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bb) Verfolgungshandlungen nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG

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Nach § 3a Abs. 1 Nr. 2 AsylG können Verfolgungshandlungen auch solche Handlungen sein, die „in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher, wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist“. Der Verletzungserfolg muss also gerade darin bestehen, dass ein beliebiges Menschenrecht betroffen wird. Allerdings verlangt der Wortlaut hierbei nicht, dass jede Verfolgungshandlung für sich bereits ein Menschenrecht beeinträchtigen müsste. Vielmehr genügt es, wenn die Kumulation aus vielen verschiedenen Verfolgungshandlungen geringerer Intensität in einer Gesamtschau eine Verletzung von Menschenrechten darstellt.

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Allerdings ist zu beachten, dass diese sehr offene Sichtweise dazu führt, dass Verfolgungshandlungen bereits jede rechtmäßige und menschenrechtlich nicht zu beanstandende Strafverfolgungen darstellen können. Als Korrektiv und damit einer Einschränkung wird ein sog. Polit-Malus gefordert.[5] Die staatliche Handlung muss ein diskriminierendes Element enthalten und auf einem für den Flüchtlingsbegriff relevanten Verfolgungsgrund aufbauen. Mit dieser Einschränkung unterfällt eine staatliche Strafverfolgung dem Begriff der Verfolgungshandlung nur dann, wenn diese nicht mehr zum Schutz der Rechtsordnung betrieben wird, sondern z.B. nur der Religion oder der Rasse des Betroffenen wegen betrieben wird.

cc) Verfolgungshandlungen nach § 3a Abs. 2 AsylG

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Der § 3a Abs. 2 AsylG nennt einige Beispiele, wann eine Verfolgungshandlung i.S.d. Abs. 1 vorliegt und konkretisiert damit lediglich dessen Regelungen. Klärungsbedürftig sind allerdings die Definitionen der unbestimmten Rechtsbegriffe „unverhältnismäßig“ und „diskriminierend“ in § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG. Von einer Unverhältnismäßigkeit im Sinne der Norm ist die Rede, wenn Menschenrechtsverletzungen in Rede stehen. Es gilt also ein absoluter Maßstab.[6] Bei der Diskriminierung hingegen wird ein lediglich relativer Maßstab gefordert. Denn eine Diskriminierung kann gerade ihrer Natur nach nur im Vergleich zu einem anderen entstehen. Auf eine Verletzung von Menschenrechten kommt es gerade nicht an. Es genügt bereits eine Ungleichbehandlung auf Grund der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe.

Beispiel

Das BVerfG geht in seiner Rechtsprechung (BVerfGE 54, 187) davon aus, dass eine lebenslange Haftstrafe für Mord verfassungswidrig ist, sofern es keine Möglichkeit einer frühzeitigen Entlassung gibt. Hierbei wird der absolute Maßstab deutlich. Das die Strafe auf der eigenen schwerwiegenden Handlung des Täters beruht, spielt insofern keine Rolle.

b) Verfolgungsgründe

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Neben einer Verfolgungshandlung muss auch ein bestimmter Verfolgungsgrund vorliegen. Nicht jeder Grund vermag einen Schutzanspruch zu begründen. Nach der Definition des Flüchtlings in § 3 Abs. 1 AsylG sowie der Qualifikations-RL kommen als Verfolgungsgründe nur in Frage: Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe.

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Lesen Sie die Norm!

Eine Konkretisierung der Verfolgungsgründe findet sich in § 3b AsylG. Allen Verfolgungsgründen ist gemein, dass es sich um Merkmale handelt, die für den Einzelnen unverfügbar sind. Das bedeutet, dass der Betroffene das jeweilige Merkmal nicht durch eigenes Verhalten ändern oder beseitigen kann. Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe ist zu beachten, dass es gerade nicht darauf ankommt, ob der Betroffene einen Verfolgungsgrund tatsächlich aufweist. Es genügt bereits, dass der Verfolgungsakteur dem Betroffenen den Verfolgungsgrund zuschreibt, vgl. § 3b Abs. 2 AsylG.

