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Читать книгу: «Im Lande des Mahdi III», страница 29

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Er wurde von seinen Fesseln befreit und wollte sich im Uebermaße seines Glückes und des Dankgefühles mir zu Füßen werfen; ich eilte fort, denn es gab noch sehr viel zu thun. Der Lieutenant hatte mit seinen Abteilungen die Gefangenen frei zu machen; ich durchsuchte die Gebäude nach Waffen und allen andern Gegenständen, die als solche dienen konnten. Endlich fand ich das »Depot«. Es war nicht viel mehr da, weil die Leute der Michbaja das meiste mitgenommen hatten; aber es wurden aus allen möglichen Dingen Waffen zum Hauen, Stoßen und Stechen geformt, und so dauerte es nicht lange, bis jeder der befreiten Sklaven mit irgend einer brauchbaren Wehr versehen war.

Das Entzücken dieser Leute kann nicht beschrieben werden. Unter diesen Verhältnissen hätte der kühlste Nordländer nicht ruhig bleiben können. Und nun gar diese heißblütigen Afrikaner! Welch ein Springen und Tanzen, welch ein jubeln und Schreien das war. Es dauerte sehr lange, ehe wir sie nur so weit brachten, daß sie auf uns hörten. Und welche Zeit verging erst, bis sie begriffen, was sie zu thun hatten und uns versprachen, unsere Aufgabe nicht durch ihre Gier nach Rache der Gefahr des Mißlingens auszusetzen. Dann wurde es endlich, endlich still, und Jumruk konnte mit seinen Leuten kommen.

Ich war nämlich der Ansicht, daß er, durch den Augenschein belehrt, daß der »Falke« sich in die Mitte des Flusses in Sicherheit gebracht habe, sich nicht lange besinnen werde, umzukehren. Wenn dies zutraf, so konnten wir ihn nun jeden Augenblick erwarten. Wir ließen nur ein Feuer brennen, und zwar so, daß der Schein desselben nicht weit reichte und besonders der Eingang im Dunkel lag. Dort stand ich mit Ben Nil. Die beiden Wege nach den Ufern waren so besetzt, daß es dort kein Entrinnen gab, und rund um den Platz, am Waldesrand versteckt, zog sich eine ununterbrochene Kette von Männern, welche bereit waren, auf die Sklavenhändler einzudringen, sobald mein Ruf erschallen werde. Wir hatten die Fesseln von gegen zweihundert Sklaven gelöst, also gab es, die Leute des »Falken« dazu gezählt, Arme und Fäuste genug, dem zu erwartenden Kampfe schnell ein Ende zu machen, denn was den eingekerkerten bisherigen Gefangenen an physischer Kraft abging, das wurde mehr als reichlich durch ihre augenblickliche seelische Energie ersetzt.

Wir lauschten lange vergebens, bis wir schließlich durch das Dornenwerk doch die Schritte der Nahenden vernahmen. Der längst erwartete Ruf erscholl. Ich öffnete, und nun quollen die Erwarteten still herein. Keiner sagte ein Wort; das war die Folge der Enttäuschung. Wie lärmend wäre dagegen ihr Einzug gewesen, wenn sie hätten als Sieger kommen können. Jumruk stand draußen und ließ alle an sich vorüber. Als er dann als der letzte auch hereinkam und da statt des einzelnen Postens trotz der Dunkelheit zwei Gestalten stehen sah, schrie er uns zornig an:

»Was giebt es zu zweien hier zu thun? Muß es geplaudert sein, ihr Hunde, ihr?!«

Er holte aus, um mich in das Gesicht zu schlagen; ich fing den Hieb auf und nahm ihn dann mit beiden Händen so fest beim Halse, daß er matt und widerstandslos wie Watte in meinen Armen hing. Er wurde mit den von Ben Nil bereitgehaltenen Stricken schnell gebunden. Seine Leute waren, ohne dies zu bemerken, weitergegangen. Als sie die Mitte des Platzes erreicht hatten, ließ ich den verabredeten Ruf erschallen. Aus mehreren hundert Kehlen ertönte die heulende Antwort; die Angreifer schnellten von allen Seiten herbei; die nichtsahnenden Menschenhändler wurden eingeschlossen, ehe sie zur Erkenntnis ihrer Lage kommen konnten, und als sie daran dachten, sich zu wehren, war es schon zu spät.

Ich war mit Ben Nil am Eingange stehen geblieben, denn ich hielt es nicht für nötig, mich selbst am Kampfe zu beteiligen, dessen für uns siegreicher Ausgang keinem Zweifel unterliegen konnte. Erst als das aufgeregteste Toben und Schreien vorüber war und ich den Lieutenant nach mir rufen hörte, schritten wir dem Platze zu, auf welchem wir Herren der Michbaja geworden waren. Mehrere Feuer flammten auf; da sahen wir das Resultat des Kampfes. Es war kein einziger Feind entkommen. Es gab leider viele Leichen. Die Verwundeten und Unverletzten lagen gebunden an der Erde. Werkzeuge zum Fesseln waren ja mehr als genug vorhanden gewesen. Die entzückten Schwarzen tanzten, obgleich mehrere von ihnen auch verwundet waren, wie wahnsinnig um den Platz. Andere schlugen auf die Besiegten ein, spuckten sie an und traten sie mit Füßen; ich bekam vollauf zu thun, diesem Verhalten zu steuern. Jetzt ließ ich Jumruk nach seiner Wohnung schaffen und bedang mir aus, daß er nur mir gehöre und niemand sich an ihm vergreifen dürfe. Ben Nil mußte ihn bewachen, erhielt aber den Befehl, ihm nichts von mir zu sagen. Wie ich vorausgesehen hatte, sollte es nun an eine regellose Plünderung der Seribah gehen, und es kostete mich die Anstrengung meiner ganzen Energie, dies zu verhindern; ich war sogar gezwungen, meine Fäuste zu brauchen, und erreichte meinen Zweck schließlich nur dadurch, daß ich den ausgehungerten Sklaven ein großes Essen versprach, welches sich freilich schon mehr zu einem Fressen gestaltete. Als der Tag anbrach, lagen dann die Schwarzen von der übermäßig genossenen Merissah168 besinnungslos betrunken auf dem ganzen Platz herum. Das war aber immer noch besser, als wenn sie andere Ausschreitungen begangen hätten.

Während dieser Zeit, also während der Nacht noch, besichtigte ich die uns als den Siegern zufallende Beute. Sie war so groß, daß sie das Entzücken der Asaker hervorrief. Ein solches Ergebnis hatte der Reis Effendina niemals gehabt, und ich wurde mit Lob fast überschüttet, zumal die Soldaten zu diesen reichen Anteilen kamen, ohne daß ein einziger von ihnen verwundet oder gar getötet worden wäre. Dazu kam, daß ich nichts davon nahm, obgleich mir ein bedeutender Teil davon zugefallen wäre.

Dann, als ich meine Obliegenheiten alle erfüllt hatte und nun ausruhen konnte, kam Ssali zu mir und bat mich, mir doch endlich seinen Dank sagen zu dürfen. Wenn ich ihm nicht wehe thun wollte, mußte ich ihm diese Bitte erfüllen, und so setzte er sich zu mir, floß von Danksagungen über, denen ich kaum Einhalt thun konnte, und erzählte mir dann, was er seit unserer Trennung in der Gegend von Khoi erlebt hatte. Es war viel und doch wenig, wenig an äußeren Ereignissen, viel aber an inneren Wandlungen.

Sich noch immer einbildend, daß er nach dem Mahdi suche, dabei aber sich nach etwas ganz anderem sehnend, war er wieder nach Aegypten gekommen und hatte sich in die »heilige Kadirine« aufnehmen lassen. Vielleicht fand er da den Führer zu der rechten Lehre. Schon bald zu der Erkenntnis gelangt, daß ihm nur leerer Formelkram, totes Wortgeklingel und gar noch Schlimmeres geboten werde, wollte er wieder austreten, bekam aber zu hören, daß der Austritt sein Verderben sein werde, denn er könne gehen, wohin er wolle, der Rächer werde ihm folgen. Diese Angelegenheit brachte ihn vor einen Mann, der einen hohen Grad in der Kadirine bekleidete und ihn wegen des beabsichtigten Austrittes zu verwarnen hatte; er war Offizier und als solcher und auch in anderer Beziehung ein sehr einflußreicher Mann, der sich außerordentliche Ziele gesteckt zu haben schien. Ssali Ben Aqil sagte mir den Namen nicht; einige Andeutungen aber, die ihm unwillkürlich entschlüpften, ließen mich vermuten, daß Arabi Pascha gemeint sei, welcher ja bekanntlich auf die Kadirine die überschwenglichste seiner Hoffnungen gesetzt hat. Dieser hohe Kadirinist nahm ihn anfänglich sehr streng ins Gebet, zeigte sich aber bald milder, als er die Begabung Ssalis erkannte. Er verweigerte ihm nicht nur die Erlaubnis zum Austritte, sondern machte ihn darauf aufmerksam, daß er grad durch die Kadirine zum Ziele gelangen könne, denn nur unter ihren Anhängern, wenn auch in einer ihrer Unterabteilungen oder einer ihr ähnlichen Bruderschaft, könne der ersehnte Mahdi erstehen. Es gebe einen Anhänger der Kadirine, welcher darüber mehr sagen könne, ja, vielleicht den Namen des Mahdi schon wisse. Dieser von Allah begnadete Mann bekenne sich gegenwärtig zur Terika Samania, heiße Mohammed Achmed Ibn Abdullahi und wohne auf der Insel Aba im weißen Nile; Ssali Ben Aqil solle zur Strafe für seine Zweifel und seine Unbeständigkeit zu ihm pilgern, um bei ihm Verzeihung zu erflehen und um seinen Unterricht zu bitten. Er gehorchte dieser Aufforderung und bekam einen verschlossenen Brief des Offiziers an diesen Mohammed Achmed mit. Er kam nach langen, mehr als beschwerlichen Fahrten, Ritten und Wanderungen nach Chartum und von da nach Aba, wo er Mohammed Achmed anwesend fand. Dieser las den Brief, zeigte sich außerordentlich streng gegen ihn und diktierte ihm Büßungen, welche die Gesundheit seines Körpers zu untergraben drohten und den Rest seiner Glaubenszuversicht vollständig vernichteten. Ssali, mit einem ungewöhnlichen Scharfblicke begabt, durchschaute sehr bald das ganze innere Wesen des Mannes, welcher sich bisher den Fakir el Fukara genannt hatte, nun den Titel eines Sahed, eines Entsagenden, führte, bald darauf sich als el Murabit, der Heilige, verehren ließ und ihm schließlich die stolze Mitteilung machte, daß er mit Allah in direktem Verkehre stehe und von ihm den Befehl bekommen habe, als der längst erwartete Mahdi den Erdkreis zu erobern und allen Gläubigen das Glück der wahren Erkenntnis zu bringen. Ssali hatte sich mit Schmerzen nach dem Mahdi gesehnt und war überzeugt gewesen, daß, wenn er das Glück hätte, ihn zu finden, seine Seele in himmlischem Entzücken aufjauchzen würde; wo aber blieb dieses jauchzen jetzt? Er erschrak, anstatt daß er sich freute, denn es graute ihm vor dem Manne, welcher sich vermaß, der Menschheit die Seligkeiten aller Paradiese zu bringen. Der sollte der Mahdi sein? Eine größere Lüge oder wenigstens Selbsttäuschung konnte es gar nicht geben. Er hielt es für seine Pflicht, mit dieser Meinung nicht zurückzuhalten, und wurde von diesem Augenblicke an als Gefangener behandelt. Was er zu seiner Verteidigung vorbrachte, hatte nur den Erfolg, daß es seine Lage verschlimmerte, weil es bewies, was für eine außerordentliche Rednergabe er besaß, welche Mohammed Achmed sich um jeden Preis, selbst durch den äußersten Zwang, dienstbar machen wollte. Der Murabit erkannte, daß er von Ssali durchschaut worden sei, und so gab es seinen Gesinnungen und Plänen nach hier nur zweierlei Wege für ihn: entweder nahm Ssali die Terika Samania an und trat zu den Anhängern des neuerstandenen Mahdi über, oder er mußte verschwinden; auf keinen Fall durfte er ihn zurückkehren lassen, ohne ihn zu sich bekehrt zu haben. Ssali aber war nicht der Mann, sich zwingen zu lassen; die außerordentliche Strenge, mit welcher er behandelt wurde, hatte den grade entgegengesetzten Erfolg; sie brachte die Saat, welche ich damals bei der Musallah el Amwat in sein Herz geworfen hatte, zur schnellen Reife; seine Zweifel an der Wahrheit des Islam wuchsen von Stunde zu Stunde, und die geistliche Tyrannei, unter welcher er litt, ließ in ihm eine heiße Sehnsucht nach der Liebe erwachen, von welcher ich durch Wort und That gepredigt hatte. Es war da kein Wunder, daß er gegen Mohammed Achmed, welcher zuweilen bei ihm erschien, um Bekehrungsversuche anzustellen, von dieser Liebe sprach und dabei meinen Namen fallen ließ. Die Wirkung war eine für ihn ganz unerwartete. Er hatte angenommen, daß ich dem Mahdi vollständig unbekannt sei, und erschrak gradezu über die Wut, in welche dieser geriet, als er den Namen Kara Ben Nemsi hörte.

»Den kennst du? Den kennst du also auch?« schrie ihn Mohammed Achmed an. »Du bist wohl gar ein Schüler, ein Anhänger, ein Freund von diesem tausendmal in die Hölle verfluchten Hunde?«

»Ja, ich kenne ihn und habe ihn liebgewonnen, denn er ist es, durch den ich die Liebe und Barmherzigkeit Gottes erkannt habe, von der es bei euch keine Ahnung giebt,« antwortete Ssali.

»So brauche ich mich nicht mehr über den verrückten Widerstand zu wundern, den du mir zu bieten wagst. Jede Seele, welche mit diesem Giaur in Berührung kommt, ist dem Teufel verfallen. Ich werde dich dennoch zu retten suchen, was allerdings nur durch verdoppelte Strenge geschehen kann. Lässest du dich auch dann nicht zur Wahrheit leiten, so habe ich meine Pflicht gethan, und du magst hier und dort verloren sein.«

Von jetzt an erging es Ssali noch schlimmer als vorher; sein passiver Widerstand wurde dadurch, anstatt nachzulassen, nur fester, und so kam es, daß man ihn vorgestern mit andern Gefangenen auf das Schnellsegelboot schaffte, welches zum Transporte von Personen diente, die dem »Heiligen« unbequem geworden und darum nun seiner »Faust« verfallen waren. Mit einem unendlich dankbaren und liebestrahlenden Blick seiner dunklen Augen sagte Ssali am Schlusse seines Berichtes:

»Mir war die Sklaverei oder der Tod gewiß; da erbarmte Gott sich meiner in der größten Not und sandte dich, grad dich mir wieder zu. Giebt es einen deutlichern und unumstößlichern Beweis dafür, daß die Liebe, welche ihr verkündet, die größte Macht des Himmels und der Erde ist? Du, der du sie mehr durch deine Thaten als durch deine Worte predigest, befindest dich in diesem fernen, dunkeln Erdenwinkel ganz allein unter Jüngern der Grausamkeit, des Hasses und der Gottlosigkeit und bezwingst durch sie allein doch alle diese Menschen, welche sich einbilden, mit der Schärfe des Hasses und des Schwertes euch vernichten und den Kreis der Erde erobern zu können. Muß ich da nicht die finstere Pforte des Islam hinter mir zuwerfen und in die Arme dessen sinken, welcher der einzige und rechte Mahdi ist, indem er lehrte, daß nur die Liebe der Weg zum himmlischen Vater sei?«

Da griff ich hoch erfreut nach seiner Hand und fragte:

»Erinnerst du dich noch meiner Worte, welche ich dir bei der Musallah sagte? Sie lauteten: »Du wandertest bisher in der Irre, weil du dir vornahmst, ein Führer zu sein. Sobald du zu der Erkenntnis kommst, daß du selbst noch sehr der Führung bedarfst, wird dir der Stern von Bait Lahm169 erscheinen, um dich zu dem zu leiten, dessen Stimme noch heut durch alle Lande schallt: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, und niemand kommt zum Vater, denn durch mich!« Ssali Ben Aqil, erinnerst du dich?«

»Ja, Effendi! Aber denkst auch du noch an meine Worte beim damaligen Scheiden? Ich sagte: »Wenn Allah meinen Wunsch erfüllt, so treffe ich dich einstens Wieder, und dann wirst du erfahren, ob ich noch auf der Spur des Mahdi wandle oder ob mir der andere Stern erschienen ist, von dem du zu mir gesprochen hast.« Er ist mir erschienen, schon damals; du hast ihn mir gezeigt. Er war zwar klein und fern, als ich ihn da zum erstenmale sah, aber er kam mir näher und immer näher; er ward größer und immer größer, und heut steht er nahe über mir und strahlt in einem Glanze, in dem ich hier bis zu meinem Tode und dann im Jenseits wandeln will. Oh, Effendi, wie hattest du so recht: Gott ist die Liebe, und wer nicht in der Liebe wohnt, der lebt im Elend, denn er wohnt in Finsternis!«

Ich gestehe aufrichtig, daß ich mich über die Gewinnung dieser Seele mehr freute, als über alle andern Erfolge, welche ich heute erreicht hatte. Drum saßen wir, in die heiligen Lehren Christi vertieft, noch lange bei einander, bis es heller Tag geworden war und ich nun von andern Pflichten in Anspruch genommen wurde. Als ich von ihm aufstand, um fortzugehen, hielt er mich noch für einen Augenblick zurück und sprach:

»Da fällt mir noch etwas ein, Effendi, was ich dir sagen muß, denn ich weiß, daß es dich erfreuen wird. Du hast damals den Wirt von Khoi ermahnt, vom Trunke abzulassen; er ist dir gehorsam gewesen, und der Geist des Raki hat niemals wieder Einzug in seine Seele gehalten. Da sind der Schmutz und die Armut von ihm gewichen; er hat die Liebe seines Weibes und seiner Kinder wiedergewonnen und ist abermals der geachtete Mann geworden, der er früher war. Nun geh! Ich darf dich nicht länger hier für mich allein behalten.«

Er hatte recht; es gab für mich noch viel, sehr viel zu thun. Zunächst mußte Ben Nil mir Jumruk el Murabit herausbringen, der noch gar nicht wußte, wie es mit seiner Michbaja stand und wessen Gefangener er eigentlich war. Als er in das Freie trat und mich vor sich stehen sah, erkannte er mich sofort, obgleich ich das Pflaster nicht mehr im Gesicht hatte, und rief aus:

»Du bist es, Ben Sobata aus Guradi? Also habe ich recht geahnt: Der Reis Effendina hat El Michbaja überfallen, als ich mit meinen Kriegern fortgegangen war? Da ich dich sehe, der mein Freund geworden ist, bin ich überzeugt, daß du mich in deinen Schutz nehmen wirst.«

»Du befindest dich in einem vielfachen Irrtum,« antwortete ich ernst. »Nicht der Reis Effendina hat die Michbaja überfallen, sondern Kara Ben Nemsi ist es gewesen; zweitens bin ich nicht dein Freund geworden, und drittens heiße ich nicht Ben Sobata, der dich übrigens niemals in seinen Schutz nehmen würde, weil du ihn ermorden lassen wolltest.«

»Ermorden?« fragte er erstaunt und erschrocken. »Wer hat diese Lüge – – —«

»Es ist keine Lüge!« unterbrach ich ihn. »Sobald du das Wort »Wtole!« aussprachst, sollte er von hinten erstochen werden.«

Ich sah trotz seiner dunklen Gesichtsfarbe, daß ihm das Blut aus den Wangen trat. Er fragte, beinahe stammelnd:

»Wer – wer hat ihm – – das verraten? Und wie – – wie kannst du sagen – – daß du nicht – – nicht Ben Sobata – – —«

Er stockte und ich fuhr fort:

»Du vermaßest dich in deinem Hochmute, Kara Ben Nemsi zu fangen und mit Ssali Ben Aqil zusammenzubinden. Wie kann ein solcher Ausbund der allergrößten Dummheit, wie du bist, sich einbilden, mich zu überlisten!«

»Dich – – dich – —?« fragte er.

»Ja, mich! Ahnst du denn immer noch nicht, daß ich dieser Kara Ben Nemsi bin; dieser räudige Christenhund, den du dem Murabit ausliefern wolltest?

»Du – – du – – bist dieser – – —« stammelte er, ohne seine Frage zu Ende zu bringen.

»Ja, der bin ich! Nun wirst du wohl erkennen, was dir bevorsteht. Als du mich für Ben Sobata hieltest, heucheltest du mir Wohlwollen, um auf diese Weise einen Zeugen eurer Missethaten leichter aus dem Wege zu schaffen. Alberner Kerl! Ich hörte deinen Anschlag gegen mich, denn die Dinkasprache ist mir viel, viel geläufiger als dir, und als du mich überlisten wolltest, warst du selbst schon vollständig von mir überlistet! Du nennst dich die Faust des Heiligen; keinem Dinge aber steht dieser Murabit ferner als der Heiligkeit, und deine verbrecherischen Hände werden sich niemals wieder zur Faust zusammenballen; sie sind schwächer geworden, als die kleinen Finger eines Neugeborenen und können nicht einmal das bißchen Goldstaub festhalten, welches du mir auf so vermeintlich schlaue Weise abgenommen hast. Du besitzest viel zu wenig Hirn, um ahnen zu können, daß ich diese Beutel nur mitgebracht hatte, um dich kirre zu machen!«

Ich bediente mich dieser verächtlichen Ausdrucksweise, um ihn noch mehr zu demütigen, als es schon durch die Thatsachen geschehen war. Der Unterschied zwischen seiner gestrigen hochmütigen Sicherheit und seiner jetzigen Erniedrigung wirkte auch wirklich so niederdrückend auf ihn ein, daß er sich schwach an die Knüppelwand des Hauses lehnte und mit matter Stimme seufzte:

»So, also so ist es gekommen! Du bist Kara Ben Nemsi, der Christ! Ia Huzn, ia Musiba, ia Schaka – o Traurigkeit, o Unglück, o Elend! Wie konnte das in so kurzer Zeit geschehen!«

»Wie das geschehen konnte?« fragte Ssali Ben Aqil, indem er nahe an ihn herantrat und ihn aus seinen dunklen Augen anblitzte. »Es mußte so kommen; ja, es mußte! Denn das Verbrechen muß seine Strafe finden, hier oder dort. Wer Liebe giebt, wird Liebe empfangen; wer aber die Saat des Hasses ausstreut, der kann nichts als nur Rache, die Strafe Gottes ernten! Ihr wolltet mich durch eure Grausamkeiten zwingen, in die Stapfen eurer Ueberhebung zu treten; aber ich that dies nicht, denn ich sah die Vergeltung kommen, welche an meiner Stelle in diese Stapfen trat, um euch zu folgen und schnell zu ereilen. Nun ist sie da. Ich wünschte dir gestern eine ruhige Nacht und ein fröhliches Erwachen; du hast mich nicht verstanden. Ich erkannte in Ben Sobata meinen Freund Kara Ben Nemsi, den von euch Verfluchten, und war, sobald ich ihn sah, überzeugt, daß mein Elend noch während dieser Nacht zu Ende gehen werde. Nun jammerst du über dein Elend, dein Unglück und deine Traurigkeit; wie wirst du erst jammern und klagen, wenn die Strafe, die du jetzt erst von weitem siehst, an dich herangetreten ist, um dich wie mit der Gewalt und Stärke von Löwentatzen zu Boden zu schlagen!«

Daß Ssali, sein Gefangener, es war, der in dieser Weise zu ihm reden konnte, empörte seinen Stolz und rief seine Energie wieder wach. Er richtete sich hoch auf, ballte die gefesselten Hände, hob sie drohend empor und rief:

»Schweig, du Wurm! Denn du bist auch jetzt nur ein armseliger Wurm, obgleich die Nähe dieses Christen dir die Verwegenheit giebt, zu glauben, daß du mich ungestraft beleidigen kannst! Noch habt ihr nicht gesiegt! Ich sehe zwar hier alle meine Leute gebunden und alle meine Sklaven befreit. Es ist euch nur durch niederträchtige Heimtücke gelungen, die Michbaja für wenige Stunden in eure Gewalt zu bekommen, aber eure Freude wird sich in Trübsal und euer Jubel in Jammer verwandeln, denn der Heilige von Aba wird seine mächtige Hand erheben, um mich zu befreien und euch zu verderben!«

»Der Heilige? Seine Hand erheben? Ich denke, du bist seine Hand? Du nennst dich doch Jumruk el Murabit! Wenn wir diese Faust in so ohnmächtiger Schwäche vor uns sehen, wie können wir da den fürchten, dem sie genommen und abgehauen worden ist! Hat euer Murabit sich nicht vor Kara Ben Nemsi gefürchtet? Ist er nicht sein Gefangener gewesen? Verdankt er nicht ihm das Leben, ihm, der sich seiner erbarmte, als er, von der Bastonnade niedergeworfen, fast sterbend einst im Sumpfe lag? So einen Menschen nennt ihr Murabit? So einen Mann, dessen Sohlen auf Befehl des Reis Effendina zerschlagen wurden, soll der Mahdi sein, welchen Allah sendet, um der Menschheit Frömmigkeit und Gerechtigkeit zu bringen und ihr die Pforten des Paradieses zu öffnen? 0 Jumruk el Murabit, wie müßte ich dich verlachen, wenn es nicht so traurig wäre, einen Menschen, dem Allah doch Verstand gegeben hat, so sinnlose Thorheiten aussprechen zu hören!«

»Schweig, oder du wirst an deinen eigenen Worten ersticken!« schrie ihn Jumruk an. »Ich weiß genau, was ich gesagt habe und auch, warum ich es sagte. Auf euern Sieg braucht ihr euch gar nichts einzubilden, denn es wird – – —«

»Still!« unterbrach ich ihn. »Wenn du glaubst, zu wissen, was du sagst, so wissen wir noch viel besser, was wir thun. Ich ziehe nämlich das Thun dem Sagen vor, und du wirst gar nicht lange zu warten brauchen, um durch die That die Antwort auf deine Drohungen zu bekommen. Schafft ihn wieder hinein und bindet ihm die Füße!«

Er wollte sich sträuben, wieder in das Innere des Gebäudes geschafft zu werden, doch kamen auf meinen Wink einige Asaker herbei, welche Ben Nil halfen, den Widerstrebenden zum Gehorsam zu zwingen. Ich brach so schnell mit ihm ab, weil ich den Askari kommen sah, welchen ich an das südliche Ufer der Halbinsel, wo erst die feindliche Wache stand, postiert hatte, um auf die Annäherung des »Falken« Achtung zu geben. Dieser Mann meldete mir jetzt, daß das Schiff zu sehen sei.

Ich hatte mit dem Steuermann verabredet, falls auf der Halbinsel alles in Ordnung sei, zwei Schüsse aus meinem weithin schallenden Bärentöter abzugeben, auf welches Zeichen hin er am Nordufer der Insel anlegen Solle, weil es da, als stromabwärts gerichtet, ruhigeres Wasser gab als auf der andern Seite. Ich sah den »Falken« kommen, und zwar schnell, denn der günstige Wind erlaubte ihm, sich der Segel zu bedienen. Als er nahe genug war, schoß ich die beiden Läufe ab, worauf vom Bord ein dreimaliger lauter Ruf als Antwort ertönte; dann glitt der »Falke« westwärts hinüber, um die Nimdschesireh170 zu umsteuern. Während er diesen Bogen schlug, ging ich von der südlichen nach der nördlichen Seite derselben und kam dort grad an, als er in die stille Bucht einfuhr, wo auch die schnellsegelnde Schachtura vor Anker lag, weiche, wie schon gesagt, Jumruk sich hatte bauen lassen und die, weil sie meinen Absichten vortrefflich zu statten kam, ich als das mir willkommenste Beutestück betrachtete.

Noch ehe der »Falke« den Anker fallen ließ, rief der Steuermann mir fragend zu, ob der von mir gegen Jumruk geplante Streich vollständig gelungen sei.

»Ja, vollständiger noch, als ich dachte,« antwortete ich. »Schicke mir zunächst Abu Reqiq unter guter Bedeckung an das Land!«

Es dauerte nur einige Minuten, so wurde der Sklavenhändler gebracht. Als die Asaker, welche ihn führten, mit ihm aus dem Boote stiegen, sagte ich zu ihm:

»Du hattest so große Sehnsucht, El Michbaja kennen zu lernen; Hubahr sollte dein Führer sein. Er war nicht geeignet dazu, und so bin ich an seine Stelle getreten. Unter meiner Leitung wirst du nicht bloß sie, sondern auch Jumruk el Murabit sehen, der dich mit so großer Sehnsucht erwartet hat.«

»Allah rhinalek – Gott verfluche dich!« murmelte er halblaut zwischen die Zähne.

Ich that natürlich, als ob ich das nicht gehört hätte, und ließ ihn nach dem Platze schaffen. Dort angekommen, mußte er Jumruks Haus betreten. Dieser saß mit Ben Nil allein im Innenraum und blickte uns beiden mit finstern Augen entgegen.

»Hier bringe ich dir einen Freund, o Jumruk el Murabit,« sagte ich. »Er wird Abu Reqiq genannt und ist außerordentlich entzückt darüber, daß er das außerordentliche Glück hat, dich grad unter meinem freundlichen Schutze begrüßen zu können.«

Die Fesseln hinderten ihn, von seinem Sitze aufzuspringen; er machte einen vergeblichen Versuch dazu, fiel aber natürlich wieder zurück.

»Du bist ein Hund, der nichts gelernt hat, als nur die Zähne zu zeigen!« knirschte er. »Allah gebe, daß wir sie dir noch ausbrechen können!«

Er erhielt für diese Beleidigung von Ben Nil eine schallende Ohrfeige, die ihn so klug machte, daß er von jetzt an kein Wort mehr sagte. Ich fuhr so ruhig, als ob ich nichts gehört und gesehen hätte, fort:

»Ich ließ euch zusammenführen, um euch zu sagen, was ich beabsichtige, mit euch zu thun. Ihr seid meine Todfeinde, und ich könnte euch nach den unter euch herrschenden und von euch befolgten Gesetzen das Leben nehmen; die Menschheit würde mir dadurch zum größten Dank verbunden sein. Aber als Christ muß ich euch alles verzeihen, was ich persönlich gegen euch habe, wenn ihr auch nicht glauben dürft, daß es mir erlaubt ist, euch dem Gesetze zu entziehen; ich bin vielmehr gezwungen, euch diesem zur Bestrafung zu übergeben. Der Reis Effendina ist der Vertreter der weltlichen Gerechtigkeit, welcher ihr verfallen seid, und so mögt ihr wissen, daß ich euch ihm ausliefern werde.«

Da fiel Abu Reqiq schnell ein:

»Thue das nicht, Effendi! Er würde uns sofort töten. Richte lieber du nach den Gesetzen des Christentumes über uns!«

»Ah! Wenn es sich um dein Wohl, ja um dein Leben handelt, ziehst du das Christentum dem Islam vor? Wolltest du dich meiner Gnade erfreuen, so durftest du vorhin nicht wünschen, daß Allah mich verfluchen möge. Was kann dir die Barmherzigkeit eines Verfluchten nützen? Wenn du einen Christen, der im Abgrunde des Fluches untergegangen ist, um Gnade anflehst, wie tief, wie viel tiefer mußt da erst du gesunken sein!«

Da schrie er mich an:

»Deine Seele ist so schwarz, daß sie gar nicht schwärzer werden kann! Lieferst du uns dem Reis Effendina aus und tötet er uns, so wird Allah einst am letzten Tage unsere Seelen von dir fordern!«

»Ich werde ruhig nach der Dschehenna zeigen, wo er sie von den Schejatin fordern müßte, deren Eigentum ihr infolge eurer Missethaten geworden seid. Der Reis Effendina wird euch nach seinem Spruche richten: Wehe dem, der wehe thut! Leider kann er euch das Wehe, welches ihr verbreitet habt, nicht zum tausendsten Teile anthun; aber eins kann er, und das wird er gewiß nicht unterlassen; nämlich euch unschädlich machen, wie man giftige Schlangen unschädlich macht, indem man ihnen die Köpfe zertritt.«

»Bedenke, was du thust, Effendi! Du bist ein Mensch, und auch wir sind Menschen, die man nicht wie Schlangen zertritt!«

»Waren das keine Menschen, die ihr getötet oder in die Sklaverei verkauft habt?«

»Schwarze sind nur halbe Menschen; sie fühlen nichts!«

»Damit entschuldigt ihr euch, obwohl ihr sehr gut wißt, daß es nichts als eine Lüge ist. Aber selbst angenommen, daß es wahr sei, sind die El Homr, welche du verkaufen wolltest, Schwarze? Giebt es unter den Sklaven, die wir hier befreiten, nicht über dreißig Personen, die keine Neger, sondern sogar Bekenner des Islam sind? Ich mache da keinen Unterschied, denn mir gilt ein Mensch soviel wie der andere, welchen Glaubens und welcher Abstammung er auch sein möge; aber beim Reis Effendina wird es mit gewaltiger Schwere auf die Wagschale drücken, daß ihr diese Mitbekenner eures Glaubens wie heidnische Neger behandelt habt.«

»Drum sage ich, du sollst uns richten, Effendi, du!«

»Bitte das nicht! Denn wollte ich nur Gerechtigkeit üben, so würde mein Urteil noch strenger ausfallen als das seinige, weil mir ein Neger oder Heide genau so viel wie ein Araber oder Moslem gilt. Und welche freche Stirn ist‘s, die du mir zeigst, indem du mich erst verfluchst und dann um Schonung bittest! Des Menschen Schicksal liegt in seiner Hand; ihr habt die eurige in Blut getaucht; darum kann euer Ende kein anderes als ein blutiges sein!«

»Ist dies die letzte Entscheidung, welche du fällst?«

»Ja.«

»So sollst du noch eher sterben als ich und wir alle, du Sohn des Aussatzes und der Verworfenheit!«

Er sprang auf mich ein, was ihm dadurch möglich wurde, daß seine Füße nicht gefesselt waren, und krallte die Finger seiner zusammengebundenen Hände um meinen Hals; er wollte mich erwürgen. Ben Nil fuhr schnell in die Höhe, um mir beizustehen, aber das war überflüssig, denn ich stieß dem vor Angst wütenden Menschen die Faust unter das Kinn, daß er seine Finger von meinem Halse löste und mit hintenüberknickendem Kopfe zu Boden stürzte. Die Füße wurden ihm nun auch zusammengebunden. Hierauf beorderte ich einige Asaker zur Bewachung der beiden Sklavenhändler, denn Ben Nil, der sie bisher beaufsichtigt hatte, war bei der Verteilung der Beute nötig, welche nun beginnen sollte.

168.Gegorenes Getränk aus Durrah.
169.Bethlehem.
170.Halbinsel.
Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
30 августа 2016
Объем:
580 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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