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Historische Entwicklung und ­Definition der Bedrohungsbilder ­sowie salvatorische Generalklausel

Manche historische Ängste sind nicht mehr aktuell (z. B.: Fernreisen, Hexerei, Seeungeheuer, …), andere aber noch durchaus präsent (Fremde, Weltuntergang, Dunkelheit, …) oder sogar berechtigt (Armut, Krankheit, Steuererhöhung, …). Den sehr lesenswerten historischen Untersuchungen [9–12] soll hier aber keine weitere hinzugefügt werden.

Als Zeithorizont der Wolfsplage konnte bisher eine ungenau definierte Zone, irgendwann in den 60er oder Anfang der 70er des 20. Jahrhunderts festgelegt werden. Der Grund ist, dass Massenpanik vorher scheinbar seltener war, jedenfalls aber in wesentlich geringer Vielfalt aufgetreten ist. Die von verschiedenen Autoren (z. B. [12]) geäußerte Theorie, dass der Fall der Berliner Mauer1 und die kurz darauf folgende Auflösung der Sowjetunion im Westen ein Angstvakuum schuf, das durch »Alarmismus« gefüllt werden musste, kann nicht eindeutig bestätigt werden – obwohl sich Wortspiele zum »horror vacui« aufdrängen würden.

Im historischen Verlauf wurden die Nazis als Feindbild überraschend schnell durch Kommunisten abgelöst, die bekanntlich überall zu finden waren und absolut alles unterwandert hatten (die sogenannte 5. Kolonne). Ihre finsteren Pläne, schlichtweg »das Gute« zu zerstören, konnten eigentlich nur durch die penible Säuberung2 Hollywoods von angeblichen Sympathisanten im allerletzten Augenblick durchkreuzt werden.

Trotz der »roten Gefahr« war das allgemeine Lebensgefühl damals nicht so übel. Breiter gesellschaftlicher Konsens war: Mit einigen Anstrengungen, besseren Bomben und strammer Disziplin wird’s schon werden. Technischer Fortschritt war eine Verheißung und kein Schreckgespenst. Die Autos waren riesig,3 relativ selten und zeigten deutlich, dass sich die Funktion dem Design unterzuordnen hatte. Flugzeuge hießen »Super-Constellation« und nicht »Airbus«. Der Traum von schneller und bequemer Überwindung langer Strecken wurde – ohne kleinliche ökonomische und ökologische Vorbehalte – geträumt, geplant und schließlich als Concorde bzw. Tupolew Tu-144 auch verwirklicht. Über den Atlantik – luxuriös und in nur wenigen Stunden –, eine Vorstellung, die in Zeiten, in denen man versucht, immer mehr Passagiervolumen pro Liter Kerosin auf noch kleinerem Raum noch billiger (aber doppelt so lange) zu transportieren, fast undenkbar scheint.

Die geplanten (praktisch schon beinahe bezugsfertigen) Siedlungen auf dem Meeresgrund und/oder auf dem Mond würden (na ja, fast) jedem ein schönes Heim mit Kamin und großer Einbauküche ermöglichen. Alles modern, bequem und vor allem sicher. Die Arbeit würde von putzigen Robotern erledigt werden, die ihre nie versiegende Kraft aus der problemlosen Atomenergie4 schöpfen. Die Hoffnung, dass alle (na ja, fast) mühselige Tätigkeit bald »automatisch« getan werden würde, war durch Staubsauger, Waschmaschine, Fertiggerichte, etc. fast (na ja, fast) schon Realität geworden. Die allgemeine Stimmung war also nicht so schlecht. (Wir bleiben in unseren Ausführungen stets bei der Betrachtung der westlich-technisierten, kapitalistischen Geschmacksrichtung.)

Diese Zeit soll hier jedoch keineswegs als vorbildlich oder auch nur gut dargestellt werden. Der Kalte Krieg konnte jeden Augenblick heiß werden, zivile Freiheiten waren praktisch unbekannt, Sex tabuisiert, Konformismus allgemein gefordert (dies allerdings auch später immer wieder). Nicht einmal Frauen, Farbige und Homosexuelle waren in gleichem Maße anerkannt wie heutzutage. Insgesamt war es eine miefige, kleinbürgerliche, autoritätshörige Epoche – aber die Ängste waren auf einige wenige Ziele fokussiert und sozusagen etabliertes Allgemeingut (wodurch die Möglichkeit bestand, sich als Kollektiv zu fühlen).