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Wir stellen immer wieder fest, dass es bei der Verfolgung, sei es im Rahmen des Asylgrundrechts oder hier bei der Frage der Flüchtlingseigenschaft, darauf ankommt, ob subjektive oder objektive Gründe vorliegen. Subjektive dann, wenn der Ausländer Einfluss auf die Gründe hat, und objektive, wenn es sich um für den Ausländer unverfügbare Gründe handelt. In der Regel sind objektive Gründe immer asylerheblich. Umgekehrt reichen subjektive Gründe in der Regel allein nicht aus.

c) Verknüpfung von Verfolgungshandlung und -grund

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Dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG nach muss die Verfolgung gerade wegen eines Verfolgungsgrundes stattfinden. Es kommt also auf einen kausalen Zusammenhang an. Nach der Rechtsprechung des BVerwG richtet sich dieser nach der sog. Motivationstheorie[7]. Es käme demnach darauf an, ob der Verfolger mit der Verfolgungshandlung die Verfolgung des Betroffenen gezielt beabsichtigte. Dieser Interpretation ist das BVerfG ausdrücklich entgegengetreten. Dieses vertritt vielmehr die sog. finale Theorie.[8] Demnach spiele die Motivation des Verfolgers gerade keine Rolle, sondern es kommt lediglich auf die objektiven Umstände der Maßnahme an. Es soll also bereits genügen, wenn die Verfolgungshandlung an für den Flüchtlingsbegriff relevante Verfolgungsgründe anknüpft.

Beispiel

Demnach liegt eine Verknüpfung von Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund bereits dann vor, wenn eine religiöse Minderheit nicht deshalb verfolgt wird, weil das Regime etwas gegen die Religion an sich einzuwenden hätte, sie aber auf Grund der Intoleranz der religiösen Mehrheit und der daraus resultierenden öffentlichen Unruhe unterdrückt wird.[9]

d) Verfolgungsakteure

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Weiter ist zu prüfen, ob überhaupt ein tauglicher Verfolgungsakteur vorliegt. Hierbei ist zu beachten, dass sowohl der § 3 AsylG als auch die Qualifikations-RL und die GFK (auf den der § 3 AsylG letztlich zurück geht) grundsätzlich eine zielgerichtete menschliche Handlung fordern. Mit diesem einschränkenden Merkmal werden Naturkatastrophen oder Systemmängel (z.B. fehlende Infrastruktur) von vornherein ausgenommen.

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Beachten Sie die Parallelität zu den Verfolgungsakteuren nach Art. 16a Abs. 1 GG, oben Rn. 68.

Wer Verfolger sein kann, wird auf nationaler Ebene durch § 3c AsylG konkretisiert. Die dortige Aufzählung ist allerdings nicht als abschließend anzusehen. Dem Wortlaut nach („kann“) können weitere Verfolgungsakteure je nach den Umständen der Flucht in Betracht kommen. Grundsätzlich können demnach sowohl staatliche als auch nichtstaatliche Akteure Verfolger sein.

Beispiel

In der Regel handelt es sich bei Verfolgern um Staaten, Parteien, Organisationen oder um nichtstaatliche Akteure (sofern der Staat nicht in der Lage oder Willens ist, Schutz zu gewähren) sowie in Einzelfällen auch um Einzelpersonen

e) Schutzakteure

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Weiter gilt es die Frage zu klären, wer den beanspruchten Schutz überhaupt bieten kann. Dies ist in § 3d AsylG geregelt. Diese Norm ist inhaltlich nahezu identisch mit dem Art. 7 der Qualifikations-RL. Entsprechend dieser Norm können Schutzakteure Staaten (Abs. 1 Nr. 1) sowie Parteien und Organisationen, einschließlich internationaler Organisationen, die einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen (Abs. 1 Nr. 2), sein. Inhaltlich deckt sich diese Aufzählung somit mit der der Verfolgungsakteure in § 3c AsylG.

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Nach § 3d Abs. 2 S. 1 AsylG können die genannten Institutionen aber nur dann Schutz gewähren, wenn der Schutz vor Verfolgung tatsächlich wirksam und nicht nur vorübergehender Natur ist. Wann dies der Fall ist, konkretisiert § 3d Abs. 2 S. 2 AsylG. Im Rahmen der behördlichen Entscheidung kommt es insofern darauf an, dass insbesondere die Funktionsweise der Institutionen und die Anwendung der grundlegenden Menschenrechte überprüft wird.

