Читать книгу: «Märchenhaft - Elisabeth», страница 8

Шрифт:

»Bezaubernd. Lass mich vielleicht eine kleine Änderung vornehmen.«

»Die da wäre?«

»Auf dem Zettel ist ›vielleicht‹ angekreuzt und ich habe handschriftlich ergänzt ›mach es nur nicht unnötig kompliziert‹.«

Moritz schmunzelte. »Wenn du dir irgendwie vorstellen kannst, mit mir zusammen zu sein und dieses Leben hier mit mir zu teilen?«

»Du weißt schon, dass ich absolut keine Ahnung habe, was ›dieses Leben‹ bedeutet? Ich kann es nicht ansatzweise mit Inhalt füllen ...«

»Hast du schon. Denn jede andere Frau hätte nicht gezögert, sondern sofort gefragt, ob ich sie heirate und sie dann eine echte Prinzessin wird. Das war seit dem Kindergarten so. Du bist die erste Frau, die davor zurückschreckt.«

»Nun ja, ich kann mir vorstellen, anhand deines Arbeitspensums, dass dein ›Familienunternehmen‹ eine Herausforderung ist. Du hast ja schon gesagt, dass du 24/7 Stand-by bist, dass von dir erwartet wird, für den Fortbestand der Familie zu sorgen ... Ob du nun Geschäftsführer in irgendeinem der Unternehmen hier gewesen wärst oder eben tatsächlich Eure Frechheit, der Schwarze Prinz bist, spielt in dem Zusammenhang keine Rolle, du hast mich ja in dem Punkt nicht belogen. Höchstens, wie gesagt, die Wahrheit gedehnt.«

»Na ja, gedehnt ist gut ... Aus: ›ich wohne in dem Schloss, das meiner Familie gehört‹ zu machen: ›ich wohne hier ganz in der Nähe‹ ... Und Familienbetrieb ... Na ja, ist es irgendwie schon. Aber trotzdem: Ich fühle mich mies. Hab ich mich die ganze Zeit gefühlt.«

»Tja, besonders toll finde ich es auch nicht unbedingt. Aber du hattest ja gesagt, dass du nicht von Anfang an mit offenen Karten spielen könntest. Ich hab nur mit etwas anderem gerechnet, keine Ahnung; dass du im Gefängnis warst oder drogenabhängig oder sonst was. Bei deinem Vater wohnst oder drei uneheliche Kinder hast.«

Moritz lachte. »Nun ja, im Gefängnis war ich mit 17 mal, hab mich mit ein paar Jungs geprügelt und die Anwohner haben die Polizei gerufen. Wenn ich nach etwas, im negativen Sinne, süchtig bin, dann nach Arbeit. Und ja, ich lebe gewissermaßen bei meinem Vater. Nur, wo ich auch nur ein einziges uneheliches Kind oder generell ein Kind hernehmen soll, weiß ich nicht. Keins vorhanden.«

In ihrem Blick lag etwas Mildes, Verständnisvolles. Aber ihr sonst so süßes Lächeln auf den Lippen fehlte. Moritz wurde es erneut schwer ums Herz.

»Elisabeth, ich liebe dich.«

Aus seinen Augen sprachen das tiefe Empfinden dessen, was er gerade gesagt hatte und eine verzweifelte Entschlossenheit. Moritz war sich bewusst, dass er alles auf eine Karte gesetzt hatte.

Ihm fiel das Buch wieder ein, das er in Elisabeths Regal gesehen hatte. Die fünf schlechtesten Antworten auf »Ich liebe Dich«, und er hoffte, dass keine davon jetzt über ihre Lippen käme.

Elisabeth lief ein warmer Schauer über den Rücken. In dieser Deutlichkeit hatte sie Moritz’ Geständnis nicht erwartet. Sie rutschte nah an ihn heran, strich über seine Wange und küsste ihn so vorsichtig, als könnte er daran zerbrechen. Dann griff sie nach seiner Hand und hielt sie fest. Ihre Blicke trafen sich.

»Gib mir ein bisschen Zeit! Bitte«, flüsterte sie.

Moritz schloss für einen Moment die Augen und lehnte seine Stirn gegen ihre. »Ja, natürlich.«

Elisabeth hatte Moritz noch einen Abschiedskuss gegeben, ihre Tasche aus dem Zimmer geholt und war zum Auto gelaufen. Um einigermaßen unbefangen zu bleiben, hatte sie sich von Moritz erbeten, mit einem gewissen räumlichen Abstand nachdenken zu dürfen. Seine Offenbarung hatte sie schockiert und in seinem Mikrokosmos konnte sie keinen klaren Gedanken fassen. Antworten hatte sie nun bekommen. Ja.

