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Читать книгу: «Winnetou 4», страница 28

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Achtes Kapitel. Der Sieg

Die Vorlesung wurde täglich fortgesetzt. Sie bewirkte Wunder. Ihre größte Wirkung war die, daß Young Surehand und Young Apanatschka stets die ersten waren, die sich einstellten. Sie konnten das Folgende kaum erwarten. So große Freude uns dies machte, so taten wir doch, als ob wir gar nicht darauf achteten. Und sie ihrerseits versäumten trotz dieses großen Interesses für unseren seelischen Winnetou doch keineswegs, den Aufbau ihres steinernen Bildes am Schleierfall so viel wie möglich zu fördern. Es wuchs zusehends empor, weil die einzelnen Teile schon fertig behauen waren und nur noch zusammengesetzt zu werden brauchten. Es war, als ob ein Wettstreit herrsche, welche Figur am ersten fertig sein werde, ihre steinerne oder unsere rein geistige, die sich in den Vorleseabenden in immer größerer Höhe und Schönheit entwickelte.

Am Abend des dritten Tages, nachdem die Gebrüder Enters bei mir gewesen waren, wurde ich von Hariman, dem einen Bruder aufgesucht. Er hatte, um nicht gesehen zu werden, zu diese heimlichen Visite die späte Zeit der Dunkelheit gewählt. Es hatte Abend neue Ankömmlinge gegeben, die in der Unterstadt waren. Nach der Aufregung, die ihre Ankunft dort verursachte, schienen wichtige Personen dabei zu sein, deren Namen wir aber nicht erfahren hatten. Nun kam Hariman Enters, sie uns zu nennen. Ich empfing ihn in Gegenwart meiner Frau.

»Wißt ihr, Mr. Shatterhand, wer gegen Abend hier angekommen ist?« fragte er.

»Nein«, antwortete ich.

»Eure Todfeinde, die vier Häuptlinge.«

»Ah? Wirklich? Allein?«

»Mit nicht viel über dreißig Mann Begleitung, mehr nicht.«

»Keine Unterhäuptlinge?«

»Nein.«

»Wie unvorsichtig von ihnen! Daraus ist doch auf das zu schließen, was sie vorhaben! Die Unterhäuptlinge gehören unbedingt zu ihnen. Fehlen sie, so bedeutet das Gefahr. Sie sind natürlich bei den viertausend Reitern, die man nach dem ,Tal der Höhle‘ beordert hat?«

»Ganz sicher! Aber das ist jetzt Nebensache. Hauptsache ist, daß man Euch morgen zum Zweikampf herausfordern wird.«

»Uff! Höchst interessant!«

Da aber fiel das Herzle schnell ein:

»Das ist ganz und gar nicht höchst interessant, sondern höchst unverschämt und höchst gefährlich! Wer ist der Mensch, der sich vorgenommen hat, meinen Mann umzubringen?«

Diese Frage war an Enters gerichtet. Er antwortete.

»Es ist nicht nur einer, sondern es sind vier.«

»Wie? Höre ich recht? Vier? Wer sind denn diese vier?«

»Kiktahan Schonka, Tusahga Saritsch, Tangua und To-kei-chun.«

»Wollen sie etwa alle vier zu gleicher Zeit auf einmal auf meinen armen Mann hineinhauen, hineinstechen oder hineinschießen?«

»Nur schießen, weiter nichts.«

»So! Weiter nichts! Als ob das gar nichts wäre! Und alle vier zu gleicher Zeit?«

»Nein, sondern einer nach dem andern.«

»Das verbitte ich mir! So hübsch einer nach dem andern! Etwa wie drüben in Deutschland beim Scheiben- oder Vogelschießen! Wenn der eine nicht trifft, trifft der andere! Danke! Da kann doch kein Mensch lebendig davon kommen!«

»Das meinen sie eben auch! Old Shatterhand muß unbedingt fallen. Dann ist nicht nur ihrer Rache Genüge geschehen, sondern auch der steinerne Winnetou gerettet. Man meint nämlich, daß er der einzige wirklich gefährliche Gegner des Denkmalbaues ist. Ist er tot, so ist mit Hilfe der viertausend Reiter alles durchzusetzen – – —«

»Oho! » fiel ihm das Herzle zornig in die Rede. »Er wird aber nicht tot sein! Ehe ich mir ihn erschießen lasse, schlage ich diese viertausend alle tot, auch einen so ganz hübsch nach dem andern, und dann – – —«

Sie hielt inne. Sie bemerkte, was sie da eigentlich gesagt hatte, und brach in ein fröhliches Gelächter aus, in welches ich einstimmte. Dadurch glättete sich ihre Erregung, und wir konnten in Ruhe weitersprechen.