f) Verfolgungssubjekte

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Grundsätzlich gilt als verfolgt nur derjenige, den die Verfolgungshandlungen unmittelbar getroffen haben oder treffen bzw. treffen sollen. Demnach können z.B. Familienangehörige nur dann Opfer von Verfolgung sein, wenn sie wegen der Zugehörigkeit zur gleichen Gruppe (wie der Schutzsuchende) ebenfalls der Verfolgung ausgesetzt sind. Entsprechend ist auch die Rechtsprechung zur Gruppenverfolgung im Rahmen des Art. 16a Abs. 1 GG auf den Flüchtlingsschutz übertragbar. Gehört der Verfolgte zu einer Gruppe, deren Mitglieder teilweise bereits Opfer von Verfolgungshandlungen wurden, so ist auch jedes andere Mitglied als (zumindest potentielles) Verfolgungsopfer anzusehen.[10]

Hinweis

Auf Grund des Wortlautes des § 3 Abs. 1 AsylG ist der Zeitpunkt der Entscheidung über den Asylantrag für die Beurteilung der Frage nach der Verfolgung maßgeblich. Besteht zu diesem Zeitpunkt eine Furcht vor Verfolgung, so ist dies zu berücksichtigen, selbst wenn der Flüchtende sein Heimatland zu einer Zeit verlassen hat, zu der diese Furcht noch nicht bestand (sog. Flüchtling-sur-place).[11]

g) Schutzlosigkeit

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Damit eine Schutzbedürftigkeit besteht, bedarf es nicht nur der begründeten Furcht vor Verfolgung. Darüber hinaus muss es dem Betroffenen auch verwehrt sein, in seinem Heimatstaat Schutz zu erlangen. Dieses Merkmal entspringt dem völkerrechtlichen Gedanken, dass Staaten auf Grund ihrer Souveränität über Territorium und Volk Garant für deren Bestand und Sicherheit sind, bevor dann, quasi subsidiär, Schutz in anderen Staaten beansprucht werden kann. Erfolgt die Verfolgung gerade durch die Institutionen des Verfolgerstaates, so ist eine Schutzlosigkeit grundsätzlich anzunehmen. Anders lässt sich dies aber unter Umständen beurteilen, wenn die Verfolgung von nichtstaatlichen Akteuren ausgeht.[12]

Beispiel

Bereits im Rahmen des Asylgrundrechts hatten wir das Beispiel erörtert, indem es dem Flüchtenden grundsätzlich möglich ist, in andere Teile seines Heimatstaates zu fliehen (inländische Fluchtalternative, Rn. 88). Gleiches gilt auch hier im Rahmen der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft.

2. Begründete Furcht

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Eine Furcht im Sinne der Definition aus § 3 Abs. 1 AsylG meint die subjektive seelische Verfassung des Betroffenen, die sodann begründet, also durch objektive Tatsachen gerechtfertigt sein muss.[13] Bei der Beurteilung dieses Umstandes hat sich eine subjektiv-objektive Betrachtungsweise durchgesetzt. Nach dieser kommt es darauf an, ob in Anbetracht der objektiven Umstände bei einem vernünftig denkenden und besonnenen Menschen in der Lage des Flüchtenden eine Verfolgungsfurcht hervorgerufen werden kann.[14] Indizien für die Beurteilung dieser Frage können dabei sowohl eine bereits (nachweislich) erlittene persönliche Verfolgung oder die bereits stattfindende Verfolgung von Verwandten oder Angehörigen (welche auf eine Gruppenverfolgung hinweist) darstellen.

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Lesen Sie die zitierte Norm!


In diesem Zusammenhang ist auch der sogenannte interne Schutz bzw. inländische Fluchtalternative zu beachten (vergleichen Sie die Ausführungen oben, Rn. 88). Bezieht sich die Furcht vor Verfolgung nicht auf das gesamte Staatsgebiet des Herkunftsstaates, bestehen also Fluchtmöglichkeiten innerhalb des Territoriums dieses Staates, so befindet sich der Flüchtende gerade nicht wegen seiner Furcht vor Verfolgung im Ausland. Für diesen speziellen Fall ist aber § 3e AsylG zu beachten. Als einschränkendes Kriterium wird nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 AsylG darauf abgestellt, ob von dem Flüchtenden vernünftigerweise erwartet werden kann, sich in dem sicheren Teil seines Herkunftslandes niederzulassen.[15]

Hinweis

Dies kann aber dann nicht erwartet werden, wenn in diesem Gebiet eine Hungersnot herrscht (es mangelt bereits am wirtschaftlichen Existenzminimum). Allerdings ist dies wiederum kein tauglicher Ausschlussgrund, sofern die Hungersnot im gesamten Herkunftsstaat wütet, denn die Hungersnot per se ist kein Verfolgungsgrund.[16]

