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Vielleicht war es aber in dieser Zeit geistiger Schläfrigkeit und sittlicher Verlottertheit noch viel wertvoller, daß die Eigenschaften des Musikers Leopold Mozart auch den Menschen auszeichneten. Der Grundzug seines Wesens ist auch hier die unerschütterliche Gewissenhaftigkeit und Pflichttreue in großen und kleinen Dingen. Das Leben hatte ihn nicht umsonst in eine so harte Schule genommen, hatte ihm aber auch nicht umsonst gezeigt, daß der Mann sein Schicksal selber schmiedet. Er ist unnachsichtlich streng in seinen Anforderungen, gegen sich noch mehr als gegen andere. Er ist abhold allem Scheinwesen und läßt sich durch äußeren Prunk niemals beirren. In dieser Zeit der Knechtseligkeit bewahrt er sich einen aufrechten Sinn, wenn er auch Lebensklugheit genug besitzt, sich äußerlich so weit den Verhältnissen zu fügen, wie es sich mit der Mannesehre verträgt. In Wirklichkeit bedeutete ihm aber vornehme Geburt und hohe Stellung an sich nichts, und er schätzte jeden nach dem ein, was er konnte. Die ruhige Kritik seines klaren, gesunden Menschenverstandes bewahrte er sich auch gegenüber den Vertretern der Kirche, trotzdem er ein kernfrommer, glaubenstreuer Katholik war; oder vielleicht gerade deshalb, denn er hätte sich sonst kaum bei den damaligen kirchlichen Verhältnissen mit seinem scharfen Verstande, der überall die Gebrechen sah, diese völlige Freiheit von allem Aberglauben und diese echte Religiosität und strenge Kirchlichkeit zu bewahren vermocht. Von Natur aus war sicher auch er Humorist und eine echte Frohnatur. Die schwere Lebensentwicklung, die vielfachen Unterdrückungen, die er hatte erfahren müssen, dann die gesamten elenden Zeitverhältnisse haben dieser ursprünglichen Anlage eine andere Richtung gegeben. Er hatte die Menschen zu sehr von ihrer schlechten Seite kennen gelernt und fand nun als Waffe dagegen einen scharfen Sarkasmus; es entwickelte sich in ihm überhaupt die Neigung zum Spott. Er hatte die Überzeugung gewonnen, daß Eigennutz und Selbstsucht die wahren Triebfedern alles menschlichen Handelns seien und erkannte es als Hauptaufgabe der Lebensklugheit, sein Benehmen danach einzurichten. In seinem Sohn hatte er dauernd genau die entgegengesetzte Natur zu bekämpfen, und man geht trotz des scheinbaren Widerspruchs nicht fehl, wenn man sagt, daß der Sohn trotzdem auch darin dem Vater verwandt war, nur daß er vom äußeren Leben in seiner Kindheit nicht in eine so schroffe Schule genommen war, daß vielmehr gerade seine vom Vater so sorgsam behüteten Kinderjahre in ihm die Meinung wachrufen konnten, die Menschen seien eitel Güte, und, was sie sagen, immer die lautere Wahrheit. Der Vater hat in seinen Briefen an den Sohn immer und immer wieder ihm die selbst mühsam gewonnene Lebensüberzeugung vorgetragen, der Sohn war auch des besten Willens voll, danach zu handeln. Wir begegnen in seinen Briefen immer wieder den Stellen, in denen er als getreues Echo diese Lebensanschauung des Vaters verkündet. Danach gehandelt hat er nie, und er ist in seinem Leben immer wieder das Opfer seiner kindlichen Vertrauensseligkeit und seiner guten Meinung von den Nebenmenschen geworden. Er ist eben in dieser Hinsicht zeitlebens ein Kind geblieben, während der Vater sehr früh ein Mann geworden war. Trotzdem beruht auch des Vaters Menschenverachtung mehr in der Theorie; in der Wirklichkeit war auch er selbst jenen, die er nicht achtete, gegenüber immer gern bereit zu wohlwollendem Rat und tatkräftiger Hilfe. Daß er sich nicht blenden ließ, hat auch sein Verhältnis zum heißgeliebten und bewunderten Sohn fruchtbar gemacht. Er hat die Schwächen seines Kindes nie verkannt oder verdeckt, sondern alles aufgeboten, aus dem genialen Jüngling auch einen pflichttreuen, zuverlässigen und tüchtigen Bürger zu erziehen.

