maulbeergebüsch bestanden waren. Alles das war um diese Jahreszeit von unschätzbarem Werte für die Schafe, Ziegen und Rinder, aus denen die wandernden Herden zusammengesetzt waren.

Am äußersten Ende des Tales befand sich unter einer schroffen Felswand eine geräumige, Jahrhunderte alte Schafhürde. Hirten, die am Tage vorher auf diese Ebene hinaufgezogen waren, um neue Weideplätze zu suchen, hatten bei Sonnenuntergang ihre Herden hineingetrieben, weil sie dort vor wilden Tieren in Sicherheit waren. Am Eingange zündeten sie ein Feuer an und nahmen ein einfaches Mahl, dann setzten sie sich zur Ruhe und Unterhaltung nieder, während einer Wache halten mußte. Nach einer Weile legten sie sich zum Schlafe nieder, und nur der Wächter schritt draußen auf und ab.

Die Nacht war, wie die meisten Winternächte in dem hügeligen Lande, hell und frisch; zahllose Sterne funkelten am Himmel. Kein Lüftchen regte sich. Nie schien die Luft so rein, und die Stille der Nacht war mehr als Schweigen; es war eine heilige Stille, ein Wink, daß der Himmel sich niederneigte, um der lauschenden Erde etwas Freudiges zuzuflüstern.

Langsam verstrich die Zeit. Endlich war es Mitternacht, und der Wächter wollte schon seine Ablösung wecken, um sich selbst zur Ruhe zu legen, als er plötzlich überrascht stehen blieb. Ein heller Lichtstrahl umgab ihn wie sanftes Mondlicht. Atemlos wartete er. Aber das Licht wurde immer heller, bis es die ganze Umgebung blendend erleuchtete. Von Schrecken erfaßt, rief er:

»Wacht auf, wacht auf!«

Die Hunde sprangen auf und liefen heulend davon. Die Herden rückten erschrocken eng zusammen. Die Männer standen auf und griffen zu den Waffen.

»Was ist's?« riefen sie wie aus einem Munde.

»Seht!« rief der Wächter, »der Himmel steht in Flammen!«

Der Glanz des Lichtes blendete sie so, daß sie ihre Augen verdeckten. Von Furcht und Schrecken erfaßt, warfen sie sich halb ohnmächtig mit dem Angesichte zur Erde nieder, wie um zu sterben. Eine Stimme aber sprach zu ihnen:

»Fürchtet euch nicht!«

Sie horchten auf.

»Fürchtet euch nicht! denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die allem Volke zuteil werden soll!«

Die Stimme klang so sanft und weich, daß sie keines Menschen Stimme sein konnte, und zugleich so hell, daß sie ihr ganzes Wesen durchdrang und sie mit Zuversicht erfüllte. Sie erhoben sich auf die Knie, und wie sie voll Ehrfurcht aufblickten, sahen sie in der Mitte des Lichtscheines die Erscheinung eines Mannes in glänzend weißem Gewande. Über seinen Schultern leuchteten die Spitzen zusammengefalteter Flügel hervor, über dem Haupte strahlte ein Stern in ruhigem Glanze wie der Abendstern. Und die Hirten erkannten, daß ein Engel Gottes zu ihnen herabgestiegen war.

Der Engel aber fuhr fort:

»Denn heute ist euch in der Stadt Davids der Heiland geboren worden, welcher ist Christus, der Herr!«

Abermals schwieg er, während seine Worte sich tief in ihre Herzen senkten.

»Und dies soll euch zum Zeichen sein,« sagte der Himmelsbote weiter: »Ihr werdet ein Kind finden, in Windeln eingewickelt und in einer Krippe liegend.«

Der Engel sprach nicht mehr; seine frohe Botschaft war verkündet; dennoch blieb er eine Zeitlang.