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Dementsprechend ist eine umfangreiche Sachverhaltsaufklärung nötig, die regelmäßig auch eine Prognoseentscheidung erforderlich macht. Allerdings sind die zuständigen Stellen hierbei in ihrer Entscheidung nicht völlig frei. Um willkürliche Entscheidungen zu verhindern, müssen diese nachvollziehbar sein. Trotz des grundsätzlich gewährten Entscheidungs- und Prognosespielraums der zuständigen Stellen muss eine gerichtliche Überprüfung möglich sein. Auf Grund dessen ist dann aber die Frage zu klären, welchen Maßstab man zur Entscheidung heranzieht. Nach der Rechtsprechung des BVerwG kommt es auf eine Verfolgung des Betroffenen mit „beachtlicher Wahrscheinlichkeit“ zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Schutzantrag an.[17]

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Beachten Sie den Zeitpunkt, auf den die Rechtsprechung abstellt. Es kommt gerade nicht auf den Zeitpunkt der Flucht aus dem Herkunftsland an, sondern auf den Zeitpunkt der Entscheidung im Verwaltungsverfahren über den Schutzantrag

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Der Versuch, das Merkmal der beachtlichen Wahrscheinlichkeit mit statistischen Werten zu untermauern, wurde mittlerweile aufgegeben. Eine von der Rechtsprechung entwickelte Praxis, eine Wahrscheinlichkeit von mindestens 50% zu fordern (inhaltliche Gleichsetzung einer beachtlichen mit einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit) wurde auf Grund der rein objektiven Betrachtungsweise wieder aufgegeben.[18] Letztlich ist jeder Fall so individuell, dass die objektiven Faktoren nur einen Aspekt der finalen Entscheidung sein können und somit in eine Gesamtabwägung einfließen müssen. Insoweit hat sich die nationale Rechtsprechung auch der des EGMR angepasst. Dieser fordert innerhalb einer Gesamtabwägung ein „real-risk of being subjected to treatment“.[19]

Hinweis

Vor diesem Hintergrund ist die Lektüre von Literatur und Rechtsprechung vor dem 1.12.2013 mit Blick auf die Definition von begründeter Furcht mittlerweile veraltet. Vor dem genannten Stichtag enthielt der Gesetzestext des § 3 Abs. 1 AsylG den Zusatz „aus begründeter Furcht“ nicht. Demnach war eine rein objektive Betrachtungsweise ausdrücklich maßgeblich, weil als Flüchtling derjenige angesehen wurde, der Bedrohungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt war. Diese Interpretation des Fluchtbegriffs stand aber im Widerspruch zur GFK und dem Unionsrecht. Durch die nationale Gesetzesänderung wurde mit dem oben genannten Stichtag eine subjektiv-objektive Betrachtungsweise eingeführt.[20]

3. Aufenthalt außerhalb des Herkunftslandes

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Bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft spielt das Herkunftsland des Betroffenen eine wesentliche Rolle. Damit eine Schutzbedürftigkeit überhaupt entstehen kann, muss der Betroffene sein Herkunftsland aber zunächst verlassen. Eine Asylantragsstellung in Deutschland aus einem anderen Land heraus ist nicht statthaft.

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In diesem Zusammenhang stellt sich jedoch die Frage, ob ein Schutzsuchender nicht einen Asylantrag in einer deutschen Botschaft in seinem Herkunftsland stellen kann. Dem steht aber das Territorialprinzip entgegen. Dieses ermöglicht es jedem Staat, über sein Herrschaftsgebiet zu verfügen. Ist ein Flüchtling in sein Herrschaftsgebiet geflohen, kann er ihm, entsprechend seiner Souveränität im Bezug zu anderen Staaten, Asyl gewähren. Hier zeigt sich die völkerrechtliche Dimension, da dem Verfolgerstaat der Zugriff auf den Flüchtling verwehrt wird. Eine diplomatische Behörde innerhalb des Territoriums des Verfolgerstaates befindet sich aber gerade nicht im Herrschaftsgebiet des Fluchtstaates. Beansprucht der Fluchtstaat dem zum Trotz das Gebiet der Botschaft als sein Staatsgebiet und gewährt einem Flüchtenden dort Asyl, so greift er in die Souveränität des Verfolgerstaates ein. Ein solcher Eingriff ist völkerrechtlich jedoch nicht akzeptiert, weshalb eine Schutzgewährung durch eine ausländische Botschaft im Herkunftsstatt nicht möglich ist.[21]

3. Teil Das materielle Asylrecht › C. Asylrecht für Flüchtlinge › III. Ausschlussgründe

III. Ausschlussgründe

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Wie immer sollten Sie die zitierten Normen lesen!

