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3. Korpus
3.1. Korpusbildung

Die bisherige Forschung zum Wortschatz des Schreibens und Lesens im Altnordischen hat vor allem mit einzelnen Textstellen und Wörterbüchern gearbeitet (vgl. Kap. II.1., III.1.). Häufig zitiert werden die Prologe, welche hauptsächlich das Schreiben, aber weniger das Lesen reflektieren, und äusserst heterogen in der Überlieferung sind: Sie gehören zu unterschiedlichen Texten, so dass diese in die Analyse miteinbezogen werden müssen, und sind in unterschiedlichen, teils neuzeitlichen Handschriften erhalten. Meine Lizentiatsarbeit hat sich einem längeren Text gewidmet, der Sturlunga saga, die trotz ihres Umfangs einen limitierten Wortschatz enthält. Gewisse Lexeme sind nur vereinzelt belegt, was eine Analyse erschwert (vgl. Müller 2018). Spurkland (1994) verwendet als einziger ein umfangreicheres Korpus norwegischer Runeninschriften, das er aber rein quantitativ nutzt, um die Anzahl der Lexeme nachzuweisen.

Diese selektive Vorgehensweise kann kaum ein geschlossenes Bild der Lexik und Semantik des Schreibens und Lesens im Altnordischen geben. Selbst eine Berücksichtigung aller überlieferten Texte könnte dies nicht geben, weil sie die altnordische Sprache nur fragmentarisch abbilden. Heringer (1993) kritisiert die fehlenden Methoden und Reflexionen der historischen Semantik, besonders was die Belegmenge und die Repräsentativität der untersuchten Texte sowie die Festigkeit der Bedeutung betrifft. Diese Kritik hat an Aktualität nichts eingebüsst. Mit diesem Problem sieht sich auch die vorliegende Arbeit konfrontiert. Allein schon die bis heute erhaltenen handschriftlich überlieferten Texte stellen eine Selektion dar. Für diese Arbeit muss wegen des Umfangs eine noch engere Auswahl vorgenommen werden, die im Folgenden dargelegt wird. Die Ergebnisse sind somit nicht repräsentativ für die altisländische Sprache und das mittelalterliche Island, sondern nur für die in diesem Korpus enthaltenen Texte, können aber der weiteren Erforschung als Grundlage dienen.

Bei der Textauswahl stellt sich die Frage, welche Texte sich für ein Korpus zum altisländischen Wortschatz des Schreibens und Lesens besonders eignen. Die lateinische Schrift kam mit der Christianisierung um das Jahr 1000 nach Island. Die ältesten erhaltenen Handschriften stammen allerdings erst aus dem 12. Jahrhundert. Von da an nimmt die Zahl überlieferter Handschriften bis ins 14. Jahrhundert kontinuierlich zu. Die wichtigsten historischen Quellen, welche diese Zeit und diesen Raum abdecken sind die Sturlunga saga und die Bischofssagas (biskupasǫgur) (vgl. Bragason 2005: 428, Grímsdóttir 2003: XXX, Tómasson 2002: 793–801, Uecker 2004: 19–23, 93, 112).

Der beste Weg wäre also, diese Texte in einem elektronischen Korpus nach Belegen zu durchsuchen. Dieser Methode sind in der Altisländischen Sprache jedoch Grenzen gesetzt. Obwohl es mehrere elektronische Korpora mit altisländischen Texten gibt, kommen die Bischofssagas darin kaum vor. Die Zusammensetzung der Korpora erlaubt aber auch mit anderen Texten eine seriöse Arbeit nur in sehr eingeschränktem Ausmass. Das isländische Korpus Málföng (malfong.is) umfasst auch mittelalterliche Texte (fornritin) (http://mim.arnastofnun.is/index.php?corpus=for). Darunter befinden sich folgende Gattungen und Werke: Isländersagas (Íslendinga sögur), Sturlunga saga, Heimskringla und Landnámabók. Die für die Erforschung der Schriftlichkeit essentiellen Bischofssagas fehlen jedoch. Das Korpus basiert zudem auf normalisierten Editionen, in denen die verwendeten Handschriften und Redaktionen nicht unterschieden werden. Dies ist besonders fatal, da diverse altisländische Texte nur in frühneuzeitlichen Abschriften von verloren gegangenen mittelalterlichen Vorlagen überliefert sind, so dass der Bestand zeitlich weit über das Mittelalter hinausgeht. Deshalb ist dieses Korpus auch für die Analyse der Sturlunga saga ungeeignet.

