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Kapitel Fünf

»Es gibt viele Dinge, die ich mit dir machen kann, die keine Spuren hinterlassen.«

Selbst bei Tagesanbruch hallten die Worte noch in Nathaniels Kopf nach, als würde der Teufel selbst sie ihm ins Ohr zischen. Er brauchte sich nichts vorzumachen … Er verachtete sich für seine Schwäche, sich nicht von den verräterischen Begierden befreien zu können. Er hatte sich schlafend gestellt, als Hawk in der Dunkelheit aufgestanden war. Ein paar Sekunden lang war es still gewesen, und er war sicher gewesen, beobachtet zu werden. Er konnte verstehen, dass Rehe unter dem Blick eines Raubtiers erstarrten. Selbst nachdem der Schlüssel sich im Schloss gedreht hatte und er sicher gewesen war, allein zu sein, war Nathaniel zusammengerollt unter der furchtbaren Decke liegen geblieben und wieder in einen unruhigen Schlaf gefallen.

Jetzt stand die Sonne am Himmel und er wusste nicht, wie spät es war. Weder Essen noch Wasser waren ihm gebracht worden, aber vielleicht würde das nur einmal am Tag geschehen. Er würde sich sein Wasser einteilen müssen. Ansonsten würde er das Risiko eingehen müssen, sich an Hawks Alkoholvorrat zu bedienen; eine heikle Angelegenheit, falls er erwischt wurde. Nathaniel trank nicht gerne Alkohol, aber er war in Versuchung, seine Sinne zu betäuben.

Gütiger Gott, erst ein Tag war vergangen. Niemals würde er einen Monat überstehen, ohne irre zu werden. Und vielleicht würde er überhaupt nicht überleben. Wenn sein Vater nicht zahlte … Er wollte schreien. Es gab keine Möglichkeit, die Zukunft vorherzusehen, also musste er sich auf die Gegenwart konzentrieren und die Sorgen verdrängen, damit er nicht verrückt wurde.

Er trat schwitzend die Decke weg, seine Hose spannte sich über seiner morgendlichen Erektion. Die Schwellung wuchs noch weiter an, als in rascher Folge Bilder des sich ausziehenden Piratenkapitäns in Nathaniels Kopf aufstiegen.

Ich kann nicht mal meinen eigenen schwachen Verstand kontrollieren.

Er hatte versucht, nicht hinzusehen. Das hatte er wirklich. Dennoch hatte er das gebräunte, muskulöse Fleisch gesehen, die dunkle Tinte einer Tätowierung auf dem Brustbein des Piraten, die – was auch sonst – einen Adler mit weit gespreizten Flügeln darstellte. Der Schurke hatte seine Unterhose bis zu den Knöcheln fallen lassen und sich dann gebückt, um seine Stiefel auszuziehen, wobei die blassen, festen Kugeln seines Hinterns Nathaniel zugewandt gewesen waren. Wieder fragte Nathaniel sich, wie die langen Narben auf die Pobacken des Piraten gekommen waren, die sich wie Finger in verblasstem Pink darüber zogen und zweifellos blutrot gewesen waren, als sie ihm zugefügt worden waren.

Er konnte sich nicht vorstellen, dass Hawk sich dem Willen eines anderen beugte, überwältigt wurde, sich unterwarf. Dennoch hatte er es eindeutig getan, denn es gab nur wenig Zweifel daran, dass die Narben durch eine Bestrafung entstanden waren. Seltsam. Wie hatte er sie erlitten und wann? Nathaniel hatte geglaubt, dass Männer, die ausgepeitscht wurden, die Strafe auf dem Rücken erhielten und nicht darunter. Dieser Gedankengang ließ ihn an unten denken, an den Schwanz des Piraten und seine Hoden, die dick und schwer zwischen seinen Beinen gehangen hatten.

»Ich werde dafür sorgen, dass es dir gefällt.«

Die Erinnerung an Hawks Knurren, an seinen Akzent, der vielleicht einen Hauch Cornwall in sich trug, ließ Flammen der Begierde in Nathaniel auflodern. Er sprach mit der Ruchlosigkeit des Meeres, aber gleichzeitig wie ein Gelehrter. Nathaniel fragte sich, wie er von einem gebrandmarkten Piraten zum beeindruckenden Sea Hawk geworden war. Groß und breitschultrig, vernarbt und wettergegerbt, mit dunklem Haar, das über mächtige Muskeln fiel. Furchterregend und kühn, durch und durch männlich auf die primitive Art eines Pferdes oder einer Bestie des Dschungels.