Plötzlich begann das Licht, dessen Mittelpunkt er zu sein schien, sich rosig zu färben und zu zittern; in hoher Ferne erschienen glänzende Flügel, und eine Menge strahlender Gestalten und viele Stimmen erschallten und sangen zu gleicher Zeit:

»Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind!«

Als die Hirten wieder zu sich gekommen waren, blickten sie einander wie traumverloren an, bis einer von ihnen sagte:

»Es war Gabriel, der Bote des Herrn an die Menschen.«

Keiner antwortete.

»Christus der Herr ist geboren; sagte er nicht so?«

Nun erlangte ein anderer die Sprache wieder und antwortete:

»Ja, das sagte er.«

»Und sagte er nicht auch: in der Stadt Davids? Das ist ja unser Bethlehem dort! Und wir würden ihn als Kind finden, in Windeln eingewickelt?« »Und in einer Krippe liegend.«

Der, welcher zuerst gesprochen hatte, starrte nachdenklich ins Feuer; wie wenn er zu einem plötzlichen Entschlusse gekommen wäre, sagte er endlich:

»Es gibt nur einen Ort in Bethlehem, wo Krippen sind; nur einen, und zwar in der Höhle dort bei der alten Herberge. Brüder, laßt uns hingehen und sehen, was sich zugetragen hat. Die Priester und Schriftgelehrten erwarten schon lange den Messias. Jetzt ist er geboren, und der Herr hat uns ein Zeichen gegeben, an dem wir ihn erkennen können. Laßt uns hingehn und ihn anbeten.«

»Aber die Herden!«

»Der Herr wird sie in seine Obhut nehmen. Beeilen wir uns!«

Sie standen alle auf und verließen die Hürde. Sie gingen um den Berg herum und sodann durch die Stadt der Herberge zu. Am Tor angelangt, wurden sie vom Wächter angehalten.

»Was wünschet ihr?« fragte er.

»Wir haben heute nacht wunderbare Dinge gesehen und gehört,« antworteten sie.

»Nun, auch wir haben etwas Merkwürdiges gesehen, gehört aber nichts. Was habt ihr gehört?«

»Gehn wir zuerst zur Höhle in der Einfriedigung, um Gewißheit zu erlangen. Der Messias ist geboren!«

»Der Messias! Woher wißt ihr das?«

»Er wurde heute nacht geboren und liegt nun in einer Krippe; so wurde uns verkündet. Es gibt in Bethlehem nur einen Ort mit Krippen.«

»Die Höhle?«

»Ja! Komm mit!«

Sie durchschritten den Hof, ohne beachtet zu werden, obgleich dort noch einige wach waren und über das wunderbare Licht sprachen.

Die Tür der Höhle war offen, eine Laterne brannte im Innern. Sie traten ohne weiteres ein. »Friede sei mit dir!« grüßte der Torwächter Josef. »Es sind Leute hier, die ein Kind suchen, das diese Nacht geboren worden sei. Sie wollen es daran erkennen, daß es in Windeln eingewickelt ist und in einer Krippe liegt.«

Josef war gerührt; er wandte sich um und sprach: »Das Kind ist hier.«

Sie wurden zu einer der Krippen geführt, dort lag das Kind. Das Licht wurde herbeigebracht, sodann betrachteten die Hirten in stummer Andacht das Kind.

»Es ist der Messias!« sagte endlich einer von ihnen.

»Der Messias!« wiederholten alle und fielen anbetend auf die Knie.

Die schlichten Männer küßten den Saum des Kleides der Mutter und entfernten sich dann mit freudestrahlendem Gesicht. In der Herberge weckten sie die Leute und erzählten ihnen, was sie gesehen und gehört hatten. Auf dem ganzen Wege durch die Stadt und bis zur Hürde zurück sangen sie das Loblied der Engel: »Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willens sind!«

Die Erzählung der Hirten verbreitete sich rasch und wurde durch das Licht, das weit und breit gesehen wurde, bestätigt. An den folgenden Tagen wurde die Höhle von einer Menge Neugieriger besucht, von denen manche glaubten, aber mehr noch lachten und spotteten.