Ein weiteres elektronisches Korpus ist http://corpus.arnastofnun.is/, in dem ebenfalls sowohl alt- als auch neuisländische Texte durchsucht werden können, jedoch nicht die Bischofssagas. Ausserdem basiert das altisländische Korpus ebenfalls auf normalisierten Editionen. Ein grösseres Projekt, das mit den einzelnen Handschriften arbeitet, ist Medieval Nordic Text Archive (http://www.menota.org/), in dem sowohl die Sturlunga saga als auch die Bischofssagas leider fehlen. Das laufende Wörterbuchprojekt Ordbog over det norrøne prosasprog (= ONP) ‚Wörterbuch zur altnordischen Prosasprache‘ (http://onp.ku.dk/) der Universität Kopenhagen ermöglicht es, einzelne Lexeme und auch Kollokationen in verschiedenen kritisch edierten Texten zu finden; das Projekt ist aber noch nicht abgeschlossen, d.h. das Material ist nicht vollständig aufbereitet. Bei den jeweiligen Texten ist ausserdem nur eine Auswahl pro Lemma getroffen worden. Dies erlaubt keine Stichproben, um Texte auszuwählen, die ein besonders hohe Dichte an Belegen aufweisen. Mit dem ONP ist es immerhin möglich, in der Sturlunga saga und den Bischofssagas selten belegte Lexeme mit Belegen aus anderen Textgattungen zu vergleichen und auch das Alter der Lexeme zu belegen. Weil es keine geeigneten elektronischen Korpora gibt, ist es nötig, die Texte analog in der Originalsprache durchzulesen und nach Stellen mit Lexemen zum Schreiben und Lesen zu exzerpieren. Diese aufwendige Arbeitsweise erlaubt nur ein relativ kleines Korpus, weshalb eine gezielte Selektion nötig war. Dafür wurden folgende drei Texte ausgewählt: Jóns saga biskups, Sturlunga saga und Laurentius saga biskups. Die Wahl basiert auf folgenden Kriterien: Sie enthalten viele Belege zum Schreiben und Lesen, sind in altisländischer Sprache geschrieben, handeln hauptsächlich in Island, sind auch in Island entstanden und zum grössten Teil in mittelalterlichen Handschriften überliefert. Zu den drei Texten und ihren Handschriften liegen zudem kritische Editionen vor.

Die Jóns saga helga ist die Vita Jón Ǫgmundarsons (1052–1121), der 1106 erster Bischof der nordisländischen Diözese Hólar wurde und im Jahre 1200 auf dem Althing heiliggesprochen wurde. Sie ist eine wichtige Quelle für die Frühzeit des Christentums und der Schriftkultur in Island, auch wenn sie wegen ihres stark legendarisch-hagiographischen Charakters und der stereotypen Elemente als historische Quelle nicht besonders zuverlässig ist (Foote 1993: 345, Kristjánsson 1994: 189, Uecker 2004: 93). Diese Stereotypie stellt aus semantischer Sicht jedoch keine Barriere dar, weil Konzepte stereotyp sind. Ziel dieser Arbeit ist nicht, historische Realitäten, sondern eben die den Lexemen zugrundeliegenden Konzepte zu erforschen. Somit eignet sich die Jóns saga helga als Quelle zumindest für die Zeit ihrer Entstehung und Überlieferung, wenn auch nicht für die Lebenszeit ihrer Hauptperson.