Es war richtig, daß die vier unversöhnlichen Häuptlinge beschlossen hatten, mich zu einem echt indianischen Kampf auf Leben und Tod zu fordern. Daß sie dabei ihre Bedingungen derart stellten, daß ich unmöglich entkommen konnte, verstand sich ganz von selbst. Jetzt, heute abend, ließ sich da weder etwas beschließen noch etwas tun. Man mußte die Bedingungen kennenlernen. Es war beschlossen, daß Pida, der Sohn Tanguas, mir die Forderung zu überbringen hatte. Er war mir, wie man weiß, freundlich gesinnt, und so ließ sich hoffen, daß es mir mit seiner Unterstützung gelingen werde, alles für mich Gefährliche abzuwenden.

Als ich das dem Herzle vorstellte, beruhigte sie sich ganz. Sie erhob sich sogar zu folgender Betrachtung:

»Die Sache ist allerdings nicht im geringsten gefährlich, sondern einfach lächerlich. Die vier Halunken werden riesenhaft blamiert. Du brauchst nur Mann zu sein, weiter nichts!«

»Hm! Wie meinst du das?« erkundigte ich mich.

»Sehr einfach: Du bist doch Duellgegner?«

»Sogar sehr!«

»Nun also! Wenn diese Kerle dich fordern lassen, sagst du: Ich bin Duellgegner und mache nicht mit! Da schleichen sie davon und müssen sich schämen!«

»Hm, hm!« lächelte ich. »Und da sagst du, ich hätte nur Mann zu sein?«

»Ja! Oder ist es etwa nicht männlich, seine Duellgegnerschaft offen und ehrlich zu bekennen?«

»O gewiß! Ich bin ja auch ganz gern bereit, mich als Mann zu zeigen, sogar als Doppelmann!«

»Doppelmann?« fragte sie. »Du, das klingt verdächtig! Wenn du in dieser Weise kommst, ist ganz gewiß etwas nicht richtig! Ich schöpfe Verdacht!«

»Verdacht? Kannst du nichts Besseres schöpfen, wenn überhaupt geschöpft werden muß? Ich werde diesem Pida sehr männlich gestehen, daß ich Duellgegner bin. Und ich werde dann ebenso männlich hinzufügen, daß ich trotzdem sehr gerne bereit bin, mich mit den vier Häuptlingen zu schießen. Ist das nicht doppelt Mann?«

»Nicht doppelt Mann, sondern doppelt falsch! Ich hoffe, daß du scherzt!«

»Ich scherze allerdings, und dennoch nehme ich es ernst, beides zugleich. Offen gesagt, ich nehme diese Forderung einfach als Faxe und werde sie als Faxe behandeln, obwohl sie von feindlicher Seite blutig ernst gemeint ist. In welcher Weise ich das tue, und wozu ich mich überhaupt entschließe, das kann ich jetzt nicht wissen. Laß Pida kommen, dann wirst du hören, was ich ihm antworte!«

»Du hältst die Sache also nicht für gefährlich?«

»Nein.«

»Und glaubst, heiler Haut davonzukommen?«

»Unbedingt!«

»Daran haben die Häuptlinge auch gedacht«, fiel da Harirman Enters ein. »Sie trauen Eurer List und Findigkeit nicht. Darum ließen sie mich und meinen Bruder kommen und teilten uns ihren Plan mit, Euch im Zweikampfe umzubringen. Falls Ihr dem Tod in irgendeiner Weise entgehen solltet, bin ich mit meinem Bruder von ihnen beauftragt, Euch auf die Seite zu schaffen, Euch und Eure Frau – – —«

»Auch mich?« fiel ihm das Herzle in die Rede. »Seid Ihr darauf eingegangen?«

»Ganz selbstverständlich!«

»Aber nur zum Schein?«

»Nur zum Schein!« nickte er. »Es fällt uns nicht ein, uns an Euch zu vergreifen. Wir sind Euch treu. Wir werden Euch beschützen, nicht aber ermorden!«

»Das glaube ich Euch!« versicherte sie in schneller, aber aufrichtiger Herzensregung.

»Ist es wahr? Glaubt Ihr das wirklich?« fragte er, indem sein Gesicht sich froh erhellte.

»Es ist wahr«, antwortete sie.

»Und Ihr, Mr. Shatterhand?«

»Auch ich glaube es«, bestätigte ich.

»Das freut mich! Das freut mich ungemein! Ich kann Euch sogar beweisen, daß wir es ehrlich meinen. Ich habe dafür gesorgt, daß ich es kann. Ich bringe den Beweis, den unumstößlichen Beweis. Ich habe eine Art von Kontrakt.«

»Etwa einen geschriebenen?« fragte ich.