Viertes Kapitel

Am elften Tage nach der Geburt des Kindes, um die Mitte des Nachmittags, näherten sich die drei Weisen von Sichem her der Stadt Jerusalem. Als sie den Bach Kidron überschritten hatten, wurde die Straße belebter. Alle, denen sie begegneten, blieben stehn und blickten ihnen neugierig nach. Obgleich große Verkehrsstraßen durch Jerusalem führten und viele Fremden hier waren, erregten die drei Weisen doch die Aufmerksamkeit aller durch die Größe und Schönheit ihrer weißen Kamele und durch die Pracht ihrer Ausstattung. Vor einer Menschengruppe, die an der Straße gegenüber den Königsgräbern saß, hielten die vornehmen Fremden.

»Gute Leute,« sagte Balthasar und beugte sich dabei von seinem Sitz herab, »liegt nicht Jerusalem in der Nähe?«

»Ja,« antwortete eine Frau, »wenn die Bäume dort auf dem Hügel etwas niedriger wären, könntet ihr die Türme auf dem Marktplatze sehen.«

Balthasar warf dem Griechen und dem Inder einen Blick zu und fragte dann:

»Wo ist der neugeborene König der Juden?«

Die Gefragten blickten einander verständnislos an, ohne zu antworten.

»Habt ihr nicht von ihm gehört?«

»Nein.«

»Nun, so erzählt allen, daß wir seinen Stern im Morgenlande gesehen haben und gekommen sind, ihn anzubeten.«

Die Freunde ritten nun wieder weiter.

Die gleiche Frage richteten sie auch an andere, aber mit demselben Erfolge. Eine Schar Menschen, die auf dem Wege zur Jeremiasgrotte war, geriet über die Frage und die Erscheinung der Männer in solches Staunen, daß sie umkehrte und ihnen in die Stadt folgte.

Sie waren von dem Gedanken an ihre Sendung so sehr erfüllt, daß sie keinen Sinn hatten für den herrlichen Anblick, der sich ihnen jetzt bot. Sie ritten durch das Damaskustor, an dem ein römischer Soldat Wache hielt.

»Friede sei mit dir!« grüßte der Ägypter mit klarer Stimme.

Die Wache gab keine Antwort.

»Wir kommen aus weiter Ferne, um den neugebornen König der Juden zu suchen. Kannst du uns sagen, wo wir ihn finden?«

Der Soldat hob das Visier seines Helmes und rief mit lauter Stimme. Rechts vom Eingange erschien ein Offizier. »Was wollt Ihr?« fragte er Balthasar in der Sprache des Landes.

Und Balthasar antwortete in derselben Sprache:

»Wo ist der neugeborene König der Juden?«

»Herodes?« fragte erstaunt der Offizier.

»Herodes hat sein Königtum vom Kaiser. Nein, nicht Herodes.«

»Einen andern König der Juden gibt es nicht!«

»Aber wir haben seinen Stern gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten.«

Der Römer war erstaunt.

»Geht weiter!« sagte er endlich. »Geht weiter! Ich bin kein Jude. Fragt die Gesetzeslehrer im Tempel, oder Annas, den Priester, oder noch besser Herodes selbst. Wenn es außer ihm noch einen andern König der Juden gibt, wird er ihn zu finden wissen.« Er machte nun den Fremden die Bahn frei und diese zogen durch das Tor.

Bei Beginn der engen Straße hielt Balthasar sein Tier an und sagte zu seinen Freunden:

»Der Zweck unseres Hierseins ist nun genügend bekannt. Bis Mitternacht wird die ganze Stadt von uns und unserer Sendung gehört haben. Suchen wir nun die Herberge auf.«

An jenem Abend waren mehrere Frauen auf der oberen Stufe der Treppe, die zum Teiche Siloah hinabführt, mit Waschen beschäftigt. Eine jede kniete vor einer breiten, irdenen Schüssel. Ein Mädchen, das am unteren Ende der Treppe stand, versorgte sie mit Wasser und sang, während es den Krug füllte. Während sie fleißig die Hände regten, die Wäsche in den Schüsseln rieben und wandten, traten zwei andere Frauen, jede mit einem leeren Kruge auf der Schulter, zu ihnen.