So ersteht vor uns Leopold Mozart als edler, tüchtiger und gescheuter Mann, als gediegener Meister in seinem Beruf, als vorzüglicher Lehrer. Er ist auch ein trefflicher Gatte gewesen; der höchste Ehrentitel aber, den wir ihm geben können, ist, daß er wirklich in jeder Hinsicht und im idealsten Sinne des Wortes sich als Vater seines großen Sohnes bewährt hat. Wir haben bei Mozart den seltenen Fall, daß ein genialer Mann dem Vater viel näher steht und viel mehr verdankt, als der Mutter. Mit diesem Urteile soll keinerlei Geringschätzung der schönen Anna Maria Pertl, des Pflegekommissärs vom Stifte St. Gilgen Tochter, ausgesprochen werden, die Leopold Mozart am 21. November 1747 als sein Eheweib heimgeführt hat. Ohne geistig hervorzuragen, war sie eine kluge, und vor allem eine gute Frau. Ihrem Gatten, dem sie sich willig unterordnete, war sie in echter Herzensneigung zeitlebens treu ergeben, ihren Kindern ist sie eine liebevolle, zu jedem Opfer bereite Mutter gewesen. Die beiden Ehegatten haben im schönsten Verhältnis gelebt, sie gingen ganz auf in der Erziehung ihrer Kinder, und »das schönste Salzburger Paar«, wie man die beiden zu ihrer Hochzeitszeit gern nannte, strahlte durch das reine und brave Familienleben noch weit leuchtender aus der ganzen Umgebung der Berufs- und Standesgenossen hervor. Die Kinder haben in aller Liebe an der Mutter gehangen, zumeist Wolfgang, der von ihr die Neigung zu heiterem, gelegentlich auch vor derber Komik nicht zurückscheuendem Lebensgenuß geerbt hatte. Diese Art wird den Salzburgern oft nachgesagt, wenn auch nicht immer in der schroffen Form wie Schubart an ihnen tadelte, daß sie »äußerst zum niedrig Komischen« gestimmt sind. Aber es ist sicher, daß Leopold Mozart sich in Salzburg ziemlich vereinsamt fühlte, trotzdem er mit einer Reihe besserer Familien ausgiebigen Verkehr hatte. Er konnte eben für seinen stets auf Weiterbildung bestrebten Geist keinerlei Nahrung finden. Am wenigsten mochte er mit seinen Kunstgenossen zu tun haben, die, zumeist ohne alle tiefere Bildung, rein aufs Technische gedrillte Musikanten, außerdem aber infolge ihres liederlichen Lebenswandels um alles Ansehen gekommen waren.

Die später so unglücklichen oder doch das ganze Leben verbitternden Beziehungen zu ihrem Brotherrn haben dann das weitere dazu beigetragen, der Familie Mozart die Salzburger und Salzburg zu verleiden. Vor allem finden sich bei Wolfgang, der ja allerdings am meisten unter der Enge der Heimat zu leiden hatte, recht scharfe Aussprüche. Und doch könnte man Mozarts ganze Kunst mit seinem Geburtsort in Beziehung bringen. Die »schönstgelegene Stadt der Welt«, wie Alexander von Humboldt es nannte, wirkt Salzburg wie ein Stück italienischen Südens in deutschen Landen. Eine wunderbar weiche, aber großzügige Linienführung in der Profilierung der Landschaft vereint sich mit höchster Farbigkeit des Bildes; die Gewalt der Alpenwelt wirkt nur erhebend, nicht drückend, da sie gemildert ist in der lächelnden Fruchtbarkeit der umliegenden Felder und Weinberge. Die hohe Naturfreude, die sich Mozart zeitlebens bewahrte, die fruchtbare Anregung, die er für seine Kunst aus dem Naturgenuß gewann, lassen darauf schließen, daß auch die schöne Umgebung, in der er seine Jugend verbringen durfte, von großem Einfluß auf seine Entwicklung gewesen ist.

