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Frau R.: „Ich hoffe insgeheim, dass es ein Junge wird. Ach, eigentlich würde ich mich über ein Mädchen genauso freuen. Das Wichtigste ist, dass das Baby gesund ist.“

Die Helferin: „Ich sehe, dass Sie sich sehr auf die Geburt Ihres Kindes freuen. Sie strahlen jedesmal, wenn Sie darüber sprechen.“

Frau R.: „Ja Schwester, ich bin noch nie so glücklich gewesen. Als wir geheiratet haben, sagte ich zu meinem Mann: ‚Jetzt möchte ich ein Kind haben.‘ Und nun ist es bald soweit.“

Ein Beispiel für gelungene Validation: Die Helferin hat einen wichtigen biographischen Ort im Leben der Betroffenen entdeckt. Um ihn liegen verstreut vielleicht nicht nur biographisch, sondern auch neuronal vernetzte Geschichtssplitter, die lebensnötig zusammenzufügen sind und durch die Aufmerksamkeit der Helferin ihren angestammten gefühlsangebundenen Ort erhalten.

Die irrationalen Äußerungen und Handlungen des Verwirrten haben einen Sinn, sie „sind Strategien der Vergangenheitsbewältigung“(Sozialministerium Baden-Württemberg 1998a, 132). Nicht nur würde ein ständiges Korrigieren eher Verwirrung steigern, es begäbe sich der Chance, die hintergründigen Gefühlsbotschaften aufzugreifen. In diesem Vorgang des Bestätigens und Weitererzählens können gerade die episodisch erinnerbaren Gedächtnisleistungen geschult werden.

Nicht die selbst wahrgenommene Realität, sondern die gefühlshaft wahrgenommene Realität der Betroffenen steht im Interesse der sich einfühlenden Betreuerin. Diese stellt sich auf die inneren Bilder der Patientin ein, versetzt sich in die wechselnden Stimmungslagen dieser Bilder. Sie folgt in Ruhe der zuweilen unsinnig erscheinenden Logik dieser Bilder. Und entdeckt vielleicht die Beweggründe, die zu den Bildern geführt haben. De Klerk-Rubin (2014) hat konkrete Techniken für den Umgang mit demenzkranken Angehörigen zusammengetragen und an Beispielen erläutert.

Naomi Feil (2000) hat die in Kap. II.1.3.1 skizzierten Stadien der Demenz differenziert, um grundlegende Hinweise für die BetreuerInnen und TherapeutInnen zu erhalten. Vier Stadien erforderns hiernach unterschiedliche Hilfestellungen, die auch unter kunsttherapeutischem Aspekt von Belang sind:


1. Stadium:Desorientiertheit, erfordert eher sachbezogene Interaktion;
2. Stadium:Zeitverwirrtheit, taktile Berührungen sind möglich;
3. Stadium:sich wiederholende Bewegungen, taktile Berührungen sind möglich, assoziatives Material wie Kindheits erinnerungen tritt stärker hervor;
4. Stadium:Vor-sich-hin-Dämmern (Feil 2000, 46f.).

Die methodische Ausrichtung der Kunsttherapie hat sich der Phasenspezifik des Vergessens zu besinnen: Mit dem Realitätsorientierungsttraining wird man der Sachbezogenheit gerecht, basale Stimulation entspricht der Körperbezogenheit, Validation und Bild-Erinnerungsarbeit entsprechen der Biographiebezogenheit.