»Friede sei mit euch!« grüßte die eine von ihnen.

Die anderen hielten in ihrer Arbeit inne, richteten sich auf, trockneten ihre Hände und erwiderten den Gruß.

»Wißt ihr, was Neues geschehen ist?« »Was soll denn geschehen sein?«

»Ihr habt also nichts gehört?«

»Nein!«

»Man sagt, der Messias sei geboren,« brach die Neuigkeitskrämerin mit ihrer Erzählung los.

Lebhafte Neugierde spiegelte sich in den Gesichtern der Frauen. Schnell wurden die Krüge niedergestellt und in ebensoviele Sitze verwandelt.

»Der Messias!« riefen alle.

»So erzählt man.«

»Wer?«

»Alle; es ist das allgemeine Gespräch.«

»Glaubt es denn auch jemand?«

»Heute nachmittag kamen drei Männer über den Bach Kidron auf dem Wege von Sichem her,« erwiderte die Erzählerin mit umständlicher Genauigkeit, um jedem Zweifel zu begegnen.

»Jeder ritt ein glänzend weißes Kamel von solcher Größe, wie man sie bisher in Jerusalem nicht gesehen hat.«

Die Zuhörerinnen sperrten Mund und Augen auf.

»Es waren sicherlich vornehme und reiche Männer,« fuhr sie fort; »denn sie saßen unter einem seidenen Gezelte. Die Schnallen ihrer Sättel waren von Gold, desgleichen die Borten ihrer Zäume, die Schellen waren aus Silber und gaben liebliche Musik. Niemand kannte sie; sie sahen aus, wie wenn sie von den Grenzen der Erde gekommen wären. Nur einer führte das Wort, und an alle, denen sie begegneten, selbst an die Frauen und Kinder, richtete er die Frage: Wo ist der neugeborne König der Juden? – Niemand gab ihnen Antwort, niemand begriff, was sie meinten; und so zogen sie weiter mit der Erklärung: Wir haben seinen Stern im Morgenlande gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten. Sie legten diese Frage auch dem Römer am Tore vor, und dieser, ebenso unwissend wie das einfache Volk am Wege, sandte sie zu Herodes.«

»Wo sind sie jetzt?« »In der Herberge. Hunderte sind hingegangen, sie zu sehen, Hunderte gehn noch immer hin.«

»Wen meinen sie mit dem König der Juden?«

»Den Messias, der soeben geboren sei.«

Eine von den Frauen lachte und ging wieder an die Arbeit, indem sie sprach:

»Nun, wenn ich ihn sehe, will ich glauben.«

Eine andere folgte ihrem Beispiel:

»Und ich, – nur wenn ich ihn die Toten auferwecken sehe, will ich glauben.«

Eine dritte sagte ruhig:

»Er ist vor langer Zeit verheißen worden. Mir soll es genug sein, wenn ich ihn nur einen einzigen Aussätzigen heilen sehe.«

So saßen sie und plauderten, bis die Nacht einbrach und mit ihrer Kühle sie zwang, nach Hause zu gehen.

Fünftes Kapitel

Am selben Abend, ungefähr zu Beginn der ersten Nachtwache, fand im Palast auf dem Berge Zion eine Versammlung von ungefähr fünfzig Männern statt, die immer nur auf Befehl des Herodes abgehalten wurde, und zwar nur dann, wenn er über die eine oder andere schwierige Frage aus dem jüdischen Rechte oder der jüdischen Geschichte Auskunft begehrte. Es war eine Zusammenkunft der Gesetzeslehrer, der Hohenpriester und der durch Gelehrsamkeit ausgezeichneten Männer, der Führer der öffentlichen Meinung und der verschiedenen religiösen Anschauungen. Darunter befanden sich die Häupter der Sadduzäer, Pharisäer und Essäer.