Von den sieben Kindern, die Mozarts beschieden waren, blieben nur zwei am Leben: die Tochter Maria Anna (geb. am 30. Juli 1751) und der als letzter am 27. Januar 1756 geborene Sohn Wolfgang, dessen vollständiger Name nach dem Kirchenbuch lautet Johannes Chrysostomus Wolfgangus Theophilus. Der Vater übersetzte den letzten Namen zunächst mit Gottlieb, der auch auf den frühesten Werken steht, dann trat das französische Amadee an die Stelle, darauf Amade, zuletzt Amadeus. In der Familie hieß die Tochter das Nannerl, die Koseform für den Jungen war Wolferl.

Über die früheste Kindheit Wolfgangs sind wir weit besser unterrichtet, als bei den meisten andern großen Künstlern. Die Schwester, die als Freiin v. Sonnenberg ihn lange überlebte (gest. 29. Oktober 1829), gab nach des bewunderten und geliebten Bruders Tode Friedrich Schlichtegroll in Gotha für seinen »allgemeinen Nekrolog, enthaltend Nachrichten von dem Leben merkwürdiger, in diesem Jahre verstorbener Personen«, ungebeten, was sie an Erinnerungen sorgfältig bewahrt hatte. Sie selber konnte für einen großen Teil derselben einen Brief benutzen, den der Salzburger Hoftrompeter Johann Andreas Schachtner (gest. 1795), ein warmherziger Freund des Mozartschen Hauses, ihr über die Kindheit ihres Bruders geschrieben hatte.

Die Tochter hatte ein so ausgesprochenes Talent zur Musik bewiesen, daß der Vater sehr früh ihren Unterricht am Klavier begann. Das machte auf den damals dreijährigen Knaben einen sehr starken Eindruck. »Er zeigte schon da sein außerordentliches Talent. Er unterhielt sich oft lange beim Klavier mit Zusammensuchen der Terzen, welche er dann immer anstimmte und seine Freude darüber bezeigte, diese Harmonie gefunden zu haben. Im vierten Jahre seines Lebens fing sein Vater gleichsam spielend an, ihn einige Menuetts und andere Stücke auf dem Klavier zu lehren, freie Sachen, die dem Lehrer ebenso leicht wurden als dem Lehrling. Zu einem Menuett brauchte er eine halbe Stunde, um es zu lernen und es dann mit der vollkommensten Nettigkeit und mit dem festesten Takte zu spielen. Von nun ab machte er solche Fortschritte, daß er in seinem fünften Jahre schon kleine Stücke komponierte, die er seinem Vater vorspielte und von diesem zu Papier bringen ließ.« (Schlichtegroll.) Der Vater schrieb diese Kompositionen in Mariannes Klavierbuch ein und vermerkte dabei genau das Datum des Entstehens. Dieses Klavierbuch befindet sich im Mozarteum zu Salzburg. Das früheste Stück Wolfgangs trägt die Jahreszahl 1761. Ein kleines Menuett; zur zierlichen Melodie spielt die Linke die zur Dezime gedehnte Terz als Begleitung. Die Formgebung dieser Schöpfung eines Fünfjährigen ist untadelig; nicht einmal als Kind hat Mozart formale Schwierigkeiten gekannt; schon jetzt fand er die vollgültige Ausdrucksform für das, was er sagen wollte. Bezeichnend ist auch, daß, wie der Benediktinerpater Scharl erzählt, schon des Kindes »Passion« das Phantasieren war. Es ist uns vielfach berichtet, daß das freie Phantasieren auf Klavier oder Orgel noch in späteren Zeiten Mozarts unvergleichlichste Leistung geblieben ist und die höchste Offenbarung seines Genies. Wie ernst schon das Kind Musik aufnahm, bezeugt der Vater 1778 dem Sohne in einem Brief vom 16. Februar: »Als Kind und Knabe warst Du mehr ernsthaft als kindisch, und wenn Du beim Klavier saßest oder sonst mit Musik zu tun hattest, so durfte sich niemand unterstehen, Dir den mindesten Spaß zu machen. Ja, Du warest selber in Deiner Gesichtsbildung so ernsthaft, daß viele einsichtsvolle Personen wegen dem zu früh aufkeimenden Talente und Deiner immer ernsthaften und nachdenkenden Gesichtsbildung für Dein langes Leben besorgt waren.«

