Читать книгу: «Märchenhaft - Elisabeth», страница 7

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»Ja. Schon. Moritz, lass uns was trinken, ich möchte gern mit dir reden.«

Es klang ausweichend, Moritz spürte, dass ihr nicht wohl war.

»Alles okay? Irgendwie kommen gerade ›negative vibrations‹ durch.«

Sie orderten Ginger Ale und Elisabeth lehnte sich im Sessel weit zurück. Moritz kam wieder das Bild von der Chinesischen Mauer in den Sinn. Diesmal konnte er sie sehen, Elisabeth hatte die Arme verschränkt und den Kopf zurückgelehnt, die Distanz konnte größer kaum sein.

»Weißt du, wenn ich so langsam mal wüsste, wozu das ganze Theater gut sein soll, könnte ich dazu vielleicht eher was sagen. Aber irgendwie habe ich die Befürchtung, dass ich heute Abend eventuell was getrunken habe, du musst spontan wieder irgendwo hin, kannst mich nicht mitnehmen und ich sitze hier in Eschberg fest, kann nicht zu dir, weil du das doch nicht willst, kann nicht weg, weil ich nicht mehr fahren sollte. Irgendwie wenig beruhigend.«

»Verstehe. Aber diesmal wirklich keine Zwischenrufe, keine überstürzten Aufbrüche und vor allem ein sehr entspannter Moritz, dessen Handy im Büro liegt.«

»Ernsthaft?«

»Ja. Durchsuch mich gern ...«

»Ich glaube es dir auch so.« Sie war überrascht. Keine Frage. »Wow. Du hast es tatsächlich geschafft, mich zu beeindrucken.«

Elisabeth kam aus ihrer Abwehrhaltung und beugte sich zu Moritz vor, griff seine Hand.

»Ich wollte nicht so gemein sein. Ich weiß ja, dass du ohne deine Arbeit irre wirst. Nur mir fehlt halt, ohne dich jetzt zum Reden bewegen zu wollen, der Gesamtzusammenhang und das macht es so schwer nachvollziehbar.«

»Du hast ja recht ...« Moritz trank sein Glas aus und legte den Kopf zur Seite. »Mir ist die Luft hier drin irgendwie unangenehm, hast du was gegen einen kleinen Spaziergang?«

»Nein. Nur zu gern. Ich bekomme auch langsam Kopfweh hier. Wo möchtest du hin?«

»Was hältst du vom Schlosspark?«

»Klingt fein. Laufen wir oder nehmen wir das Auto?«

»Eigentlich bin ich für Laufen, aber je nachdem, was wir dann noch vorhaben, sind wir flexibler. Du kannst dein Auto aber hier stehen lassen und wir fahren das kurze Stück zusammen.«

»Du meinst, ich kann eines meiner Autos hier stehen lassen!?« Elisabeth lachte.

»Ähm. Ja.« Er grinste. »Was ich dir noch sagen wollte ... Den Jaguar habe ich kurzerhand annektiert. Den geb ich nicht mehr her ...«

»Okay.«

»Okay?«

»Ja. Wenn’s dich glücklich macht!?«, antwortete sie schulterzuckend.

»Elisabeth, du musst an die frische Luft. Dringend.«

Sie lachte. »Warum? Weil ich dieses Auto zwar liebe, es aber für dich hergeben würde?«

»Würdest du – ernsthaft?« Moritz stutzte. Es war immerhin ihr Traumauto und kein Schnäppchen.

»Ja, würde ich.« Sie stand auf und hielt ihm ihre Hand entgegen, als Aufforderung, ihr zu folgen. »Das ist mein Ernst.«

»Muss ich das verstehen?«

»Weißt du, mein Herz hängt vielleicht am Fahrgefühl und dem Spaß, den ich mit dem Wagen habe. Aber so ein Auto ist eben auch nur ein Gegenstand. Sieh es als Dauerleihgabe. Ohne Auflagen.«

»An die Luft mit Euch, Eure Krassheit ...«

Moritz beglich noch schnell die Rechnung und folgte Elisabeth auf den Parkplatz.

»Steht dir gut, mein Auto. Nur das Einparken übst du bitte noch ein bisschen, das sah zwar schon ziemlich souverän aus gerade, aber du parkst für zwei ...«

»Ich wollte die Felgen nicht beschädigen ...«

»Schon klar ... Soll man lügen, Eure Frechheit?«

Elisabeth lehnte sich an das Heck und zog Moritz zu sich heran. Er schloss die Augen und näherte sich mit seinen Lippen ihrem Mund. Wenn sie sich so sanft berührten, vortasteten, konnte er die Welt um sich herum vergessen. Moritz schaute sich kurz um, ob sie eventuell beobachtet wurden und schob dann unbemerkt seine Hand unter Elisabeths Shirt und presste sie enger an sich. Sie beantwortete seine Aktion mit einem leisen Raunen und küsste ihn umso leidenschaftlicher.