Das Gemach, in dem die Sitzung stattfand, lag in einem der inneren Hofräume des Palastes und war sehr geräumig. Der Fußboden war mit Marmorplatten ausgelegt, die fensterlosen Wände schmückten Freskogemälde in safrangelben Feldern. In der Mitte des Saales befand sich ein mit hellgelben Kissen bedeckter Diwan in Hufeisenform mit der Öffnung dem Eingange zu, an der Krümmung des Diwans stand ein großer dreifüßiger Sessel, der seltsam mit Gold und Silber ausgelegt war. Über ihm hing von der Decke ein Kronleuchter mit sieben Armen herab, deren jeder eine brennende Lampe hielt.

Die Männer saßen nach Art der Morgenländer auf dem Diwan, ihre Kleidung hatte gleichen Schnitt, aber verschiedene Farben. Sie standen größtenteils in vorgerücktem Alter, lange Bärte umwallten ihre Gesichter. Die langen, gekrümmten Nasen und die großen, schwarzen Augen, die von dichten Brauen überschattet waren, verliehen ihnen ein eigenartiges Aussehen; ihr Benehmen war ernst, würdevoll, sozusagen patriarchalisch.

Am obersten Ende saß der Vorsitzende, eine ungewöhnliche, seltsame Erscheinung. Sein von Natur großer und starker Körper war schon gebeugt und wie zu einem Skelett zusammengeschrumpft; ein weißes Kleid hing in losen Falten von den Schultern herab. Die Hände, die von seidenen, rot und weiß gestreiften Ärmeln halb verdeckt waren, hielt er gefaltet auf dem Knie. Sein Haupt war kahl und nur von wenigen silberweißen Haaren umsäumt; den unteren Teil des Gesichtes bedeckte ein lang herabwallender Bart, der ihm ein ehrwürdiges Aussehen gab. Das war Hillel, der Babylonier. In einem Alter von hundertundsechs Jahren war er noch Vorsitzender des Hohen Rates.

Auf dem Tische vor ihm lag ausgebreitet eine Pergamentrolle, die mit hebräischen Schriftzeichen beschrieben war, hinter ihm stand in abwartender Haltung ein reichgekleideter Knabe. Diesen rief er vor.

»Geh und melde dem König, daß wir bereit sind, ihm Antwort zu geben.«

Der Knabe eilte hinweg.

Nach einer Weile traten zwei Soldaten ein und stellten sich rechts und links von der Tür auf. Ihnen folgte langsam eine auffallende Persönlichkeit, ein Greis in einem Purpurgewande, das mit Scharlach verbrämt war. Eine Binde aus fein getriebenem Golde, die schmiegsam war wie Leder, umgürtete den Leib, seine Schuhe funkelten von Edelsteinen, ein schmaler Kronreif aus Filigran schimmerte an seinem Haupte, das in einen auf die Schulter herabfallenden Tarbusch aus feinstem roten Samt gehüllt war. Anstatt eines Siegels hing ein Dolch an seinem Gürtel. Er hinkte im Gehen und stützte sich auf einen Stab. Ohne aufzublicken, trat er bis zum Diwan vor. Als ob er eben erst die Versammelten bemerkt hätte, richtete er sich nun auf und blickte stolz um sich, so finster, argwöhnisch, drohend war der Blick, den er auf die Anwesenden warf, daß man hätte meinen können, er suche einen Feind.

Es war Herodes der Große. Gebrochen am Leibe durch Krankheiten, belastet mit schweren Verbrechen, ausgestattet mit herrlichen Geistesgaben –ein würdiger Genosse der Cäsaren –, behauptete er noch jetzt in seinem siebenundsechzigsten Jahre seinen Thron mit wachsamer Eifersucht, despotischer Macht und unerbittlicher Grausamkeit.