Die Sturlunga saga ist die wichtigste Quelle zur Kenntnis der isländischen Geschichte des 12. und 13. Jahrhunderts (Bragason 2005: 428, Uecker 2004: 112). Die grosse Kompilation setzt sich aus unterschiedlichen Sagas zusammen, in denen nicht die Schriftkultur, sondern die Konflikte der Endzeit des isländischen Freistaates im Zentrum stehen. Trotzdem enthält die Sturlunga saga zahlreiche Belege zum Schreiben und Lesen, im Gegensatz zu den Bischofssagas vor allem in einem Laienmilieu. Die Autoren Snorri Sturluson und Sturla Þórðarson sind zudem Hauptpersonen in diversen Sagas dieser Kompilation. Als Quelle für die Geschichte und die isländische Schriftkultur ist dieser Text also unverzichtbar.

Die Laurentius saga biskups, die Biographie des Bischofs Laurentius Kálfsson von Hólar (1267–1331), ist die jüngste mittelalterliche Bischofssaga und eine wichtige Quelle für den Anfang des 14. Jahrhunderts (Grímsdóttir 1998: LXf., Björnsson 1993: 381, Kristjánsson 1994: 192). Auch sie enthält zahlreiche Belege zum Schreiben und Lesen, aber wieder in einem hauptsächlich klerikalen Milieu wie die Jóns saga helga.

Die drei Texte dieses Korpus decken somit unterschiedliche Zeiträume und Milieus ab, so dass sie ein vielfältiges Bild zur mittelalterlichen Schriftkultur in Island geben. Gegen einige andere Bischofssagas sprechen drei Argumente: Erstens sind einige dieser Sagas handschriftlich spät überliefert. Dies betrifft die Hungrvaka, einen biographischen Abriss der ersten fünf Bischöfe von Skálholt, und die Páls saga biskups, die Biographie des Bischofs Páll Jónsson von Skálholt (1155–1211), die ausschliesslich in Handschriften aus dem 17. Jahrhundert erhalten sind (vgl. Bibire 1993a: 496, Helgason 1938: 27f.). Dies gilt grösstenteils auch für die Árna saga biskups, der Biographie des Bischofs Árni Þorláksson von Skálholt (1237–1298), von der nur zwei spätmittelalterliche Fragmente erhalten sind: das Fragment AM 220 VI fol. mit zwei Blättern und die Reykjarfjarðarbók (AM 122b fol.) aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts mit drei Blättern, in der auch die zweite Redaktion der Sturlunga saga enthalten ist (s.u. Kap. I.3.3.). Der grösste Teil der Árna saga biskups ist sonst nur in frühneuzeitlichen Abschriften erhalten (vgl. Hauksson 1972: v, vii, xxxf.). Das Belegmaterial ist zwar sehr umfangreich, aber sehr einseitig, da es hauptsächlich im Kontext des sehr regen Briefverkehrs der Saga steht.

Zweitens ist das Belegmaterial einiger anderer Sagas vergleichsweise dünn. Dies betrifft neben der oben erwähnten Páls saga biskups (Helgason 1978: 407–438) auch die Hungrvaka (vgl. Helgason 1938: 72–115), was vor allem durch die Kürze dieser Texte erklärt werden kann. Dieser Nachteil betrifft aber auch die längere Þorláks saga helga, die Vita des heiliggesprochenen Bischofs Þorlákr Þórhallsson von Skálholt (1133–1193), die in einem lateinischen Fragment und drei altisländischen Versionen überliefert ist. Sie gilt als zuverlässige Quelle mit wertvollen Hinweisen auf Alltagsleben und Alltagswelt (vgl. Bibire 1993b: 671, Kristjánsson 1994: 187f., Uecker 2004: 94). Eine Durchsicht der drei Versionen in der Edition von Helgason (1978: 175–373) hat jedoch ergeben, dass alle drei Redaktionen relativ wenig Belege zum Schreiben und Lesen enthalten, die ausserdem in ähnlicher Form in anderen Sagas vorkommen. Wegen dieses wenig ergiebigen Materials kann diese Saga weggelassen werden.