Wir können im übrigen für die Schilderung dieser ersten Entwicklungszeit des Kindes nichts Besseres tun, als den durch seine Treuherzigkeit und die Unmittelbarkeit des Ausdrucks überzeugenden Brief Schachtners hier vollständig wiederzugeben.

»Hochwohledelgeborene gnädige Frau! Deroselben sehr angenehmes Schreiben traf mich nicht in Salzburg, sondern in der Hammerau an, wo ich eben bei meinem Sohne, dortigen Mitbeamten beim Oberverwesamt, auf einem Besuch war. Aus meiner sonstigen Willfährigkeit gegen jedermann und besonders gegen das Mozartsche Haus können Sie schließen, wie sehr leid mir war, daß ich nicht auf der Stelle Ihren Auftrag befriedigen konnte.

Zur Sache also!

Auf Ihre erste Frage, was Ihr seliger Herr Bruder in seiner Kindheit, NB. außer seiner Beschäftigung in der Musik, für Lieblingsspiele hatte? – auf diese Frage ist nichts zu beantworten: denn sobald er mit Musik sich abzugeben anfing, waren alle seine Sinne für alle übrigen Geschäfte soviel als tot, und selbst die Kindereien und Tändelspiele mußten, wenn sie für ihn interessant sein sollten, von der Musik begleitet werden. Wenn wir, er und ich, Spielzeuge zum Tändeln von einem Zimmer ins andere trugen, mußte allemal derjenige von uns, so leer ging, einen Marsch dazu singen oder geigen. Vor dieser Zeit aber, ehe er die Musik anfing, war er für jede Kinderei, die mit ein bißchen Witz gewürzt war, so empfänglich, daß er darüber Essen und Trinken und alles andere vergessen konnte. Ich ward daher ihm, weil ich, wie Sie wissen, mich mit ihm abgab, so äußerst lieb, daß er mich oft zehnmal an einem Tage fragte, ob ich ihn lieb hätte, und wenn ich es zuweilen auch nur zum Spaß verneinte, stunden ihm gleich die hellichten Zähren im Auge, so zärtlich und so wohlwollend war sein gutes Herzchen.

Zweite Frage, wie er sich als Kind gegen die Großen benahm, wenn sie sein Talent und Kunst in der Musik bewunderten?

Wahrhaftig, da verriet er nichts weniger als Stolz oder Ehrsucht: denn diese hätte er nie besser befriedigen können, als wenn er Leuten, die die Musik wenig oder gar nicht verstanden, vorgespielt hätte, aber er wollte nie spielen, außer seine Zuhörer waren große Musikkenner, oder man mußte ihn wenigstens betrügen und sie dafür ausgeben.

Dritte Frage, welche wissenschaftliche Beschäftigung liebte er am meisten?

Antw. Hierinfalls ließ er sich leiten, es war ihm fast einerlei, was man ihm zu lernen gab, er wollte nur lernen und ließ die Wahl seinem innigst geliebten Papa, welches Feld er ihm zu bearbeiten auftrug. Es schien, als hätte er es verstanden, daß er in der Welt keinen Lehrmeister noch minder Erzieher wie seinen unvergeßlichen Herrn Vater hätte finden können. Was man ihm immer zu lernen gab, dem hing er so ganz an, daß er alles übrige auch sogar die Musik, auf die Seite setzte. Z. B. als er Rechnen lernte, war Tisch, Sessel, Wände, ja sogar der Fußboden voll Ziffern mit der Kreide überschrieben.

Vierte Frage, was er für Eigenschaften, Maximen, Tagesordnung, Eigenheiten, Neigung zum Guten und Bösen hatte?

Antw. Er war voll Feuer, seine Neigung hing jedem Gegenstand sehr leicht an; ich denke, daß er im Ermangelungsfalle einer so vorteilhaft guten Erziehung, wie er hatte, der ruchloseste Bösewicht hätte werden können, so empfänglich war er für jeden Reiz, dessen Güte oder Schädlichkeit er zu prüfen noch nicht imstande war.

Einige sonderbare Wunderwürdigkeiten von seinem vier- bis fünfjährigen Alter, auf deren Wahrhaftigkeit ich schwören könnte.

Einsmal ging ich mit Herrn Papa nach dem Donnerstagsamte zu ihnen nach Hause, wir trafen den vierjährigen Wolfgangerl in der Beschäftigung mit der Feder an.

Papa: Was machst du?

Wolfg.: Ein Konzert fürs Klavier, der erste Teil ist bald fertig.

Papa: Laß sehen.

Wolfg.: Ist noch nicht fertig.

Papa: Laß sehen, das muß was Sauberes sein.

Der Papa nahm's ihm weg und zeigte mir ein Geschmiere von Noten, die meistenteils über ausgewischte Tintendolken geschrieben waren, NB. der kleine Wolfgangerl tauchte die Feder aus Unverstand allemal bis auf den Grund des Tintenfasses ein, daher mußte ihm, sobald er damit aufs Papier kam, ein Tintendolken entfallen, aber er war gleich entschlossen, fuhr mit der flachen Hand darüber hin und wischte es auseinander und schrieb wieder darauf fort, wir lachten anfänglich über dieses scheinbare Gallimathias, aber der Papa fing hernach seine Betrachtungen über die Hauptsache, über die Noten, über die Komposition an, er hing lange Zeit steif mit seiner Betrachtung an dem Blatte, endlich fielen zwei Tränen, Tränen der Bewunderung und Freude aus seinen Augen. ›Sehen Sie, Herr Schachtner,‹ sagte er, ›wie alles richtig und regelmäßig gesetzt ist, nur ist's nicht zu brauchen, weil es so außerordentlich schwer ist, daß es kein Mensch zu spielen imstande wäre.‹ Der Wolfgangerl fiel ein: ›Drum ist's ein Konzert, man muß so lange exerzieren, bis man es treffen kann; sehen Sie, so muß es gehen.‹ Er spielte, konnte aber auch just so viel herausbringen, daß man erkennen konnte, wo er aus wollte. Er hatte damals den Begriff, daß Konzertspielen und Mirakelwirken einerlei sein müsse.

Noch eins.

Gnädige Frau! Sie wissen sich zu erinnern, daß ich eine sehr gute Geige habe, die weiland Wolfgangerl wegen ihrem sanften und vollen Ton immer Buttergeige nannte. Einmal, bald nachdem sie von Wien zurückkamen (zu Anfang 1763), geigte er darauf und konnte meine Geige nicht genug loben, nach ein oder zwei Tagen kam ich wieder, ihn zu besuchen, und traf ihn, als er sich eben mit seiner eigenen Geige unterhielt, an, sogleich sprach er: ›Was macht Ihre Buttergeige?‹ geigte dann wieder in seiner Phantasie fort, endlich dachte er ein bißchen nach und sagte zu mir: ›Herr Schachtner, Ihre Geige ist um einen halben Viertelton tiefer gestimmt als meine da, wenn Sie sie doch so gestimmt ließen, wie sie war, als ich das letztemal darauf spielte.‹ Ich lachte darüber, aber Papa, der das außerordentliche Tönegefühl und Gedächtnis dieses Kindes kannte, bat mich, meine Geige zu holen und zu sehen, ob er recht hätte. Ich tat's, und richtig war's.