Eine allgemeine Bewegung ging durch die Versammelten; die älteren beugten sich zum Gruße vor. Andere, die Hofgunst mehr zu schätzen wußten, erhoben sich von ihren Sitzen, beugten das Knie und legten die Hände an den Bart oder auf die Brust. Nachdem Herodes Umschau gehalten hatte, schritt er bis zum Dreifuß gegenüber dem ehrwürdigen Hillel, der seinem kalten Blicke mit einer Verneigung des Hauptes und einer leichten Erhebung der Hände begegnete.

»Die Antwort!« sagte der König in gebieterischer Kürze, zu Hillel gewandt, und stützte sich dann mit beiden Händen auf den Stab. – »Die Antwort!«

Die Augen des ehrwürdigen Greises leuchteten in mildem Lichte. Er erhob sein Haupt, blickte dem König voll ins Gesicht und antwortete unter gespannter Aufmerksamkeit der Anwesenden: »Der Friede des Gottes Abrahams, Isaaks und Jakobs sei mit dir, o König!« Seine Worte klangen feierlich wie ein Gebet; dann fuhr er in gewöhnlichem Tone fort: »Du hast von uns zu wissen verlangt, wo der Messias geboren werden, sollte.«

Der König nickte, während sein finsterer Blick fest auf Hillel gerichtet war.

»Nun denn, o König! In meinem Namen und im Namen meiner Brüder hier, die mit mir gleicher Meinung sind, sage ich dir: zu Bethlehem in Judäa.«

Hillel blickte aus die Pergamentrolle, die auf dem Dreifuße lag, zeigte mit zitterndem Finger auf eine Stelle hin und las: »Und du, Bethlehem im Lande Judäa, bist keineswegs die geringste unter den Fürstenstädten Judas; denn aus dir wird hervorgehn der Fürst, der mein Volk Israel regieren soll.«

Herodes war betroffen, nachdenklich ruhte sein Blick auf dem Pergament. Die Anwesenden wagten kaum zu atmen; sie schwiegen wie Herodes. Endlich wandte er sich um und verließ den Saal.

»Brüder,« sagte Hillel, »wir sind entlassen.«

Die Versammelten erhoben sich und gingen gruppenweise fort.

»Simeon!« sprach Hillel wieder.

Ein Mann im Alter von etwa fünfzig Jahren, aber in voller körperlicher Frische, antwortete auf den Ruf und trat zu Hillel.

»Nimm das heilige Pergament, mein Sohn, und rolle es mit gebührender Sorgfalt zusammen!«

Der Befehl wurde vollzogen.

»Nun reiche mir deinen Arm und führe mich zur Sänfte!«

So verließen der berühmte Lehrer und sein Sohn Simeon, welcher der Erbe seiner Weisheit, Gelehrsamkeit und seines Amtes sein sollte, den Sitzungssaal des Hohen Rates.

Am selben Abend, aber noch etwas später, legten sich die drei Weisen in einer Kammer der Herberge zur Ruhe nieder. Die Steine, welche ihnen als Kopfkissen dienten, gaben ihnen eine so hohe Lage, daß sie durch den offenen Eingang das Firmament erblicken konnten; und wie sie die blinkenden Sterne betrachteten, dachten sie daran, wann ihnen die nächste Offenbarung werden würde. Während sie mit diesen Gedanken beschäftigt dalagen, schritt ein Mann durch den Eingang. »Wachet auf!« rief er ihnen zu. »Ich bringe euch eine Botschaft, die kein Zögern duldet.«

»Von wem?« fragte der Ägypter.

»Vom König Herodes!«

»Bist du nicht der Wächter der Herberge?« fragte Balthasar.