Er stöhnte, gab auf und öffnete seine Hose. Keuchend umfasste er seinen Schwanz. Er musste sich die Wahrheit eingestehen: Dieser Teufel würde sich nicht besonders anstrengen müssen, damit es ihm gefiel. Er spuckte in seine Hand und masturbierte, dabei versuchte er erfolglos, sich nur auf das physische Gefühl zu konzentrieren.

Fickt er wirklich andere Männer? Würde er mich dazu bringen, seinen gewaltigen Schwanz zu lutschen? Mich vornüberbeugen und ihn mir reinstecken?

Stöhnend spreizte er die Knie, die Füße flach auf die hölzernen Planken gestellt. In der Vergangenheit hatte er seine Finger benutzt, aber wie würde es sein, den Schwanz eines anderen Mannes in sich zu spüren? Nicht nur einfach den irgendeines Mannes, sondern den des finsteren Piraten? Er wäre riesig, wenn er in ihn eindringen würde …

Als Mr. Chisholm ihm das Ringen beigebracht hatte, um endlich den Spieß gegen seine lästigen älteren Cousins umzudrehen, war das immer ein Spiel unter Gentlemen gewesen. Nathaniel hatte das Aneinanderdrücken ihrer Körper geliebt und fieberhaft von mehr geträumt, wenn er sich in der Ungestörtheit seiner Gemächer befriedigt hatte. Aber wenn er jetzt versuchte, Mr. Chisholms Gesicht vor seinem inneren Auge zu sehen – seine blonden Haare, die grünen Augen und die Lachfältchen, die nach Mr. Chisholms dreißigstem Geburtstag langsam zum Vorschein gekommen waren – war da nur die menschgewordene Dunkelheit: der Piratenkönig in seinem schwarzen und goldglänzenden Raubritterkostüm, so kühn und stolz wie der Hengst an jenem Tag auf der Koppel.

Nathaniel sollte das nicht wollen. Er sollte einen guten, freundlichen Mann wollen, der sanft wäre. Kein Monster. Doch als er sich anfasste, griff er mit der linken Hand an seine Hals und strich über die wunden Stellen, die Hawk an seiner Kehle hinterlassen hatte. Er dachte an die große, kräftige Hand, die ihn umklammert hatte, und sein Genick wie einen Zweig hätte brechen können, und stöhnte wieder. Er strich sich mit den Fingern über sein Gesicht, dessen Haut sich hartnäckig weigerte, Haare zu produzieren. Die andere Hand flog an seinem Schwanz auf und ab und er dachte an den Bart, der Hawks Mund umrahmte, und wie rau er sich an seiner Haut anfühlen würde; ein kompletter Gegensatz zu den zarten weißen Wangen der Damen. Bilder strömten auf ihn ein, wie Hawk ihn über die Reling des Schiffes beugte, ihn bestieg, ihn beherrschte …

Nathaniel hielt seine Hand über seinen Schwanz, als er kam. Er ließ den Kopf auf den Boden sinken und erschauderte mit jedem Pulsieren. Das Lustgefühl versengte ihn und ließ ihn wie wund zurück, leer und voll bitterer Scham.

Völlig aufgewühlt suchte er nach etwas, womit er seinen Samen abwischen konnte. Dann hörte er wie in einem Albtraum, wie sich schnelle Schritte näherten und der Schlüssel im Schloss gedreht wurde. Verzweifelt wischte er die Hand an der verfluchten Decke ab und schaffte es gerade noch, seine Hose zu schließen, sein Hemd hineinzustecken und aufzuspringen, als die Tür sich öffnete.

Und natürlich war es kein Mitglied der Mannschaft, sondern der Teufel höchstselbst. Hawk blieb wie eingefroren auf der Türschwelle stehen und seine Augen verengten sich. Er trat hinter sich die Tür zu. »Was zum Teufel führst du im Schilde?«

Nathaniel wich in die Ecke zurück. »N-Nichts.«

Hawks sah sich grimmig in der Kabine um, dann wandte er den Blick zurück zu Nathaniel. »Was du nicht sagst.« Er stürmte auf ihn zu. »Was hast du da?«

Zu spät bemerkte Nathaniel, dass er seine klebrige Hand instinktiv hinter seinem Rücken versteckt hatte, als Hawk die Kabine betreten hatte. Jetzt riss Hawk seinen Arm hinter dem Rücken hervor. Der plötzliche Schmerz ließ Nathaniel zusammenzucken. Er hatte es nicht geschafft, alles ganz abzuwischen, und zog den Kopf ein.