Einige Zeit vor diesem, die nächsten Tage, als Sie von Wien zurückkamen und Wolfgang eine kleine Geige, die er als Geschenk zu Wien kriegte, mitbrachte, kam unser ehemaliger sehr guter Geiger Herr Wenzl sel., der ein Anfänger in der Komposition war; er brachte 6 Trio mit, die er in Abwesenheit des Herrn Papa verfertigt hatte, und bat Herrn Papa um seine Erinnerung hierüber. Wir spielten diese Trio, und Papa spielte mit der Viola den Baß, der Wenzl das erste Violin, und ich sollte das zweite spielen. Wolfgangerl bat, daß er das zweite Violin spielen dürfte, der Papa aber verwies ihm seine närrische Bitte, weil er noch nicht die geringste Anweisung in der Violin hatte, und Papa glaubte, daß er nicht im mindesten zu leisten imstande wäre. Wolfgang sagte: ›Um ein zweites Violin zu spielen, braucht man es wohl nicht erst gelernt zu haben‹; und als Papa darauf bestand, daß er gleich fortgehen und uns nicht weiter beunruhigen sollte, fing Wolfgang an bitterlich zu weinen und trollte sich mit seinem Geigerl weg. Ich bat, daß man ihn mit mir möchte spielen lassen; endlich sagte Papa: ›Geig mit Herrn Schachtner, aber so stille, daß man dich nicht hört, sonst mußt du fort.‹ Das geschah, Wolfgang geigte mit mir. Bald bemerkte ich mit Erstaunen, daß ich da ganz überflüssig sei; ich legte still meine Geige weg und sah Ihren Herrn Papa an, dem bei dieser Szene die Tränen der Bewunderung und des Trostes über die Wangen rollten; und so spielte er alle sechs Trio. Als wir fertig waren, wurde Wolfgang durch unsern Beifall so kühn, daß er behauptete, auch die erste Violin spielen zu können. Wir machten zum Spaß einen Versuch und wir mußten uns fast zutode lachen, als er auch dies, wiewohl mit lauter unrechten und unregelmäßigen Applikaturen doch so spielte, daß er doch nie ganz stecken blieb.

Zum Beschluß. Von Zärtlichkeit und Feinheit seines Gehörs!

Fast bis in sein zehntes Jahr hatte er eine unbezwingliche Furcht vor der Trompete, wenn sie allein, ohne andere Musik, geblasen wurde; wenn man ihm eine Trompete nur vorhielt, war es ebensoviel, als wenn man ihm eine geladene Pistole aufs Herz setzte. Papa wollte ihm diese kindische Furcht benehmen und befahl mir einmal, trotz seines Weigerns, ihm entgegen zu blasen; aber mein Gott! hätte ich mich nicht dazu verleiten lassen. Wolfgangerl hörte kaum den schmetternden Ton, ward er bleich und begann zur Erde zu sinken, und hätte ich länger angehalten, er hätte sicher das Fraise (Krämpfe) bekommen.

Dieses ist beiläufig, womit ich auf die gestellten Fragen dienen kann, verzeihen Sie mir mein schlechtes Geschmier, ich bin geschlagen genug, daß ich's nicht besser kann. Ich bin mit geziemend schuldigster Hochschätzung und Ehrfurcht

Salzburg, den 24. April 1792.

Euer Gnaden

ergebenster Diener

Andreas Schachtner,

Hochfürstl. Hoftrompeter.«

Daß ein so hervorragender Musiker wie Leopold Mozart diese wunderbaren Anlagen des Kindes hätte übersehen können, ist natürlich ausgeschlossen. Aber es fehlt das zweite Beispiel für den geradezu heiligen Ernst, mit dem der Vater nun die Ausbildung dieser Gaben in die Hand nahm. Daß die Erziehung dieses Kindes sein wahrer Beruf sei, erfaßte er in einer tiefen Religiosität, in der sich das freudigstolze Dankempfinden des Erzeugers dieses »Wunders Gottes« mit einem schweren, Entsagung und Opfer heischenden Verantwortungsgefühl verband. Nur dem glücklichen Umstand, daß ein so seltenes Gut in eine ebenso seltene treue Hut gegeben war, danken wir die wunderbare Entfaltung Wolfgang Mozarts.

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9783754182369
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