»Ja, das bin ich.«

»Was wünscht der König von uns?«

»Sein Bote wartet draußen; er wird es euch sagen.«

»Saget ihm, er möge warten, wir werden sogleich kommen.«

Sie standen auf, legten die Sandalen an, warfen die Mäntel um und traten hinaus:

»Ich grüße euch und wünsche euch Frieden!« sagte der Bote. »Mein Gebieter, der König, hat mich gesandt, euch einzuladen, in den Palast zu kommen, wo er allein mit euch sprechen will.«

»Des Königs Wille ist unser Wille,« sprach Balthasar zum Boten; »wir werden dir folgen.«

Er trat dann zu dem Wächter der Herberge heran und sagte ihm leise: »Bereite, während wir fort sind, alles zu unserer Abreise vor, vielleicht ist es nötig, daß wir sofort aufbrechen.«

Die Straßen der heiligen Stadt waren damals ebenso eng wie heute; stumm folgten die drei Männer ihrem Führer, der sie endlich zu einem Tore führte. In dem Scheine zweier Kohlenfeuer, die vor dem Tore brannten, konnten sie die Umrisse eines Gebäudes sowie einige Wachtposten sehen, die regungslos auf ihre Waffen gestützt lehnten. Ohne angehalten zu werden, schritten sie durch das Tor. Und dann wurden sie durch ein ganzes Labyrinth von oft unbeleuchteten Gängen und Hallen, Hofräumen und Gemächern sowie über mehrere Treppen bis zu einem Turm von beträchtlicher Höhe geführt. Plötzlich blieb der Führer stehen, zeigte auf eine offene Tür und sprach zu ihnen: »Tretet ein! Hier ist der König.«

Der drückende Duft des Sandelholzes erfüllte das Gemach, in welches sie jetzt traten; die ganze Einrichtung zeugte von üppiger Prachtliebe. Ein schwerer Teppich war in der Mitte ausgebreitet und auf ihm stand ein Thron. Die Besucher hatten kaum Zeit, einen flüchtigen Blick auf den Raum und seine Einrichtung zu werfen, ihre ganze Aufmerksamkeit wurde von Herodes in Anspruch genommen, der in derselben Kleidung, die er in der Sitzung des Hohen Rates getragen hatte, auf dem Throne saß, um die Fremden zu empfangen.

Sie traten unaufgefordert bis zum Rande des Teppichs vor und verbeugten sich dann bis zum Boden. Der König klingelte. Ein Diener kam herein und stellte drei Stühle vor dem Throne auf.

»Setzet euch!« sagte huldvoll der Herrscher.

Als sie ihre Plätze eingenommen hatten, fuhr er fort: »Vom Nordtore her wurde mir heute nachmittag die Ankunft dreier Fremdlinge berichtet, die seltsam beritten und ausgerüstet waren und aussahen, als seien sie aus fernen Ländern gekommen. Seid ihr diese Männer?«

Auf einen Wink des Griechen und des Inders nahm der Ägypter das Wort und antwortete unter einer tiefen Verneigung:

»Wären wir andere als wir sind, so hätte uns der mächtige Herodes nicht hergerufen.«

»Wer seid ihr? Woher kommt ihr?« fragte Herodes weiter. Sie erstatteten ihm nun, einer nach dem andern, Bericht, indem sie einfach Ort und Land ihrer Geburt sowie den Weg, auf dem sie nach Jerusalem gekommen waren, angaben. Etwas enttäuscht, forschte sie Herodes genauer aus.

»Wie lautete die Frage, die ihr beim Tore an den wachehabenden Offizier stelltet?«

»Wir fragten ihn: Wo ist der neugeborne König der Juden?« »Ich begreife nun, warum das ganze Volk so in Bewegung kam. Ihr reget mich nicht minder auf. Gibt es denn noch einen andern König der Juden?«

Furchtlos antwortete der Ägypter:

»Ja, er wurde soeben geboren.«

Ein Zug des Schmerzes flog über das finstere Antlitz des Herrschers, wie wenn eine schreckliche Erinnerung seinen Geist folterte. »Nicht mir!« rief er aus, »nicht mir wurde er geboren!« Als er die Fassung wiedererlangt hatte, fragte er ruhig: »Wo ist der neugeborene König?«