Nachdem wir nun den Flüchtlingsstatus näher kennengelernt und uns mit seinen Anforderungen auseinandergesetzt haben, werden wir uns nun noch mit den Ausschlussgründen (o.a. Exklusionsgründe) befassen, die die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verhindern. Allen voran sind in § 3 Abs. 2 AsylG und § 3 Abs. 3 AsylG Ausschlussgründe normiert. Sind diese einschlägig, kann dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden. Auch diese Normen entspringen dem völkerrechtlichen Gedanken der GFK und sind demnach auch dort und auch in Art. 12 der Qualifikations-RL zu finden.

1. Völkerrechtsverbrechen

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Nach § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AsylG wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Ausländer Verbrechen gegen den Frieden, die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen begangen hat, wobei für die Definition der einzelnen Verbrechen auf die „internationalen Vertragswerke“ verwiesen wird. Ein solches internationales Vertragswerk stellt insbesondere das Römische Statut des Internationalen Strafgerichtshofs vom 17.7.1998 dar, auf welches auch das BVerwG zur Auslegung zurückgreift[22]. Von besonderer Relevanz ist die Tatsache, dass ein Beweis für die Annahme nicht nötig ist. Es genügt dem Wortlaut nach, wenn die schwerwiegenden Gründe die Annahme rechtfertigen.

2. Schwere nichtpolitische Straftat

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Dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG nach darf einem Ausländer, der eine schwere nichtpolitische Straftat begangen hat (z.B. Kapitalverbrechen), die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden. Eine solche liegt vor, wenn mit der Strafverfolgung private Rechtsgüter geschützt werden und nicht die politische Grundordnung oder territoriale Integrität des Staates. Fraglich ist insofern allerdings, wie es sich mit nichtpolitischen Straftaten verhält, die politisch motiviert waren. Hierbei kommt ganz auf eine Analyse der Motivationslage des Täters und einer sich daran orientierenden Abwägungsentscheidung an.[23] Für eine Verhältnismäßigkeitsprüfung ist dagegen kein Raum, da eine Straftat in der Regel keine verhältnismäßige Handlung darstellt.

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Das Problem um die Auslegung der Tätermotivation spitzt sich an der Diskussion zu, ob auch terroristische Straftaten als nichtpolitische Straftaten im Sinne des § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AsylG zu behandeln sind. Der EuGH[24] hat bereits entschieden, dass terroristische Straftaten, die gegen die Zivilbevölkerung gerichtet sind, auch dann nichtpolitische Straftaten sind, wenn die Täter mit der Handlung politische Ziele verfolgen. Darüber hinaus hat der EuGH auch festgestellt, dass allein die Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung im Zeitpunkt der Flucht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht ausschließt. Vielmehr muss dann nachgewiesen werden können, dass der Ausländer eine eigene schwerwiegende Handlung vorgenommen hat.

3. Zuwiderhandlung

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Die von § 3 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AsylG angesprochenen Ziele und Grundsätze der Vereinten Nationen sind in Art. 1 und 2 der UN-Charta normiert. Diese verpflichten aber nur die Mitgliedsstaaten und gerade nicht die Bürger. Daraus resultiert, dass Handlungen, die unter diese Norm fallen, nur von einer Person begangen werden können, die in einem UN-Mitgliedsstaat eine entsprechende Position innehat, auf Grund derer sie für den Staat handeln kann.

Hinweis

Als Reaktion auf die Ereignisse am 11.9.2001 hat der UN-Sicherheitsrat erklärt, dass Akte des internationalen Terrorismus ebenfalls den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen, sodass der UNHCR in der Folge terroristische Handlungen ebenfalls unter die entsprechenden Klauseln subsumiert.[25] Dem hat sich auch der EuGH in der bereits zitierten Entscheidung angeschlossen, wobei er feststellt, dass die Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation alleine nicht ausreicht. Es bedarf der Feststellung, dass der Betroffene tatsächlich einen eigenständigen, hinreichend schweren Tatbeitrag geleistet hat.

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