Mit einem spöttischen Lachen blickte Hawk auf Nathaniels verklebte Finger hinunter, sein Griff war grausam. »Dachtest dir, du könntest deine Zeit sinnvoll nutzen, hm?«

»Es gibt ja sonst nichts zu tun!« Nathaniel straffte die Schultern und hob den Kopf, zog seine Hand zurück und war überrascht, als Hawk sie tatsächlich losließ. »Ich … na ja … Warum sollte ich auch nicht?«

»In der Tat, warum nicht? Träumst du davon, deine hübsche kleine Zukünftige zu vögeln?«

Nathaniel stotterte: »Was? Wer?«

Eine dunkle Augenbraue hob sich. »Deine Schwester hat gesagt, du sollst verheiratet werden.«

»Oh. Ja.« Er räusperte sich und hob das Kinn. »Wagt es nicht, von ihr zu sprechen.«

Hawk drängte ihn gegen die Wand, ganz Hitze und Muskeln, und ein Wandleuchter bohrte sich in Nathaniels Nacken. »Du traust dich, mir zu sagen, was ich tun soll? Nein. Nicht in meiner Kajüte. Nicht auf meinem Schiff. Niemals. Verstanden?«

Irgendwie brachte Nathaniel ein Nicken zustande und verfluchte sich dafür, wie sein erhitzter Körper auf Hawks Nähe reagierte und sich anspannte. Aber da drehte Hawk sich schon wieder um und setzte sich an den Schreibtisch. Er entrollte eine Seekarte und öffnete sein Logbuch, nahm die Feder auf und tauchte sie ins Tintenfass ein. Minutenlang kratzte die Feder über das Papier und Nathaniel stand mit dem Rücken an der Wand, unsicher, was er tun sollte.

Schließlich ließ er sich wieder zu Boden sinken, und Hawk blinzelte nicht einmal, sondern ignorierte ihn völlig. Als ein Mann mit Wasser und der Essensration für Nathaniel eintrat, schaute er kaum auf.

Nathaniel entschied, dass er mit dem Essen warten würde, bis Hawk die Kabine wieder verließ. Er zog die Knie an die Brust, hielt seinen Blick auf den Boden und die Holzbohlen gerichtet. Wartete. Und wartete. Und wartete.

Dann stand er auf und nahm einen Schluck von dem lauwarmen Wasser, dabei beobachtete er Hawk aus den Augenwinkeln. Nichts. Es war, als sei er gar nicht da, und irgendwie fühlte sich Nathaniel dadurch noch niedergeschlagener und verzweifelter, als er es mit Hawks festem Griff um seinen Hals gewesen war. Warum sollte er die Aufmerksamkeit des Schurken wollen, der ihn vielleicht umbringen würde? Nein, natürlich tat er das nicht.

Nach einiger Zeit kam der Quartiermeister. Er hielt kurz inne, als er Nathaniel entdeckte, als hätte er vergessen, dass sie einen Gefangenen an Bord hatten. Hawk stellte ihm eine Frage und ignorierte weiterhin Nathaniels Anwesenheit. Mr. Snell tat es ihm schließlich nach, als er von Navigationsproblemen und dunklen Wolken in der Ferne sprach. Doch hin und wieder wanderte sein Blick zurück zu Nathaniel und er verlagerte sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, während er sich auf die Vorderseite des Schreibtischs stützte, hinter dem Hawk immer noch saß.

Als Snell ging und Hawk weiter in sein Logbuch schrieb, als wäre er allein, wanderten Nathaniels Gedanken weiter und zu seiner zukünftigen Frau. Er kannte die Pflichten eines Ehemannes und würde tun, was er tun musste. Vielleicht konnten Elizabeth und er gute Freunde werden, und irgendwann Kinder zu haben, um die er sich kümmern könnte, wäre nicht unangenehm, ganz und gar nicht. Er hatte kleine Kinder immer sehr gemocht.

»Träumst du davon, deine hübsche kleine Zukünftige zu vögeln?«

Er wusste nicht einmal, wie Elizabeth aussah. Sie war nicht mehr als eine Vorstellung, eine vage Ahnung von vollen Röcken und blumigem Parfüm, von einer Dame. Nicht, dass es eine Rolle spielte, denn egal wie schön ihr Gesicht war, sie würde seine unnatürlichen Neigungen nicht ändern können. Er drückte seine klebrige Hand und erschauderte, heiße Scham stieg in seinem Bauch auf. So oft hatte er Mr. Chisholm fragen wollen, was manche Männer zu solchen Scheusalen machte, aber er hatte es nie gewagt. Sein Instinkt hatte ihm gesagt, dass er sich verraten würde, wenn er es täte. Obwohl Mr. Chisholm nie Andeutungen gemacht hatte, hatte sich Nathaniel manchmal gefragt, ob er die Wahrheit ahnte. Aber etwas zu vermuten oder etwas zu wissen waren zwei unterschiedliche Dinge.