Sie drehte sich noch einmal zum Schloss um und runzelte die Stirn. War sie nun schlauer als vorher? Nein. Nicht im Geringsten.

*

Daniel Schumacher traf seinen Chef im Büro. Er hatte Elisabeth mit ihm beim Frühstück gesehen, sich aber im Hintergrund gehalten. Als er Karina Schiller am Tisch sah, war es bereits zu spät. Sie war eine der wenigen, die er nicht vorab hatte informieren können, dass Moritz von Eschberg an diesem Wochenende quasi inkognito bleiben wollte. Nun rechnete er mit einer Abmahnung, der Kündigung oder sonst etwas, nur nicht mit dem, was nun passierte.

»Herr Schumacher, nehmen Sie Platz.«

»Herr von Eschberg, es tut mir sehr leid, dass ich Frau Schiller nicht –«

Moritz unterbrach ihn. »Schon gut, Herr Schumacher. Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen. Ich habe Sie wegen etwas anderem hergebeten. Ihr Konzept zum Mitarbeitereinsatzplan hat mir gefallen, das Webtool funktioniert wunderbar. Implementieren Sie das doch bitte bis Ende dieses Monats und schulen Sie die Mitarbeiter entsprechend.«

»Äh, danke. Werde ich gern tun.«

»Und bitte seien Sie so gut, Frau Schiller zu mir zu schicken.«

»Mache ich.« Daniel Schumacher zögerte.

»Was haben Sie auf dem Herzen, Herr Schumacher? Ich sehe Ihnen an, dass Sie noch etwas sagen möchten.«

»Hm. Frau Schiller macht sich große Sorgen wegen gerade. Ich habe mit ihr gesprochen und es tut ihr ebenfalls sehr leid.«

»Schon gut. Ich werde sie mit Samthandschuhen anfassen. Aber das ist noch nicht alles, oder?«

»Nein. Aber das sollte ich lieber für mich behalten. Es steht mir nicht zu, das zu kommentieren.«

»Mein Lieber, raus mit der Sprache!«

»Na ja, durch meine Information, dass Sie gern ungestört bleiben wollen, ist das Personal natürlich hellhörig und neugierig geworden. Frau Schmidt ist das Gesprächsthema Nummer eins auf allen Gängen und Fluren.«

»So, ist sie das?«

»Ja. Im positiven Sinne. Das ganze Hotel schwärmt von ihr.«

»Dabei hat sie doch mit kaum jemandem geredet.«

»Hm. Das nicht. Aber sie hat Eindruck hinterlassen. Wenn ich das so sagen darf.«

»Dürfen Sie. Ausnahmsweise. Solange sich die Mitarbeiter jetzt nicht in Möbel verwandeln und singend durch das Schloss tanzen, soll es mir recht sein.«

»Ich verstehe nicht ganz ...«

»Die Schöne und das Biest. Kennen Sie nicht?«

»Nein, das ist mir in meiner Kindheit erspart geblieben.«

»Hausaufgabe zu nächster Woche. Dringend anschauen.«

»Sie meinen das ernst!?« Daniel Schumacher konnte seine Verblüffung nicht verbergen.

»Ja ... Durchaus. Darf ich Sie etwas Privates fragen?« Moritz wurde wieder einmal gewahr, dass er seine Mitarbeiter kaum richtig kannte. Allen voran nicht seinen persönlichen Assistenten.

»Bitte.«

»Haben Sie eine Freundin?«

»Ja.«

»Wann haben Sie sie zuletzt gesehen?«

»Wir wohnen zusammen, sehen uns also täglich. Aber wirklich Zeit miteinander verbracht haben wir zuletzt vor anderthalb Wochen.«

»Sie haben bis einschließlich Dienstag frei. Machen Sie was draus.«

»Ähm. Danke!?« Es klang mehr wie eine Frage, als Herr Schumacher sich zum Gehen abwandte.

»Gern. Und erinnern Sie mich in Zukunft bitte häufiger daran, dass ich Sie nicht allzu sehr ausnutze.«

»Wird gemacht.« Lachend schüttelte er den Kopf. Im Türrahmen blieb er noch einmal stehen und drehte sich zu Moritz. »Darf ich Sie auch daran erinnern, selber hin und wieder Feierabend zu machen?«

»Sie können es versuchen. Und jetzt los mit Ihnen, bevor mir noch ein Grund einfällt, Sie doch hierzubehalten.«

*

Unterdes war Elisabeth gerade auf die Landstraße eingebogen. Die Musik blendete aus und ein eingehender Anruf wurde signalisiert. Nummer unterdrückt. Ihr war eigentlich nicht danach, jetzt mit jemandem zu reden, aber da auch ihre Eltern und Isabelle ihre Nummer nicht mitsendeten, ging sie ran.