»Wir sollten uns vielleicht eher ein Zimmer im Schloss nehmen, als im Park spazieren zu gehen ...«, flüsterte sie ihm ins Ohr, biss ihm frech hinein und sah in sein verdutztes Gesicht.

»Hmmmm ... Gerade schienst du noch abgeneigt, die Nacht mit mir verbringen zu wollen und nun so ein Angebot?«

»Entscheide dich, bevor ich es mir anders überlege ...« Das Hotel schien ihre Rettung zu sein, warum war sie nicht eher darauf gekommen? So hätten beide noch die Möglichkeit, einen Rückzieher zu machen, sofern ihre Unterhaltung nicht den erhofften Ausgang nahm oder Moritz doch noch irgendwie zur Arbeit beordert würde.

Statt ihr direkt zu antworten, küsste Moritz ihren Hals entlang zu ihrem Ohr. Die Gänsehaut, die sie bekam, blieb ihm nicht verborgen.

»Dringend ... Wir sollten ganz dringend ein Plätzchen finden, an dem wir ungestört sind ...«, flüsterte er zurück und zog sie so eng an sich, dass sie seine Regung spüren konnte.

»Dann lass uns jetzt jeder sein Auto nehmen und zum Schloss fahren. Ich nehme an, du kennst den Weg?«

»Ja, natürlich. Fahr einfach hinter mir her.« Moritz hielt ihre Hand immer noch fest, obwohl Elisabeth sich bereits abwandte. »Einen Kuss noch ...«

»Aber nur einen ...«

Im Auto überlegte sie, ob Moritz das von Anfang an geplant hatte. Er war auf ihre Frage bezüglich der Übernachtung erst ausgewichen. Aber seine Sporttasche lag im Fußraum der Beifahrerseite, wenn sie es richtig gesehen hatte. So ein Schuft.

An Schloss Eschberg angekommen, stellten sie die Autos auf dem Schotterparkplatz nebeneinander ab, Moritz öffnete ihr die Tür.

»Schau mal, was ich in deinem Auto auf dem Beifahrersitz gefunden habe ...«

In seiner Hand lag eine kleine türkisfarbene Schatulle mit weißer Schleife. Tiffany & Co.

»Die ist nicht von ... mir ...« Elisabeth hatte auf den ersten Blick nicht realisiert, was Moritz meinte, als er »gefunden« sagte und hatte auch nicht genau hingeschaut, da sie gedanklich noch dabei war, seinen Plänen auf den Grund zu gehen.

»Nein, stimmt. Die ist von mir für dich.«

»Aber ...«

»Kein Aber. Übrigens der zweite Grund für mein Zuspätkommen vorhin. Die Schleife ging immer wieder auf ...« Die Ironie im letzten Teil seiner Aussage war nicht zu überhören, ebenso wenig aber die Entschuldigung, die darin steckte.

Elisabeth seufzte, zog die Nase kraus und schmunzelte. Vorsichtig öffnete sie das Schleifenband und den Deckel. Atemlos schloss sie ihn gleich wieder und schüttelte den Kopf. »Moritz, bei aller Liebe, das kann ich nicht annehmen.«

Er brach in schallendes Gelächter aus und nahm sie in den Arm.

»Und das aus dem Munde der Frau, die mir, ohne mit der Wimper zu zucken, geschweige denn, nach meinem Führerschein zu fragen, ein Auto für, ich tippe mal, 130.000 € als ›Dauerleihgabe‹ zu Verfügung stellt.«

»145.000 €, um genau zu sein.«

»Ich sag ja: Eure Krassheit ... Also: nimm es bitte an.«

Elisabeths Augen wurden ungewollt feucht, als sie einen zweiten Blick in die Schatulle riskierte. »Die ist wunderschön ...«

»Ich leg sie dir an, komm her ...« Moritz nahm die Kette aus der Blue Box, der schlüsselförmige Anhänger funkelte in der Abendsonne. »Der Schlüssel zu meinem Herzen, für die Frau meines Herzens.«

In diesem Moment brachen bei Elisabeth endgültig alle Dämme und sie zog Moritz fest zu sich heran, legte ihren Kopf an seine Brust und hielt ihn fest. Moritz hatte so zwar Mühe, die Kette zu schließen, aber loslassen wollte er Elisabeth in diesem Augenblick auf keinen Fall.