Warum nur war er so geboren? Wurde er dafür bestraft, dass er seine Mutter getötet hatte, um zu leben? Denn er hatte sie getötet, genauso wie es der Pirat Nathaniels Vater vorgeworfen hatte. Es war Nathaniel gewesen, der ihren Leib aufgerissen und ihr den letzten Atemzug geraubt hatte. Er war zu einem halben Mann herangewachsen, aber sein Gehirn war fehlerhaft. Unfähig zu lesen, mit unnatürlichen Begierden.

Falsch.

Nathaniel bemerkte, dass Hawks Federkiel nicht mehr über das Papier kratzte. In der Stille wagte er einen Blick und sah, wie Hawk auf seinen frisch geschriebenen Logbucheintrag pustete, damit die Tinte nicht verschmierte. Hatte der Pirat irgendwo eine Frau? Eine Mätresse? Oder er besuchte vielleicht einfach die Bordelle, von denen Nathaniel gehört hatte, dass sie auf den Westindischen Inseln wie Unkraut sprossen.

»Ich werde dafür sorgen, dass es dir gefällt.«

Er konnte die Worte nicht aus seinem Kopf verbannen, und er grübelte erneut über die Bedeutung nach. Konnte es wirklich sein, dass der Piratenkönig Nathaniels Neigungen teilte? Natürlich konnten auch Männer auf See sich ihrer Anspannung entledigten und sich dabei gegenseitig zur Hand gehen, zumindest wenn es nach Nathaniels Cousins ging, die das angeblich aus zuverlässiger Quelle wussten. Sie alle hatten beim Gedanken daran geschaudert, während Nathaniel sich so sehr auf die Zunge gebissen hatte, um nicht nach weiteren Details zu fragen, dass sie geblutet hatte.

Hawk würde wahrscheinlich einfach Freude daran haben, Nathaniel zu quälen, ihn zu kontrollieren, ihn zu bestrafen. Nathaniel hatte seines Wissens nach noch nie einen anderen Mann getroffen, der seine sündige Veranlagung wirklich teilte und einen Mann einer Frau vorzog, statt sich nur aufgrund der Umstände unnatürlichen Verbindungen hinzugeben. Einen Mann, der sich ebenfalls nicht nur nach den Berührungen eines Mannes sehnte, sondern auch nach seinen Küssen und seinem Lächeln, nach einer Beziehung, wie sie eine Ehefrau bieten würde. Nicht, dass das ein Gesprächsthema war, über das bei Abendessen und Gartenpartys gesprochen wurde.

Scheinbar seine Aufzeichnungen überfliegend, krempelte Hawk abwesend die weiten Ärmel seines schwarzen Hemdes hoch und knöpfte sie am Ellenbogen zu. Schwarze Härchen wuchsen auf der gebräunten Haut, die Unterarme waren kräftig mit seilartigen Muskeln. Doch als er ihn jetzt ohne den ausladenden schwarzen Mantel sah, stellte Nathaniel fest, dass Hawk nicht ganz so groß war, wie er zunächst gedacht hatte. Zwar war er immer noch einen guten Kopf größer als er, aber nicht der Riese, für den er ihn zu Beginn gehalten hatte. Eine weitere Narbe verlief über den Rücken von Hawks rechter Hand, die neben dem Logbuch ruhte, während seine linke den zarten Federkiel mit präziser Genauigkeit in das Tintenfass tauchte. Mit der linken Hand zu schreiben, war angeblich das Erkennungszeichen des Teufels.

Nathaniel fragte sich, warum ihn das trotzdem so überraschte. Die Vorstellung, dass er wirklich hier war, war der reinste Irrsinn. Hier. Auf einem Piratenschiff. Und dass er nicht in der schrecklichen Hängematte schaukelnd aufwachen und so tun würde, als schliefe er noch, während Susanna den Nachttopf benutzte. Keinen weiteren langen, langweiligen Tag auf dem Handelsschiff verbrachte, wo er weder rennen noch schwimmen oder auch nur klettern konnte.

»Iss.« Hawk sah ihn nicht an, seine Augen immer noch auf sein Logbuch gerichtet.