»Elisabeth Schmidt.«

»Guten Tag Frau Schmidt, Georg von Eschberg hier. Ich höre, Sie sitzen im Auto.«

Elisabeth erschrak. Georg von Eschberg? Moritz’ Vater? Was könnte er von ihr wollen?

»Ja, warten Sie bitte einen Moment, ich fahre kurz rechts ran, die Verbindung ist recht schlecht.«

Auf einem Park and Ride Platz an der Autobahnauffahrt hielt sie an, schaltete die Freisprecheinrichtung aus und nahm das Handy ans Ohr.

»Vielen Dank, dass Sie gewartet haben. Ich höre Sie jetzt besser. Bitte, worum geht es?«

»Keine Ursache. Frau Schmidt, Moritz hat mir viel von Ihnen erzählt, ich hätte Sie beide heute gern zum Essen getroffen. Leider sind die Umstände offenbar andere, als ich glaubte.«

»Oh, das tut mir leid, Moritz hat nichts davon erwähnt. Wobei ich zu seiner Verteidigung sagen muss, dass er dazu auch nicht mehr kam.«

»Schon gut, schon gut. Ich habe eine Bitte an Sie.«

»Äußern Sie sie gern.«

»Kommen Sie bitte zurück nach Eschberg. Sofern Sie das möchten und es Ihnen keine Umstände bereitet. Es gibt ein paar Dinge, die wir dringend besprechen sollten.«

Elisabeth wurde unruhig. Einerseits wollte sie im Moment überall anders sein, als auf Eschberg, andererseits spürte sie, dass das Gespräch mit Moritz’ Vater aufschlussreich werden könnte.

»Geben Sie mir etwa zwölf Minuten. Ich kehre um.«

»Danke.«

»Verraten Sie mir aber bitte noch eine Sache vorab.«

»Ja!?«

»Woher haben Sie meine Handynummer?«

»Die haben Sie mir selbst gegeben. Im Krankenhaus. Sie erinnern sich?«

Elisabeth dämmerte es, der freundliche, ältere Herr am Kaffeeautomaten, der auf seinen Freund, den Chefarzt gewartet hatte. Die Stimme war eigentlich unverkennbar. Nennen Sie mich einfach Georg.

»O mein ... Sie waren das? Ich ... Oh.«

»Alles in Ordnung, meine Liebe. Ich werde Sie gleich am Parkplatz abholen.«

Elisabeth seufzte. »Danke. Bis gleich.«

Ihr Gesprächspartner aus dem Krankenhaus war also Moritz’ Vater. Natürlich. Die Ähnlichkeit war da, warum hatte sie das nicht eher bemerkt? Elisabeth stieß ein paar Mal mit der Stirn vor das Lenkrad. In was war sie da hineingeraten?

Es nützte alles nichts. Wenn sie nicht zurückfuhr, erhielt sie keine Antworten. Also ließ sie den Motor an und fuhr vom Parkplatz Richtung Schloss.

Georg von Eschberg wartete bereits dort, wie versprochen, hielt ihr die Tür auf und begrüßte sie herzlich.

»Verzeihen Sie mir bitte die kleine Scharade im Krankenhaus.«

»Nun ja, offenbar gehören derlei Manöver zum guten Ton im Hause von Eschberg.« So zynisch wollte sie gar nicht klingen, aber nun war es raus und sie biss sich auf die Zunge.

Georg von Eschberg lachte laut auf. »Ich verstehe, was Moritz an Ihnen gefällt. Gerade heraus, ehrlich und trotzdem souverän. Kommen Sie, wir wollen das Gespräch ja nicht auf dem Parkplatz führen, Elisabeth, ich darf Sie doch so nennen?«

»Bitte. Gern. Erlauben Sie mir eine Frage, Fürst Eschberg?«

»Aber immer doch. Und nennen Sie mich bitte Georg, ich fände diese Distanz zwischen uns seltsam.« Er wies ihr den Weg hoch zum Schloss, sie gingen langsam nebeneinander her.

»Gern. Hat Moritz Sie vorgeschickt?«

»Es sähe ihm ähnlich, aber diesmal muss ich ihn in Schutz nehmen. Ich sah Sie vorhin so plötzlich aufbrechen. Moritz ist daraufhin sofort wieder in sein Büro und hat sich in die Arbeit gestürzt. Er kann mit so etwas nicht oder sagen wir nur schlecht umgehen.«

»Danke. Das beruhigt mich etwas.«

Sie traten durch einen Nebeneingang, den Georg von Eschberg mit der Schlüsselkarte öffnete. Als sie die schmale, steinerne Treppe erklommen hatten, befanden sie sich in einem großen Flur im Privattrakt des Schlosses.