Der Stimmungsumschwung kam schleichend, viele Fragen sind in diesem Zusammenhang noch unbeantwortet. War es die Ermordung J. F. Kennedys (und dessen Ersatz durch den absolut unglamourösen Lyndon B. Johnson)? War es die Erkenntnis, dass der Mond keineswegs Bungalow-Errichtungs-GesmbH Hoffnungsland ist, sondern eher sterbenslangweilig? Waren es (chronologisch) die Antibabypille, Contergan® (=Thalidomid), der »Stumme Frühling« [13], Miniröcke, Vietnamkrieg, Rockmusik, Berkeley, Watergate oder die erste Ölkrise?

Wahrscheinlich ein wenig von allem, jedenfalls lagen plötzlich dunkle Schatten über der vorher so rosigen Zukunft. Der Glaube daran, »… die da oben hätten aus der Vergangenheit gelernt und wüssten schon, was sie tun …«, verschwand sogar bei vielen der nicht notorisch querulierenden Mitbürger. Die Studenten, Künstler und andere Intellektuelle konnte man sowieso vergessen, scheinbar hatten die Versprechungen künftiger Vorstadtbungalows, dicker Autos und öffentlichen Respekts auf diese Gruppe nicht recht glaubhaft gewirkt. Bald begannen die Menschen, anstatt bequeme Einwegprodukte zu konsumieren, jeden Mist zu sammeln, in der Hoffnung, irgendwie dann neuen Mist daraus herstellen zu können (Recycling). Ein Untergangsszenario folgte dem anderen, [14] »Prophets of Doom« wurden plötzlich ernst genommen. Millenniarismus bzw. Chiliasmus5 war angesagt, obwohl die Jahrtausendwende ja noch ein gutes Stück weit weg war. Vereinzelte Sektierergrüppchen waren zu politisch berücksichtigungswürdigen Wählerströmungen angewachsen. Ja, plötzlich waren sie überall – die Wölfe!

Und sie vermehrten sich munter – Alarmismus bedeutet, dass irgendwas, irgendwie, irgendwo, irgendwann, irgendwem passieren könnte. Diese Ansicht ist als solche nicht widerlegbar. Gerne sieht der, der sie vertritt, sich als besorgter, verantwortungsvoller Mahner in einer Welt der Unvernunft und genießt die Beachtung und Bedeutung, die ihm seine warnenden Worte eintragen. Vermutlich sind die Wölfe eines der wenigen Phänomene des ausgehenden 20. Jahrhunderts, für das die »Grenzen des Wachstums« [14] nicht gelten.

Weitgehend verzichten möchten wir hier auf die Untersuchung lokaler Probleme. Natürlich wird nicht jeder von allen Sorgen gleich stark geängstigt. Schwarzkopierte Musik und Videos mögen zum Beispiel dem einen oder anderen egal sein. Trotzdem kann jeder und jede6 mit dieser Problematik konfrontiert werden, beispielsweise durch enervierend-langweilige Vorspannsequenzen beim (teuer bezahlten) Konsum von Filmen – insgesamt also doch ein überregionales Problemchen, das jedem begegnen kann.

Mit Lokalproblem sind explizit ortsbezogene Katastrophen gemeint, wie Autobahntrassen, Fabriksan- oder -absiedelungen, Großbauprojekte usw. Die Grenzen zwischen örtlichen und überregionalen Aufregern sind aber natürlich graduell (z. B. Tschernobyl).

Allgemeine, diffus-chronische Stressfaktoren, wie z. B. »die Gesellschaft« oder »das Patriarchat« (alias Macho-Phallokraten-Aggressionsgesellschaft, etc.), werden ebenfalls nicht näher beachtet – dies wäre zu einfach und als Thematik wirklich zu »abgelutscht«. Außerdem werden aus Aktualitäts- und Pietätsgründen keine (na ja, fast) etablierten historischen Ängste wie Krieg, Armut, Krankheit usw. ­untersucht. Um Ehrenbeleidigungs-, Rufschädigungs- und sonstige Klagen zu vermeiden, kommen natürlich auch (fast) keine personalisierten Auslöser vor, egal ob lebend oder (besser) tot.

Wie nun einem Wolf begegnen, wie mit ihm umgehen, ihn verscheuchen oder abwehren? Selbstverständlich ohne Angst! Es ist möglich (besonders für Politiker), den jeweiligen Wolf »auszusitzen« – die nächste Schlagzeile kommt mit Sicherheit. Inzwischen kann man sich mit »Sammeln verlässlicher Daten«, »Erwägen von Maßnahmen«, »Einholen von Expertenmeinungen«, »Bildung von Arbeitsgruppen« oder gar »Veranstalten eines Gipfeltreffens« beschäftigen. Der Kelch geht bestimmt bald vorüber.