»Ich bin …« Nathaniel verstummte, ohne die Lüge auszusprechen. Er war hungrig. Es war sinnlos, es zu leugnen oder sich zu schwächen, indem er seine Essensrationen zurückwies.

Gerade hatte er sich einen Löffel voller matschigem Fischeintopf in den Mund geschoben, die zu weichen Kartoffeln hinuntergewürgt und dann schmerzhaft in einen dünnen, steinharten Keks gebissen, als die Schiffsglocke läutete, Hawk die Kabine verließ und hinter sich den Schlüssel umdrehte.

Nathaniel dachte an Primrose Isle, seinen Vater und an eine standesgemäße junge Dame namens Elizabeth, an ein neues Leben, das in der neuen Kolonie wartete. Ein neues Leben, das ihn noch mehr in die Enge treiben würde, als es ohnehin schon geschehen war. Dann lachte er laut auf. Vielleicht war es vorzuziehen, der Gefangene eines Monsters auf einem Piratenschiff zu sein oder sein Leben hier zu beenden. Irrsinn, in der Tat.

Kapitel Sechs

»Wird es mir irgendwann im Laufe des Monats gestattet werden, mich zu reinigen?«

Hawk schaute nicht auf. Er studierte weiter die vor ihm liegende Karte. »Ja, lass mich schnell die Diener herbeirufen. Im Handumdrehen wird die Wanne mit perfekt temperiertem Wasser gefüllt sein. Mit Lavendel parfümiert. Oder darf es Jasmin sein?«

Bainbridge räusperte sich aus seiner Ecke heraus. »Ich bin schon eine Woche hier unten.« Seine Stimme nahm einen hoffnungsvollen Unterton an. »Vielleicht könnte ich schwimmen gehen, wenn wir in der Nähe des Ufers vor Anker gehen? Nur ein paar Minuten? Das ist alles, worum ich bitte. Es ist nicht viel.«

Hawk ließ mit offenkundig falschem Mitgefühl die Zunge schnalzen. »›Wahrlich, ich wurde geboren, um ein Exempel des Unglücks zu sein und eine Zielscheibe, auf die die Pfeile des Gegners gerichtet sind‹.« Er sah den Jungen an, der ihn wiederum verständnislos anstarrte. »Du hast doch sicher Don Quijote gelesen.«

»Natürlich!«, versicherte sein Gefangener zu schnell und schaute mit geröteten Wangen zu Boden.

Sonderbar.

»Gleichwohl ich weiß, dass du denkst, du hättest ›die Pfeil' und Schleudern des wütenden Geschicks zu erdulden‹, versichere ich dir, dass es schlimmer sein könnte. Viel schlimmer.«

»Ich bin von Piraten entführt worden. Wenn das kein wütendes Geschick ist, weiß ich auch nicht.«

Da hatte nicht ganz unrecht, und Hawk unterdrückte ein Lächeln, das zu einem Lachen zu werden drohte. »Dein Los könnte weitaus schlimmer sein als der Wunsch nach einem Bad und als die offensichtliche Langeweile, unter der du leidest, obwohl ich dir Dutzende Bücher angeboten habe, um dir die Zeit zu vertreiben. Natürlich könntest du dich auch auf eine andere, eher körperlichere Weise amüsieren.«

Er musste nicht zu seinem Gefangenen hinübersehen, um zu merken, dass er knallrot angelaufen war. Der Spott hatte den beabsichtigten Effekt und minutenlang herrschte Schweigen. Die unbeabsichtigte Folge dagegen war, dass Bilder des Jungen, wie er sich selbst befriedigte, in Hawks Gedanken auftauchten. Die geschwungenen Lippen, die sich leicht öffneten, um leise Schreie auszustoßen, sein angespannter Schwanz … wie er sich in ein paar Minuten der Unbefangenheit, der Freiheit verlor. Der Junge hatte einen ruhelosen Geist, den Hawk bei Walter Bainbridges Sohn am allerwenigsten erwartet hatte. Obwohl er nach einem Bad gejammert hatte, hatte Hawk eher das Gefühl, dass es ihm darum ging, wieder nach oben an Deck zu kommen, um sich frei bewegen zu können. Er war wie eine zusammengedrückte Sprungfeder, die verzweifelt versuchte, sich zu beherrschen, und doch unaufhörlich hin und her zappelte. Hawk hatte eine viel trägere Kreatur erwartet.

Und prompt sagte der Junge: »Wenn ich doch nur an Deck gehen könnte, wenn es das nächste Mal regnet. Wie ich den Regen vermisse. Früher bin ich dann stundenlang draußen gewesen, um alles zu erkunden. Und wenn es nur ein paar Minuten wären …«

»Welche List auch immer du dir ausgedacht hast, vergiss es.«

»Es ist keine List! Seit Tagen schon ist es bedeckt, und es wird bestimmt bald regnen. Ich möchte nur frische Luft atmen und sauber werden.«

Die Heckfenster in Hawks Kabine waren zum Schutz gegen den kühlen Seewind geschlossen, und wenn der Bengel sich nicht die Mühe machte, sie von Zeit zu Zeit zu öffnen, dann zum Teufel mit ihm. Ganz offensichtlich war er also einfach faul. »Nein.«

»Wenn ich so unbrauchbar bin, warum lasst Ihr mich dann nicht da rauf? Was könnte ich denn schon auf einem Schiff voller Piraten ausrichten?«

»Abgesehen davon, im Weg zu stehen?«

»Ich sagte, ich würde helfen. Ich bin sicher, ich könnte es lernen.«

Hawk lachte schroff. »Du weißt wahrscheinlich nicht einmal, wie man einen einfachen Haken an der Leine festknotet.«

»Ich könnte es lernen«, wiederholte er. »Ich wette, ich kann es.«

Hawks ohnehin schwelende Gereiztheit flammte erneut auf. »Eine Wette? Na gut, wenn du willst. Stellen wir dich auf die Probe. Du bekommst es einmal gezeigt und du bekommst eine Chance, es selbst zu knoten.«

Der Junge nickte und sprang eifrig auf die Füße. »Wenn ich gewinne, darf ich die Tage oben an Deck verbringen. Ich werde nicht versuchen zu fliehen, und niemanden verletzen.«

»Als ob du das könntest. Und, nein. Wenn du gewinnst … Wenn du gewinnst, werden dir ein Eimer Wasser und ein Stück Seife zugestanden.«

Mit zusammengepressten Lippen nickte der Junge. »Abgemacht.« Er wippte auf und ab. »Los geht's.«

Hawk ging zurück zu seiner Karte und nahm seinen Zirkel auf. Das kühle Messing erwärmte sich in seiner Hand, während er die Küstenlinie einer Insel westlich von Nassau vermaß. »Wir werden gehen, wenn ich es sage.«

Während er seine Arbeit fortsetzte, verlagerte der Junge sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen, dann ging er in der Kabine auf und ab. Die Minuten verstrichen. Hawk hätte längst aufhören können, aber er ging zum Bücherregal und holte eine weitere Karte heraus, bevor er sich wieder hinter seinen Schreibtisch setzte und sich über die zunehmend unruhigen Schritte seiner Geisel amüsierte.

Schließlich bemerkte er: »Ich bin sicher, du bist es gewohnt, alles, was du willst, mit einem Fingerschnippen zu bekommen. Leider wirst du an Bord dieses Schiffes diesbezüglich enttäuscht werden.«

Der Junge lachte bitter auf. »Ich habe noch nie das bekommen, was ich wirklich wollte. Und das werde ich auch nie.«

»Oh, und unter welchen armseligen, unerfüllten Sehnsüchten leidest du? Bitte erzähl.«

Der Bursche schloss den Mund.

Hawk fuhr fort. »Wenn du etwas über wahre Not erfahren willst: Wir haben im letzten Frühling ein Sklavenschiff befreit. Ein paar der Männer haben sich dafür entschieden, bei uns zu bleiben. Ich bin mir sicher, dass sie zu diesem Thema viel zu sagen haben.«

Der Junge wurde rot und ließ die Schultern hängen. »Ja. Das haben sie bestimmt. Ihr habt recht.«

Von der Kapitulation überrascht, starrte Hawk seinen Gefangenen ein paar Augenblicke lang an. Dann ließ er den Zirkel auf den Schreibtisch fallen und umrundete ihn. »Na schön, dann wollen wir dich mal auf die Probe stellen.« Er packte ihn am Arm und schob ihn aus der Kabine und die Leiter zum Hauptdeck hinauf.

Fragende Blicke der Crew. Snell kam heran und fragte: »Was ist los?«

Hawk drückte Bainbridge nach unten auf die Knie. »Ich habe eine kleine Wette mit unserem Gefangenen abgeschlossen. Er meint, er kann die Knoten genauso gut binden wie die meisten Männer an Bord.« Die Männer lachten schallend und Hawk spürte, wie angespannt die Schultern des Jungen an der Stelle waren, wo er ihn festhielt. Er konnte sich vorstellen, wie rot seine Wangen waren. »Was meint ihr? Sollen wir diese zarten Hände im Gegenzug für einen Eimer Wasser ihr Können unter Beweis stellen lassen?«

Inmitten des Jubels und des Gelächters rief eine Stimme: »Ich dachte, Wetten sind auf dem Schiff nicht erlaubt.« Es war Tully. Er war nützlich gewesen, als sie an Bord des Handelsschiffes hatten gelangen wollen, und er hatte auch nicht ganz unrecht. Als jetzt aber einige Männer zu murren begannen, wünschte sich Hawk, Tully würde ab jetzt sein großes Maul halten, bevor er gezwungen war, es ihm für immer zu stopfen.

Snell antwortete: »Das ist wahr. Aber da wir hier sowieso die Zeit totschlagen, während wir auf unser Lösegeld warten, können wir vielleicht dieses eine Mal eine Ausnahme machen.« Er warf einen Blick auf Hawk. »Vorausgesetzt, die Männer können ihre eigenen Nebenwetten abschließen.«

»Natürlich. Nur dieses eine Mal.« Snell wusste immer, wie er Frieden unter den Männern wahren konnte, was ihn zu einem hervorragenden Quartiermeister machte. Der Bengel würde sowieso im Handumdrehen scheitern, und die Wetten würden nicht aus dem Ruder laufen. »In Ordnung!«, rief Hawk. »Wir fangen mit einem einfachen Halbschlag an. Mr. Lee, würden Sie es demonstrieren? Der Junge bekommt einen Versuch.«

Während die Männer sich unterhielten und untereinander ihre Wetten abgaben, wandte der Junge den Kopf über seine Schulter nach oben. »Und wie viele Knoten muss ich hinbekommen, damit ich gewinne?«

Hawk warf ihm ein wölfisches Grinsen zu. »So viele, wie ich es sage.« Er stieß kräftig mit dem Knie in den Rücken seines Gefangenen. »Na gut, beweis uns, dass wir falsch liegen. Leg das Seil.«

Und dann … tat er es. Jeder Knoten und jeder Stek, den Lee vormachte, gelang ihm sofort. Achter, Kreuzknoten, sogar der Trompetenknoten. Hawk umrundete ihn und betrachtete die Konzentration auf seinem Gesicht, die rosige Zunge, die manchmal zwischen seinen Lippen hervorlugte, den Blick, den er auf Lees Hände gerichtet hielt, und wie er das lauter werdende Gemurmel der Crew ignorierte, die Lee Vorschläge für immer schwerere Knoten machten, um den Gefangenen zu verwirren. Aber das passierte irgendwie nicht. Das raue Seil rötete seine Finger und Handflächen, aber er zögerte kein einziges Mal, während er Lees Bewegungen nachmachte und ihn ganz genau beobachtete. Schweiß sammelte sich auf seiner Stirn, trotz der kühlen Brise des Tages. Unwillkürlich erwachte Bewunderung in Hawk. Der Bursche war ungebrochen, nicht eingeschüchtert. Ein paar Männer begannen ihn anzufeuern und die Wetten flogen nur so durch die Luft.

Schließlich, als ihm auch ein Rückspleiß gelang, beendete Hawk es. »Finden wir, dass er seinen Preis verdient hat?« Die »Ayes!« waren fast einstimmig.

Dann grinste der Junge ihn von unten an. Und einen irrsinnigen Moment lang wollte Hawk zurücklächeln.

Verdammt noch mal.

Sein Gehirn war ganz eindeutig verwirrt von zu vielen Tagen, die er in friedlicher Routine an Bord verbracht hatte, statt auf dem Meer auf die Jagd zu gehen. Glücklicherweise riss er sich gerade noch rechtzeitig zusammen, zog den Jungen auf die Beine und brachte ihn zurück in die Kabine. Einer der Männer brachte den Eimer mit Meerwasser und Hawk schnitt ihm ein Stückchen Seife ab.

Wieder zurück hinter seinem Schreibtisch, konnte er seinen Blick nicht abwenden, als der Junge sein Hemd auszog und überraschend feste, schlanke Muskeln zum Vorschein kamen. Der Junge merkte, dass er beobachtet wurde, und seine Hände hielten am Hosenbund inne. Plötzlich fühlte Hawk sich seltsam schuldig und hätte fast den Kopf abgewandt, aber dann rief er sich in Erinnerung, dass er ein gottverdammter Pirat war und dies sein Gefangener, dem er weder Höflichkeiten noch den kleinsten Funken Privatsphäre schuldete. Er drehte seinen Stuhl herum, sodass er ihm zugewandt war, und lehnte sich zurück. Der Junge, der immer noch seine Hose trug, blinzelte ihn an. Er blickte an sich herunter, dann wieder zu Hawk. Offensichtlich war er verunsichert, aber da war noch etwas anderes – ein feines Vibrieren im Raum, eine leise Anziehung. Hawk spürte etwas an diesem Jungen … irgendetwas war da, dass in seine Nüstern drang und sein Blut in Wallung brachte.

Mit gespreizten Beinen, die Stiefel fest auf den Boden gestellt, betrachtete er seine Geisel. »Wo hat der verhätschelte Sohn von Walter Bainbridge gelernt, so Seemannsknoten zu knüpfen?«

»Das habe ich nicht. Jedenfalls nicht bis zum heutigen Tag. Ich bin einfach gut darin, meine Hände einzusetzen und zu gebrauchen.«

Besser als gut, und schneller als die meisten Männer, mit denen Hawk je gesegelt war. Vielleicht steckte doch mehr in dem jungen Bainbridge, als es auf den ersten Blick schien.

Nicht, dass es darauf ankommt, denn letzten Endes ist er nichts weiter als ein Mittel zum Zweck.

Und doch ertappte sich Hawk bei der Frage: »Ist das so? Hm. Mehr Muskeln, als ich dachte. Du bist klein, aber stark. Ich habe dich viel … weicher eingeschätzt.«

»Ich … ich habe immer …«

Er hob eine Augenbraue. »Fahre fort.«

»Ich habe es immer geliebt, draußen zu sein. Auf Bäume zu klettern, zu rennen, zu schwimmen. Und dann auch noch zu ringen. Mein Lehrer hat es mir beigebracht.« Er lief bis zur Brust scharlachrot an und bewegte sich unbehaglich.

»Hat er das, wirklich?« Hawk lächelte träge und verschlagen. Er senkte seine Stimme zu einem verschwörerischen Flüstern. »Hat dein Lehrer dich auch besinnungslos gevögelt?« Die Vorstellung, dass ein anderer Mann diesen Schatz gehoben haben könnte, war auf sonderbare Weise enttäuschend.

Der Junge riss die Augen auf und keuchte: »Nein! Er war ein guter Mensch. Nicht wie …« Er schluckte schwer und überlegte sich seine nächsten Worte offenbar gründlich. »Nein. Ich habe niemals … ich würde niemals! So war mein Lehrer nicht. Er war gütig und anständig.«

»Ah. Gütige und anständige Männer sind spärlich gesät. Wie glücklich du dich schätzen kannst. Schade nur, dass das Glück dich jetzt verlassen hat.«

Der Junge fuhr sich mit der Zunge über die Lippen, sein Blick wanderte mit unmissverständlichem Hunger von Hawks Gesicht nach unten zur Wölbung zwischen seinen gespreizten Beinen. Er erschauerte.

Ah ja. Da ist es …

Hawks Instinkte hatten ihn nicht getrogen – er hatte es bis tief in die Knochen gespürt. Die Frage war: Warum sollte ihn das auch nur Geringste kümmern? Welche Rolle spielte es, dass sie gemeinsame Begierden und Sehnsüchte teilten? Viele Männer taten das. In den Jahren nach dem anfänglichen Erwachen von Erregung und Zärtlichkeit hatte Hawk nicht mehr viele Gedanken daran verschwendet. Dann und wann hatte er sich den einen oder anderen namenlosen Mann zur körperlichen Befriedigung gesucht.

Mit ihm war es ganz anders gewesen. John. Unwiderstehliches Lächeln, blonde Haare, die ihm ständig in die blauen Augen fielen, rebellisch und schön. Sie waren so unschuldig, so verdammt naiv gewesen und hatten geglaubt, dass sie an Bord dieser Fregatte etwas Gutes und Reines zusammen haben könnten. Dass sie trotz ihrer widrigen Umstände, ihrer faktischen Gefangenschaft, Glück erfahren könnten.

Vielleicht war es die offenkundige Unschuld seines Gefangenen, die ihn anzog. In der Royal Navy war Sodomie strengstens verboten und Hawks Fummeleien mit John hatten nur im Dunklen stattgefunden. Aber als Freibeuter und jetzt als Pirat war das ganz und gar nicht ungewöhnlich. Männer vögelten miteinander, wie es ihnen gefiel, abgestumpft und fern vom Rausch der jugendlichen Entdeckungen. Jahrelang hatte er nicht mehr an John gedacht, und es war schwach und töricht, es jetzt zu tun.

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