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Читать книгу: «Im Lande des Mahdi III», страница 30

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Beute! Welch ein angenehmes Wort für alle, welche das Recht besaßen, an ihr teilzunehmen, doppelt angenehm, weil nicht der Reis Effendina, sondern ich es war, der für alle Fälle den entscheidenden Spruch zu fällen hatte! Dieses Wort brachte einen solchen Jubel und eine so fieberhafte Beweglichkeit hervor, daß ich Mühe hatte, die nötige Ruhe und Ordnung herzustellen. Man hatte sich zwar schon während der Nacht damit beschäftigt, die eigentliche Arbeit aber konnte erst jetzt beginnen.

Ich bestimmte, daß nicht nur diejenigen, welche unsern nächtlichen Zug mitgemacht hatten, sondern alle, die zum Schiffe gehörten, Anteil an der Beute haben sollten. Das waren also unsere ursprünglichen Asaker, dann die in Faschodah engagierten Takaleh, ferner die Soldaten von der Seribah Aliab und endlich die El Homr. Was außer den Genannten für Mannschaften auf dem Schiffe gewesen waren, die hatten es in Faschodah verlassen. Außerdem gab es noch einzelne Personen, welche natürlich auch nicht übergangen werden durften, nämlich Abu en Nil, Ben Nil und der lange Selim, welcher als der »größte Held des Weltalls« am meisten haben wollte, obgleich er keinen Finger zum Gelingen unsers Streiches in Bewegung gesetzt hatte und mir überhaupt, seit ich ihn kannte, mehr hinderlich als förderlich gewesen war; hatte ich doch die meisten Verlegenheiten, in welche wir geraten waren, nur ihm zu verdanken gehabt.

Zu meiner besondern Freude hatte ich von einigen der befreiten Gefangenen erfahren, daß zur Michbaja einige Dutzend Reit- und Lastkamele gehörten, welche in einer am Rande des Waldes gelegenen Einzäunung gehalten wurden. Diese bestimmte ich für die El Homr und die Takaleh, weiche dadurch, meinem den ersteren gegebenen Versprechen gemäß, eine vortreffliche Transportgelegenheit nach ihrer Heimat fanden. Natürlich sorgte ich auch dafür, daß diese Leute hinreichend mit Anzügen, Waffen und Munition versehen wurden; es war genug davon vorhanden.

Die Teilung unter die vielen, leicht erregbaren Menschen ging natürlich nicht ohne Scenen ab, bei denen sogar die Fäuste zu Hilfe genommen wurden; ich sah mich gezwungen, dieses Beweismittel auch in Anwendung zu bringen, und wenn ein kräftiges Wort von mir den beabsichtigten Eindruck nicht hervorbringen wollte, so half ich mit einem tüchtigen Hiebe nach, welcher seine Wirkung nie verfehlte.

Die drei Offiziere kamen selbstverständlich zuerst daran. Sie erhielten »unter acht Augen« von der persönlichen Habe Jumruks so viel, daß sie sich gern zufrieden erklärten. Auch Abu en Nil, Ben Nil und Selim wurden ohne Zeugen von mir abgefertigt; ich betrachtete sie als zu mir gehörig und gönnte ihnen darum einen Vorzug vor den Soldaten, von dem diese nichts zu wissen brauchten. Auch Jumruk hatte, grad wie die Omm Karn-Leute, aber viel mehr als diese, Thibr171 besessen, dessen größter Teil den Offizieren zugefallen war; den Rest verteilte ich unter die drei Genannten. Selim erhielt davon im Werte von einigen Tausend Piastern; dennoch rief er unzufrieden aus:

»Warum bekomme ich nicht mehr, Effendi? Hast du vergessen, was ich alles geleistet habe? Ist es nicht mir und meiner Tapferkeit allein zuzuschreiben, daß wir Thaten ausgeführt haben, über welche die ganze Menschheit, sobald sie davon hört, in Bewunderung ausbrechen wird? Ich will euch jetzt einmal aufzählen, was ihr mir zu verdanken habt. Ich fange da bei dem Gespenste in Kairo an, dem ich – – —«

»Mit welchem du gleich wieder aufhören kannst!« unterbrach ich ihn, »denn so dumm, wie du dich dabei verhalten hast, bist du auch später stets gewesen. Du hast uns nichts als nur Unheil gebracht, und wenn ich dir diesen Thibr gab, so hast du ihn nur aus Mitleid, nicht aber als Belohnung eines Verdienstes erhalten!«

Er wollte widersprechen, erhielt aber den scharfen Befehl zu schweigen.

Die Unteroffiziere wurden mit dem fünffachen Anteile bedacht, der auf einen Askari entfiel, und doch erklärten am Schlusse der Verteilung alle Asaker, daß sie noch nie, so lange sie auch dienten, so reich wie heut bedacht worden seien. Und die Sklaven? Nun, es versteht sich ganz von selbst, daß ich auch für diese armen Teufel so viel wie möglich sorgte. Die Soldaten waren zwar damit nicht einverstanden, mußten sich aber fügen. Und derjenige, welcher, wenn er hier gewesen wäre, wenigstens den dritten Teil der Beute für sich bestimmt hätte, nämlich der Reis Effendina? Den erwähnte ich gar nicht, und seine Untergebenen hüteten sich sehr wohl, ihn in Erinnerung zu bringen. Er hatte meiner Ansicht nach nichts zu fordern, und wenn er, sobald ich fort war, Ansprüche erheben wollte, so konnte mir das gleichgültig sein; ich war mit ihm fertig.

Als jeder das Seinige erhalten hatte, schwieg jeder Zwist, und Jubel herrschte überall. Man lobte und pries mich in allen Tonarten; leider aber war ich gezwungen, der Freude einen Dämpfer aufzusetzen, indem ich erklärte, daß die Stunde des Scheidens gekommen sei. Niemand wollte daran glauben, und ich hatte einige lange Reden zu halten, um diesen guten Leuten erklärlich zu machen, daß es mir nicht einfallen könne, an Bord des »Falken« wieder mit dem Reis Effendina zusammenzutreffen. Ich fürchtete mich zwar vor seiner Rache nicht, doch war nach dem heutigen Erfolge ein Zusammenleben mit diesem neidischen Offiziere für mich eine Unmöglichkeit.

Ich hatte die Schachtura Jumruks für mich zur Fahrt nach Chartum bestimmt und ging mit den Personen, welche mich begleiten sollten, nach dem Flusse, um sie in stand zu setzen; das waren Ssali Ben Aqil, Abu en Nil, Ben Nil, Hafid Sichar und Selim, der Held aller Helden. Als wir dort mit dem Schnellsegler beschäftigt waren, kam einer zu mir, der auch mit vom »Falken« ausgestiegen war, um die Michbaja zu sehen, an der Beute aber natürlich keinen Anteil genommen hatte, nämlich Murad Nassyr, der Türke. Er hatte uns bis Wagunda und dann zurück begleitet, war erst von dem Reis Effendina mit offenem Mißtrauen behandelt worden und hatte es dann fertig gebracht, ihm nach und nach eine vorteilhaftere Meinung einzuflößen. Sonderbarerweise war der Reis Effendina grad um so freundlicher mit ihm gewesen, je mehr er sich von mir zurückgezogen hatte. Dies und noch andere Beobachtungen gaben mir allen Grund, anzunehmen, daß mir die Sympathie des Reis nicht nur infolge seiner Eifersucht, sondern auch durch heimliches Wühlen von seiten Murad Nassyrs verloren gegangen sei. Der Türke hatte seit langer Zeit nur das Allernotwendigste mit mir gesprochen. Jedenfalls hegte er ein tiefes Rachegefühl gegen mich, denn nach seiner Ansicht war allein ich es, der ihm seine schönen Pläne zu schanden gemacht hatte, so daß er nun mit Kumra, der lieblichen Turteltaube, unverrichteter Sache heimkehren mußte.

Jetzt kam er zu mir und bat mich, ihn und seine Frauen mit auf die Schachtura zu nehmen.

»Wie kommst du zu dieser Bitte?« fragte ich ihn. »Der Reis Effendina würde ganz unglücklich darüber sein, daß du ihn verlassen hast.«

»Glaube das nicht, Effendi! Du bist mir lieber, viel lieber als er!«

»Seit wann?«

»Seit stets!«

»Lüge nicht! Ich kenne dich und weiß genau, was ich dir zu verdanken habe. Ich errate auch deine jetzigen Gründe, ohne daß du sie mir zu sagen brauchst.«

»Ich habe keinen andern Grund als die Freundschaft, welche ich für dich empfinde, Effendi.«

»Das machst du mir nicht weis. Ich will dir sagen, warum du wünschest, mit mir zu fahren. Erstens hat dich Kumra, deine Schwester, darum gebeten; sie würde sich bei mir sicherer und wohler fühlen, als auf dem »Falken«, wo die vielen Asaker sie zu einem förmlichen Gefängnisleben zwingen. Der Hauptgrund aber liegt in deiner jetzigen Angst vor dem Reis Effendina.«

»Angst? Er ist doch stets so freundlich mit mir gewesen. Warum sollte ich mich grad jetzt vor ihm fürchten? Ich habe ihm ja nichts gethan!«

»Du nicht, aber ich! Doch daran trägst auch du die Schuld, wie du wohl wissen wirst. Wenn er an der Insel Talak chadra wieder an Bord kommt, wird er sich in einer so grimmigen Stimmung befinden, daß es für jedermann geraten ist, ihm aus dem Wege zu gehen. Das ist es, was dich zu dem Wunsche treibt, mit mir fahren zu dürfen.«

»Nein! Nur aus reiner Freundschaft möchte ich gern bei dir bleiben!«

»Wirklich? Ist diese Freundschaft so groß, daß sie auch Gefahren mit mir teilen würde?«

»Ja.«

»Gut, so sei dir dein Wunsch erfüllt. Hole deine Frauen! In höchstens einer Stunde segeln wir ab.«

Ich lächelte ihm bei diesen Worten ironisch ins Gesicht. Er wurde verlegen, drückte und drückte und fragte dann:

»Welche Gefahren sind es, die du meinst?«

»Keine gewöhnlichen, denn wir werden hart am Rande des Todes vorübersegeln. Der Heilige auf der Insel Aba will mich fangen, und dieses Boot gehört der »Faust des Heiligen«; er kennt es also und wird mich nicht vorüberlassen wollen. In dieser ganzen Gegend ist der Nil mit Wächtern besetzt, welche auf uns aufzupassen haben. Das ergiebt für uns Gefahren, die der große, wohlbemannte »Falke« nicht zu beachten braucht, denen aber so ein kleines Boot, wie diese Schachtura ist, wohl kaum entgehen kann. Deine Freundschaft zu mir wird sich freilich gar nicht daran kehren!«

»Nein, ganz gewiß nicht, Effendi! Ich bin gern bereit, alles mit dir zu wagen, und bitte dich nur um die Erlaubnis, mit Kumra, meiner Schwester, vorher darüber sprechen zu dürfen!«

Er eilte fort und soll heut noch wiederkommen! Oh Murad Nassyr, Bruder zweier Schwestern, von denen eine mich beglücken sollte, wie thut mir dies dein schnelles Scheiden wehe!

Schon in einer Stunde abzufahren, war nur Redensart gewesen; so rasch konnte ich nicht fort, denn ich wollte die Michbaja nicht eher verlassen, als bis ich die El Homr und die Takaleh vor dem Reis Effendina in Sicherheit wußte. Sie mußten mit den Kamelen an das jenseitige Ufer, wozu der »Falke« zu unbequem war, weil das Ein- und Ausschiffen der Tiere beschwerlich gewesen wäre. Es wurden dazu mehrere große Flöße gebaut, welche bei den vielen Händen, die es dazu gab, sehr schnell zusammengesetzt waren. Die Kamele wurden darauf geschafft, auch die, welche sich auf dem Schiffe befunden hatten, und dann ging‘s an ein Abschiednehmen, welches nicht wenig Zeit in Anspruch nahm. Ich kürzte den meiner Person davon gewidmeten Teil dadurch ab, daß ich vor der Flut von Danksagungen die Flucht ergriff und erst dann an das Ufer zurückkehrte, als die Flöße schon weit von der Michbaja in der Mitte des Stromes schwammen. Am jenseitigen Ufer angelangt, brauchten die durch ihre Freiheit und die reiche Beute beglückten Leute nur grad nach Westen zu reiten, um auf den Karawanenweg von Abu Habble zu kommen.

Nun hinderte mich nichts mehr, die Halbinsel auch zu verlassen. Ich versammelte die Offiziere und Asaker, um zum letztenmale zu ihnen zu sprechen und ihnen meine letzten Weisungen zu geben. Sie hatten die gefangenen Händler und die befreiten Sklaven an Bord zu nehmen und die kurze Strecke bis zur Insel Talak chadra zu fahren, wo sie auf den Reis Effendina warten mußten. Was dieser dann thun und wann und wie er nach Chartum kommen würde, das war mir zwar nicht gleichgültig, konnte es mir aber sein.

Den Abschied übergehe ich. Er wurde beiderseits nicht leicht, denn wir waren, sozusagen, während der langen Fahrt und den vielen, gemeinsam bestandenen Gefahren zusammengewachsen.

»Mit dir, Effendi, geht unsere Freude am Leben fort,« sagte ein alter Onbaschi172, der sich stets mir sehr ergeben gezeigt hatte. »Ohne dich giebt‘s keine Lust an diesen Fahrten. Wenn wir nach Chartum kommen, schnalle ich den Säbel von der Seite. Allah sei mit dir so oft und lange, wie wir an dich denken werden!«

Er fuhr sich mit beiden Händen über die Augen und machte sich auf die Seite. Es gab unter allen diesen Leuten nur Einen, der mir nicht die Hand drücken wollte; das war Aziz, der »Liebling« des Reis Effendina, der so oft auf Befehl seines Herrn die unerbittliche Peitsche geschwungen hatte. Als ich ihm meine Hand zum Abschiede hinhielt, trat er einen Schritt zurück, sah mir finster in das Gesicht und sagte:

»Erwarte von mir keinen Händedruck! Ich liebe meinen Herrn und bin ihm treu; du hast ihn beleidigt und gekränkt; ich mag von dir nichts wissen!«

»Ich freue mich über diese deine Treue, welche dir aber kein Recht giebt, mich zu hassen,« antwortete ich. »Fühlt sich dein Herr beleidigt, so trägt nur er die Schuld, nicht ich. Bringe ihm meinen letzten Gruß, und sage ihm, daß ich nicht als sein Feind von ihm geschieden bin!«

Wir wurden nach dem Ufer geleitet, stiegen ein und stießen ab. Es war uns allen, und zumal mir, wehe um das Herz. Mein Abschied vom »Falken« hätte ein ganz anderer sein sollen und auch sein können. Ich hatte den Reis Effendina aufrichtig lieb gehabt.

Wir saßen lange, lange schweigend im Boote; die notwendigen Handgriffe wurden stumm gethan. Da hinter uns im Süden war ein kurzer aber ereignisreicher Teil unsres Lebens zurückgeblieben! Wir ruderten uns an der Mangarah vorüber und legten dann am Ufer an, um nicht am Tage die Insel Aba zu passieren. Wie gern hätte ich auf ihr gelandet, des groß und heilig gewordenen Fakir el Fukara wegen; aber dies hätte geheißen, uns einer bloßen Neugierde wegen ganz nutzlos in Gefahr zu begeben, und so ließen wir uns dann, als es Abend geworden war, beim Scheine der Sterne an ihr vorbeitreiben und zogen, als der Mond aufging und der Wind aus Süden wehte, die beiden Segel auf, um die Schnelligkeit der Schachtura zu erproben.

Wir konnten mit ihr zufrieden sein, denn wir überzeugten uns, daß der Reis Effendina, selbst wenn es ihm möglich wäre, heut noch an Bord des »Falken« zu kommen, uns doch bis Chartum nicht einholen würde. Von unserer Thalfahrt ist nichts Wichtiges zu sagen; sie machte die erste Hälfte meiner zum Reis gesprochenen Worte wahr: »Ich werde eher in Chartum und auch eher in Kairo sein als du!«

Es war am frühen Vormittage, als wir uns zwischen den vielen Barken hindurchwanden und an das Ufer legten. Ich eilte sogleich nach der nahen, offenstehenden Missionskirche, um dem Ehre zu geben, dem die Ehre für die Rettung aus so vielen Gefahren gebührte. Ssali – ich sage es mit Freuden – begleitete mich und kniete an meiner Seite nieder. Als wir das Gotteshaus verlassen hatten, sagte er:

»In dieser Viertelstunde habe ich auch äußerlich mit dem Islam abgeschlossen, Effendi. In der Heimat angekommen, werde ich eine christliche Medrese173 besuchen, um ein Prediger der Lehre von der Liebe zu werden, wie ich ein Lehrer der Irrtümer Muhammeds gewesen bin.«

Es sei mir eine Beschreibung dieser außerordentlich interessanten Stadt hier an dieser Stelle erlassen; ein späterer Band wird das Versäumte reichlich nachholen; der mir für dieses Mal gewährte Raum würde nicht reichen. Das Wichtigste, was wir zu thun hatten, war, Barjad el Amin aufzusuchen, welcher im Vereine mit Ibn Asl Hafid Sichar seines Goldes beraubt und ihn in die Sklaverei verkauft hatte. Sein Haus stand in der Nähe des Hokumdaria. Wir fanden es bewohnt, aber nicht mehr von dem Gesuchten. Auf unsere Erkundigungen erfuhren wir, daß er von Allah schwer heimgesucht worden sei; el Hawa, die Cholera, hatte seine ganze Familie vernichtet; nur er allein war übrig geblieben; die Trauer und der Tiefsinn hatten ihn ergriffen; die Einsamkeit aufsuchend, war er seltener und immer seltener gesehen worden und endlich ganz verschwunden. Man glaubte, daß er seinem Leben ein Ende gemacht habe. Wohin sein Vermögen gekommen sei, das wußte niemand zu sagen.

Hafid Sichar machte eine Bewegung mit den Händen, als ob er etwas von sich werfe, und sagte heitren Tones:

»Weg mit dem Golde! Allah hat nicht gewollt, daß ich es zurückerhalte; ich habe meine Freiheit wieder; die ist mehr wert als alle Schätze der Erde. Er sei hochgepriesen dafür, daß ich nach so langer Arbeit im Innern der Erde das Licht der Sonne genießen darf!«

Seine heitere Zufriedenheit rührte mich. Ich gab mir den Anschein, als ob ich grad so dächte, wie er, sann aber im stillen eifrig hin und her, wo dieser Barjad el Amin wohl zu suchen sei. Das Geld hatte nicht mir gehört; aber eine Summe von i 50 000 Piastern samt Zinsen und Zinseszinsen hätte ich nicht so leicht aufgegeben. Wo war das Vermögen des Verschwundenen hin? Er war weder bestohlen worden, noch hatte man jemals von einem Iflas174 etwas gehört. Er mußte es mitgenommen haben, denn es gab in ganz Chartum keinen Geschäftsmann, bei dem es deponiert worden war.

Unter diesen vergeblichen Nachforschungen meinerseits verging eine ganze Woche. Da wollten meine Begleiter, die sich nach ihrer Heimat sehnten, nicht länger bleiben, und so beschlossen wir, abzureisen.

Es fiel uns gar nicht ein, den Weg durch die Bajudasteppe zu nehmen. Wir hatten unsere Schachtura, welche kein Mensch uns bisher streitig gemacht hatte, und wollten auf ihr den Nil hinab. Was mich außerordentlich wunderte, war, daß der Reis Effendina sich noch nicht hatte sehen lassen. Er hätte nach meiner Berechnung höchstens zwei Tage nach unserer Ankunft auch eintreffen können. Ich war oft an den Fluß gegangen, um nach dem »Falken« zu sehen, hatte ihn aber nicht erblickt.

Da, nur einen Tag vor unserer Abfahrt, hatte ich wegen der Verproviantierung unsers Bootes im Getreidemagazin zu thun gehabt und ging, aus demselben heraustretend, an der danebenliegenden Saraya175 vorüber, einem der wenigen aus Ziegel gebauten Häuser der Stadt, die meist nur aus Lehmwohnungen bestand, als jemand so eiligen Schrittes aus dem Thore kam, daß er mit mir zusammenstieß; es war – – – der Reis Effendina!

Er trat zurück, um sich zu entschuldigen; da sah er, daß ich es war, und fuhr sofort mit der Hand nach dem Säbel. Wir standen uns einige Augenblicke hoch aufgerichtet und Blick in Blick getaucht, einander gegenüber; da zog er die Hand zurück, machte eine verachtungsvolle Armbewegung, spuckte aus und sagte:

»Du bist für mich Hawa, ganz el Hawa er raik176

Das klang so unendlich geringschätzig, daß es mir sehr schwer wurde, ihm nur mit einem ruhigen Lächeln zu antworten. Er gab damit, daß ich für ihn gar nicht vorhanden sein sollte, seine vollste Niederlage zu. Hätte er nur die geringste Hoffnung des Gelingens gehabt, so wäre ich von ihm sicher zur Rechenschaft gezogen worden. Er spuckte noch einmal aus, drehte sich um und ging stolzen Schrittes von dannen. Mir war sein Verhalten sehr erklärlich; selbst der Umstand befremdete mich nicht, daß jemand vor einem Menschen ausspucken kann, der für ihn gar nicht vorhanden ist.

Ich schaute nun nach dem »Falken« aus, konnte ihn aber nicht zu Gesicht bekommen. Erst am andern Morgen erfuhr ich kurz vor unserer Abfahrt, daß das Schiff des Reis Effendina schon seit zwei Tagen jenseits des Ras177, Omm Dermann gegenüber, am sogenannten Schedrah Mahobe vor Anker liege und daß der Reis keinem seiner Leute erlaubt habe, von Bord zu gehen; da seien sie alle, nur die drei Offiziere ausgenommen, während der letzten Nacht mit Sack und Pack desertiert. Leider kam mir keiner der Asaker zu Gesicht, und ein Wiedersehen mit dem treuen Freunde Murad Nassyr und seiner Turteltaube konnte ich auch nicht feiern; wir mußten fort. Des Zusammenhanges wegen will ich gleich hier bemerken, daß ich den Reis Effendina einigemale wiedergesehen habe. Er heißt jetzt nicht mehr Achmed el Insaf, sondern trägt einen andern Namen; er ist längst nicht mehr Reis Effendina, sondern ein sehr hoher, oft genannter Beamter geworden, was mich aber nicht im geringsten genieren kann. Er hat mich auch gesehen, doch schien ich Luft für ihn geblieben zu sein, wenn er dies in Kairo auch nicht grad so wie damals in Chartum durch eine derartig rapide Entäußerung jener Feuchtigkeit bekräftigte, welche ganz unentbehrlich für die Verdauung ist. Da meine Werke, allerdings in einer von mir nicht erlaubten Uebersetzung in französischer Sprache, auch in Kairo gelesen werden, so ist es sehr leicht möglich, daß ihm, der jetzt gut französisch liest, der vorliegende Band vor die Augen kommt. Falls er da dies Buch nicht auch als einen Teil der Atmosphäre betrachtet, sondern die Gnade hat, einen Blick hineinzuwerfen, so mag er hier die höfliche Bemerkung finden, daß ihn die deutsche Luft schön grüßen läßt!

Doch weiter!

Nach einer langen und glücklichen Fahrt legte unsere Schachtura am Ufer von Maabdah an. Wir fragten nach Ben Wasak, dem Führer. Er wohne noch da, wurde uns gesagt, mache aber den Führer nicht mehr, denn er sei sehr reich geworden. Er wäre daher längst nach Kairo gezogen, wenn er nicht auf die Rückkehr eines deutschen Effendi warten müsse, den er nach Chartum gesandt habe, nach seinem verschollenen Bruder zu forschen.

Reich, dachte ich, werde er durch den verbotenen Mumienschmuggel geworden sein. Sollte das ein ägyptischer Beamter lesen und nun schleunigst nach Maabdah gehen, um Ben Wasak zu arretieren, so gestatte ich mir, ihm mitzuteilen, daß er ihn nicht fangen wird, denn er wohnt schon längst nicht mehr dort, und ich bin, da ich mit den altägyptischen Mumien weder aufwärts noch abwärts in Verwandtschaft stehe, aus reiner Gleichgültigkeit leider so gewissenlos gewesen, ihm einen andern Namen zu geben. Uebrigens wird sofort der Nachweis geliefert werden, daß ich mich mit meiner obigen Annahme im Irrtum befunden habe. Also bitte, lassen wir Ben Wasak laufen.

Die Vorsicht verbot, ihn gleich mit seinem Bruder zusammenzuführen; ich ging also zunächst allein zu ihm, um ihn vorzubereiten. Er kannte mich gleich wieder und wäre mir vor Freude beinahe um den Hals gefallen. Ich sollte zunächst festlich bewirtet werden und dann erzählen; das erstere lehnte ich ab; auf das letztere ging ich ein. Ehe ich aber meinen Bericht begann, sagte ich ihm, was ich soeben über ihn gehört hatte.

»Ja, ich bin jetzt reich, sehr reich, Effendi,« bestätigte er. »Und weißt du durch wen? Wie wirst du dich wundern, wenn du es erfährst!«

»Nun, wer ist der Mann?«

»Barjad el Amin.«

»Maschallah! Der – – der ist es?«

»Ja. Ich brenne darauf, zu erfahren, was du über meinen Bruder auskundschaftet hast. Darum will ich dir nur kurz sagen, daß er von Barjad el Amin dem berüchtigten Ihn Asl übergeben worden ist. Sie haben ihm mein Geld abgenommen und damit einen Sklavenhandel eingerichtet, der ihnen große, große Summen eingetragen hat. Dafür aber hat Allahs strafende Hand Barjad el Amin getroffen, denn sein Weib und alle seine Kinder sind von der Cholera hinweggerafft worden. Der Schmerz darüber ist ihm so tief in das Gewissen gestiegen, daß er den Entschluß gefaßt hat, sein Verbrechen zu sühnen. Er hat sein Vermögen und auch alles, was er von Ibn Asl zur Verwaltung noch in den Händen hatte, flüssig gemacht und mir hierhergebracht. Wir saßen unten am Flusse, als er mir alles erzählte und dann das viele Geld übergab. Dann ging er fort; ich konnte ihn nicht halten. Am andern Tage lag er tot im Wasser; er hatte sich ertränkt. Allah sei seiner Seele gnädig! Hätte er doch lieber das Geld behalten und mir dafür sagen können, wo mein Bruder hingeschafft worden ist!«

»Konnte er das nicht?«

»Nein. Ihn Asl hat ihm den Ort nie aufrichtig mitgeteilt.«

»Das darf dich nicht betrüben, denn ich habe nachgeforscht und ihn gefunden.«

»Den Ort oder meinen Bruder?«

»Beide!«

Da sprang er auf und stürmte so mit Fragen und Bitten auf mich ein, daß es kein Hinausziehen mehr gab. Ich mußte sagen, wo Hafid Sichar auf ihn wartete; dann rannte er zum Hause hinaus; ich aber blieb ruhig sitzen, denn geteilte Freude ist oft nur halbe Freude.

Wir verlebten in Maabdah zwei wunderschöne, glückliche Tage. Als wir von den Brüdern Abschied nahmen, hatte ich ein ganzes Paket mit ägyptischen Altertümern in den Händen. Abu en Nil, Ben Nil und Selim bekamen die Summe, welche Ben Wasak mir damals auf Chartum angewiesen hatte, zur Verteilung unter sich, und auch Ssali Ben Aqil wurde wie ein lieber Freund beschenkt.

Wenn Abu en Nil mit seinem Enkel direkt nach Gubatar zu ihren Verwandten wollten, mußten sie sich schon nach kurzer Fahrt von uns trennen; sie entschlossen sich aber, mit nach Kairo zu gehen, wo wir, meinen Worten gemäß, auch eher als der Reis Effendina ankamen. Dort trennte sich Selim zuerst von uns. Er errichtete von dem erhaltenen Gelde ein Dikkahn178 mit Fingernägel-, Ohren- und Nasenreinigung. Da konnte er seinen Kunden die hunderttausend Abenteuer erzählen, welche er ganz allein bestanden hatte, während wir dabei die Zuschauer gewesen waren. So lange ich in Kairo blieb, bin ich sein erster und einziger Kunde gewesen; das heißt, ich habe mich bei ihm selbst rasiert. Zuhörer hatte er genug; niemand aber hatte den Heroismus, sich der Gefahr auszusetzen, unter seinem tapfern Messer zu verbluten.

Dann verkaufte ich die Schachtura. Den dafür erzielten Preis gab ich Ssali, der von allen Barmitteln entblößt war. Nach einem zweiwöchentlichen Aufenthalte nahmen Ben Nil und sein Großvater von mir Abschied. Was soll ich darüber sagen! Gefühle sind ja nicht auf das Papier zu bringen. Wenn Freunde auseinander gehn, so sagen sie: Auf Wiedersehn! Und ich habe sie wiedergesehen, beide, Abu en Nil kurz vor seinem Tode – er gab mir seinen Segen mit – und Ben Nil auf seinem Elemente, dem Wasser. Unter denjenigen meiner freundlichen Leser, welche das Land der Pharaonen besuchen und hinauf nach Oberägypten wollen, giebt es wohl dann und wann einen, der nicht zu jagen und zu hetzen braucht und Zeit genug besitzt, auf Eisenbahn und Dampfer zu verzichten und die Reise in aller Muße per Segelschiff zu machen. Wenn dieser sich in Bulaq, dem Hafen von Kairo, nach der Dahabijeh »Baraka el Fadl179 « erkundigt, so wird man ihm ein außerordentlich schmuckes und sauberes Fahrzeug zeigen, dessen Reis besonders gern und billig deutsche Passagiere nimmt. Und sagt der Reisende, daß er Kara Ben Nemsis Bücher gelesen habe, so erfährt er von dem Reis, daß er sich Ben Nil nenne und seinem Schiffe den Namen »Baraka el Fadl« gegeben habe, weil er die Mittel, es zu erwerben, der Güte seiner Freunde verdanke. Er ist ein sehr guter Erzähler, und die Fahrt bis zum ersten Schellal180 hinauf wird dem Zuhörer sicher wie im Fluge vergehen, obgleich die Dahabijeh kein schneller Dampfer ist,

Und Ssali Ben Aqil? Ich ging mit ihm von Alexandrien nach Jerusalem, um ihm die Heiligtümer des Christentums zu zeigen. Dann schieden wir, er, um über Damaskus nach seiner Heimat, und ich, um über Konstantinopel und durch die Donauländer in die meinige zu gehen. Von da an haben wir einen ununterbrochenen Briefwechsel gepflegt und uns sogar zuweilen wiedergesehen. Und fragt man mich, ob er sein Wort gehalten habe und ein Prediger der Liebe geworden sei, so antworte ich: »Ja, er hat es gehalten, voll und ganz gehalten; aber das ist ihm schwer, sehr schwer geworden, denn es hat lange Kämpfe mit seinen Verwandten und dem ganzen Stamme gekostet. Ich habe dabei an seiner Seite gestanden und nicht nur mit dem Munde für ihn gekämpft, sondern auch mit den Waffen für ihn einstehen müssen. Es ist das eine der interessantesten Perioden meines vielbewegten Wanderlebens; sie zeigt so recht die Wahrheit des Pauluswortes: »Wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete und hätte die Liebe nicht, so wäre ich nichts als ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle.« Ich werde von ihr in meinem Buche »Marah Durimeh« erzählen. – – —

Nachwort Obgleich ich schon früher einmal erklärt habe, daß ich kein Verteidiger des Epiloges bin, sehe ich mich hier doch zu einigen Bemerkungen veranlaßt, welche ich unmöglich im Texte des Buches bringen konnte; sie betreffen den brieflichen Verkehr mit mir.

»Hochgeehrter Herr Doktor! Geehrter Kara Ben Nemsi! Lieber Old Shatterhand! Ich bin ein eifriger Bewunderer von Ihnen und schreibe Ihnen, weil, wer ein Buch von Ihnen gelesen hat, gar nicht anders kann, er muß sich hinsetzen und Ihnen schreiben etc. etc. etc. etc.« So oder so ähnlich beginnen die meisten Briefe, welche ich empfange. Es gewährt mir eine beglückende Genugthuung, solche Zuschriften zu erhalten, und wenn mir, wie so oft, ein Leser schreibt, daß er durch meine Bücher ein braver Mensch geworden und auf den Weg des Guten und der Pflicht zurückgeführt worden sei, so freue ich mich darüber, aufrichtig gestanden, mehr als über das Honorar, welches mir diese Werke einbringen. Aber diese Korrespondenz hat auch ihre oft recht unangenehmen Schattenseiten.

Die eingehenden derartigen Briefe zählen nicht nach Hunderten, sondern nach Tausenden; dennoch bin ich gern bereit, jeden einzeln zu beantworten und die dadurch hervorgerufenen Zeitverluste nicht zu rechnen, obgleich die Summe derselben im Lauf des Jahres eine so bedeutende ist, daß sie die Arbeitszeit von Monaten in sich schließt; aber ich bitte, mich nicht zu drängen, wenn die Antwort nicht umgehend erfolgt. Weil man nur Briefe von meiner Hand haben will, muß ich diesen Briefwechsel selbst bewältigen, und da ich als Reiseschriftsteller nicht stets zu Hause bin und ich die Beantwortung von Zuschriften doch unmöglich zu meiner Hauptarbeit machen kann, kommt es vor, daß sich ganze hohe Stöße von Briefen anhäufen, die ich nur nach und nach, und ganz in der Reihenfolge, wie sie eingegangen sind, erledigen kann.

Da ist dann der seltsame Umstand zu bemerken, daß fast jeder, der mir schreibt, irgend einen Grund zu haben glaubt, bevorzugt werden zu müssen; jeder und jede hält sich für denjenigen oder diejenige, dem oder der ich s o f o r t zu antworten habe, und wenn dies nicht geschieht, so werde ich mit Mahnungen und Vorwürfen bombardiert, daß mir angst und bange werden möchte. Viele, sehr viele sogar, sind auch nicht mit e i n e m Briefe zufrieden; sie wünschen in einen längeren, womöglich lebenslangen schriftlichen Verkehr mit mir zu treten, und senden mir, meist in wöchentlichen Zwischenräumen, Briefe, welche fünf, sechs und noch mehr Bogen füllen. Ich pflege da meine Zuflucht zu Schillers »Laß genug sein des grausamen Spieles!« zu nehmen, doch immer ohne Erfolg. Es sei darum dieser Stoßseufzer hiermit einmal öffentlich ausgehaucht. Wollte ich diese Wünsche erfüllen und mit so vielen, mir ja ganz herzlieben Leuten in regelmäßigen Briefwechsel treten, so könnte ich keine Manuskripte mehr schreiben, und sie bekämen nichts mehr von mir zu lesen. Also, ich will gern jedes Schreiben beantworten, wenn auch nicht umgehend, aber zu einem förmlichen Briefverkehr kann ich mich unmöglich verbindlich machen.

171.Goldstaub.
172.Korporal.
173.Höhere Schule.
174.Bankerott.
175.Palais des Generalgouverneurs.
176.Luft, ganz durchsichtige Luft.
177.Vorgebirge, Landzunge.
178.Barbierstube.
179.»Segen der Güte«.
180.Katarakt.
Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
30 августа 2016
Объем:
580 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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