»Ich möchte Sie nur ungern in mein Büro bitten, haben Sie etwas dagegen, mich in meine Wohnräume zu begleiten?«

»Nein, keineswegs.« Elisabeth sah sich möglichst unauffällig um, sie hatte das Schloss schon häufiger besucht, als Hotelgast und immer dann, wenn das Museum eine neue Ausstellung beherbergte. Die Privaträume hatten jedoch ihren ganz eigenen Charme, gemütlich, großzügig, auffallend modern, aber keineswegs so prunkbeladen, wie man vielleicht vermuten würde.

Georg von Eschberg führte sie ins Wohnzimmer und bat sie, auf dem Sofa Platz zu nehmen. »Was darf ich Ihnen zu trinken anbieten?«

»Ein Kaffee wäre sehr nett, bitte.«

»Gern«, antwortete er, zückte das Haustelefon und gab die Bestellung durch. Dann setzte er sich in den Ohrensessel zu Elisabeths Linken und machte es sich bequem. »Wissen Sie, ich habe mich bisher nicht in die Beziehungen meines Sohnes eingemischt. Als Moritz sich von der Familie getrennt hatte schon gar nicht, aber auch nicht in jüngerer Vergangenheit. Er hat mir von seinen neuerlichen Flirts erzählt, ist aber immer schnell zur Besinnung gekommen.«

Elisabeth schluckte. War Georg von Eschberg auf ihrer Seite oder gegen sie? In diesem Moment wurde der Kaffee serviert, sie nahm einen Schluck und sah Moritz’ Vater fragend an. »Was in Bezug auf mich nun bedeutet?«

»Dass ich von meinem Versprechen Moritz gegenüber, mich herauszuhalten, abweichen muss. Meine liebe Elisabeth, schon im Krankenhaus ist mir aufgefallen, dass Sie anders sind, als die Frauen, mit denen mein Sohn sich sonst eingelassen hat. Sie sind charmant, haben Manieren, wissen sich auszudrücken und haben das Herz am rechten Fleck.«

Elisabeth errötete, doch bevor sie etwas sagen konnte, hatte er das Wort wieder aufgenommen.

»Keine falsche Bescheidenheit, das Gemunkel auf den Hotelfluren kommt nicht von ungefähr. Aber lassen wir das. Worauf ich eigentlich hinauswollte, ist, dass Moritz sehr verliebt in Sie ist und hilflos. Er selbst ist gerade erst wieder hier angekommen, wenn Sie verstehen, was ich meine.«

»Ja, ich kann es mir vorstellen.«

»Für einen, mit Verlaub gesagt, Außenstehenden muss das hier erschlagend wirken und Moritz ist leider niemand, der das nötige Feingefühl hat, jemanden schonend an die Sache heranzuführen.«

»Nun ja. Wenn ich bedenke, wie es letztlich dazu gekommen ist, dass er mir gegenüber seine Identität preisgegeben hat, konnte er auch wenig Feingefühl beweisen ... Ich gebe Ihnen recht bezüglich der Annahme; ich bin tatsächlich übermannt. Moritz hatte mir etwas von einem Familienunternehmen und vielen Pflichten erzählt. Ich habe allerdings nicht damit gerechnet, dass aus dem sprichwörtlichen Frosch ein waschechter Prinz wird.«

»Sie sind bezaubernd, wenn ich das so sagen darf ...« Georg von Eschberg lachte herzlich, meinte es aber keinesfalls ironisch. Elisabeth imponierte ihm sogar ein wenig, nach allem, was Moritz bereits über sie erzählt hatte, rundete sich das Bild nun ab und er war vom Ergebnis keineswegs enttäuscht. »Wissen Sie, Moritz nimmt das Ganze hier sehr ernst, glücklicherweise. Seit der Sache mit seinem Bruder und seiner Frau hat er sich verändert, er ist fleißig, fast schon zu sehr, freundet sich mit den Erfordernissen des Erbes und den Traditionen der Familie wieder an.« Er nahm einen Schluck Kaffee, und blickte von der Tasse auf. »Und da kommen Sie ins Spiel.«

»Inwiefern?« Elisabeth verstand, was er meinte, aber worauf genau er hinauswollte, sollte er bitte aussprechen.