Drittens spielt auch die Zusammensetzung von Kompilationen eine Rolle, d.h. die gleichen Textteile kommen in unterschiedlichen Texten vor. Die vier Versionen der Guðmundar saga biskups, der Biographie des Bischofs Guðmundr Arason von Skálholt (1161–1237), basieren auf einer Kompilation von vier Sagas, der Prestssaga Guðmundar Arasonar, der Hrafns saga Sveinbjarnarsonar, der Íslendinga saga und der Arons saga Hjǫrleifssonar, die alle ausser der Arons saga Hjǫrleifssonar in der Sturlunga saga enthalten sind (vgl. Karlsson 1993: 245f., Kristjánsson 1994: 191). Die vier Versionen bieten somit nicht viel anderes Belegmaterial als die Sturlunga saga.

Für eine anfängliche, manuelle Analyse des altisländischen Wortschatzes des Schreibens und Lesens kann dieses Korpus, bestehend aus der Jóns saga helga, der Sturlunga saga und der Laurentius saga biskups, somit als ausreichend betrachtet werden. In den folgenden drei Kapiteln wird die handschriftliche Überlieferung kurz abgerissen, weil sie für das Alter der Belege entscheidend ist.

3.2. Die Handschriften der Jóns saga helga

Die Jóns saga helga ist wahrscheinlich eine Übersetzung einer lateinischen Vorlage des Mönchs Gunnlaugr Leifsson (gestorben 1218/19), die zwar nicht mehr erhalten ist, aber in einem Verzeichnis von 1429 erwähnt wird (vgl. Foote 2003b: CCXV, CCLXXXIII). Die Saga ist wie eine typische Vita strukturiert. Sie beginnt mit Jóns Jugend, berichtet von seinem Wirken und seiner Begabung als junger Geistlicher, seiner Wahl zum Bischof sowie seinem Wirken als Bischof bis zu seinem Tod, und endet mit zahlreichen Wunderberichten. Die Jóns saga helga ist mehrfach ediert worden (vgl. Foote 2003b: CCCXVIIf.). Diese Arbeit stützt sich auf die einzige kritische Edition von Foote (2003a) mit diplomatischer Transkription und Apparat. Foote (2003b) hat die Saga auch normalisiert mit Kommentar herausgegeben. Die Zitate stützen sich auf die kritische Edition, die kommentierte Edition wird zudem für weitere Informationen konsultiert. Es gibt keine vollständigen Übersetzungen der Saga, sondern lediglich zwei englische der S-Redaktion, in denen die Wunderberichte ausgelassen wurden (vgl. Foote 2003b: CCCXVIIf.).

Von der Jóns saga helga gibt es drei Redaktionen, welche Foote in beiden Editionen mit S, L und H bezeichnet. Die S- und L-Redaktion sind in mittelalterlichen Handschriften überliefert, während die H-Redaktion eine frühneuzeitliche Kompilation aus der S- und L-Redaktion bildet. Wegen der nachmittelalterlichen Überlieferung und der starken Ähnlichkeit mit der S-Redaktion wird sie nicht ins Korpus dieser Arbeit aufgenommen.