»Ja.«

»Unglaublich! Von wem ausgestellt?«

»Von den vier Häuptlingen ausgestellt und von Mr. Evening und Mr. Paper als Zeugen unterschrieben. Hier habt Ihr ihn.«

Er gab ihn mir. Es war kein Kontrakt, sondern ein Zahlungsversprechen, dessen Ausstellung nur dadurch denkbar und möglich war, daß sowohl die beiden Brüder als auch die beiden Unterzeichneten von den Häuptlingen betrogen werden sollten. Daß diese Schrift auf absichtlichem Weg in die Hände eines Gegners gelangen könne, war für die Aussteller eine Unmöglichkeit gewesen. Sie hatte den Brüdern nur für eine kurze Zeit ausgestellt, dann aber wieder abgenommen werden sollen. Nachdem ich sie gelesen hatte, wollte ich sie Hariman Enters zurückgeben; er aber sagte:

»Kann sie Euch nützen, wenn Ihr sie behaltet?«

»Sogar viel«, antwortete ich.

»So mag ich sie nicht wieder. Betrachtet sie als Euer Eigentum!«

»So danke ich Euch. Damit habt Ihr allerdings bewiesen, daß Ihr es ehrlich meint. Warum brachtet Ihr Euren Bruder nicht mit?«

»Weil niemand etwas wissen soll und zwei viel eher beobachtet und entdeckt werden als einer. Sobald wieder etwas zu melden ist, mag er es tun. Jetzt aber bitte ich, mich zu entlassen.«

»Er ist wirklich treu«, sagte das Herzle, als er fort war »Ob aber auch sein Bruder?« fragte ich.

»Ich glaube nicht, daß er mir etwas Böses zufügt.«

»Ja, dir! Aber mir? Mich liebt er nicht. Das ist gewiß. Ich fühle mich nur darum vor ihm sicher, weil alles Böse, was er mir zufügen könnte, ganz unbedingt auch dich mittreffen muß. Ich stehe also, wie überall, auch hier unter deinem Schutz!«

»Den hast du allerdings auch nötig!« scherzte sie mit. »Besonders morgen, wenn vier Häuptlinge auf dich schießen, so recht hübsch einer nach dem andern! Sei ja nicht etwa leichtsinnig! Dein Leben muß auf alle Fälle erhalten werden. Du gehörst nicht dir allein, sondern auch mir!« —

Am nächsten Morgen stellten sich zwei Kiowa-Indianer ein, die mir meldeten, daß Pida, ihr Häuptling, mich zu sprechen habe. Ich solle ihm durch sie mitteilen, wann ich ihn empfangen wolle. Ich bestellte ihn auf Punkt die Mittagszeit. Als sie sich entfernt hatten, ließ ich durch Intschu-inta alle die Person, die zur Vorlesung zu erscheinen pflegten, so einladen, daß sie eine Viertelstunde vor Mittag bei mir einzutreffen hatten. Sie kann ich teilte ihnen in Kürze mit, um was es sich handelte. Ich wünschte, daß bei der Forderung soviel Zeugen wie möglich vorhanden seien.

Pida kam in großer Begleitung angeritten, wurde aber nur allein vorgelassen. Die bei ihm waren, standen nicht im Häuptlingsrang. Er suchte es zu verbergen, aber man sah es ihm doch an, überrascht war, mich nicht allein, sondern so viel andere bei sehen. Das Herzle, Aschta und Kolma Putschi waren auch mit da. Als er eingetreten war, stand ich von meinem Platz auf, ging ich ihm einige Schritte entgegen und sprach:

»Pida, der Häuptling der Kiowa, hat einst mein Herz gewonnen besitzt es auch heute noch. Doch weiß ich nicht, ob ich in der Sprache, des Herzens mit ihm reden darf oder nicht. Er sage mir, in welcher. Eigenschaft er zu mir kommt, ob als Gast, mich zu begrüßen, oder als Bote seines Vaters, der mir den kleinsten Gruß verweigern würde!«

Er war damals Jüngling gewesen, jetzt aber ein Fünfziger. Sei Gesicht war jetzt schärfer geschnitten als früher, aber noch immer, sympathisch. Sein Auge ruhte mit freundlichem Blick auf mir, doch klang seine Stimme ernst, als er mir antwortete:

»Old Shatterhand weiß, ob Pida ihn liebt oder haßt. Ich komme als Bote meines Vaters und seiner Verbündeten.«

»So mag Pida sich setzen und dann sprechen!«

Indem ich das sagte, kehrte ich nach meinem Platze zurück und deutete ihm durch eine Handbewegung an, sich vor mir niederzulassen. Er aber lehnte ab, indem er fortfuhr:

»Pida muß stehen. Nur der Friede darf sich niederlassen und ruhen. Old Shatterhand sieht in mir den Boten von vier der berühmtesten Krieger. Ich nenne ihre Namen: Tangua, der Häuptling der Kiowa, To-kei-chun, der Häuptling der Racurroh-Komantschen, Tusahga Saritsch, der Häuptling der Kapote-Utahs, und Kiktahan Schonka, der Älteste Häuptling der Sioux. Es ist lange her, viele Sommer und viele Winter, daß diese Häuptlinge von Old Shatterhand gezwungen wurden danach zu trachten, daß er ausgelöscht werde aus der Reihe der Lebenden. Er entkam ihnen. Er lebt noch. Aber auch seine Schuld besteht noch, sie ist ungesühnt. Er hat sie vergessen. Er hat geglaubt, sie sei auch von ihnen vergessen. Er hat es gewagt, in ihr Land zu kommen und die Pfade zu betreten, die seinem Fuß verboten sind. Dadurch hat er sich ihnen ausgeliefert. Er ist ihr Eigentum. Er muß sterben. Aber die Zeiten des Marterpfahles sind vorbei, und die Häuptlinge gedenken, edel und gütig zu sein. Sie wollen ihm Gelegenheit geben, sich vom wohlverdienten Tod zu erretten. Sie wollen mit ihm kämpfen. Ich bin gekommen, ihn zu diesem Kampf einzuladen und aufzufordern. Was antwortet er mir?«

Da stand ich auf und sprach:

»Nicht nur die Zeiten des Marterpfahles, sondern auch die Zeiten der langen Reden sind vorüber. Was ich zu sagen habe, ist kurz. Ich bin der Feind keines einzigen roten Mannes gewesen. Ich habe weder Haß noch Tod verdient. Ich wandle auch heute nicht auf verbotenen Wegen und fühle mich den Häuptlingen keineswegs ausgeliefert. Auch die Zeiten der Mordtaten, der Faust- und der Zweikämpfe sind vorüber. Ich bin alt und bedachtsam geworden. Ich verdamme jedwedes Blutvergießen. Ich bin ein Gegner des Zweikampfes – —«

Da stieß mich das Herzle heimlich an und flüsterte mir zu:

»Recht so, recht so! Sei ein Mann!«

Sie konnte das tun, weil ich ganz dicht neben ihr stand. Ich aber fuhr fort:

»Aber weil ich die Berühmtheit der Häuptlinge kenne und ihr weißgewordenes Haar achte, will ich es vermeiden, sie durch eine Absage zu beleidigen. Ich bin also bereit, mit ihnen zu kämpfen.«

»Bist du toll?« flüsterte mir das Herzle zu.

Hierauf ergriff Pida wieder das Wort:

»Old Shatterhand ist der alte. Er hat nie Furcht gekannt. Aber er sehe sich vor! Die Bedingungen, welche die Häuptlinge stellen, sind scharf, sind unerbittlich. Er wird dann zwar auch die seinigen stellen, aber es steht nicht zu erwarten, daß – – —«

»Ich stelle keine«, unterbrach ich ihn schnell. »Ich gehe auf alles ein, was die Häuptlinge von mir verlangen.«

Da sah er mich ungewiß an und fragte:

»Spricht Old Shatterhand im Scherz oder im Ernst?«

»Im Ernst!«

»So sage er das, was ich jetzt hörte, noch einmal. Vorher aber höre er, was die Häuptlinge fordern. Die Waffe sei das Gewehr. – – – Er hat mit einem jeden der vier Häuptlinge zu kämpfen. – – – Die Reihenfolge wird durch das Los bestimmt. – – – Geschossen wird im Sitzen. – —Es gibt für jeden nur einen einzigen Schuß. – – – Die Gegner sitzen einander gegenüber, nur sechs Schritte voneinander entfernt. – – – Den ersten Schuß hat stets der ältere. – – – Der zweite Schuß fällt genau eine Minute nach dem ersten. – – – Es wird gekämpft bis zum Tod. – – – Wenn die vier Gänge mit den vier Häuptlingen vorüber sind und Old Shatterhand ist noch nicht tot, werden sie von vorn angefangen. Das sind die Bedingungen. Old Shatterhand mag sie erwägen!«

Er hatte immer da, wo die Gedankenstriche stehen, eine Pause gemacht und mich prüfend, ja beinahe besorgt angesehen. jetzt antwortete ich:

»Sie sind bereits erwogen. Wer kommandiert die Schüsse?«

»Der erste Vorsitzende des Komitees.«

»Wie lange hat der zweite Schuß zu warten, wenn der erste nicht fällt?«

»Nicht fällt? Die Häuptlinge sind älter als Old Shatterhand, der noch nicht siebzig Jahre zählt. Keiner von ihnen wird zögern. Sie werden schießen, sobald das Kommando fällt.«

»Wer kann das behaupten? Ich sah schon manches, was man für unmöglich hält, möglich werden. Also, ich frage: Die Häuptlinge haben jeder den ersten Schuß. Ich aber habe den zweiten. Wenn der erste Schuß nicht fällt, wann darf ich schießen?«

»Genau eine Minute, nachdem der erste hätte fallen sollen!«

»Einverstanden. Wohin soll geschossen werden?«

»In das Herz, genau in das Herz.«

»Nach gar keiner anderen Körperstelle?«

»Nach keiner andern!«

»Wo findet der Kampf statt?«

»Auf der Scheide zwischen der Oberstadt und der Unterstadt. Der Platz wird abgesteckt.«

»Wann?«

»Eine Stunde, bevor die Sonne hinter dem Mount Winnetou verschwindet.«

»Wer sorgt dafür, daß diese Bedingungen eingehalten werden?«

»Zwei Personen auf jeder Seite. Die Häuptlinge haben hierzu den Agenten William Evening und den Bankier Antonius Paper gewählt. Old Shatterhand wähle ebenso zwei!«

»So nenne ich hierzu meinen Freund und Bruder Schahko Matto, den Häuptling der Osagen, und meinen Freund Wagare-Tey, den Häuptling der Schoschonen.

Sie werden zu meinen Seiten stehen und jeden Häuptling sofort erschießen, der sein Wort bricht, indem er nach einer anderen Stelle als nur auf mein Herz zielt. Ist Pida, der Bote meiner Feinde, einverstanden?«

»Ich bin es«, antwortete er. »Und Old Shatterhand?«

»Ich nehme den Kampf an, zu den Bedingungen, welche soeben besprochen wurden.«

»Um Gottes willen!« raunte mir das Herzle so laut zu, daß alle es hörten. »Ich gebe es nicht zu! Du bist verloren!«

Es war ein Glück, daß sie deutsch gesprochen hatte, so daß niemand es verstand.

»Hat Old Shatterhand mir noch etwas mitzuteilen?« erkundigte sich Pida.

»Nur daß ich mich mit meinem Gewehr pünktlich einstellen werde, weiter nichts. Pida, der Häuptling der Kiowa, hat seine Botschaft ausgerichtet. Er kann gehen!«

Er machte eine grüßende Handbewegung und drehte sich um, sich zu entfernen. Aber noch unter der Tür blieb er stehen, besann sich, kehrte um, kam schnellen Schrittes auf mich zu, ergriff meine beiden Hände und sagte, indem sein Gesicht ein ganz anderes wurde:

»Pida liebt Old Shatterhand. Er will nicht, daß Old Shatterhand sterbe, sondern daß er lebe, und daß er glücklich sei. Kann Old Shatterhand an diesem Kampf, der doch unbedingt zu seinem Tod führen muß, nichts ändern?«

»Ich könnte wohl, aber ich will nicht«, antwortete ich. »Pida ist mein Bruder, und ich bin der seine. Dieser Kampf wird nicht zu meinem Tode führen. Old Shatterhand weiß stets, was er sagt. Pida glaube auch jetzt an mich, wie er früher an mich glaubte! Kein Komantsche, kein Kiowa, kein Utah und kein Sioux wird mich töten! Nur noch kurze Zeit, so werden sie alle unsere Freunde sein. Ich bitte dich, das zu glauben!«

»Ich glaube es, und ich wünsche es«, versicherte er. »Old Shatterhand spricht in Geheimnissen; aber jedes Wort hat bei ihm seinen Grund und seine Absicht. Er sieht und hört, was andere weder sehend noch hören. Darum weiß er voraus, was andere nicht wissen können. Ich habe gesprochen. Ich gehe!«

Ich schüttelte ihm die Hände und küßte ihn auf die Stirn. Seine Augen strahlten. Er grüßte und schritt erhobenen Hauptes hinaus.