»In Moritz schlummert das Talent, den Menschen, die er liebt und die ihn lieben, großen Kummer zu bereiten und sie sehr zu verletzen. Er macht das nicht absichtlich, nur manchmal ist in seinem überaus gescheiten Kopf das Areal für Empathie, na ja, nennen wir es vorsichtig, unterversorgt. Er realisiert dann viel zu spät, was er angerichtet hat und ärgert sich über die Konsequenzen. Das fing schon als Kleinkind an, damals hat er einen Roboter seines Bruders auseinandergenommen, um zu verstehen, wie er funktioniert. Jo hat fürchterlich geweint und war tagelang traurig. Moritz war sich keiner Schuld bewusst. Erst als Jo ihn über eine Woche ignoriert hat, kam er auf die Idee, ihn um Entschuldigung zu bitten. Es mag an meiner Erziehung gelegen haben, ich hatte damals den Tod meiner Frau noch nicht verwunden und war aufgeschmissen ...«

Elisabeth sah mit einem Mal verwundert auf das Foto, das auf der Biedermeier-Kommode stand.

»Ist sie das?«, fragte sie Moritz’ Vater.

»Ja, das ist meine verstorbene Frau.« Georg las ihren Blick. »Sie kennen sie, nicht wahr?«

»Es hätte mir eigentlich sofort bewusst werden müssen, Sophie von Eschberg. Natürlich! Ich habe sie als Königin der Nacht vergöttert. Als Floria Tosca geliebt. Und ich weine heute noch, wenn ich ›Con onor muore‹ höre. Mein Vater sagte einmal, wenn sie sänge, sei es, als finge eine Orchidee das Musizieren an.«

»Elisabeth, Sie sind eine außergewöhnliche Frau ...«

»Weil ich außergewöhnliche Musik zu schätzen weiß?«

»Nein, nicht nur. Sie wissen genau, was ich meine.« Er stand auf, ging hinüber zur Kommode und betrachtete das Bild. Elisabeth errötete erneut und sah ihn fragend an.

»Moritz spricht nicht über seine Mutter. Zumindest höchst ungern. Er war vier, als sie starb, seine Erinnerung besteht aus Fotos, Erzählungen und ihrer Musik. Das Bild, das er von ihr hat, ist unvollständig. Mein größter Fehler war, dass ich meinen Söhnen damals dieses fürchterliche Kindermädchen vor die Nase gesetzt habe. Kennen Sie das Kinderbuch Heidi?«

»Ja. Und ob. Bitte sagen Sie jetzt nicht, dass das Kindermädchen Sie an Fräulein Rottenmeier erinnert!« Elisabeth seufzte schwer.

»Doch, genau das. Aber was lässt Sie daran verzweifeln?«

»Wissen Sie, Georg ... Meine beiden liebsten und treuesten Freundinnen nennen mich gern so, wenn ich unter uns hin und wieder die Stimme der Vernunft bin. Und Moritz hat diesen Vergleich ebenfalls angestrengt. Ich fürchte langsam, dass da etwas dran ist ...«

»O je, hätte ich das gewusst, wäre ich sensibler damit umgegangen.« Beide lachten herzhaft und widmeten sich ihrem Kaffee. »Sie haben aber auch eine andere Seite und ich glaube, dass Moritz jemand ist, der beides benötigt, eine strenge Hand, die ihn gegebenenfalls zur Räson ruft und die liebende, warmherzige Frau an seiner Seite.«

»Und diese Rolle gedenken Sie jetzt mir zu?« Der Unterton war süffisant, traf aber den Nerv des Fürsten.

»Meine Liebe, es wäre mir ein Vergnügen, Moritz und Sie glücklich zu sehen. Ich weiß aber auch, um die Tücken der Annahme dieser Rolle und insbesondere um die Marotten meines Sohnes. Wobei ich Moritz keineswegs schlechtreden will. In keinem Belang. Nur vermag er es Ihnen nicht unbedingt zu erleichtern. Der Platz an seiner Seite ist mit vielen Pflichten belegt, aber das wissen Sie auch, ohne dass ich es betone. Ich will nicht sagen, dass es kein Zurück gäbe, das gibt es immer.« Sein Blick hatte etwas Herausforderndes, aber auch eine gewisse Milde.

»Wir würden nicht hier sitzen, wenn Sie glaubten, dass ich quasi ›in der Probezeit kündige‹, oder?«

Georg von Eschberg schmunzelte. »Nein, definitiv nicht. Elisabeth, das Leben als Prinzessin von Eschberg hat durchaus auch seine Annehmlichkeiten, Moritz kann Ihnen da sicherlich die Vorzüge erläutern. Ich bin äußerst froh, dass Sie keine Träumerin sind. Aber sehen Sie es auch nicht allzu schwarz.«

Er lehnte sich zurück, nippte an seiner Tasse und betrachtete sie wohlwollend. Elisabeth nutzte den Moment, um eine Frage loszuwerden, die ihr unter den Nägeln brannte.