Die älteste Redaktion hat die Bezeichnung S als Abkürzung für den südisländischen Bischofssitz Skálholt, zu dem die Redaktion in Bezug steht (vgl. Foote 2003b: CCXV). Sie ist in vier mittelalterlichen Handschriften überliefert. Die älteste Handschrift ist ein aus fünf Blättern bestehendes Fragment mit der Signatur AM 221 fol. (S1), von denen vier Blätter Teile der Jóns saga helga enthalten. In den letzten drei Zeilen auf fol. 4vb beginnt die Augustinus saga. Die Ränder sind abgeschnitten und beschädigt, wovon auch der Text betroffen ist. Die Provenienz der Handschrift ist unbekannt. Sie ist wahrscheinlich vor 1300 entstanden. Es ist nicht sicher, ob die Handschrift von einem Norweger geschrieben wurde, da der Text ausserordentlich viele Norwegizismen enthält. Die Vorlage von S1 stammt wahrscheinlich aus der Zeit um 1270 (vgl. Foote 2003a: 1*–7*). Vollständiger ist die Pergamenthandschrift AM 234 fol. (S2), welche neben der Jóns saga helga (fol. 55vb–67ra) zahlreiche mehr oder weniger vollständige Texte enthält: Antonius saga, Páls saga postola, Maríu saga, Augustinus saga, Vitae patrum und Thómas saga erkibyskups. S2 ist Mitte des 14. Jahrhunderts geschrieben worden. Jóns saga helga und Augustinus saga wurden direkt von S1 abgeschrieben. S2 ist eine getreue Abschrift, so dass es kaum grössere Abweichungen in Graphie oder Wortstellung gibt (vgl. Foote 2003a: 8*–15*, 46*–53*). In Foote (2003a) ist S1 Leithandschrift, deren Lücken mit S2 ergänzt sind. Die beiden anderen mittelalterlichen Handschriften werden in der Edition im Apparat berücksichtigt: NRA Norrøne fragmenter 57 (S3) enthält einen Teil der Jóns saga helga. Dieses Fragment wurde etwa um 1340 geschrieben (vgl. Foote 2003: 54*–57*, 74*). AM 235 fol. (S4) enthält neben vielen anderen Texten, hauptsächlich Heilagra manna sǫgur, einen Teil der Jóns saga helga auf fol. 10vb, der zur gleichen Redaktion gehört wie AM 221 fol. und AM 234 fol. Die Handschrift ist um 1400 geschrieben worden (vgl. Foote 2003a: 75*–79*, 81*, 94*f.). Alle vier mittelalterlichen Handschriften der S-Redaktion gehen auf einen gemeinsamen Archetyp S zurück. S1, S2 und S4 bilden einen Zweig, während S3 zu einem andern gehört. Von S2 existieren ausserdem zahlreiche neuzeitliche Abschriften auf Papier (vgl. Foote 2003a: 95*–97*). Für diese Arbeit steht S2 als älteste vollständige Handschrift und getreue Abschrift der ältesten erhaltenen Handschrift S1 im Fokus. Nur ein einziger Beleg zur Schriftlichkeit mit dem Verb lesa ist auch in S1 überliefert (vgl. JSH 37), welcher in S2 gleich wiedergegeben ist.

Die zweite mittelalterliche Redaktion hat die Abkürzung L, weil sie sich durch einen von lateinischen Vorbildern geprägten gelehrten Stil auszeichnet (vgl. Foote 2003b: CCXX). Sie ist wahrscheinlich um 1300 entstanden, in der Zeit als dieser Ende des 13. Jahrhunderts aufkommende Stil zu florieren begann (vgl. Foote 2003a: 125*f.). Diese Redaktion hat zwei mittelalterliche Handschriften: 1. Stock. perg. fol. nr 5 (L1) ist wahrscheinlich um 1370 geschrieben worden und enthält auf fol. 48ra–58vb den Text der Jóns saga helga (vgl. Foote 2003a: 126*f.). 2. AM 218 fol. (L2) umfasst 17 Blätter. Davon enthalten nur vier Blätter den Text der Jóns saga helga. In der Handschrift sind auch noch Þorláks saga helga (C-Redaktion) und Guðmundar saga (D-Redaktion) enthalten. Der Codex wurde gegen Ende des 14. Jahrhunderts geschrieben (vgl. Foote 2003a: 180*f.). Neben diesen beiden Haupthandschriften gibt es zahlreiche Papierhandschriften, die alle direkte oder indirekte Abschriften von L1 sind (vgl. Foote 2003a: 184*). Leithandschrift in Footes (2003a) Edition ist L1. Die Handschrift L2 enthält weitere Teile der Saga, u.a. den Translationsbericht und zusätzliche Wunderberichte. Es ist nur ein Beleg zum Lesen in dieser Handschrift enthalten (vgl. JSH 105). L1 und L2 sind wahrscheinlich im selben Skriptorium mit einem Abstand von zehn Jahren entstanden. Sie sind nicht voneinander abgeschrieben und stammen wahrscheinlich auch von zwei verschiedenen Vorlagen ab (vgl. Foote 2003a: 182*–184*).