»Danke schön ...«, sagte sie leise und blickte zu ihm auf.

Er gab ihr einen Kuss auf die Stirn und nahm ihre Hände in seine, sah sie liebevoll an. »Du bist in so kurzer Zeit zum wichtigsten Menschen in meinem Leben geworden, ich möchte dich nicht wieder loslassen müssen oder verlieren.«

In der Lobby bat Moritz sie, Platz zu nehmen, er würde sie beide einchecken. Es dauerte nur wenige Minuten, bis er zurück war, im Augenwinkel sah sie, wie er eine Kreditkarte einsteckte. Schwarz. American Express Centurion Card. Theoretisch kein Limit. Sie hob die Augenbraue und Moritz bemerkte ihren fragenden Blick.

»Firmenkarte.« Moritz hatte das Einstecken absichtlich etwas hinausgezögert, um Elisabeths Reaktion abzulesen. Bei zwei seiner vorherigen Dates hatte er damit ganz offen die Rechnung beglichen. Eine seiner Begleiterinnen machte ihm direkt darauf einen Heiratsantrag, die andere witzelte darüber, dass sie ihm gern beim Geldausgeben assistieren würde. Moritz hatte beide noch am selben Abend abserviert. Das mit der Firmenkarte ist immerhin nicht gelogen, abgesehen davon, dass mir die Firma quasi gehört ...

»Ich hoffe, du weißt, was du tust«, entgegnete Elisabeth.

»Was meinst du?«

»Privatvergnügen auf Firmenrechnung? Moritz, das ist mir nicht wirklich geheuer, auch wenn es die Firma deines Vaters ist.« Elisabeth kannte durch die Arbeit in der Unternehmensberatung genügend Männer, die von Beruf Sohn waren, aber bei Moritz war ihr Gefühl irgendwie anders.

»Keine Sorge. Das geht in Ordnung. Ich kann das verantworten.«

»Na gut. Ich kann mir auch nur schwer vorstellen, dass man dir sonst eine Centurion Card gegeben hätte.«

»Wohl wahr ... Wie sieht es aus? Ich habe die Zimmerkarte, dein Gepäck, zufällig auch meine Tasche ... dich – los geht’s?«

»Moritz, Moritz, Moritz, du bringst mich um den Verstand«, seufzte Elisabeth. Natürlich hätte sie zu gern gewusst, was es mit der schwarzen Amex wirklich auf sich hatte. Dass Moritz nicht am Hungertuch nagte, sah man spätestens auf den zweiten Blick. Er trug keine auffälligen Label, aber stets Kleidung von ausgesuchter Qualität. Der Landrover, der zu Schrott verunfallt war, stand dem F-Type preislich in nichts nach, seine Automatik-Uhren waren zwar dezent, aber ebenfalls aus dem oberen Preissegment. In der Firma hatte Moritz einen hochdotierten Job gehabt, mit seinem ökonomischen Geschick hatte er sich diesen Luxus schon damals leisten können. Das erklärte aber immer noch nicht diese spezielle Kreditkarte, die man nur auf Einladung des Emittenten bekam und deren Initiationsgebühr so hoch war, wie die Kosten für einen Kleinwagen.

Elisabeth setzte sich in den Sessel, als Moritz gerade aus dem Bad kam und fragte: »Darf ich dich mal was fragen?«

»Ja, immer.«

»Bist du öfter hier?«

Moritz schluckte, er fühlte sich ertappt.

»Was genau meinst du?«, hakte er so ruhig wie möglich nach.

»Moritz, das war eine geschlossene Frage. Ja oder nein als Antwort hätte gereicht. Aber ich sehe schon ... Also, der Check-in gerade ohne vorherige Buchung lief rasant. Schwarze Amex hin oder her. Dann hast du nicht ein einziges Mal auf die Schilder an den Türen und Gängen geachtet und bist quasi im Blindflug hierher gelaufen. Ich war mindestens viermal hier und muss mich trotzdem jedes Mal neu umsehen ... und mein Orientierungssinn ist nicht gerade der einer Currywurst. Und last but not least: Der Concierge hat dich anders gegrüßt als die anderen Gäste ...« Ihr Tonfall klang investigativ, aber immer noch freundlich, höchstens ein bisschen herausfordernd.

»Ich gebe zu, ja, ich gehe sehr häufig im Park spazieren, weil ich wirklich ganz in der Nähe wohne. Und eine Weile war die Hotelbar hier mein zweites Zuhause. Wenn ich dann zu ›müde‹ war, habe ich auch hin und wieder hier übernachtet, ich kenne den Geschäftsführer ganz gut. Aber ich war nie mit einer Frau hier, falls du das meinst. Ehrenwort.«

»Na dann ... Komm her ...« Elisabeth hatte die Arme ausgestreckt, Moritz wandte sich vom Fenster ab und kam ihrer Bitte nach. Sie erhob sich und schmiegte sich an ihn.

»Und nun, Miss Marple?«, fragte er spöttisch, froh diese Klippe umschifft zu haben.

»Tja, Mr. Stringer.« Sie wartete kurz auf seine Reaktion, er schloss die Augen und schmiegte sich an sie. »Ich kann mich erinnern ... dass wir vorhin auf dem Parkplatz ...«, küsste sie ihn, sehr flüchtig aber bestimmt, bei jedem Teil des Satzes, »irgendwo hier ... stehen geblieben sind.«

Seine Hand hatte sie unter ihr Shirt geschoben, mit ihrem Unterarm seinen Hals umschlungen, um sich nun mit der anderen Hand in seine Jeans einzuhaken und ihn ganz nah an sich heranzuholen.

»Kommt mir bekannt vor ... Ja«, flüsterte er in ihr Ohr, knabberte daran und genoss das Gefühl, dass Elisabeth gerade zu Wachs in seinen Händen wurde. Federleicht ließ er seine Fingerspitzen über ihren Körper wandern, hin und wieder zuckte sie oder bekam eine Gänsehaut, aber das Spiel gefiel ihr.

»Ich hab weiche Knie ...«, gestand sie ihm und biss sich auf die Unterlippe.

»Dann sollten wir etwas dagegen tun ...«

Moritz trug sie auf dem Arm zum Bett, legte sie ab, begann, sie langsam auszuziehen, und küsste jede neu entblößte Stelle ihres Körpers. Es machte ihn wahnsinnig, zu spüren, wie sie auf jede seiner Berührungen, jeden Kuss reagierte, er empfand dabei ebenso viel Lust wie sie. Er liebte sie für ihre Hingabe, dass sie sich fallen und ihn gewähren ließ, für die süße Verheißung die in ihrem Spiel lag und die Intensität des Moments. In seinen Augen war es viel zu schnell vorbei, aber der Abend war noch jung und sie hatten die ganze Nacht für sich.

Als er begann, sein Hemd auszuziehen, kniete sie sich neben ihn und angelte den Seidenschal aus ihrer Handtasche. Moritz ahnte, was sie vorhatte.

»Ich nehme an, du hast nicht spontan Halsschmerzen bekommen ...?«, fragte er charmant.

»Nein ... Ich hatte auch nicht vor, zu gehen ...« Das Letzte, was er für die nächste Weile sah, war dieser allessagende Blick von ihr, der keine Nachfrage und keine Widerrede duldete. Was Moritz aber auch im Traum nicht eingefallen wäre.

Als sie ihm die Augen verbunden hatte, legte sie ihre Hand auf seine Schulter und deutete ihm, sich hinzulegen. Sie zog ihn weiter aus, küsste und streichelte ihn und mit einem Mal waren ihre Lippen überall und nirgends, ihre Hände sanft und fordernd zugleich. Er sah sie nicht, aber fühlte umso mehr, dass es sie nicht gerade kalt ließ, mit ihm zu spielen, ihn zu reizen und zu teasen, zu jagen und ihn dann wieder sehnsüchtig warten zu lassen. Sie nahm ihm jegliche Hemmung, er ließ sich gehen und mit sich geschehen, was sie mit ihm anstellte. Ihm wurde heiß und kalt, er stöhnte auf und hoffte, dass sie ihn bald erlösen würde. Moritz konnte sich kaum zurückhalten; die süße Folter machte ihn willenlos. Sein Puls raste und Elisabeth spürte, dass er vor Lust verging. Plötzlich ließ sie von ihm ab, hörte auf sein Raunen, genoss noch einmal für einen Moment den Anblick, wie er sich ihr entgegenstreckte und nach ihr gierte. Dann ließ sie ein letztes Mal ihre Lippen mit ihm spielen, um ihn an den Punkt zu bringen, an dem er ihr zuvor dieses Hochgefühl geschenkt hatte.

Eng an ihn gekuschelt nahm sie ihm die Augenbinde ab und küsste seine immer noch bebenden Lippen.

»Alles okay?«, fragte sie ihn.