Der oft kurzfristige Wechsel der »Angstmode« kann aber sogar Nachteile bringen. Ich wurde einst selbst anlässlich einer Tagung Zeuge, wie innerhalb weniger Wochen viele Krebs-Spezialisten (wichtig) zu HIV/AIDS-Spezialisten (ebenfalls wichtig) konvertierten. Grund war die Verschiebung des Interesses der Medien, der Öffentlichkeit und besonders der Forschungsfonds-Manager, verursacht7 durch den AIDS-Wolf. Dies hatte eine Umschichtung von Forschungskapital (Charity-Fonds) ausgelöst, und dem pflegen Spitzenforscher zu folgen wie die Bienen dem Honig. (Der Vergleich von Fliegen und Aas ist in diesem Zusammenhang natürlich unangemessen.)

Es ist absolut zu begrüßen, dass die besten (bzw. teuersten) Forscher sich mit AIDS beschäftigen, wahr bleibt aber auch, dass Krebs die zweithäufigste Todesursache geblieben ist. Die rasche Ablösung der jeweiligen Besorgnis durch die nächste, modernere, kann jedoch bereits begonnene Bekämpfungsmaßnahmen behindern, falls es sich nicht nur um ein Hirngespinst, sondern – wie bei Krebs – um ein echtes, schwerwiegendes Problem handelt.

Insgesamt könnte nun gelegentlich der Eindruck entstehen, wir würden uns hier über die Sorgen anderer lustig machen. Um sicherheitshalber jeden fälschlichen Anschein von politischer oder irgendwelcher sonstiger Unkorrektheit schon im Ansatz zu vermeiden, folgt die salvatorische Generalklausel:

Die hier bagatellisierten, trivialisierten, bestrittenen, in andere Perspektive gestellten oder auch nur angezweifelten Katastrophenszenarios bedeuten für tatsächliche Opfer – sollte es solche wirklich geben – natürlich persönliches Unglück. Hierfür sei ihnen das ausdrückliche Mitgefühl des Autors zugesichert! Ziel dieser Ausführungen ist die Kritik am Erzeugen und Ausnutzen von Ängsten aus meist niederen Motiven. Aufgrund von unzureichenden Informationen bei anderen Panik zu erzeugen, sich zu bereichern oder sogar wider besseres Wissen Menschen in Angst und Sorge zu versetzen, ist eigentlich soziopathisches Verhalten.

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Die Gesundheit – ­Mindestens haltbar bis 2011?

In diesem Abschnitt wenden wir uns den unmittelbaren Gesundheitsgefahren zu – wohl wissend, dass auch ein Meteoritentreffer ein gewisses Gesundheitsrisiko in sich birgt (dieser wird aber erst in einem der folgenden Kapitel behandelt werden).

Das Rudel der Gesundheitswölfe ist sehr fruchtbar. Ständig spalten sich kleinere Rudel ab, wachsen oder schließen sich anderen Gruppen – z. B. den Techno-Wölfen – an. Bemühen wir uns, ein wenig den Überblick über die wirre Vielfalt zu gewinnen, so sehen wir zunächst zwei Hauptgruppen:

 Was ich tun (bzw. lassen) muss, um nicht krank zu werden; und (im Nichterfolgsfall):

 Wie werde ich wieder gesund?

Das Wissen um die eigene Sterblichkeit begleitet die Menschen seit Beginn ihrer Geschichte. Abgesehen von durchaus erwünschten Todesfällen1 ist es meist schwer, dieses Wissen aus vollem Herzen freudig zu akzeptieren.

Die verschiedenen religiösen Systeme bieten dafür nur scheinbar Hilfe – tot ist tot – und ewige Seligkeit, Walküren in Odins Halle, Houris im Paradies, eine neue, viel bessere Inkarnation usw. bleiben vage, unüberprüfbare Versprechungen. Darum versuchen ja auch die meisten Menschen, sogar wenn sie tiefreligiös sind, den eigenen Tod so gut als möglich2 zu vermeiden.