Die Handlungszeit der Saga sowie die Entstehungs- und Überlieferungszeit der beiden Redaktionen liegen relativ weit auseinander, so dass sie sprachlich kaum repräsentativ für die Zeit um 1100 ist. Entscheidend sind für diese Saga hingegen die Entstehungs- und Überlieferungszeit der beiden Redaktionen. Da sich die beiden Redaktionen diesbezüglich und sich zudem stilistisch unterscheiden ist zu erwarten, dass sie bezüglich Lexik und Semantik einen Kontrast bieten.

3.3. Die Handschriften der Sturlunga saga

Der Name Sturlunga saga stammt aus dem 17. Jahrhundert als Bezeichnung für die weitläufige Kompilation aus verschiedenen Einzelsagas (vgl. Bragason 2005: 427, Thorsson 1988: III, xxii). Nicht alle Teile enthalten Belege zum Schreiben und Lesen, sondern nur die Þorgils saga ok Hafliða, der Haukdœla þáttr, die Prestssaga Guðmundar Arasonar, die Íslendinga saga, die Svínfellinga saga, die Þórðar saga kakala, die Þorgils saga skarða und der Sturlu þáttr. Diese Teile unterscheiden sich nach Handlungs-, Entstehungs- und Überlieferungszeit. Die handlungszeitlich ältesten Teile sind der Haukdœla þáttr mit der Geschichte des Haukadals von der Landnahme bis ca. 1200, der vermutlich vom Kompilator um 1300 verfasst wurde, und die Prestssaga Guðmundar Arasonar über die Jugend und Priesterjahre Guðmundr Arasons (1161–1237), der 1202 zum Bischof geweiht wurde. Dieser Teil seiner Biographie entstand entweder nach seiner Weihe zum Bischof oder nach seinem Tod. Den Kern der Kompilation bildet die Íslendinga saga von Sturla Þórðarson (1214–84), welche die Zeit vom Tod des Sturlungenstammvaters Hvamm-Sturla (1183) bis zum Ende der isländischen Freistaatszeit (1262/64) abdeckt. Hauptpersonen sind Hvamm-Sturlas Nachkommen. Die letzten drei Texte haben Vertreter der dritten Sturlungengeneration als Hauptpersonen. Die Svínfellinga saga deckt die Zeit um die Mitte des 13. Jahrhunderts ab und ist möglicherweise Ende desselben Jahrhunderts entstanden. Die Þórðar saga kakala handelt in den Jahren 1242–1249 und entstand wahrscheinlich um die Mitte des 13. Jahrhunderts. Teile der in den Jahren 1275–80 entstandenen Þorgils saga skarða wurden erst in der zweiten Redaktion der Kompilation aus der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts hinzugefügt. Der Sturlu þáttr fehlte in der ersten Redaktion wohl auch und beschreibt die letzten beiden Jahrzehnte des Lebens von Sturla Þórðarson (vgl. Thorsson 1988: III, xxii, xxvi–xxix).