»Warum hat Moritz Eschberg damals verlassen? Er hat mir von einem Zerwürfnis erzählt, was sein Studium betrifft, aber irgendwie scheint mir das nur die halbe Wahrheit zu sein.«

Georg von Eschberg lachte. »Sie haben ganz recht. Ich habe ihm damals den Geldhahn zugedreht, damit er ein bisschen mehr auf eigenen Füßen zu stehen kommt. Moritz hatte bis dato nur die Erfahrung gemacht, dass alles lief, wie er sich das vorstellte. Er dümpelte zwei Semester vor sich hin, schrieb keine Klausuren und das Nachtleben war ihm wichtiger als der Abschluss. Ich habe meine Söhne während des Studiums von familiären Verpflichtungen freigestellt. Als Moritz jedoch aus der akuten Geldnot wieder zurückkehren wollte und ich ihm in Aussicht gestellt habe, dass er für die Annehmlichkeiten bis zum Ende des Studiums würde arbeiten müssen, hat er mit mir gebrochen. Er ist dann von dem sehr großzügigen Loft in eine winzige Dachgeschosswohnung gezogen und verdingte sich in unterschiedlichen Nebenjobs. Das hat ihn geprägt, heute weiß er es zu schätzen, nur damals war er etwas kindsköpfiger.«

»Ich verstehe. Vor allem, warum Moritz sich jetzt so große Sorgen macht und mit sich hadert ...«

»Elisabeth, ich weiß um die Bürde, die Ihnen auferlegt wird, wenn Sie und Moritz – ich formuliere es frei heraus – heiraten und eine Familie gründen werden. Aber in Ihnen sehe ich jemanden, der damit umzugehen weiß und diese Aufgabe mit Leben füllen wird.«

»Ich möchte trotzdem gern ein wenig darüber nachdenken«, stellte Elisabeth fest. »Wie Sie sich sicherlich denken können, habe ich mich für Moritz entschieden, als ich noch nicht um sein ›kleines Geheimnis‹ wusste. Eigentlich hat die nun vorliegende Ausgangslage nichts daran geändert, aber mir wäre nicht wohl dabei, von heute auf morgen diese ›Rolle‹, wie Sie es nannten, zu übernehmen, ohne auch mit dem Kopf dabei zu sein.«

»Ich bin ehrlich gesagt froh, dass Sie so denken. Und ich könnte Ihnen nicht verübeln, wenn Sie zu einem anderen Schluss kämen, als dem, was Ihr Herz Ihnen sagt. Auch wenn es mich als Vater sehr traurig stimmen würde, meinen Sohn dann leiden zu sehen.«

»Auch wenn das jetzt vermessen klingen mag; das Leben hat mich gelehrt, dass Beziehungen, egal welcher Art, immer komplex sind und einer gewissen Arbeit bedürfen. Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mir dieses Gespräch offeriert haben, jetzt ist nur definitiv die Zeit gekommen, dass ich das alles reflektiere ...« Elisabeth war froh, für sich die richtigen Worte gefunden zu haben, wirklich geheuer war ihr die Situation noch nicht.

»Liebe Elisabeth, nehmen Sie sich die Zeit, ziehen Sie eine Vertrauensperson hinzu, stellen Sie alles Nötige an, um eine klare Entscheidung zu fällen. Nur lassen Sie sich bitte nicht von Moritz beeinflussen. Oder mir.«

Sie standen auf und Elisabeth wandte sich zum Gehen. »Leichter gesagt, als getan ... Aber ich werde Ihren Rat befolgen.«

»Ich bringe Sie gern zum Auto, wenn Sie mögen«, bot ihr der Fürst an, als sie auf dem Flur standen.

»Sehr freundlich, ich fürchte, dass ich mich sonst gegebenenfalls verlaufen würde.«

»Ach, das hört auf, wenn man hier eine Zeitlang gelebt hat ... Wobei es immer noch Räume gibt, in denen ich in meinen gut 63 Jahren hier noch nie gewesen bin ...«

Elisabeth schmunzelte, doch bevor sie etwas sagen konnte, stand plötzlich Moritz vor ihr.

»Vater? Elisabeth?« Er war sichtlich irritiert und schien auch nicht sonderlich erfreut.

Elisabeth wandte den Blick ab und biss sich verzweifelt auf die Unterlippe. Sie hatte Moritz von dem Gespräch erzählen wollen, nur nicht so schnell.