Gefahr erkannt – Gefahr gebannt! Die Theorie lautet (implizit): Wenn man nur wirklich alles vermeidet, was die ­Gesundheit gefährdet oder dem Körper schadet, so wird man »ewiges« Leben erlangen. Besonders Zeitgenossen, die in ihrem Leben ohnedies nichts Bedeutendes geleistet haben, wünschen sich die Unsterblichkeit oft am dringendlichsten. Der Gedanke ist von verführerischer Einfalt – allerdings gibt’s (mindestens) zwei Probleme:

Sogar vollkommene Askese bei allen bekannten Lastern kann nicht davor schützen, dass schon morgen eine neue, bis jetzt leider sträflich ignorierte Krankheit entdeckt wird. Deren (monokausale) Ursache wird eben erst dann den allerneuesten Messgeräten zugänglich. Mangels echter Erfahrung entstehen ringsum zahlreiche »Experten« (durch spontane Selbstdeklaration). Knapp alle Todesfälle (abgesehen von offensichtlichen Ausnahmen) können jetzt dieser jeweiligen neuen Gefahr zugeschrieben werden – es hatte sich schließlich bis jetzt leider niemand davor schützen können. Sogar wenn man also allen bekannten Gesundheitsrisiken ausweichen könnte, wird morgen ein neues entdeckt werden. Seinem Schicksal entkommt keiner, sogar bei bestem Willen nicht!

Das zweite Problem ist, dass fremde Laster ein gesundes Leben ebenfalls bedrohen. Offensichtlichstes Beispiel sind die Knochenberge von unschuldigen Passivrauchern, die sich aus vergangenen, barbarischen Zeiten in öffentlichen Gebäuden, Transportmitteln und Lokalen angehäuft haben. Nur rigorose Beschränkung der Aktivitäten sämtlicher Mitbürger könnte etwas Hoffnung auf Schutz vor möglichen fremderzeugten Risiken bieten. Was aber, wenn viele Menschen dies nicht wollen? Letztlich muss dann doch wieder der Gesetzgeber eingreifen, um die Menschen vor sich selbst zu schützen – wie an den englischen Schulen, an denen die Eltern heimlich Junk Food für ihre Kinder einschmuggelten, weil denen das gesunde, wertvolle Schul-Essen (immerhin von Starkoch Jamie Oliver designt) nicht schmeckte. Dann doch besser fettes Essen einfach höher3 besteuern.

Selbstverständlich ist strikte Enthaltsamkeit bei Genussgiften wie Nikotin, Alkohol, bald auch fettem Essen, Kaffee usw., kombiniert mit Absicherung sämtlicher Lebensbereiche – Tempo 30 im Verkehr, Helmpflicht4 beim Spaziergang, Schwimmweste beim Warmduschen – und was auch sonst noch immer zu unserer Wohlfahrt angeordnet werden kann, unbedingt notwendig. Diese Verbote sind zumindest für eines gut: Du wünschst dir lieber tot zu sein, oder – je nach Temperament – den unverzüglichen Tod aller anderen.

Bitteres und ironisches Schicksal, wenn dann z. B. ein Autist durch eine panische Menschenmenge zertrampelt oder ein Zeuge Jehovas von einer eiligen Blutkonserven-Lieferung überfahren wird. Das einzig Sichere bleibt: Langfristig sind wir alle sowieso tot.

Der Ausdruck des »Sich-krank-Jammerns« hat sich auch im Alltagsgebrauch durchgesetzt. Das (psychische) Krankheitsbild der Hypochondrie ist der medizinischen Wissenschaft wohlbekannt. Relativ neu ist die Methode von pharmazeutischen Betrieben, den Umsatz dadurch anzukurbeln, dass sie vorgeben, Symptome, die jeder gelegentlich hat, wie z. B. Müdigkeit, geringe Appetenz, kurzfristige Verdauungsstörungen, Missstimmungen etc., als Krankheiten zu deklarieren und (angeblich) zu therapieren. Wehwehchen, die früher leicht als »überarbeitet, zu wenig Sex, überfressen oder altersbedingt« diagnostiziert worden wären, können nun endlich weniger diskriminierend benannt und auch medikamentös behandelt werden. Es wäre doch erstaunlich, würden nach intensiver Fernsehwerbungsbestrahlung5 die beschworenen Leiden nicht tatsächlich gefühlt werden – außerdem kann viel Fernsehen tatsächlich Verstopfung, Fettleibigkeit, ­Augenbrennen, Hämorrhoiden, usw., usw. begünstigen. Immerhin ist medikamentöse Behandlung der mehr oder weniger eingebildeten (oder seitens der Industrie suggerierten) Wehwehchen immer noch wesentlich bequemer als die von manchen Ärzten geforderten Verhaltensänderungen (die trotzdem vielfach, meist zu Jahresbeginn, als »gute Vorsätze« beschworen werden).

Trotz der beruhigenden Versicherung der Pharmakologie, gegen (oder für?) jegliche Beschwerde ein Medikament anzubieten, sind viele Menschen nicht so recht gewillt, sich ständig mit überteuerten Pillen vollzustopfen, geschweige denn, sich mühsamen Therapien zu unterwerfen. Vernünftigerweise versuchen sie deshalb zu vermeiden, was sie krank macht.

Wie oben bereits angedeutet, ist dies allerdings praktisch unmöglich, denn man kann dann beispielsweise …

… nichts6 mehr essen

Nahrung besteht im Prinzip aus Fetten, Eiweiß und Kohlehydraten (Vitamine und Minerale kommen später, bzw. aus dem Fachhandel).

Und Fette sind bekanntlich besonders schrecklich. Die Gruppe der gesättigten- und der trans-Fette ist seit langem als Massenmörder identifiziert. Fett essen > fett werden > Arteriosklerose > Herzinfarkt > aus die Maus! Koronare Herzerkrankungen und andere Kreislaufstörungen, z. B. Schlaganfall, sind als Todesursache der (westlich-industriellen) Bevölkerung tatsächlich auf Platz eins, noch vor Krebs und Atemwegserkrankungen. Cholesterin ist um jeden Preis zu vermeiden (gemeint ist natürlich das manichäisch »böse« LDL-Cholesterin, es gibt ja auch das angeblich »gute« HDL). Bedauerlicherweise versteckt es sich bevorzugt in wohlschmeckenden Speisen. Eier mit Speck zu essen (oder seinem Baby Muttermilch zu geben) ist also praktisch Giftmord.

Nicht ganz unerwähnt sollte hier natürlich bleiben, dass zahlreiche Studien den Ernährungsgewohnheiten einen eher geringfügigen Einfluss7 auf das HDL/LDL-Cholesterinverhältnis im Körper zuerkennen, und damit eine Diät auch nichts verbessert, besonders nicht die Laune. Letztere fällt mit dem Cholesterinpegel rapide in Richtung Depression [15] oder Aggressivität [16].

Der wissenschaftliche Stand der Dinge in der Cholesterinfrage – so wie auch in sehr vielen anderen wissenschaftlichen Fragen – ist derzeit das Stadium konkurrierender Hypothesen: Die Vertreter der einen oder anderen Meinung versuchen durch umfangreiche Untersuchungen, ihre jeweilige Annahme zu beweisen oder zu widerlegen. Irgendwann, nach vielen, vielen durchgeführten Studien, Monographien, Diskussionen, Kongressen und Pressekonferenzen etabliert sich dann die eine oder andere Theorie. Es ist dies dann das sogenannte »konventionelle Wissen«, also das, was jeder glaubt, weil’s jeder glaubt. [17]

Die Wahrheit ist vielleicht eine Tochter der Zeit, aber sicher kein demokratisches Resultat, auch wenn dies oft so dargestellt wird.

Allerdings – Fett macht fett8 – wer zu viele Schweine isst, beleidigt zwar nicht notwendigerweise Gott (kommt jedenfalls drauf an, welches seiner Bücher man liest), kann jedoch leicht zu einer ästhetischen Beleidigung des Betrachters werden (besonders unbekleidet).

Die Lösung? Rigoroses Fettverbot in Restaurants und Gastronomiebetrieben (zunächst während einer ­Übergangsfrist – getrennte Räume für Pommes und Salat), empfindliche Fettsteuern (wie in Dänemark bereits eingeführt), Fettverbot an allen Arbeitsplätzen, Werbeverbot für fetthaltige Produkte, empfindliche Strafen gegen Fettsünder und fette Sozialversicherungsbeiträge für Fette. Ein fettes Maßnahmenpaket für fetten Medienrummel, fette Gagen für Fettberater, Fettexperten und Fettspezialisten!