Das Verfahren der (Bild-)Erinnerungsarbeit. 1983 gründete die Theaterpädagogin Pam Schweitzer das Age Exchange Reminiscence Zentrum in London und übernahm dessen künstlerische Leitung. Die Sozialarbeiterin Caroline Osborn koordinierte dieses Projekt in den ersten fünf Jahren. In vielen Theaterproduktionen wurde das „Reminiscence Project“ mit 20 MitarbeiterInnen in 150 sozialen und klinischen Einrichtungen erprobt. Fortbildungsprogramme entstanden, ein europäisches „Erinnerungs-Netzwerk“ wurde aufgebaut. „Age Exchange“ finanzierte sich aus nationalen und europäischen Mitteln, organisierte Gastspiele, Tagungen, Fortbildungsveranstaltungen Die Theaterproduktionen gingen auf Gastreise in Altenheime, Nachbarschaftszentren, Krankenhäuser und gerontopsychiatrische Einrichtungen. Es gab ein Jugend- und ein Seniorentheater, die Texte, Szenen einstudierten, Pop-Songs zu Musicals umschrieben. Das Ziel war, Menschen dazu zu bewegen, mitzusingen, nachzuerleben, zu diskutieren. Die Atmosphäre des „Zentrums der Erinnerungen“, das gemeinsame Café von und für Alte und Junge, die inszenierten Themen regten die alten Menschen zu Erinnerungen und Erzählungen an.

Neuere Aktivierungsvorschläge von Virginia Bell, David Troxel, Tonya Cox und Robin Hamon (2007) geben unter dem Stichwort „Alzheimer-Pflege nach dem Best-Friends-Modell“ vielfältige Anregungen, mit Hilfe derer Situationen wie Körperpflege, Gemeinschafts- und Lernatmosphäre, das Nachspielen von Lebensszenen und die Lieblingsbeschäftigungen der Männer neu durchdacht sind und angeregt werden können. Das kalifornische Modell ergänzt das Londoner Reminiscence Project um ca. 150 Vorschläge.

Die Mäeutik. Mit diesem Verfahren (griech.: Hebammen-Kunst) der Niederländerin Cora van der Kooij versucht man seit Beginn der 1990er Jahre, die Erlebniswelten demenzkranker Menschen und ihrer Betreuer einfühlsam zu vermitteln. Die Bildwelten und Vorstellungskomplexe, vor allem die daraus resultierenden Bedürfnisse der altersverwirrten Menschen sollen in einem empathischen Suchprozess schrittweise erkundet, statt in einem objektivierenden Assessmentverfahren festgestellt werden. Der Weg des stufenweise dementiell bedrohten, verirrten, verborgenen und zu versinken drohenden Ichs soll einfühlsam begleitet werden – wobei die Gefühlswelt der betreuenden Person eine gleichermaßen wichtige Rolle spielt. Die Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, sind bildtherapeutisch noch wenig diskutiert. Eine Vernachlässigung dieser Hinsichten, wie sie Sven Lind (2007) vermerkt, würde eine Abkehr von der Kernaussage der Mäeutik bedeuten. Das obige Schaubild vermag eindrucksvoll den Blick auf die Stufe der Erkrankung zu vermitteln.


Abb. 5: Das erkrankte Ich aus der Sicht der Mäeutik (nach Egenlauf 2005)

Wir wollen im Anschluss an die Beschreibung der Methoden im Umgang mit verwirrten Menschen die Frage erheben, wie eine bild -nerisch-orientierte Therapie Hilfestellung bieten kann. Kunsttherapie ist mit ihren ästhetisch-elementaren, ihren daran erinnerungshaft anknüpfenden, ihren gleichzeitig realitätszugewandten Methoden vorzüglich in der Lage, die Orientierungsleistungen der Patienten zu stützen:

• Sie hilft, Bezüge, Bedeutungskomplexe, Merkmalsverbindungen, die ehemals neuronal manifestiert waren und jetzt in Gefahr sind verloren zu gehen, wieder anzuknüpfen. Aphasische Störungen, also Störungen der Sprache, des Wort-Findens, des Benennens, des Bezeichnens können in Angriff genommen werden, das lautlich wie inhaltlich Zusammenhängende von Bedeutungen, bes. das Assoziieren bildnerisch-ästhetischer Anmutungen wird gepflegt.

• Kunsttherapie unterstützt außerdem die Gedächtnisleistungen: Erstens wird das semantische, also das Wissensgedächtnis, dem es um das Wissen genereller Zusammenhänge geht, angesprochen. Zweitens kann man auch das episodische, also das bildhaft-emotional getönte Gedächtnis, in dem wir beispielsweise unsere typischen Kindheitserinnerungen aufbewahren, aktivieren. Und dies nicht in Form von leistungsbezogenen Kreuzworträtseln oder Hirn-Leistungs-Tests, sondern – und das ist die Domäne der musisch-künstlerischen Therapien – in Form von Bildvorstellungen, die früher stark emotional bewertet wurden und jetzt aufgesucht werden müssen. Drittens ist das prozedurale Gedächtnis, das für den Ablauf, also das Serielle der Handlungen zuständig ist, auffrischbar. Und viertens ist das Wissen, das sich gestalthaft eingeprägt hat, am ehestens erreichbar.

Zusammenfassend lässt sich also feststellen: Kunsttherapie ist in der Lage, ist aufgrund ihrer Bildorientierung geradezu prädestiniert, an der Wiedererinnerung der inneren Bilder wie der äußeren Verhaltensmuster, an deren Restituierung, Wiederherstellung, zu arbeiten – auch wenn man im Falle einiger Krankheitsbilder, beispielsweise des progredient erkrankten Alzheimer-Patienten, das Leiden nur mindern kann. Aber auch dieser Aspekt gehört zum Verständnis von Rehabilitation (Ritz 1992, 1620).

1.3.3 Kunsttherapie mit Schlaganfall-, Alzheimer- und Schädel-Hirn-Trauma-Patienten

■ Beispiel Schlaganfall:

„Der 70-jährige Herr K., der verwitwet im eigenen Haushalt in relativer Nachbarschaft zu seinen zwei Kindern lebte, litt seit einigen Jahren unter latentem Bluthochdruck und vorübergehenden Schwindelattacken, gepaart mit Kopfschmerzen und leichten temporären Gedächtnisstörungen. Als er eines Tages seit den frühen Morgenstunden Sehschwierigkeiten und vermehrte Schwindelgefühle hatte, ging er zu seiner Tochter. Dort erlitt er einen massiven linksseitigen Schlaganfall, der sich in einer plötzlichen, schlaffen Lähmung der gesamten rechten Seite sowie dem sofortigen Sprachverlust äußerte. Herr K. war nicht mehr fähig, sich zu äußern und konnte sich nicht mehr bewegen. Der herbeigerufene Hausarzt diagnostizierte den Schlaganfall.“ (Hülshoff 1996, 209)

Kunsttherapie mit Schlaganfall-Patienten dient der Rehabilitation der sensorischen, motorischen und psycho-sozialen Kompetenzen durch gezielte praktisch-bildnerische Übungen, Gestaltungen und Themenstellungen. Wie Kunsttherapie dabei vorgeht, wird im Folgenden am Beispiel der Aphasie nach einem Schlaganfall beschrieben. Dabei können folgende Störungsbilder auftreten:

• Der Patient verfügt u. U. bedingt über einen motorischen Ausdruck, auch den der Sprache, aber er kann sich selbst und andere nicht verstehen (= sensorische oder Wernicke-Aphasie).

• Der Patient versteht, möchte sich ausdrücken, vermag dies aber motorisch nicht, vor allem nicht sprachmotorisch (= motorische oder Broca-Aphasie).

• Der Patient verfügt nicht über seine Gedächtnisfunktionen, sie erscheinen wie blockiert. Er sucht nach Worten, bricht Sätze ab, äußert Paraphrasien (ähnliche Worte wie das beabsichtigte). Seine Merk- und Konzentrationsfähigkeit sind beeinträchtigt (= amnestische Aphasie).

• Der Patient kann nur noch ein paar wenige Worte und diese auch nur entstellt äußern. Er ist auf Sprachautomatismen angewiesen, ist „apraktisch“ sprachbehindert.

Die bildnerisch orientierte Rehabilitation begegnet diesen Störungen mit folgenden Strategien:

• Sie wird das Wort-Finden, das Benennen, das Bezeichnen, das Zusammenhängen von Bedeutungen, besonders das Assoziieren bildnerisch-ästhetischer Anmutungen pflegen – ohne den Patienten unter Druck zu setzen.

• Sie wird Worte, Sätze, Geschichten ergänzen, serielle Folgen, Bezüglichkeiten herstellen. Dabei empfiehlt sich beispielsweise folgendes Vorgehen (Wais 1990): Man kann dem Patienten einfache zeichnerische Muster vorlegen, auf denen zunächst nur gestrichelte Punkte oder Umrisse zu verbinden sind. Der nächste Schritt ist, Ergänzungen von unvollständigen Umrisszeichnungen anzuregen; schließlich Reihenfolgen von Bildern bestimmen lassen: Die Spielkarten „Vater und Sohn“ (Plauen 1982) können hierbei anregend sein. Wenn die Patienten der Zusammenhänge mächtig sind, könnten Versuche im Jeux Dramatiques mit kleinen Patientengruppen den spielerischen und spieltechnischen Hintergrund der Arbeit bieten (Weiss 1999): Einfache Geschichten werden hierbei vorgelesen, erzählt und nachinszeniert / -gestellt. Einfache Tücher dienen der Verkleidung, ein Kassettenrekorder steht für die Untermalung bereit, und die Patienten übernehmen kleine Rollenacts – wobei der therapeutische Begleiter laut anweisen, kommentieren darf, auch neue Rollen während des Spiels kreiert.

• Im Benehmen mit der Ergo- und Beschäftigungstherapeutin versucht die Kunsttherapeutin spielerisch und kreativ, also ohne den Leistungsdruck des Künstlerischen, die Sinne zu stimulieren (Dinge wahrnehmen, zeigen, berühren). Durch Gestalten mit unterschiedlich festem Material (vom warmen Wasser zum Kleister zum weichen Stoff / Samt zum Sand zum Gips zum Ton zum Zement) werden motorische Animationen eingeleitet, wenn möglich in dem erzählerischen Zusammenhang einer Geschichte, eines dem Patienten bekannten Märchens.

• Die Kunsttherapeutin wird versuchen, die sensorisch und motorisch geschädigten Regionen zu erfassen und sich ein Bild davon zu machen, welche Hirnareale tangiert sind. Sie wird nicht anders als die Ergo- und Beschäftigungstherapeutin versuchen, in den Restarealen Hirndurchblutungsmuster zu erzeugen – also die verbliebenen oder die dem geschädigten Gebiet benachbarten Hirnzellen zu aktivieren. Ästhetisch-basale Stimulation haben wir dieses Vorgehen genannt. Es lebt von der Hoffnung, alte Zellstrukturen wieder zu aktivieren bzw. mit ausgiebigem Training die alten, noch brauchbaren, oder neue Zellkomplexe zu verschalten. Mithilfe der genannten Gedächtnisstrukturen können die entsprechenden Zusammenhänge erarbeitet werden. Neuropsychologen konnten außerdem zeigen, dass das bloße Betrachten einer Handlung beim Betrachter zu ähnlichen neuronalen Verschaltungen führt wie beim Handelnden. Dieses Forschungsergebnis findet schon lange Anwendung in der Sport- und Arbeitspsychologie. Auch in der Kunsttherapie stützt man sich darauf, dass schon bloßes Zeigen, Zuschauen, Sich-Hineinversetzen neuronale Leistungen fördern kann.

Tab. 3: Der Schlaganfall – klinisch-diagnostische, psychosomatische und psychosoziale Phänomene


Klinisch-diagnostischPsychosomatischPsychosozial
Phänomene der Krankheitlat. Apoplex oder apoplektischer Insult; zerebrovaskuläre Erkrankung in den Formen:• ischämisch = ungenügend blutversorgt• aneurismisch = arteriell bedingte Hirnblutung;• oft transitorischischämisch, d. h. vorrübergehend blutversorgt = Vaskuläre Demenz vormals: Multi-Infarkt-Demenz (vgl. DSM-IV 290.4x)
Ursachen der KrankheitVerschluss oder Überflutung vonArterienverkalkung, Gefäßverengung bzw.Psychisch-körperliche Belastungen, Folge:
Hirnarterien; GefäßschädigungenGefäßdurchbruch, Bluthochdrucknegativ getönter Stress, Nikotin- und/oder Alkoholkonsum
Ansätze der BehandlungVerbesserung der gesichts-, hand- und körpermotorischen Fähigkeiten wie des Sprachverständnisses und -ausdrucksVerbesserung der Wahrnehmungs-, Erinnerungs- und Konzentrationsfähigkeiten

■ Beispiel Alzheimer-Erkrankung:

„5 Uhr morgens. Helen wacht immer um diese Zeit auf. Sie öffnet die Augen – aber sie sieht nichts. Alles ist schwarz um sie. Helen greift nach der Nachttischlampe, schaltet sie ein, aber es bleibt dunkel. Sind alle Sicherungen durchgebrannt? Helen blinzelt die Tränen weg und versucht, ihre Beklemmung zu unterdrücken. Je mehr sie ihrer Tränenflut Einhalt gebieten will, desto größer wird die Panik. Ihr Herz schlägt heftig. Gesicht und Hände sind schweißnass. Sie verspürt Übelkeit. Entsetzen erfasst sie. Helen ist blind. Sie schreit: ‚Hilfe, ich kann nicht sehen! Hilfe!‘ Die Nachbarn rufen die Ambulanz. Ein Rettungswagen bringt sie in die Notstation eines Spitals. Helen erhält eine Beruhigungsspritze gegen ihr Schreien. Innerhalb von zwei Wochen bekommt Helen einen Platz in einem Pflegeheim. Sie kennt weder Uhrzeit noch Ort, sitzt im Rollstuhl, ihr Kopf ist auf die Brust gesackt, die Augen sind geschlossen, die Hände schlaff, der Mund geöffnet, sie atmet kaum – ein lebender Leichnam.“ (Feil 1999, 42)

Methodische Ansätze einer bildnerisch orientierten Therapie mit Alzheimer-Patienten: Ähnlich wie beim Schlaganfall geht es in der Rehabilitation darum, die sensorischen, motorischen und psychosozialen Kompetenzen durch gezielte praktisch-bildnerische Übungen, Gestaltungen, Themenstellungen zu restituieren, kompensieren bzw. substituieren. Aber die Rehabilitation der an Alzheimer Erkrankten stellt auch spezifische Anforderungen:

• Die bildnerisch orientierte Rehabilitation wird neben den aphasischen Störungen besonders das semantische, also das Wissensgedächtnis für generelle Zusammenhänge ansprechen. Auch das episodische, also das bildhaft-emotional getönte Gedächtnis, in dem wir unsere typischen Kindheitserinnerungen aufbewahren, wird gefördert, und zwar in der Form von Bildvorstellungen, die früher stark emotional bewertet wurden und jetzt aufgesucht werden müssen. Mithilfe dieser Vorstellungsbilder kann die eingeschränkte Verbindung zwischen informationsspeicherndem und -abrufendem Kortex und dem emotional bewertenden limbischen System und Mandelkern unterstützt werden, damit die Wahrnehmungen nicht chaotisierend sind und in der Folge schließlich nur depressiv oder aggressiv beantwortet werden.

• Das Verfahren der Validation lässt im Anklang an die gesprächspsychotherapeutisch-empathische Methode Rogers’ die innere Erlebniswelt des dementen Menschen für wert gelten und nimmt sie ernst. Akzeptanz der Gefühle, mit eben diesen in Kontakt kommen, eindeutig sein, keine Empfindungen und Gefühle erpressen etc. sind Feils Ziele in der Alzheimer-Rehabilitation.

• Die katathym-imaginative Bildarbeit von Hanscarl Leuner, bislang eher bei neurotischen Erkrankungen angewandt, kommt zunehmend bei funktionellen Störungen des alternden Menschen in Betracht. Als katathym-imaginative Psychotherapie (KIP) gilt sie in der gerontopsychiatrischen Behandlung der Demenz zwar als kontraindiziert (Erlanger 1997). Das Verfahren der inneren Bild-Einstellung und dessen Erarbeitung kann aber auf niederem Niveau durchaus hilfreich sein, um das Episodische wieder zu erinnern – ohne die psychotherapeutisch-intendierten Methoden des ursprünglichen Verfahrens überanstrengen zu müssen.

• Mittels ästhetisch-basaler Stimulation kann man auch bei der Alzheimer-Erkrankung versuchen, mit bildnerischen Mitteln die Farben, Tönungen, Akzente, Formgebungen, auch die Stimmungen und Anmutungen des Lebens auszuskizzieren.

Tab. 4: Die Alzheimer-Erkrankung – klinisch-diagnostische, psychosomatische und psychosoziale Phänomene


Klinisch-diagnostisch Psychosomatisch Psychosozial
Phänomene der Krankheit • Die psycho-somatisch unabdingbare Aufeinanderverwiesenheit von Körper und Geist ist bewusstseinsmäßig und reflexiv nicht mehr verfügbar. Verwirrtheit ist folglich das wichtigste Symptom dieser Krankheit. Die Störung der menschlich wichtigen Exekutivfunktionen wie Planen, Organisieren und Abstrahieren bis zu deren Verlust macht teilweise bis total vom anderen und dessen Pflege abhängig. Das belastet die psychosoziale Beziehung, die in gewisser Weise infantilisiert wird. Bei anfänglicher Be wusstheit ist die Erkenntnis dieses Verfallsprozesses kränkend, selbst-bewusstseinsmindernd und ohnmächtig machend. Die zunehmende Abhängigkeit vom in der Regel jüngeren Pflege- und Therapie-personal schafft ein Generationenproblem, das sich psychisch in einer Abwertung der eigenen lebenslang erworbenen Erfahrung manifestiert.
Ursachen der Krankheit • m. E. genetisch bedingt und mit Down-Syndrom oft korrelierend (Chromosom 21) • schleichender Beginn, aber auch nach S-H-T oder anderen Hirnerkrankungen und -schädigungen • Unterversorgung des gedächtnisgarantierenden limbischen Systems und der Amygdala (Mandelkern) mit dem Neurotransmitter Acetylcholin • Störung der kortikallimbischen Strukturen und damit zuerst Ausfall des Kurzzeit-Gedächtnisses, dann des mittelfristigen Gedächtnisses Der „Gedächtnisverlust [. . .] bezieht sich im wesentlichen auf das semantische und vermutlich auch das episodische, weniger auf das prozedurale Gedächtnis“ (Pöppel 1994, 111). • Eine wesentliche Verringerung der Geschwindigkeit der Abläufe im Gehirn wird konstatiert (Pöppel 1994, 115). • Bewusstsein aber ist da, wo Sinneseindrücke als synchrone kodiert worden sind. (Wolf Singer, Meldung Max-Planck-Institut Frankfurt, 21.06.00) Der gedächtnisbedingte Verlust von zeitlicher und räumlicher Orientierung entkoppelt die Betroffenen von den Hier-und-jetzt-Bezügen, dissoziiert, depersonalisiert, derealisiert. Affekt- und Antriebsstörungen sind die Folge. Schon kleine Reize versetzen in Angst, Scham, Trauer, Wut und/oder Zwangslachen.
Ansätze der Behandlung • Realitäts-Orientierungs-Training (ROT) • Basale Stimulation (BS) • Ästhetisch-basale Stimulation (ÄBS) • Validation • Katathym-imaginative Bildarbeit (KB) • Mäeutik Die Behandlung hat das semantische oder Wissensgedächtnis besonders zu berücksichtigen: episodisch- bildhafte, emotionale Erinnerungen. Ästhetisch-basale Stimulationen können hilfreich sein. Das ROT, bes. aber die Validation nach Feil und die katathym-imaginativen Bildverfahren nach Leuner können die psychosozialen Beziehungen wieder anregen.

■ Beispiel Schädel-Hirn-Trauma

„Auf einer Tour in den Bergen stürzte Franz S. mit seinem Rennrad so unglücklich, dass er eine schwere Kopfverletzung erlitt und zehn Wochen lang bewusstlos war. Bei dem Unfall wurde ein großer Teil seiner Hirnrinde und der Nervenfasern, die Informationen in die Hirnrinde schicken, zerstört. Nach dem Unfall und dem wochenlangen Koma war für Franz S. nichts mehr wie früher. Er konnte nur schwer verstehen, was andere zu ihm sagten, und er konnte selber allenfalls einfache All-tags- und Funktionswörter sprechen. Bei komplizierten Wörtern brachte er nur Silbenfolgen heraus, deren Bedeutung nicht nachvollziehbar war. Er sprach eine Kunstsprache, zusammenhanglos und unverständlich. Eine solche Kunstsprache, die gekennzeichnet ist durch neu erfundene Wörter (sogenannte Neologismen) und daher wie ein unbekannter Jargon klingt, wird auch als Jargon-Aphasie bezeichnet. Aber obwohl das, was Franz S. mitzuteilen versuchte, völlig unverständlich war, trug er es doch in der üblichen Sprachmelodie vor. – Während die linke Gehirnhälfte für die Grammatik und das Verstehen der Sprache hauptverantwortlich ist, bestimmt die rechte Gehirnhälfte die Melodie der Sprache, die so genannte Prosodie, mit der wir unseren Gefühlen sprachlich Ausdruck verleihen, und die rechte Gehirnhälfte war ja bei Franz S.’ Unfall unbeschädigt geblieben. So konnte er mit seiner Kunstsprache anderen zwar keine Inhalte vermitteln, denn seine Worte waren nicht zu verstehen, doch er konnte seinen Gefühlen noch Ausdruck verleihen. Franz S. berichtet selber über seine Bemühungen, wieder Herr seiner Sprache zu werden: ‚Ich wollte lernen. In der Zeit, als ich auf der Intensivstation war, wurde bereits mit der Sprachtherapie angefangen, jeden Tag einige Minuten. Ich musste die Sprache neu lernen, und zwar ganz anders als ein Kind. Ich brauche achtzigmal, bis ich ein Wort drinnen habe. Es geht manchmal auch wieder weg . . . Ich arbeite in einem Archiv. Der Hauptgrund waren Bilder für . . .‘ – er sucht nach einem Wort. Dann spricht er weiter: ‚Es geht um Formulare. Die Bilder müssen auf Formularen beschrieben werden . . . die verschiedenen technischen Worte, die auch in den – jetzt finde ich das Wort schon wieder nicht.‘ ‚Welches?‘ ‚Das gleiche wie vorhin – Formular.‘ ‚Sie haben es gefunden.‘ Er nickt mit dem Kopf und sieht traurig aus . . . ‚Mein Gehirn ist wie ein Sekretär mit sehr vielen Schubladen mit Wörtern . . . Ich muss dann versuchen, eine große Schublade aufzumachen und dann die nächst kleinere. Und auf einmal bin ich in ‚Natur‘. In ‚Biologie‘ und dann bei ‚Blumen‘. Bei ‚Orchideen‘. . . .‘ Der Patient schildert also, wie er für sich eine Technik entwickelt hat, um Sachverhalte in seinem Gedächtnis aufzufinden.“ (Pöppel / Edinghaus 1994, 108f.)

Tab. 5: Schädel-Hirn-Trauma – klinisch-diagnostische, psychosomatische und psychosoziale Phänomene


Klinisch-diagnostischPsychosomatischPsychosozial
Phänomene der Krankheit• Ataxie: Störung der Koordination der Muskeln• Aphasie: Sprachstörung• Apraxie: Unfähigkeit sinngerichteter Bewegung/Handlung• Athetose: motorische Störung mit unwillkürlichen Schleuderbewegungen• Neglect: Ausfall einer Seite des Gesichtsfeldes• Koma: Zustand tiefer Bewusstlosigkeit (Apallisches Syndrom)• Amnesien (DSM-IV 294.4)Ähnliche Phänomene wie beim Schlaganfall:• Gedächtnisverlust; bei Wiederholung:• progrediente Demenz.• Der mögliche Zusammenhang mit Alkohol-/Drogenintoxikationen (risikofreudiges Verhalten) ist zu beachten.Fehlen von Erinnerungen (Amnesien), die in der Kommunikation extrem verunsichern; alles erscheint zweifelhaft, und Verunsicherung bis Argwohn bestimmen den sozialen Austausch; in der Folge oft posttraumatische Amnesien mit bleibenden Gedächtnisstörungen; mögliche Symptome: Aufmerksamkeits-defizite, Reizbarkeit, Ängste, Depressionen, Affektlabilität, Apathie, gesteigerte Aggressionen.Besonders schwierig ist für den S-H-T-Patienten die Akzeptanz des Geschehens mit allen seinen Folgen, bes. die Akzeptanz, dass der alte Körper- und Geisteszustand nicht in jedem Fall wiederhergestellt wird.
Ursachen der KrankheitUnfälle durch Zusammenstoß, Aufprall, Auffahren, SturzDie Läsionen, die in der Regel in der Nähe von Thalamus, Hippokampus und basalem Vorderhirnliegen, führen zu einer Unterbrechung der limbischen Schleifen, damit zur Amnesie/Gedächtnisverlust.Die Unterbrechung der kognitiven und gefühlsmäßigen Konnotationen führt zu einer psych-sozialen Verwirrung: Die erkannte Person vermittelt nicht mehr die gewohnten kognitiven/emotio nalen Bedeutungen.
Ansätze der BehandlungZunächst intensivstationäre Behandlung, sehr bald Logopädie, Krankengymnastik, Ergotherapie, Kunst- und MusiktherapieIn Anlehnung an die Funktionsstörungen der verschiedenen Gedächtnisformen: episodisch, semantisch, prozedural, Priming.Die apraktischen, ataktischen und athetotischen Störungen erfordern Hilfestellungen bei den prozeduralen Gedächtnisfunktionen.

Methodische Ansätze einer bildnerisch orientierten Therapie mit S-H-T-Patienten:

• Solange der Patient im Koma liegt, kümmern sich Pfleger, Physiotherapeuten und Ergotherapeuten um die Grundversorgung des Patienten (Körperlage, Körperbewegung, Reinigung und Animation des Mund- und Schluck-Traktes, Verabreichung flüssiger Nahrung, Stimulation der haptisch-taktilen, der vestibulären und der propriozeptiven Sinnessysteme etc.). Sinnes- und Körperstimulation sollen vermittels der Regulation des Körpertonus das Wachwerden, die Aktivierung der zentralen funktionalen Hirnstrukturen anregen. Eine wichtige Rolle als Schaltstelle der Gedächtnisfunktionen spielt dabei das limbische System. Es soll mit allen emotional-getönten Sinnesmitteln erreicht, animiert werden. In Pumppressuren wird der Körper durchgeknetet, wird er gedreht, hingesetzt, gestellt, wird der Blick stabilisiert. Vor allem müssen die affektiven Tönungen unserer Welt-Wahrnehmung wieder zugänglich gemacht werden. (Feuereissen, 1998)

• Ist der Patient aus dem Koma erwacht und bei Bewusstsein, kann man mit einem umfangreichen Therapie-Programm in der Früh-Rehabilitation beginnen: Der Patient wird mithilfe des stufig angelegten Wahrnehmungskonzepts von Affolter sinnesstimulativ begleitet. a) Die Sinne werden je nach ihrer Art, also modal, trainiert: Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Spüren. b) Die intermodale Verschaltung der Sinneswahrnehmungen wird animiert: Hören-Sehen, Sehen-Greifen etc. c) Die Sinneszusammenhänge in ihren komplexen Kombinationen werden wieder geübt. d) Ganze Reaktions- und Handlungsketten werden ausgelöst: den Apfel sehen, ihn ergreifen, das Messer ertasten, heranholen, es aufsetzen und in den Apfel einschneiden etc., natürlich am Schluss etwas auf der Zunge (mehr geht noch nicht) lustvoll zergehen lassen – zur Stimulierung des limbischen Systems.

• Neben der ästhetisch-basalen Stimulation kommen auch ergotherapeutisches Schlucktraining, neuropsychologisches Computertraining, das per Sensor den Computer mit dem Mund zu bedienen trainiert, zum Einsatz. Dabei dürfen die Formen des medialen und spielerischen Stimulierens nicht unterbewertet werden, die doch zu den Verfahren der Leistungs- und Funktionsertüchtigung ein heilsames, da entspannendes Gegengewicht darstellen. Bilder, Sprichwörter, Lieder helfen, an die alte und neue Welt wieder anzudocken (Feuereissen 1998).

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530 стр. 68 иллюстраций
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9783846346105
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