Sein Vater rettete die Situation. »Sie ist auf meinen Wunsch und meine Veranlassung hier. Ich habe sie angerufen und gebeten umzukehren, als ich sie das Schloss verlassen sah.«

»Hatten wir uns nicht geeinigt, dass du dich aus meinem Privatleben heraushältst?« Moritz klang sauer.

»Hatten wir. Ja. Aber besondere Umstände, erfordern besondere Maßnahmen, mein Sohn. Ich hielt eine Aussprache mit Elisabeth für nötig, nachdem wir uns ja bereits im Krankenhaus kennengelernt haben.«

»Und da dachtest du, dass du ihr auch gleichzeitig beim Nachdenken helfen könntest?«

Elisabeth schaltete sich ein, sie verstand nun umso besser, was Moritz’ Vater mit »kindsköpfig« gemeint hatte. »Moritz, lass uns beide vielleicht kurz unter vier Augen reden, bitte!?« Es klang mehr wie eine Aufforderung, als nach einer Bitte.

»Schön. Vater, wir sehen uns um 16 Uhr zum Essen?«

»Ja. Bis später.« Er verabschiedete sich freundlich von Elisabeth und zwinkerte ihr zu.

Wieder allein standen sich Moritz und Elisabeth gegenüber und sahen sich verstohlen an.

»Können wir vielleicht noch mal in den Park gehen? Ich mag das nicht auf dem Flur besprechen«, fragte sie vorsichtig.

»Ja, können wir.« Moritz wirkte gekränkt, er sprach leise und müde.

Sie gingen nebeneinander her, vorsichtig streckte Elisabeth ihre Hand aus und strich wie beiläufig über seine Finger. Ohne sie anzusehen, griff Moritz ihre Hand und hielt sie fest. Elisabeth fiel ein Stein vom Herzen, dafür hingegen schossen ihr Tränen in die Augen und ihre Kehle schnürte sich zu. Als sie ins Freie traten, berührte Moritz sie an der Schulter, so, wie er es im Café Daily getan hatte, für einen Moment schloss sie die Augen und wünschte sich, dass er sie niemals wieder loslassen würde.

»Moritz, ich weiß, dass du nicht sonderlich auf Entschuldigungen stehst. Daher ...«

»Lass gut sein. Ich rege mich nicht über dich auf, sondern über meinen Vater. Er hätte es mir ja sagen können, dann hätte ich nichts dagegen gehabt. Diese Heimlichkeit ist es, was mich stört.«

»Er hat mich im Auto angerufen und gebeten umzukehren. Ich hatte mir vorgenommen, es dir später zu schreiben.« Sie setzten sich auf eine Parkbank. Schüchtern griff Moritz wieder nach ihrer Hand und streichelte darüber.

»Nun ja ... Wer weiß, wozu es gut ist ... Was wollte er von dir? Oder darfst du darüber nicht sprechen?«

»Nein, alles gut. Er hat sich für die Situation im Krankenhaus entschuldigt und mir in gewisser Weise Honig um den Bart geschmiert.«

»Hat er das? Alter Charmeur ...« Moritz’ Ärger war verflogen. Offenbar war es nicht so schlecht gewesen, dass sein alter Herr mit Elisabeth gesprochen hatte. Sie wirkte gefasster als noch vor einer Stunde, als er sie zum ersten Mal verabschiedet hatte.

»Ja ... So ein bisschen. Er hat mir zu verstehen gegeben, dass er mich mag und nichts gegen eine Liaison zwischen dir und mir hätte.«

»Aber?«

»Kein aber. Ich habe mir auch von ihm ein wenig Bedenkzeit erbeten. Er fand das richtig und abgesehen von den Hintergrundinformationen über euer früheres Zerwürfnis haben wir nicht viel besprochen.«

»So, so ... Dann bist du jetzt im Bilde ...«

»Ja. Im weitesten Sinne. Er hat aber klargestellt, dass er heute einige Dinge anders sieht und dass es ihm leidtut, sich schon wieder einzumischen. Er kann wohl nicht aus seiner Haut ...«

»So ist er ...«

»Moritz, bist du mir böse?«

»Nein. Auch nicht enttäuscht, falls du das meinst. Ich war gerade im Flur nur äußerst irritiert.« Er machte eine längere Pause und sah sie dann traurig an. »Du wirst jetzt wieder fahren, oder?«

»Ja. Auch wenn es mir nicht leicht fällt. Lass mich eine Nacht darüber schlafen ...«

»Schon in Ordnung. Ich will nur, dass du dich zu nichts verpflichtet fühlst.«

»Du bist ja süß ...« Der Zynismus war nicht zu überhören. Elisabeth war aufgestanden, Moritz hatte es ihr gleichgetan. Er hielt immer noch ihre Hand und es fiel ihm schwer, sie loszulassen.