»Das ist es eben, o König, wonach wir fragen!«

»Ihr setzt mich in Erstaunen! Ihr legt mir ein Rätsel vor, das schwieriger ist als jenes salomonische. Saget mir alles, was ihr über den Neugebornen wißt, und ich will euch helfen, ihn zu suchen. Und wenn wir ihn gefunden haben, will ich tun, was ihr nur wünschet. Ich will ihn nach Jerusalem bringen und ihn zum König erziehen, ich will meinen Einfluß beim Kaiser verwenden, um ihm hohe Stellungen und Ehren zu verschaffen. Eifersucht soll es nicht unter uns geben, das schwöre ich. Doch sagt mir zuerst, wie konntet ihr, die ihr doch durch Meere und Wüsten so weit voneinander getrennt waret, gleichzeitig von ihm hören?«

»Ich will es dir in Wahrheit sagen, o König!«

»Sprich!« gebot Herodes.

Balthasar richtete sich auf und sprach feierlich: »Es gibt einen allmächtigen Gott.«

Herodes erschrak sichtlich.

»Dieser befahl uns, hierher zu kommen und versprach uns, daß wir den Erlöser der Welt finden würden, daß wir ihn sehen

und anbeten und von seiner Ankunft Zeugnis geben sollten. Als Zeichen vom Himmel war einem jeden von uns beschieden, einen Stern zu schauen. Sein Geist war mit uns. O König, sein Geist ist jetzt mit uns!« Die drei Männer waren aufs tiefste bewegt; der Grieche vermochte mit Mühe einen Ausruf zurückzuhalten. Herodes' Blicke schossen von einem zum andern, er war noch unbefriedigter und noch mehr von Argwohn erfüllt als vorher.

»Ihr treibt mit mir Spott,« sagte er. »Und wenn nicht, so erzählt mir mehr. Was soll auf die Ankunft des neuen Königs folgen?«

»Die Erlösung der Menschen.«

»Wovon?«

»Von ihrer Sündhaftigkeit.«

»Wodurch?«

»Durch die Kraft Gottes; durch Glaube, Liebe und gute Werke.«

»Dann –« Herodes hielt inne, sein Blick ließ in keiner Weise die Gefühle erkennen, die seine Brust bewegten, als er fortfuhr: »Dann seid ihr die Verkündiger des Messias. Ist das alles?« Balthasar verbeugte sich tief: »Wir sind deine Diener, o König!«

Der König klingelte und der Diener erschien. »Bringe die Geschenke!« sagte der Herrscher.

Der Diener ging hinaus. In kurzer Zeit kehrte er zurück, kniete vor den Gästen nieder und reichte jedem einen Mantel in scharlachroter und blauer Farbe und einen golddurchwirkten Gürtel. Sie nahmen die Ehrengeschenke mit orientalisch unterwürfigen Dankesbezeugungen an.

»Noch ein Wort!« sagte Herodes, als die Förmlichkeiten beendet waren. »Ihr habt zum Offizier beim Tore und soeben zu mir von einem Stern gesprochen, den ihr im Morgenlande gesehen habt.«

»Ja,« sagte Balthasar, »es war sein Stern, der Stern des Neugeborenen.«

»Um welche Zeit erschien er?«

»Als uns befohlen wurde, hierher zu kommen.«

Herodes erhob sich, ein Zeichen, daß die Audienz zu Ende war. Er stieg vom Throne herunter, ging ihnen entgegen und sagte huldvollst: .

»Wenn ihr, erlauchte Männer, in der Tat die Verkündiger des neugeborenen Messias seid, wie ich nicht zweifle, so wisset, daß ich heute abend die weisesten der jüdischen Lehrer befragt habe, und sie sagen einstimmig, er solle zu Bethlehem in Judäa geboren werden. Ich sage euch also, geht dorthin; geht hin und forschet genau nach dem Kinde. Und wenn ihr es gefunden habt, so zeiget es mir an, damit auch ich komme, es anzubeten. Nichts soll euch auf dem Wege hinderlich sein. Friede sei mit euch!«

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