Es läßt sich wohl denken, daß ich nun mit Fragen überschüttet wurde. Es war mir unmöglich, so zu antworten, wie man wünschte. Wollte ich nicht den ganzen Erfolg auf das Spiel setzen, mußte ich über das, was ich vorhatte, schweigen. Darum wuchs Spannung der Anwesenden immer mehr und wurde, als sie sich dann entfernten, hinunter in die Stadt getragen und dort verbreitet. Meinem Herzle gegenüber durfte ich freilich nicht schweigen. Ich mußte sie beruhigen. Ich sagte ihr, daß ich im Besitz von vier kugelfesten Panzern sei, durch die kein Schuß zu dringen vermöge. Diese Panzer waren die Medizinen, die wir vom »Haus des Todes mitgebracht hatten. Keinem Indianer kann es jemals einfallen, seine eigene Medizin zu verletzten. Er gibt sich lieber den Tod, als daß dieses tut. Die Medizin des alten Kiktahan Schonka bestand seinem Gürtel und aus den Hundepfötchen, die ich damals auf Stufen gefunden hatte. Was die Medizinen der drei anderen Häuptlinge vorstellten, das konnte man nicht sehen, weil sie in lederne Medizinbeutel eingenäht waren. Ich knotete die an ihnen vorhandenen Riemen derart, daß die Medizinen, wenn ich sie mir um den Hals hing, grad auf das Herz zu liegen kamen. Das war die ganze Vorbereitung, die ich für den so gefährlich erscheinenden Zweikampf zu treffen hatte. Als das Herzle das hörte, war sie sofort beruhigt. Ja, sie begann sogar, sich auf dieses »Duell« zu freuen.

Nicht lange, so war die Aufregung zu sehen, die sich Lager verbreitete. Man steckte den Kampfplatz ab, und man war besorgt um Plätze für Hunderte von Zuschauern. Es herrschte sowohl in der Unter- als auch in der Oberstadt eine lebhafte Bewegung. Man suchte einander auf. Man sprach von nichts anderem als bevorstehenden Kampf auf Leben und Tod zwischen Old Shatterhand und den vier berühmten Häuptlingen. Man sagte, daß es von ersterem geradezu wahnsinnig sei, auf so blutrünstige Bedingungen einzugehen. Aber man hielt dem entgegen, daß er oft ganz anders denke und ganz andere Wege gehe als andere Menschen und daß man darum auch jetzt nicht voreilig urteilen dürfe, sondern einfach den Ausgang des Kampfes abzuwarten habe. Kurz, das Abenteuer war in aller Mund, und es verstand sich ganz von selbst, daß auch Tatellah-Satah davon hörte, obwohl ich es unterließ, ihn zu benachrichtigen. Es war nach dem Mittagessen; da suchte er mich auf. Ich war mit dem Herzle allein. Er setzte sich nicht. Er sagte, er beabsichtige, gleich wieder zu gehen. Er sah mir forschend in das Gesicht und fragte dann:

»Du wirst dich mit den Häuptlingen schießen?« »Nein«, antwortete ich.

Da ging ein frohes Lächeln über sein Gesicht, und er fuhr fort:

»Ich dachte es! Old Shatterhand ist kein Selbstmörder! Aber du wirst pünktlich erscheinen?«

»Ja.«

»So frage ich nicht, was du vorhast. Du bist dein eigener Herr und hast keinen anderen Menschen um Erlaubnis zu fragen. Aber ich komme auch!«

»Allein? Oder mit deinen Winnetous?«

»So, wie du es wünschest.«

»So komm allein! Man soll erfahren, daß wir nicht durch große Kriegerscharen, sondern durch uns selbst zu siegen wissen.«

»Liest du heute abend vor?«

»Ja. Es ist ein Tag wie jeder andere. Das Duell ist eine Faxe, ein Schwank, wenn auch mit sehr ernstem Hintergrund, weiter nichts.«

»Wünschen wir, daß dieser Schwank nicht anders ende, als du denkst!«

Er reichte uns beiden die Hand und ging. Einige Zeit darauf sahen wir ihn unten im Lager. Er nahm den abgesteckten Platz in Augenschein und schien Befehle zu erteilen. Die uns befreundeten Häuptlinge hatten sich ihm zugesellt. Hierauf machte ich mit meiner Frau einen Spaziergang, aber nicht nach der Lagerstadt, sondern nach dem Binnental und dem Schleierfall hinunter. Auch dort gab es ein reges Leben, wenn auch in anderer Weise und zu einem anderen Zwecke. Man schlug hohe Pfähle ein. Man zog zahlreiche Schnüre und Drähte. Wir sahen ganze Haufen Papierlaternen liegen. Es gab elektrische Kabel, Lichtbirnen, Tulpen, Kugeln und andere derartige Glasformen. Hier und da hantierte man mit photographischen Apparaten. Ein Ingenieur, aber auch Indianer, schien die Aufgabe zu haben, einen großen Projektionsapparat am Felsen der Teufelskanzel anzubringen. Das interessierte das Herzle im höchsten Grad. Sie photographiert so gern. Sie ist da stets bereit, zum Alten Neues hinzuzulernen. Ich aber habe viel weniger Interesse für die Abbildungen als für die Gegenstände selbst. Darum nehme ich in ihrer photographischen Hochachtung keineswegs eine hervorragende Stelle ein. Sie weiß, sie ist mir über. Das genügt ihr. Und es ist ihr eine höchst angenehme Beruhigung, zu wissen, daß ich niemals die Absicht habe, mich in ihre lichtbildnerischen Geheimnisse einzudrängen. Sie ist da sehr resolut. Sie tut, als sei ich gar nicht vorhanden. Sie gibt mir da sehr leicht und auch sehr gern Gelegenheit, mich auf mich selbst und auf meine anderen Vorzüge zurückzuziehen. So ließ sie mich auch jetzt ganz einfach stehen und eilte in großen Schritten zu dem Ingenieur hin, um ihn – in das Verhör zu nehmen, denn anders kann man das bei ihr nicht nennen. Was sie erfahren will, das bringt sie heraus, unbedingt heraus! Ich setzte mich inzwischen für mich nieder und beobachtete das rege Treiben rund umher.