Sein Gesichtsausdruck war nur schwer deutbar, aber eine ganze Ecke entfernt von erfüllt und glücklich. Moritz hielt sie fest, vergrub sein Gesicht in ihren Haaren und wisperte in ihr Ohr: »Auch wenn es gerade nicht so aussieht, ich bin sehr, sehr glücklich und ich kann dir kaum sagen, wie schön es für mich war.«

Irritiert schüttelte sie leicht den Kopf. »Ich frag jetzt besser nicht ...«

»Später. Miss Marple ...«, antwortete er und strich ihre Haare hinter das Ohr. »Weißt du eigentlich, wie gern ich die Krimis als Kind gesehen habe?«

»Kann ich mir vorstellen ... Ich habe aber auch immer gebettelt, noch länger aufbleiben zu dürfen ... Am liebsten habe ich die Episoden mit Margaret Rutherford gesehen«, schwärmte sie.

»Ich auch. Wusstest du, dass Agatha Christie sie für eine Fehlbesetzung hielt?«

»Ja, das hab ich mal gelesen. Sie entsprach ihr zu wenig der Romanfigur. Egal, ich schaue sie mir immer wieder gern an.«

Um Moritz besser sehen zu können, stützte sie den Kopf auf ihre Hand und drehte sein Gesicht mehr zu ihrem. »Was war gerade los, Mister Stringer?«

Moritz seufzte. Man konnte sie einfach nicht lang ablenken.

»Weißt du noch, wie wir auf der Fahrt nach Amsterdam über unsere bisherigen – ich nenne es jetzt mal – ›Erlebnisse‹ gesprochen haben?«

»Ja. Natürlich. Ist ja noch nicht so lange her ... Wir haben auch über Dinge gesprochen, die wir nicht mögen, die tabu sind oder was wir gern mal ausprobieren würden ...«

»Mhmh ...«, murmelte er bestätigend.

»Okay. Irgendwas ist dir gerade peinlich ...« Sie runzelte die Stirn, küsste ihn liebevoll und sah ihm tief in die Augen. »Willst du darüber reden oder lieber nicht?«

»Schon. Irgendwie.« Moritz dachte nach. Eigentlich gab es keinen Grund, es ihr nicht zu sagen, also fasste er sich ein Herz. »Als wir darüber gesprochen haben, mit wie vielen Partnern wir vorher zusammen waren, habe ich das hauptsächlich darauf bezogen, mit wie vielen Frauen ich geschlafen habe. Es gab aber eine ganze Menge mehr Frauen, mit denen ich nicht dazu gekommen bin, obwohl es eindeutig darauf ausging.«

Worauf wollte er hinaus? Elisabeth zog die Nase kraus. »Will heißen?«

Moritz legte sich ebenfalls auf die Seite und stützte den Kopf auf seine Handfläche. Er deckte sie beide etwas mehr zu und strich Elisabeth über das zart gebräunte Gesicht. »Liebling, es gibt nichts, was ich vor dir geheim halten will ... Nur ist es mir gerade echt ein bisschen unangenehm. Ich will nicht, dass es sich so anhört, als würde ich dich mit anderen Frauen vergleichen.«

»Zur Abwechslung bist du jetzt mal niedlich ... Moritz, wir müssen uns doch jetzt nicht ernsthaft darüber unterhalten, dass jeder Mensch unweigerlich Vergleiche zieht ... Und hin und wieder ist es noch nicht einmal verkehrt, darüber vernünftig zu reden. Hm?«

»Okay. Ich war mit knapp fünfzig Frauen zusammen in meinem Leben, von den neun, mit denen ich geschlafen habe, gab es nur zwei, bei denen es, was Sex betrifft, mehr als ein One-Night-Stand war. Mit einer war ich verheiratet und die andere liegt gerade neben mir.« Er versuchte, ihre Reaktion zu deuten. Keine Chance.

»Moritz, du redest immer mehr in Rätseln. Dann waren es eben fünfzig. So what? Ich mag ehrlich gesagt nicht weiter bohren. Sag, was dir auf der Seele brennt oder lass es bleiben ...« Ein bisschen meinte sie es sogar so, aber eigentlich wollte sie es lieber wissen. Dann dämmerte es ihr. Hatte sie nicht Marie gegenüber angedeutet, dass –

Sie grinste und nahm den Faden wieder auf. »Moment. Du willst jetzt aber nicht sagen, dass gewisse physikalische Eigenschaften eines bestimmten Körperteils eine, nennen wir es ›abschreckende Wirkung‹, auf einen Großteil dieser Frauen hatte?«

»Jap.« Moritz spürte, dass er mehr als rot angelaufen war.