Also gut, isst du halt fettarme, eiweißreiche Kost, um gesund zu bleiben! Protein kommt überwiegend aus Tieren. Soja u. Ä. sind »Ersatz«, schmecken in der Regel auch so9 und sind überdies überwiegend genetisch manipuliert. Konventionell werden nur eine erstaunlich geringe Anzahl an Tierarten gegessen, diese dafür massenhaft. Hergestellt werden sie üblicherweise in »Tierfabriken«, haben also mit »Umwelt« nur via Futterin- und Fäkalienoutput zu tun. Dieser ganze Komplex wird für gewöhnlich verdrängt. Fleisch wird auf Styropor®-Tassen, in Polyethylenfolien verpackt, angeboten, ohne dass durch peinliche Blutstropfen der Konnex zu einem »geschlachteten« Lebewesen allzu auffällig würde. Der stinkende, blutige, laute Teil der Produktion bleibt (appetitlicherweise) im off. Militante Tierfreunde versuchen zwar »Bewusstsein zu erzeugen« und »die Öffentlichkeit aufzurütteln«, Letztere bevorzugt aber (zumindest derzeit) tierische Nahrungsmittel unter weitgehender Ignoranz von deren Herstellung.

Wie bei jeder anderen industriellen Produktion können gelegentlich Fehler auftreten. Diese – bei entsprechender medialer Vermarktung – erreichen dann durchaus die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Der Rinderwahnsinn (BSE) hat von ca. 1985 bis 1995 besonders in England eine Popularität erreicht, welche die nahe verwandte Scrapie-Erkrankung der Schafe nie hatte. Der Autor selbst war zu dieser Zeit gequälter Gast der Economy (extrem) Class der British Airways® und wurde dort mit der Flugbegleitpersonalstandardfrage »chicken or beef« konfrontiert. Wie jeder andere auch, sagte ich mit voller Überzeugung »chicken« – schließlich waren gerade alle Medien voll mit der Erkenntnis, dass die allgemeine Blödheit (selbst beobachtet) von englischem Roastbeef verursacht (!) wird. Logischerweise gab es nach dem halben Flugzeug kein chicken mehr, sodass die mittig sitzenden Passagiere nur mehr (protestierend) vor der Alternative standen zu hungern10, oder die Gefahr der Infektion mit Creuzfeld-Jakob’s Hirnverwüstung (vCJD) in Kauf zu nehmen.

Der Unmut der Passagiere entlud sich begreiflicherweise an den mutmaßlich unschuldigen FlugbegleiterInnen (wem sonst). Nun, BSE/CJD schreckt inzwischen praktisch niemanden mehr. Vermutlich ist ein großer Teil der Europäer gegen diese Prione ohnehin genetisch resistent, und die seucheneindämmenden Maßnahmen scheinen gegriffen zu haben. Bei einer durchschnittlichen Inkubationszeit von über zwölf Jahren kann natürlich noch etwas nachkommen, aber insgesamt knapp 200 Kranke in Europa sind mittlerweile kein Grund mehr für Hysterie. – Und das obwohl das »Separatorenmaterial11« im Junk Food (Burger, Nuggets, Kebab, Konserven, Wurst, …) auch in dieser Hinsicht noch immer ernste Bedenken erzeugt – nicht nur in Form von »Gammelfleisch«. Für die zahlreichen frühdementen Mitbürger muss es jedoch auch noch andere Erklärungen geben.

Lass dir dein Steak (alpiner Herkunft, oder z. B. aus Argentinien) nicht vermiesen und gut schmecken, englische Nahrungsmittel sollte man schließlich ohnehin vermeiden (ausgenommen Flüssignahrung aus Schottland). Allerdings sollte das Steak (oder was immer) aus Gesundheitsrücksichten natürlich nie gegrillt werden. Aus dem Barbecue(rauch) stammt bekanntlich 1,2-Benzpyren (ehemals 3,4-Benzopyren), wodurch flugs Krebs verursacht wird. Das Steak sollte aus Gesundheitsgründen deshalb gekocht oder mild gedünstet sein (Würg!).

Ähnlich bedrohlich wie BSE war SARS. Erinnert sich eigentlich noch jemand daran? Nach einer Phase intensiver Panik (Winter 2002 bis Frühling 2003) ist wieder kollektive Ruhe eingekehrt. Die wirksamste Vorsichtsmaßnahme, möglichst wenige Larvenroller (Paguma larvata – eine marderähnliche, asiatische Schleichkatzenart) oder vielleicht auch Hufeisennasen (Rhinopholus sinicus – eine Fledermaus) zu essen, hat sicher viel für sich und wahrscheinlich zur Rettung der Menschheit vor einer nicht abschätzbaren Bedrohung beigetragen. Der biologische Hintergrund ist natürlich sehr ernst – die zunehmende (nicht nur nahrungsmäßige) Berührung der Menschen mit exotischen, früher geographisch isolierten Erregern und deren rasche Verbreitung durch Massenverkehrsmittel (vergl. HIV/AIDS).

Kaum waren die Seuchenteppiche nämlich wieder zusammengerollt, als sich aus derselben geographischen Richtung ein neues (eigentlich altes) Virus auf den Weg um die Welt machte – die Vogelgrippe (alias Geflügelpest) Influenza A (H5N1). Tote chinesische Gänse sind an sich nicht headline-würdig, zumindest waren sie’s nicht vor 2005. Dann ging’s aber los! Erschwert wurde die Krisenbewältigung durch die wenig überraschende Tatsache, dass viele Vögel flugfähig und dadurch in der Lage sind, wohlgemeinte behördliche Maßnahmen »wie im Flug« zu unterlaufen (äääh, … zu überfliegen). Wohlgemerkt, das Virus ist tatsächlich auf Mensch12 und verschiedene Tiere übertragbar, wenn auch nur mit ­großer Mühe, also bei intensivem Kontakt mit ungekochten/ungebratenen Tieren oder deren Produkten. Spätestens im Frühjahr/Sommer 2006 war’s dann schon langweilig, und keiner wollte mehr ständig über Vogelgrippe »informiert« werden. In Stallhaft genommene Freilandhühner durften wieder glücklich sein, totes Wassergeflügel war ekelig, aber kein Grund zur Panik. Die Krankheit existiert nach wie vor, und es gibt auch in Mitteleuropa öfter Ausbrüche, allerdings derzeit ohne öffentliches Interesse.

Im Jahr 2009 waren die Grippeträger dann mexikanische Schweine – außer in Israel (und vermutlich auch Saudi-Arabien). Den Bewohnern solcher Länder wäre es nicht zumutbar, an einer Krankheit zu leiden, in der das Wort »Schwein« vorkommt – das H1N1 Virus verursachte dort daher die »neue« Grippe. Ansonsten verlief alles wie gewohnt: Alarm, Mediensturm, WHO-Epidemie-Alarmstufe 1, genauere Analyse, Beruhigung, medizinische Maßnahmen und schließlich öffentliches Desinteresse und Widerruf der Pandemie-Warnung.

Immer wieder einmal – oft im Zuge eines solchen »Skandals« – wird man erinnert, dass unsere lieben Nahrungslieferanten nicht ganz genau so leben, wie es im Werbefernsehen dargestellt wird. Übertriebenes Mitleid ist deswegen unangemessen, denn leider lebt schließlich niemand (na ja, fast niemand) so wie im Werbefernsehen. Der idyllische Bauernhof mit kerngesunden, glücklichen Tieren und lächelnden Subventionsempfängern (früher Agronomen oder sogar Bauern genannt) existiert nur für Tourismuszwecke. Da nur wenige Tiere so robust wie Menschen13 sind – ein Schwein braucht z. B. mehr Transportfläche als ein Flugpassagier – werden die Produktionsmittel optimiert.

Dies bedeutet in der Praxis oft, dass ein Ausbruch von Massenerkrankungen bei den zusammengedrängten Tieren mit dauernder Medikamentengabe verhindert wird. Ähnlich wie bei ehrgeizigen Bodybuildern, wird mit Hormonen zusätzlich Muskelmasse (Fleisch) aufgebaut. Dazu kommen noch verschiedene, oft sehr unappetitliche Nahrungszusätze – irgendwo muss das Gewicht ja herkommen, und Fett (siehe oben) will keiner haben. Über Wirkungen und Nebenwirkungen erfahren Sie Näheres bei Ihrem Bauernfunktionär, Pharmaberater, Personal-Trainer oder im Fitnessstudio.

Iss Fisch, und du bleibst gesund! Ein griffiger Werbeslogan, und nicht ganz falsch. Aber woher Fisch nehmen, wenn er doch schon fast ausgerottet ist. Hier verharrt die Menschheit überwiegend noch auf dem kulturellen Niveau des Jägers und Sammlers, auch wenn der Anteil an Aquakulturen steigt. Der Kampf um schwindende Ressourcen ist voll im Gang – die isländische Drei-Meilen-Zone reicht inzwischen wahrscheinlich schon bis Mailand, und kanadische Kanonenboote versuchen (vergeblich) die spanische Fischereiarmada aus den Neufundlandbänken zu verscheuchen (oder wenigstens für die Einhaltung der langwierig ausgehandelten Mindestmaschenweite der Netze zu sorgen).

Vielleicht wird die Fischerei mangels Stoff bald unrentabel, sodass die Fischer – hierin Bauern ungemein ähnlich – dann ausschließlich von Subventionen leben müssen und solche traditionell und vehement einfordern. Vorher wird, wie bei jeder verknappenden Ware, noch ein gewisser Preisanstieg festzustellen sein. Eines Tages werden sich dann nicht einmal mehr Japaner ihre Thunfischpreise leisten können.

Gezüchtete Fische sind auch nicht ganz unproblematisch. Genau wie bei den landlebenden Eiweißlieferanten wird zuweilen so viel wie möglich an Medikamenten und »Kraftfutter« hineingestopft. Vom Schwermetallgehalt, Fischkrankheiten oder gar ökologischen Konsequenzen der Fischzucht schweigen wir besser.

Ernähren wir uns also lieber von Kohlehydraten – die Seele14 der Tiere wird’s uns vielleicht danken, wenn wir humanerweise nichts anderes essen als das, was aus dem Dreck herausgewachsen ist. Kohlehydrate sind allerdings auch vielfach ins Gerede gekommen. Da lauert zunächst in seinen mannigfaltigen Verstecken der Zucker. Von Karies über Diabetes bis zu Adipositas15 ist Zucker an einer Menge von Krankheiten maßgeblich beteiligt. In vielen Fällen suchterzeugend, ist er sozusagen eine überaus gefährliche Droge, besonders schon bei Kindern, die dadurch schlechte Verhaltens(Ernährungs)muster einlernen.

Zuckerersatzprodukte, wie Saccharin, Aspartam, Cyclamat, etc., konnten den Ruf, Krebs (und/oder die Fresslust) zu fördern, nie ganz loswerden. Dies ist übrigens ein Wolf für sich – die Studien, die Krebs (häufig Blasenkrebs) bei Versuchstieren fanden, verabreichten oft unrealistisch hohe Dosierungen oder kamen zu uneinheitlichen Ergebnissen, die genauerer Nachprüfung nicht standhielten.

Dann schon lieber den »natürlichen« Zucker – je natürlicher, umso besser. Da Dreck ja bekanntlich natürlich ist, ist brauner Zucker auch »besser« als weißer. Details sind in jedem alternativen Teehaus zu erfahren. Hergestellt wird brauner Zucker meist, indem man weißen (gereinigten) Zucker mit braunem Sirup färbt. Der Sirup wird durch Karamellisieren (Erhitzen) braun. Frisch gepresster Zuckerrohrsaft ist farblos, die »natürliche« Bräune wird erst auf Konsumentenwunsch erzeugt. Vollrohrzucker (Jaggery) ist etwas anderes. Hier bleibt mit Ausnahme von Melasse der »Dreck« drin. Die braune bis graue Farbe und ein etwas höherer Anteil an Vitaminen und Mineralstoffen bleiben also im Produkt zurück. Dass man von diesem Zucker keine Karies bekommt, kann man glauben – oder auch nicht.

Apropos, weil dieser Naturbiovollökorohrzucker bei der Erzeugung meistens stärker erhitzt wird, enthält er auch mehr Acrylamid. Acrylamid? Acrylamid! … Moment – da war doch was? Tatsächlich gab es im Frühling 2002 einen solchen Alarm. Acrylamid in Nahrungsmitteln wurde zwar schon 2000 gefunden, war allerdings bis zum April 2002 weitgehend ignoriert worden. Medienauffällig wurde es aber weniger im Zusammenhang mit Bio-Zucker, als vielmehr im Bereich Chips und Pommes. In allen Fällen entstammt es derselben chemischen Ursache, dem Erhitzen von Kohlehydraten. Klar, Chips und Pommes sind sowieso gesundheitsbewusstseinsmäßig Teufelszeug – aber Lebkuchen und Kaffee? Das verzierte Herz vom Oktoberfest ein Massenvernichtungsmittel? Tante Elsas Kaffeekränzchen ein Giftmordkomplott? Acrylamid greift die DNS (in Krimiserien oft DNA genannt) direkt an und ist daher krebserzeugend und mutagen. Beruhigenderweise wurden die gesetzlichen Richtwerte kontrolliert, das Risiko – bei durchschnittlichen Ernährungsgewohnheiten – wurde irgendwann als unerheblich eingestuft und die ganze Geschichte bald langweilig.

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9783904123433
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