Was hatte das für einen Zweck? Es war mir, wie schon gesagt, mitgeteilt worden, daß man den steinernen Winnetou beleuchten und illuminieren wolle, um die Zuschauer für das Denkmalprojekt zu gewinnen. Ich hatte da gesagt, daß das Denkmal viel eher in die Erde versinken werde, als daß ich dazu zu bringen sei, eine solche Entwürdigung meines Winnetou zuzugeben. Sollte das, was ich hier sah, etwa schon die Vorbereitung zu dieser Illumination sein? Aber die Figur war noch gar nicht fertig! Sie war erst bis zur Schulter gediehen. Hals und Kopf fehlten. Und sonderbar! Indem ich das dachte und mein Blick dabei an der Figur auf- und niederglitt, war es mir, als ob sie nicht mehr gerade stehe, sondern schief. Ich legte das Auge an verschiedene Stellen an und kam zu immer demselben Resultate. Man wird sich erinnern, daß ich die Figur am letzten Mal von der Straßenbiegung aus betrachtet hatte. Da war es mir erschienen, als ob alle Gerüstträger senkrecht gestanden hätten, nur einer von ihnen nicht. Ich ging jetzt zu dieser Stelle. Wahrhaftig, Gerüst und Figur hatten sich bewegt, hatten sich nach der einen Seite gesenkt, wenn auch nicht viel, aber doch so, daß ich es deutlich bemerkte. Es war kein Zweifel möglich. Der Pfosten, der erst schief gestanden hatte, stand jetzt gerade, und die anderen, welche gerade gestanden hatten, waren ganz zweifellos nach rechts geneigt.

Ich erschrak, als ich das sah. Ich dachte an die Risse und Sprünge, die ich da unten an der Höhlendecke bemerkt hatte, an das Streuen, Sieben und Niederbröckeln des Gesteins. War die Last der Figur für die ausgehöhlte Erdunterlage zu groß? Konnte diese Unterlage das so viele Zentner schwere Bild nicht tragen? Welch eine Katastrophe stand uns da allen bevor! Indem ich das dachte, kam das Herzle zurück. Sie hatte den Ingenieur ausgefragt. Es handelte sich einstweilen nur um eine Probebeleuchtung, die morgen abend vorgenommen werden sollte. Man hatte vor, alle Anwesenden hierzu zu laden.

»Und was sollte der riesenhafte Projektionsapparat?« fragte ich.

»Er enthält die Bilder von Young Surehand und Young Apanatschka, welche auf der Spiegelfläche des Wasserfalles zu beiden Seiten des Denkmales erscheinen sollen. Die Schöpfer der Winnetougestalt, rechts und links neben ihrem Werk!«

»Das dulde ich nicht!« rief ich aus.

»Was willst du dagegen machen?« fragte sie.

»Es verbieten! Das genügt!«

»Ja, allerdings! Selbst wenn man deinen Willen nicht respektieren wollte, würdest du ihm Nachdruck zu geben verstehen. Aber bedenke, es ist nur erst zur Probe! Ist es nicht ratsam, diese Probe ungestört vorüber zu lassen, um zu warten, bis sie zur wirklichen Ausführung kommen soll?«

»Ja, vielleicht ist das richtiger. Aber ich glaube, wir haben diese Sache nicht mehr in unseren Händen. Es hat sich eine Gewalt ihrer angenommen, der wir nicht gewachsen sind.«

»Wie meinst du das?«

»Schau genau hin, und sag: Steht die Figur gerade oder schief?«

Sie prüfte und antwortete dann:

»Sie steht gerade. Man wird sie doch wohl nicht schief aufstellen!«

»Absichtlich gewiß nicht. Aber sie steht dennoch schief. Du merkst das nicht, weil dein Auge nicht so geübt ist wie das meine und weil die Abweichung von der senkrechten Linie noch nicht so bedeutend ist, daß sie dir notwendigerweise auffallen müßte. Vergleiche einmal genau mit der Fallrichtung des Wassers, und sag mir – – —«

Da fiel sie mir in die Rede:

»Sie steht schief, ja sie steht schief! Herrgott! Welch ein Gedanke! Meinst du, daß sie versinkt?«

»Ob ja oder nein, das kann man jetzt noch nicht sagen. Man hat abzuwarten, ob und wie sehr die Abweichung steigt. Heut habe ich keine Zeit. Aber morgen werde ich hinunter in die Höhle steigen, um nachzusehen, ob die Decke noch bröckelt.«

»Ist das nicht lebensgefährlich?«

»Nein.«

»Aber du hältst es doch für möglich, daß alles zusammenbricht!«

»Nicht nur für möglich, sondern sogar für wahrscheinlich. Aber so schnell, daß der Zusammenbruch schon heute oder morgen erfolgt, geschieht das nicht. Da müßte die Senkung vorher eine bedeutend größere werden. Aber bitte, halte alles geheim!«

»Gegen jedermann?«

»Ja.«

»Auch gegen Tatellah-Satah?«

»Auch gegen ihn. Ich möchte diese Situation allein beherrschen. Es soll mir kein anderer dreinkommen und mich stören oder die Sache gar verderben!«

»Weißt du aber, was du da auf dich nimmst?«

»Ja. Es ist viel, sehr viel. Aber ich glaube, es verantworten zu können. Doch nun komm, Herzle! Wir müssen heim. Ich darf kein Minute zu spät zum Kampf erscheinen.«

»Leider bin ich da nicht ganz ohne alle Sorge!« seufzte sie.

»Das ist überflüssig, vollständig überflüssig. Du hast viel mehr Veranlassung, zu lächeln, als bange zu sein!«

Als wir droben auf dem Schloß angekommen waren, ließ Tatellah-Satah uns sagen, daß er uns abholen werde. Von den Häuptlingen kam ein Bote, der mir meldete, daß auch sie sich einstellen würden, um mich hinunter zu begleiten. Ich ließ sie aber bitten, dies nicht zu tun, die Sache sei einer solchen Mühe gar nicht wert. Ich war verpflichtet, bei dieser Gelegenheit den Häuptlingsanzug zu tragen und lud den Henrystutzen, obgleich ich annahm, daß es wahrlich zu keinem einzigen Schuß kommen werde. Die vier Medizinen durfte ich nicht tragen. Das Herzle nahm sie in ihren Reisepompadour. Sie wollte, an meiner Seite sitzend, in dieser Weise an dem Zweikampf teilnehmen. Ich hatte nichts dagegen. Als die Zeit da war und wir in den Hof kamen, wo Intschu-inta unsere Pferde bereit hielt fanden wir den »jungen Adler« und unseren alten Pappermann vor, die es sich nicht nehmen ließen, mich nach dem Platz meines hoffentlichen Sieges zu begleiten. Zu gleicher Zeit erschien Tatellah-Satah auf seinem weißen Maultiere, ganz allein. Da setzten wir uns in Bewegung. Der »Bewahrer der großen Medizin«, das Herzle und ich voran, der »junge Adler« und Pappermann hintendrein.

Wir sahen schon von oben, daß alles, was in der Ober- und der Unterstadt bisher zerstreut gewesen war, sich jetzt um den Kampfplatz eng zusammengezogen hatte. Es war eine Versammlung vieler, vieler Menschen, doch gab es keine Spur jener bekannten Unzuträglichkeiten, die bei Zusammenhäufungen sogenannter »zivilisierter« Mengen unvermeidlich zu sein scheinen. Jedermann war schon da. Kein einziger, der hatte kommen wollen, fehlte. Wir waren die letzten, die allerletzten.

Meine vier Gegner saßen bereit. Als wir in den Kreis traten, standen sie auf – Nur Tangua blieb sitzen, denn er konnte nicht stehen. Tatellah-Satah hatte seinen Sitz so bestellt, daß er dann grad hinter mir saß und die vier Häuptlinge scharf im Auge hatte. Es wurde mir gesagt, daß der erste Vorsitzende des Komitees eine Rede halten werde. Hierauf werde jeder der vier Häuptlinge auch eine Rede halten. Zuletzt habe meine Rede zu kommen, worauf dann der Kampf beginnen könne. Da trat ich vor und äußerte mich so laut, daß jedermann, der im Kreis saß, es hören konnte:

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
30 августа 2016
Объем:
610 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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