Die Sturlunga saga ist in zwei mittelalterlichen Handschriften überliefert, von denen es zahlreiche neuzeitliche Papierabschriften gibt. Die ältere Handschrift (I) hat die Signatur AM 122 a fol. und auch den Namen Króksfjarðarbók, der sich aus einer Notiz von 1400 ableitet, in welcher der Ortsname Króksfjörður erwähnt wird. Dies deutet daraufhin, dass sich der Pergamentkodex aus der Mitte des 14. Jahrhunderts einmal an diesem Ort befunden haben muss. Die jüngere mittelalterliche Handschrift (II) unter der Signatur AM 122 b fol. mit dem Namen Reykjarfjarðarbók, der sich ebenfalls vom Aufenthaltsort der Handschrift herleitet, ist in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstanden. Von dem mindestens 180 Blätter umfassenden Pergamentkodex sind nur noch 30 Blätter erhalten, die stark beschädigt sind. Die Reykjarfjarðarbók enthält eine jüngere, längere Redaktion der Sturlunga saga, welche zusätzlich die Þorgils saga skarða, den Sturlu þáttr, den Jarteinaþáttr Guðmundar biskups und die Árna saga biskups enthält (Kålund 1906–11: XXXII–XXXIV, Thorsson 1988: III, xcif.). Die Sturlunga saga ist ausserdem in zahlreichen Abschriften auf Papier überliefert, welche auf die beiden mittelalterlichen Kodizes zurückgehen. Je nach Vorlage teilt Kålund (1906–11: XLI) sie in die Gruppen Ip (nach I = Króksfjarðarbók) und IIp (nach II = Reykjarfjarðarbók) ein. Letztere Gruppe ist wegen der stark beschädigten Reykjarfjarðarbók besonders relevant. Alle IIp-Handschriften haben dieselbe Vorlage, eine verloren gegangene Abschrift der Reykjarfjarðarbók auf Papier aus dem 17. Jahrhundert von Björn Jónsson von Skarðsá. Er hatte auch die Króksfjarðarbók als Vorlage und hat Varianten und Zusätze daraus entnommen (vgl. Kålund 1906–11: XXXVII, XLIf.). British Museum Add. 11, 127 ist wohl die einzige direkte Abschrift von Björn Jónssons Handschrift und wurde 1696 geschrieben (Kålund 1906–11: LVI).

Es gibt von der Sturlunga saga noch keine Edition, welche den aktuellen wissenschaftlichen Kriterien entspricht (vgl. Bragason 2005: 429). Die einzige kritische Edition mit diplomatischer Transkription und Apparat ist jene von Kålund (1906–11). Er nimmt I als Leithandschrift und ergänzt den Text mit II. Dieses Verfahren kritisiert Nordal (2010: 175–190), weil die beiden mittelalterlichen Kodizes relevante Unterschiede aufweisen. Die fehlenden, unlesbaren und fehlerhaften Stellen ergänzt Kålund durch die Papierhandschriften, deren Text er normalisiert. Die Unterschiede führt er im Apparat auf. Da es keine kritischere Edition als jene von Kålund gibt, stützt sich diese Arbeit auf seine. Die ausführlich kommentierte Edition von Jóhannesson et al. (1946) und die jüngste von Thorsson (1988) werden für weitere Informationen herangezogen. Die Sturlunga saga wurde nur auszugsweise von Baetke (1967) ins Deutsche übersetzt, daneben gibt es aber eine vollständige englische von McGrew/Thomas (1970/74) und eine dänische Übersetzung von Kålund (1904).

Die Handlungszeit der für diese Arbeit relevanten Teile der Kompilation erstreckt sich von der ersten Hälfte des 12. bis ins letzte Viertel des 13. Jahrhunderts. Die Entstehungszeiten der einzelnen Sagas beschränken sich auf das 13. Jahrhundert. Die ältere Redaktion der Kompilation entstand um 1300 und ist in der älteren Handschrift (I) aus der Mitte des 14. Jahrhunderts erhalten. Da die meisten Sagas, aus denen die Kompilation besteht, ausserhalb dieser nicht erhalten sind, lassen sich die Eingriffe der Kompilatoren nicht überprüfen. Die jüngere Redaktion entstand vor oder mit der jüngeren Handschrift (II) in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Dabei muss berücksichtigt werden, dass gewisse Teile nur in nicht direkten Abschriften aus dem 17. Jahrhundert erhalten sind. Bei der Sturlunga saga ist die Nähe zwischen Handlungs-, Entstehungs- und Überlieferungszeit wesentlich grösser als bei der Jóns saga helga. Die Entstehungs- und Überlieferungszeit der beiden Sagas decken sich ausserdem weitgehend, so dass sie sprachlich vergleichbar sein müssen.

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