»Oh.« Elisabeths Grinsen war einer gewissen Verblüffung gewichen. Kleinlaut fügte sie hinzu: »Sorry ... ich werd nicht drauf rumreiten ...« Noch im selben Moment bemerkte sie, was sie gesagt hatte, kniff die Augen zusammen und biss sich auf die Zunge. Moritz lachte, bis ihm die Tränen kamen. »Rumreiten ... Nein, wirst du nicht. Bist du ja schon.« Er konnte sich kaum halten und irgendwann musste auch Elisabeth nachgeben und kicherte. Sie fing sich aber deutlich schneller als Moritz. »Jetzt mal ernsthaft ... Das ist dein Problem?«

»Hm. Bezogen auf die Situation gerade: Ja. Ich war völlig davon fasziniert, dass du mir die Augen verbunden hast und plötzlich ging alles so schnell. Ich habe wahnsinnig genossen, was du mit mir angestellt hast und du bist die erste Frau überhaupt, die sich darauf eingelassen hat.«

Aus völligem Selbstverständnis heraus antwortete sie: »Was heißt eingelassen ...? Ich habe mir genommen, wonach mir der Sinn stand!?«

Moritz rückte näher an sie heran und küsste sie zaghaft, nahm ihre Hand und legte sie auf seine Brust, Elisabeth spürte seinen Herzschlag.

»Ich hatte letzte Woche wahnsinnige Angst, dir im wahrsten Sinne des Wortes weh zu tun. Und plötzlich liegen wir in deinem Bett, schlafen miteinander und alles ist anders, es fühlt sich auch für mich schön an, weil ich spüre, dass du es genießt und dich fallen lässt ...« Für einen Moment hielt er inne, Elisabeth sah ihn gerührt an, streichelte seinen Hals und den Oberkörper, fuhr über seinen Bauch, den Rücken und legte ihre Hand auf seinem Po ab, zog Moritz zu sich heran, um ihm so nah wie möglich zu sein, wenn er weitersprach. »Irgendwie war ich noch nicht einmal wirklich irritiert, dass das kein Thema zwischen uns war. Bis gerade dann, als du ...« Erneut kam er nicht weiter.

Diesmal war es Elisabeth, die ihn unterbrach, indem sie einen Finger auf seinen Mund legte. »Shhht. Halten wir fest: Er ist großartig. Punkt. Ich steh auf ihn. Ja. Und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Punkt.« Sie nahm den Finger von seinen Lippen und fuhr damit an seinem Körper hinunter, küsste ihn und entnahm seinem: »Ooooh ... Himmel ... Du machst mich wahnsinnig ...«, dass diese Nacht noch lange nicht zu Ende sein würde.

Samstag, 16.06.

»Guten Morgen, Liebes ...«

»Guten Morgen ... Wie spät ist es?«

»Halb neun.«

»Bist du schon lange wach?«

»Nein, ich habe dir nur ein paar Minuten beim Schlafen zugesehen.« Moritz lag hinter ihr und hielt sie immer noch so im Arm, wie sie eingeschlafen waren.

»Weißt du, einerseits möchte ich nicht, dass du mich loslässt. Andererseits knurrt mein Magen ...«

»Irgendwann müssen wir so oder so aufstehen. Ich hab aber auch Hunger ...«

»Komisch ... Wo der wohl herkommt ...« Elisabeth lachte und biss sich auf die Unterlippe. »Ich hüpf kurz unter die Dusche und dann können wir los.«

»Hmmmm ... Ich komm gern mit ...« Moritz kamen bereits wieder Gedanken, was er mit ihr unter dem warmen Wasserstrahl gern anstellen würde.

»Wer hat gesagt, dass du darfst?«

»Ich sehe es dir an der Nasenspitze an ...«

Sie hatten gerade den zweiten Kaffee in der Tasse, Elisabeth löffelte noch ihren Joghurt aus, Moritz kaute die letzten Bissen seines Croissants, als eine Hotelangestellte an den Tisch kam und Moritz ansprach.

»Herr von Eschberg, gut, dass ich Sie endlich gefunden habe. Es gibt ein Problem mit dem Dienstplan ab morgen. Wir müssen dringend darüber reden, ich habe Sie schon mehrfach auf dem Handy angerufen und nicht erreicht!«

Moritz schlug sich die Hände vor das Gesicht, Elisabeth schloss die Augen und atmete schwer.

»Frau Schiller, nicht jetzt, bitte. Ich sehe es mir heute Nachmittag an.«

»Herr von Eschberg, es eilt. Herr Grüter ist leider krank und Herrn Schumacher kann ich nicht fragen. Er ist immer noch nicht autorisiert, Mitarbeiter aus den Freischichten zu holen.«

»Schon gut. Ich kümmere mich. Wenn Sie uns jetzt bitte allein lassen würden?«

Als Karina Schiller den Tisch verlassen hatte, ergriff Elisabeth das Wort.

»Herr von Eschberg!?« Sie ließ eine Pause. Sah ihn an. Sein entsetztes Gesicht. Seine aufgeflogene Tarnung. »Herr von Eschberg, ich nehme an, dass wir mit dem Frühstück fertig sind und Sie mir das, was jetzt kommt lieber woanders erzählen möchten?«

»Elisabeth, es tut mir wahnsinnig leid. Das war auf keinen Fall die Art und Weise, auf die du es erfahren solltest.« Moritz flüsterte fast. »Wenn es für dich in Ordnung ist, gehen wir in den Park an die frische Luft ...«

»Mir soll es recht sein.«

Schweigend verließen sie das Schloss. In Elisabeths Kopf schwirrten die Gedanken. Ich hätte es wissen oder zumindest ahnen müssen. Ihr fielen Moritz’ überaus gute Manieren ein, seine ausgesuchte Höflichkeit im Job. Dann das seltsame Verhalten der Schwestern im Krankenhaus, der Check-in am Tag zuvor und die schwarze Amex, der Concierge, der ihn so seltsam gegrüßt hatte. Sie begann zu zittern. Was machte sie so nervös? Moritz war leichenblass. Sie glaubte ihm, dass er es ihr lieber selber hatte sagen wollen. Aber wozu das ganze Theater? Sie versuchte, sich in seine Lage zu versetzen. Hätte sie anders gehandelt?

»Lass uns hierher setzen, das ist einer meiner Lieblingsplätze. Hier sind wir ungestört.«

Die Sonne schien auf den Wildrosengarten, die helle Steinbank war warm und sie waren tatsächlich allein. Moritz’ Stimme wurde brüchig. »Ich wollte dich einweihen. Heute Nachmittag. Genau hier an diesem Ort, in Ruhe.«

»Da war Frau Schiller jetzt schneller, Herr von Eschberg ...« Elisabeth klang gelassener, als sie war. Sie konnte schlicht und einfach nicht fassen, dass Moritz nicht der war, der er jahrelang vorgegeben hatte zu sein. Aber sie konnte eins und eins zusammenzählen. Moritz kannte den Geschäftsführer nicht, er war es selbst. Der Concierge hatte seinen Chef gegrüßt. Sein Job waren das Schloss, das Hotel und das Familienerbe.

»Genau genommen heißt es Moritz Georg Maximilian Friedrich Prinz von Eschberg.« Moritz versuchte krampfhaft, das Gespräch aufzulockern.

»Ich werde es mir aufschreiben. Oder googeln. Eure Frechheit.«

»Wie sauer bist du?«

»Was ist das für eine Frage? Wer sagt, dass ich sauer bin? Moritz, ich bin perplex. Geschockt, um genau zu sein.«

»Nicht sauer, dass ich dich angelogen habe? Dass ich dir vorgegaukelt habe, jemand anderes zu sein?«

»Nein. Sauer definitiv nicht. Ich hab nur gerade eine riesige Angst, vor dem, was kommt. Jetzt. Hier.«

»Ohne dass das etwas entschuldigt, aber genau dieselbe Angst habe ich auch.«

»Und nun?«

»Ich weiß es nicht ...« Moritz klang zutiefst verzweifelt. Sie saßen ein gutes Stück auseinander, er hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und hielt seinen Kopf fest. Elisabeth stupste ihn an.

»Wenn du dir vorgenommen hattest, es mir heute zu sagen, gehe ich davon aus, dass dein Plan, wie es weitergeht, vielleicht einfach vorgezogen werden könnte!?«

»Wenn ich einen echten Plan gehabt hätte, wäre der sicherlich jetzt zum Tragen gekommen. Aber irgendwie hatte ich die Hoffnung, dass sich das Gespräch einfach ergeben würde.«

»Hm ...«

»Elisabeth, mich verwirrt gerade, dass du so ruhig bist. Es ist ja fast so, als hätte ich dir gesagt, ich sei Vegetarier oder so.«

»Mein Lieber, das wäre weitaus dramatischer gewesen. Du kennst meine Vorliebe für Steak ... Mit einem Vegetarier könnte ich nicht zusammen sein ...« Unwillkürlich musste Elisabeth lachen und steckte Moritz an.

»Na gut, dass ich nur ein Prinz bin ...«

»Ob das so gut ist, kann ich noch nicht beurteilen.« Nachdenklich legte sie den Kopf zur Seite und sah ihn an. Das Zittern war verschwunden, die Unsicherheit geblieben. »Moritz, was erwartest du jetzt von mir?«

»Nichts. Also, versteh das nicht falsch. Ich erwarte halt nur nicht, dass du mir jetzt um Hals fällst. Würde ich an deiner Stelle auch nicht tun. Ich, hm ... Ach, keine Ahnung ich bin ja schon froh, dass du nicht einfach weggelaufen bist. Oder mich angeschrien hast.«

»Hm. Wie soll es deiner Meinung nach weitergehen? Soll es überhaupt mit uns weitergehen?«

»Ich fürchte, dass nicht ich derjenige bin, der darüber entscheidet.« Er blickte sie an und gab ihr zu verstehen, dass er es von ihr abhängig machte. »Nur, wenn jetzt noch mal die gute Fee vorbeikäme, ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf sofortige Erfüllung lauteten und ich einen Wunsch frei hätte, würde ich mir wünschen, dich für immer an meiner Seite zu haben und mit dir ein glückliches Leben zu führen.«

»Tja, im Feenland ist gerade Urlaubszeit und die Vertretung ist miserabel organisiert. Mein Feenstaub ist leer. Für die Erfüllung dieses Wunsches wirst du wohl selber sorgen müssen.«

Moritz verzweifelte, woher nahm sie jetzt noch diesen Humor? Kopfschüttelnd blickte er sie an. »Schrei mich lieber an oder lauf weg, solange du kannst, das könnte ich einfacher beantworten als dein Entgegenkommen gerade.«

»Nein, Moritz, das werde ich nicht tun. Ich habe dich um Antworten gebeten und sie erhalten. Davor läuft man nicht weg. Und es gibt keinen Grund zu schreien.« Natürlich wäre sie am liebsten weggelaufen oder hätte ihn angeschrien. Es hätte nur nichts gebracht, außer einer fürchterlichen Szene. »Weißt du, ich verstehe, dass du die Wahrheit so exorbitant gedehnt hast, ich hätte an deiner Stelle nicht anders gehandelt, glaube ich. Ich frage mich nur, wie das so lange geheim bleibe konnte. In der Firma. Hier ...«

»In der Firma wussten es nur Markus, Potthoff, Herr Theussen, Victoria und ihr Vater. Victoria und ich kennen uns seit Urzeiten aus Eschberg, sie wohnt ja hier. Markus hat sich für mich verbürgt, dass ich mit meiner ›neuen Identität‹ keinen Unsinn anstellen würde. Das lief problemlos. Besonders, weil wir ja die ganze Zeit so getan haben, als kennten wir uns nicht und könnten einander nicht ausstehen. Wir haben ja nur an derselben Uni studiert, aber an unterschiedlichen Fakultäten ...«, erklärte er. Elisabeth nickte. Was Moritz erzählte, leuchtete ein, er führte seine Erklärung weiter aus. »Hier gibt es eine Absprache mit den Medien, hin und wieder erlauben wir einen Blick hinter die Kulissen, offizielle Termine und Bilder, ab und zu auch einen Tipp oder eine Info, aber dafür lässt man uns in Ruhe. Für die Presse war ich ein paar Jahre im Ausland, mich hat also niemand vermisst. Der Geschäftsbetrieb darf nicht leiden. Außerdem bin ich ja erst mal nur inoffiziell zurück, ich habe quasi Welpenschutz.«

»Mit 33, Welpenschutz? Wie süß ...«

»Ich bin sensibel ...« Es klang ironischer, als es gemeint war.

»Gut, mein Sensibelchen, dann kläre mich mal auf. Was kommt jetzt?«

»Ich weiß es leider immer noch nicht. In der Kette der Möglichkeiten, die ich durchgespielt habe, war dieses Szenario nicht vorgesehen ...«

»Gut, andere Frage. Was geht dir durch den Kopf?«

»O je ... Wenn ich dir das erzähle, verlässt du mich sofort ...«

»Hmmmm. Darf ich das bitte selber entscheiden?«

»Du hast recht ... Also, als Erstes geht mir durch den Kopf, dass ich bis gerade sehr glücklich war und dieses Glück jetzt droht, wie Sand durch meine Finger zu rinnen. Dann würde ich dich gern küssen.« Er sah zu ihr hinüber, sie hob skeptisch die Augenbraue. »Ähm, ja. Außerdem klopft mein Herz gerade so laut, dass ich den Puls in meinen Ohren höre und nicht denken kann.« In seinem Blick lag Kummer. »Wenn ich ein Drehbuch für diese Szene schreiben dürfte, sähe das so aus: Ich schiebe dir einen Zettel zu ›Willst du mit mir gehen? Kreuze an ja, nein, vielleicht‹, du gibst ihn mir zurück, das Kreuz ist bei ja, wir küssen uns und alles ist gut.«

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