»Moritz, ich fahre jetzt nach Hause. Wir sehen uns dieses Wochenende noch. Versprochen.«

»Okay. Küsst du mich zum Abschied?«

»Ist das so eine gute Idee?«

»Nein. Aber dann tut es nicht so weh, wenn du gehst.«

Sie zog ihn zu sich heran und umarmte ihn, er legte seinen Kopf an ihren und hielt sie fest.

*

»Heyyy ... Schön, dass ihr da seid ...« Elisabeth öffnete Isabelle und Marie die Tür, das Sektglas schon halb leer und fiel den beiden um den Hals. Marie lachte. »Na, schon vorgeglüht?«

»Hör bloß auf ... Ihr seid eine halbe Stunde zu spät und ich habe mich tödlich gelangweilt ...«

»Sorry, alles meine Schuld!«, entgegnete Isabelle. »Ich habe Marc die falsche Uhrzeit gesagt und er hat im Bad rumgetrödelt. Als Marie dann vor der Tür stand, war er noch nicht fertig und ich musste Leonie erst ins Bett bringen, dann musste noch der Hund raus und Marie hat den Hamster eingefangen. Wie immer also ...«

»Ist ja nicht schlimm ... Dann müsst ihr eben aufholen ...« Die drei kicherten wie die Backfische und schwangen sich auf das Sofa.

»Also, schieß los, warum Kriegsrat?« Isabelle wirkte ganz aufgekratzt.

»Ja, du warst am Telefon so kryptisch ...« Marie schmunzelte, sie ahnte bereits, dass es um Moritz ging. Elisabeth und Isabelle kannten sich seit der Schulzeit, Marie war während des Studiums zu ihnen gestoßen und seither waren die drei unzertrennlich, auch wenn jede beruflich einen anderen Weg gegangen war. Marie hatte sich bereits nach dem ersten Semester abgesetzt und war von BWL auf Biologie umgeschwenkt, was ihr wesentlich mehr Freude bereitete.

»Ich habe lieber mit echten Mäusen zu tun, als mit denen auf Papier«, war ihre Antwort für jeden, der sie fragte, wie sie vom einen auf das andere Fach gekommen war. Isabelle hatte als einzige das Studium abgeschlossen, anschließend ihre Steuerberaterprüfung abgelegt und arbeitete in der Kanzlei ihres Vaters. Elisabeth hatte sich nach vier Semestern für eine Ausbildung entschieden und es selten bereut.

»Okay. Was ich euch jetzt erzähle, muss aber vorerst unter uns bleiben, pinky swear!« Den Fingerschwur hatten die drei sich aus Big Bang Theory abgeschaut und ihren Habitus aufgenommen.

»Pinky swear ...« Isabelle und Marie hakten ihre Finger ein und versprachen, über den Abend kein Sterbenswort zu verlieren.

»Jetzt erzähl endlich!« Isabelle hatte bereits das zweite Sektglas in Angriff genommen. Später würde sie bei Marie übernachten, die nicht weit von Elisabeth entfernt wohnte, es war einer der ersten Abende, an denen sie kind- und mannfrei hatte und bevor irgendetwas dazwischen kommen konnte, wollte sie lieber schnell einen Level erreichen, bei dem Marc ihre Hilfe gar nicht mehr wollen würde.

»Na gut. Ich hab euch doch mal von Moritz erzählt. Oder?«

»Der Typ aus der Firma, mit dem du dich immer so herrlich gezofft hast und der erst verschollen war und jetzt wieder aufgetaucht ist!« Marie konnte sich noch gut daran erinnern, wie Elisabeth sie vor wenigen Tagen morgens früh geweckt hatte.

»Weiht mich ein. Moritz?« Isabelle grübelte.

»Doch, den kennst du. Den haben wir mal im Innenhafen getroffen mit seiner Frau. Der kam doch zu uns an den Tisch, hat Elisabeth einen blöden Spruch gedrückt und ist wieder gegangen.« Die Situation war Marie noch sehr präsent, für sie passten schon damals Moritz’ Erscheinung und sein Verhalten gegenüber Elisabeth nicht ganz zusammen. Ein ziemlich gutaussehender, charismatischer Typ, dieses freche Blitzen in seinen Augen, da könnte was gehen, wenn beide nicht verheiratet wären. Sie hatte es aber für sich behalten, da sie nicht noch mehr Salz in die Wunde streuen wollte, die Jan Elisabeth eine Weile zuvor zugefügt hatte.

399
480,36 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
721 стр. 3 иллюстрации
ISBN:
9783750254800
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают