Читать книгу: «Quadriga-Liebe», страница 4

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Eine halbe Stunde später sind wir unterwegs Richtung Hiddensee. In Schaprode stellen wir das Auto ab und nehmen die Fähre nach Vitte. Von dort machen wir einen Spaziergang zum Restaurant Buhne XI, das ich schon im Hotel gegoogelt hatte. Im Auto, auf der Fähre und auch beim Spaziergang kommen immer wieder Nachrichten auf Manuelas Handy, sie schaut kurz drauf, antwortet manchmal, aber immer so, dass ich nichts lesen kann. Im Restaurant spreche ich sie dann drauf an und frage: „Wer schreibt dir denn so viel?“ „Meine Mutter.“ „Ist was passiert?“ „Nein, sie will halt wissen, was wir so machen und wie es uns geht.“ „Zeig mal.“ „Wieso, das ist doch nicht wichtig.“ „Ich würde es aber gern sehen!“ „Das interessiert dich doch sonst auch nicht.“ „Sonst bleibst du auch nicht eine ganze Nacht weg.“ „Ach, du kannst einem alles verderben.“ „Ich? Ach. Was verderbe ich? Die Kommunikation mit deiner Mutter?“ „Ich finde, du bist äußerst misstrauisch.“ „Und ich finde, du bist äußerst unehrlich.“ Das Essen wird gebracht und wir kauen schweigend. Das heißt, ich kriege kaum was runter. Dabei sieht der Fisch sehr gut aus. Ich frage sie: „Meinst du, du kannst gleich zurückfahren? Ich würde gern noch ein Bier trinken.“ „Ja, ich denke, das wird schon gehen, und ich bleib heute bei Wasser.“ Also bestelle ich mir ein großes Bier und dann noch eins. Danach fühlt sich mein Magen besser an.

Auf dem Rückweg zur Fähre kommen wieder ein paar Nachrichten, aber sie schaut sie nicht an und beantwortet sie auch nicht. Ich tu auch so, als hätte ich das nicht mitbekommen. Erst auf der Fähre, wo ich eines der Biere wieder wegbringe, sehe ich auf dem Rückweg, dass sie schreibt wie wild. Jetzt reicht es mir und ich beschließe, ich muss handeln. Ich komme zum Platz zurück und sage zu ihr: „Es gibt zwei Möglichkeiten: Du zeigst mir die Konversation mit deiner Mutter oder ich fahre heute Abend nach Hause.“ „Was soll das jetzt? Spinnst du? Du kriegst mein Handy nicht. Schon aus Prinzip.“

Ich sage kein Wort mehr, sondern suche mir im Auto eine Zugverbindung nach Hamburg und packe im Hotel wortlos meinen Koffer.

17. Marie

Eigentlich hatten ihre Eltern sie Marie-Luise getauft und in der Schule hatte man sie nur Mary Lu gerufen. Dann war sie zum Studium nach Hamburg gegangen und als Marie zurück nach Münster gekommen. Jetzt saß sie gerade in ihrer Wohnung, ihr Sohn Bosse schlief und sie dachte darüber nach, wie sie ihren 30. Geburtstag feiern sollte. Letztens war sie mit ihrem Freund Bernd mal im Club „Walk of Fame“ gewesen und dort hatte es ihr gut gefallen. An den Wänden hingen Bilder, die nach geschlossenen Gesellschaften aussahen. Sie hatte auch schon gefragt und erfahren, dass sie dort eine Geburtstagsparty feiern konnte. Also, der Ort war schon mal klar, Getränke lieferte der Club, Essen musste man selbst organisieren. Bernd hatte sie für verrückt erklärt, als sie meinte, der Club sei so groß, sie wolle 100 Leute einladen. Jetzt saß sie vor einem leeren Blatt Papier und wollte sich die Gäste notieren.

Als Erstes fiel ihr Sven ein, mit dem sie während ihres Studiums in Hamburg eine kurze Beziehung gehabt hatte. Genau genommen war es ein langes Wochenende auf Sylt gewesen, wo Sven Fotos machen wollte, und sie gefragt hatte, ob sie mitkommen wolle. Da sie Sven nett fand und seine lockere Art mochte, hatte sie zugesagt und war gern mitgefahren. Es waren ein paar tolle Vögeltage geworden, wie sie nachher immer zu sagen pflegte. Denn Sven hatte nicht nur Vögel fotografiert …

Aber danach hatten sie sich aus den Augen verloren. Kurze Zeit später war Sven für eine längere Fotoreise nach Südafrika aufgebrochen und sie war nach Münster zurückgegangen und hatte angefangen, Italienisch und Mathematik an der Marienschule zu unterrichten. Das ist ein bischöfliches Gymnasium mit 100-jähriger Geschichte und entsprechend traditionell geht’s dort auch zu.

Sven wollte sie unbedingt einladen, denn er kam immer noch in vielen ihrer Träume vor, obwohl die Affäre schon fünf Jahre her war. Bernd gehörte auch dazu, obwohl sie nicht mit ihm verheiratet war. Sie teilten sich die Erziehung ihres gemeinsamen Sohnes, aber zusammen leben wollten sie nicht. Dazu waren sie zu verschieden. Dann musste sie diverse Kolleginnen und Kollegen von der Schule einladen, also Babsi, Marlene, Uschi, Franz, Manuel usw. Damit käme sie auf etwa 20 Personen. Sollte sie auch Verwandte einladen? Ihre Eltern, ihren Bruder. Ach ja, und Tina und ein paar andere aus Hamburg, die sie auch aus der Studienzeit kannte. So käme sie also auf etwa 30 Gäste, was für den 30. Geburtstag vielleicht auch besser war als 100. Da hatte Bernd recht gehabt.

Sie vervollständigte die Liste und dachte über ein Motto für den Abend nach. Sie war am 17. November 1989 geboren, also kurz nach der Maueröffnung. Sollte sie irgendwie daran anknüpfen? Wall of Shame im Walk of Fame? Das könnte gehen. Aber so richtig gefiel ihr das noch nicht. Zumindest würde sie jetzt schon mal den Klub am 16. November reservieren. Es war toll, dass das ein Samstag war, denn dann konnten sicher viele an der Party teilnehmen und mit ihr in den Geburtstag hineinfeiern. Sie musste auch an ein paar Übernachtungsmöglichkeiten denken. Sven könnte ja vielleicht bei ihr schlafen, wenn sie Bosse bei ihrer Nachbarin unterbringen würde. Aber andere auswärtige Gäste brauchten ein Hotelzimmer. Darum wollte sie sich morgen kümmern. Und das Essen? Catering Service von wo? Vielleicht könnte die eine oder andere Kollegin auch etwas mitbringen. Das müsste sie in der Schule mal ansprechen. Sie musste auch bald die Einladungen verschicken, damit alle rechtzeitig Bescheid wussten und möglichst viele bzw. genau 30 dabei wären. Was sollte da alles hinein und wie sollte die aussehen? Bernd kannte eine Druckerei und hatte angeboten, dass die Karten dort gedruckt werden könnten. Also schaltete sie ihren Laptop ein und fing an, in Power Point einen ersten Entwurf aufzusetzen.

18. Leo

Die Nacht ist kurz und unruhig. Ich bin sehr schnell eingeschlafen und fühle mich unheimlich wohl, so nah an Lucys warmen, weichen Körper geschmiegt. Kein Stück Stoff ist zwischen uns. Haut an Haut ins Land der Träume. Wie wunderbar! Aber sie kann nicht schlafen. Zuerst flüstert sie: „Bitte kannst du mal nachsehen, ob das wirklich die Katze ist?“ Ich muss kurz überlegen, was ich tun soll, denn ich weiß ja, dass es nicht die Pepi ist. Also versuche ich sie zu beruhigen: „Die geht gleich wieder. Die ist öfter hier und ein bisschen nachtaktiv. Komm, versuch zu schlafen.“ Nur gefühlte fünf Minuten später: „Leo bitte, was ist das? Das ist doch hier im Haus.“ ‚Oje, jetzt sitz ich in der Patsche! Wenn ich ihr gleich sage, dass das eine Maus ist, die aus der Falle fliehen will, lyncht sie mich, weil ich vorher gelogen habe. Und wenn sie selber die Falle mit der Maus findet, bin ich auch fällig.‘ Ich möchte auch noch ein bisschen schlafen, kann kaum die Augen offenhalten. Um fünf Uhr müssen wir aus den Federn. In zwei Stunden! Ich beschließe, es ihr zu sagen, damit hier bald Ruhe ist: „Lucy, bitte sei nicht sauer, ich muss dir was sagen. Ich habe in der Speisekammer eine Mausefalle aufgestellt, da sitzt jetzt sicher so ein armes Vieh drin und will raus. Morgen früh …“ Den Satz kann ich nicht zu Ende sprechen, denn sie springt wie von der Tarantel gestochen aus dem Bett und schreit mich an: „Waaas? Eine Maus!!! Bist du von allen guten Geistern verlassen? Du lässt mich mit Mäusen unter einem Dach schlafen?!“ Ich bin gerade sehr froh, dass meine Eltern nicht zu Hause sind. Die Töne in dieser Frequenz wären sicher bis hinübergedrungen! „Beruhige dich bitte! Das ist doch nur eine kleine Maus. Noch dazu in einer Falle“, versuche ich sie zu bändigen. Aber sie ist äußerst aufgebracht. Plötzlich hält sie inne und sagt in ganz normalem Ton: „Du verarschst mich doch, oder? Ich nerv dich, weil du schlafen willst, und deshalb erzählst du mir hier eine Geschichte.“ Da bin ich platt. Was soll das jetzt? Langsam komme ich in Rage. „Komm mit“, fordere ich sie auf. Und sie geht mit in Richtung Küche. Wortlos öffne ich die Tür zur Speis und zeige auf die Falle in der Ecke. Da sitzt es tatsächlich, das kleine, zierliche Nagetier, und schaut uns erschrocken an. Ich will mir schon die Ohren zuhalten, weil ich mit einem Aufschrei rechne, aber Lucy macht nur einen großen Satz zurück und verschwindet im Schlafzimmer. Ich schließe die Tür und folge ihr. Sie sitzt splitternackt, mit angewinkelten Beinen, die Knie mit den Armen umfassend, auf dem Bett und ist den Tränen nah. „Warum hast du mir das nicht gesagt? Ich hasse Mäuse. Mich ekelt es davor! Mäuse sind schmutzig und lästig … und überhaupt …“, brabbelt sie. „Oh Mann, Lucy, das konnte ich doch nicht wissen! Schon gar nicht bei deinem Spitznamen. Außerdem dachte ich, dass keine mehr in die Falle gehen wird. Ich war fast sicher, dass alle weg sind“, rechtfertige ich mich. Aber das macht wenig Eindruck. Ich habe großes Glück, dass sie jetzt auch von der Müdigkeit überwältigt wird. Und so kann ich sie überreden, trotzdem bis zum Morgen zu bleiben. Anderthalb Stunden bleiben uns noch zum Schlafen, was wir nach dieser Aufregung auch tun. Ich muss Lucy nur versichern, dass alle Türen im Haus zu sind.

Der Wecker war schon immer mein persönlicher Feind, aber diesmal würde ich ihn am liebsten durch das geschlossene Fenster schleudern. Auch Lucy zieht sich noch mal die Decke über den Kopf. Doch es nützt nichts, wir müssen raus. Obwohl ich ein super liebevolles Frühstück zubereite und mich wahnsinnig bemühe, die Geschehnisse der Nacht zu übergehen, herrscht eine Spannung zwischen uns, die nichts mehr mit jener beim Chatten zu tun hat. Eiseskälte umspielt Lucys Gesicht. „Schade“, unterbreche ich die Stille, „der Abend war so schön und ich hab ihn zerstört. Kann ich das irgendwie wiedergutmachen?“ Ich nehme ihre Hand in meine und will sie küssen. Lucy zieht ihre Hand zurück und meint nur: „Der Abend war wirklich gelungen und sehr romantisch. Aber wenn ich daran denke, dass ich mit Mäusen in einem Haus geschlafen habe, wird mir kotzübel. Hierher komme ich erst wieder, wenn du mir versichern kannst, dass die Viecher weg sind!“ Mühevoll versuche ich ihr klarzumachen, dass dies ein altes Haus ist. Auch wenn ich es jetzt schaffe, dass alle weg sind, kann sich doch in ein paar Wochen oder Monaten die nächste Mäusefamilie hierher verirren. ‚Da haben wir jetzt wohl ein echtes Problem.‘

19. Lydia

Als ich gegen elf nach Hause komme, sitzen Lisa und Wolfgang wieder in der Küche bei einem Glas Wein und babbeln miteinander. „Wie war dein Date heute?“, fragt Lisa. „Ganz nett, aber jetzt bin ich geschafft und geh schlafen. Gute Nacht.“ Im Bett fühle ich mich doch nicht so müde und schnappe mir noch mal den Laptop. Schaumer amal, ob ich bei „Anno 1800“ weiterkomme. Ein paar weitere Arbeiter und eine neue Landschaft erschaffen und dann poppt plötzlich eine Werbung auf: #gamescom2019 – Eine Woche voller Highlights. Ich klicke auf das Trailer-Video und denke beim Anschauen, da wollte ich doch immer schon mal hin. Also plane ich das diesmal wirklich. Gesagt, getan. Ich suche mir Zug und Hotel heraus, finde zum Glück sogar noch ein recht günstiges Zimmer in Köln-Deutz, nur ein paar Hundert Meter vom Bahnhof und von der Messe entfernt. Gut, dass ich so früh dran bin, denn bis zu besagtem Ereignis sind es noch vier Monate.

In den nächsten Tagen vermeide ich den Kontakt zu Frank, aber nach etwas mehr als einer Woche ruft er mich nachmittags an. „Lust auf einen Kaffee bei Starbucks am Odeonsplatz?“ „Ja, aber bitte etwas später, muss grad dringend etwas fertig machen. Wie wär’s zum Feierabend gegen sechs?“ „Ja, passt, treffen wir uns dort. Bis dann.“ Als ich in der Bahn sitze und die Lichter in den Tunneln wie Sterne an mir vorbeihuschen, freue ich mich, ihn zu treffen und ein wenig mit ihm zu plaudern. Nachdem die Fronten geklärt sind, wird es sicher ein nettes Gespräch.

Ich bin etwa 15 Minuten zu spät und Frank ist schon da. Er hat einen großen Latte macchiato vor sich stehen. Ich bestelle mir einen Caramel macchiato und gehe zu ihm an den Tisch. „Wie war dein Tag heute?“, fragt er gleich zu Beginn und die ersten Minuten vergehen mit Arbeitsblabla. Dann kommt er zu der Frage, die ich schon erwartet habe: „Hast du noch mal über uns nachgedacht?“ „Ja, hab ich. Und ich bin weiter der Meinung, dass wir Freunde sein können, aber mehr nicht. Wenn du das auch willst, freue ich mich. Wenn du aber immer wieder einen Versuch machst, mich doch zu mehr zu überreden, dann geht das mit der Freundschaft nicht und wir werden uns nicht mehr treffen.“ Er schaut etwas bedeppert und ich sehe ihm die Enttäuschung an. „Okay, hatte schon befürchtet, dass du das sagen würdest. Dann werde ich mich damit abfinden und wir versuchen es, so wie du vorgeschlagen hast. Vielleicht können wir uns ja zuerst mal gelegentlich auf einen Kaffee treffen wie heute.“ „Ja, wir können auch mal abends in einen Club gehen, wenn es nicht unbedingt Techno sein muss.“ „Na, da kannst du gern mal was vorschlagen.“

Ich erzähle ihm, dass ich im August zur Gamescom nach Köln möchte, und er sagt begeistert, er muss da auch hin. Hat ein paar Termine mit Lieferanten von Medienerzeugnissen. Vielleicht könnten wir zusammen fliegen und dann abends in Köln weggehen. Als ich ihm meine geplante Reisezeit nenne, stellt sich heraus, mein erster Tag ist schon sein letzter. Also können wir nur einen Abend zusammen in Köln etwas unter­nehmen. „Nun, immerhin, dann buche ich meinen Rückflug erst am nächsten Morgen“, sagt er mit einem schelmischen Lächeln. Ich sehe schon wieder die Herzchen in seinen Augen.

20. Tina

Seit unserem Erlebnis im Parkhaus treffen wir uns fast schon regelmäßig. Allerdings meistens bei mir zu Hause, manchmal unternehmen wir etwas zusammen. Markus wohnt in einer WG mit zwei Mädels und seinem Freund. Da ist es schwierig mit Besuchen. Die Damen mögen das gar nicht.

Andreas habe ich in einer freundlichen Nachricht geschrieben, dass ich jemand anders kennengelernt habe. Es sei sehr nett gewesen, mit ihm zu chatten, aber das gehe jetzt nicht mehr. Ben gegenüber bin ich wirklich freundschaftlich gesinnt und wir schreiben uns manchmal immer noch. Markus wäre gern noch öfter mit mir zusammen, aber meine Arbeit nimmt doch sehr viel Raum in meinem Leben ein. „Von nichts kommt nichts“, pflege ich dann immer zu sagen, „ich muss mir meine Brötchen verdienen.“ Daher bleibt uns hauptsächlich das Wochenende. Einmal die Woche schaffe ich es meist, früher aufzuhören, dann geht auch noch was.

Markus hat wesentlich mehr Freizeit zur Verfügung. Als ich ihn bei unserem ersten Treffen von dem großen Autohaus abholte, dachte ich, er sei dort als Autoverkäufer tätig oder für die IT zuständig. Er machte einen sehr gepflegten Eindruck. Es dauerte einige Zeit, bis er mir erzählte, dass er in der Werkstatt arbeitet und die Autos repariert, Service durchführt und bei Überstellungen hilft. Ehrlich gesagt, hätte ich mir einen Handwerker anders vorgestellt. „Das ist bei uns gar kein Problem. In der Firma haben wir einen großen Umkleideraum mit Duschmöglichkeit. Also kann ich mir locker gleich nach der Arbeit ein Date ausmachen und sehe nicht aus wie ein Schrauber, wenn ich aus der Werkstatt komme“, teilte er mir belustigt mit, als ich ihm meinen Eindruck schilderte.

An einzelnen Tagen wird es bei ihm auch etwas später, aber in der Regel endet seine Arbeitszeit um 18:00 Uhr. Klar, er könnte nach dem regulären Dienst öfter Überstunden machen, hat aber wenig Interesse daran. Seine Freizeit ist ihm wichtiger. Er lässt hier gern den Familienvätern den Vorrang, die auch mehr Geld brauchen, meint er.

Heute ist Samstag und wir überlegen, wo wir den Abend verbringen wollen. „Markus, was hältst du davon, wenn wir einmal richtig fein essen gehen? Immerhin ist heute unser zweiter Monatstag!“, versuche ich ihn am Telefon zu motivieren. Seine Denkpause verrät erst einmal keine große Begeisterung, er überlegt. Aber er will mir zur Feier des Tages eine Freude machen und fragt, ob ich denn ein gutes Lokal kenne. Im „Au Quai“ an der Elbe war ich schon lange nicht, das wäre doch wieder einmal nett. „Ich reserviere gleich einen Tisch für zwei und hole mein schickes dunkelblaues Cocktailkleid aus dem Schrank“, sage ich ihm, damit er gleich weiß, was er anziehen soll. „Ich hol dich um halb sieben ab!“

Pünktlich bin ich bei ihm und staune, wie elegant er in seinem dunklen Anzug aussieht. Eine Augenweide, der Mann! ‚Das wird ein gelungener Abend!‘ Im Restaurant begleitet uns der Kellner zu unserem Tisch an der langen Glasfront. Der Ausblick auf die Elbe und die riesigen Kräne im Hafen ist beeindruckend, genau wie die edle Einrichtung des großen, lichtdurchfluteten Saales. Besonders originell, die rosa Ledersessel. Ich bin entzückt. Markus ist eigenartig ruhig. Ich vermisse seine Scherze und sein süßes Lachen. Er fühlt sich hier sichtlich nicht annähernd so wohl wie ich. Wir studieren erst mal die Karte. Weil ich merke, wie unsicher Markus ist, bestelle ich für uns beide Sekt als Aperitif und für nachher Wein und Wasser. Als er die Preise in der Speisekarte sieht, wird er richtig verlegen und flüstert mir zu: „Tina, das ist mir jetzt peinlich, aber du hättest mir sagen sollen, WIE fein der Laden ist. Ich fürchte, dafür hab ich nicht genug Geld mit. Kannst du das heute auslegen und ich geb es dir morgen zurück?“ Da ist mir bewusst, dass ich Markus überfordert habe. Sieht so aus, als kämen wir aus zwei verschiedenen Welten. Ich versuche zu überspielen, dass mir das unangenehm ist, und antworte: „Na klar, ich hab meine Karte mit. Komm, lass uns den Abend genießen. Magst du Meeresgetier? Hier sind sie Meister in Sachen Fisch.“

Das Essen ist himmlisch, der Wein ein Traum und Markus wird dann doch wieder lockerer. Zum Schluss ist er begeistert: „Die Portionen sind hier nicht besonders groß, aber sie sehen toll aus und schmecken ausgezeichnet! Danke für den schönen Abend!“

Ich bringe Markus nach Hause, weil ich weiß, dass er am Sonntag sicher viel länger schlafen möchte als ich. Außerdem will ich noch mit Klara telefonieren. Ich brauche dringend einen Rat. Sie ist noch wach und hat auch um Mitternacht noch ein offenes Ohr für ihre Freundin …

21. Sven

Das war’s dann also mit Manuela. Kehren wir wieder zum Singleleben zurück. Gut, dass ich mit Klaus einen guten Freund habe, mit dem ich mich gleich am Samstagabend treffen und ihm meine Situation erklären kann. In der Kneipe Fritz Bauch können wir die ersten Jever noch draußen reinschütten, bevor es gegen neun zu frisch wird und wir nach drinnen wechseln. Klaus ist mein ältester Kumpel und er ist an dem Abend ein geduldiger Zuhörer.

Gegen Mitternacht, nach dem zehnten Bier oder so, kommen wir beide zu dem Schluss, dass es besser ist, allein zu sein. Klaus übt das schon seit zwei Jahren, nachdem seine Beziehung mit der knallblonden Silvia zu Ende war. Damals hatte ich ihn getröstet und jetzt schwärmt er mir vor, wie schön das Singleleben sein kann. „Du kannst mit mir ein Bier trinken, wann du willst, ohne dass du vorher dafür um Erlaubnis bitten und dir nachher Vorwürfe anhören musst, warum du betrunken nach Hause kommst.“ Da fällt mir ein Spruch des Kabarettisten Markus Krebs ein: „Meine Freundin fragte mich: Musst du immer besoffen nach Hause kommen? Nä, ich will.“ Gegen zwei, als unsere Sprache eher zum Lallen geworden ist und der Wirt so langsam schließen will, wackeln wir beide nach Hause. Klaus ist so nett, mich bis zur Haustür zu begleiten, und wankt dann selbst in seine Bude zwei Straßen weiter.

Am Sonntagmittag klingelt mein Handy und als ich die Augen aufschlage, sehe ich, dass Manuela anruft. Darauf hab ich jetzt keine Lust und ignoriere das störende Geräusch. Um vier, nach drei starken Kaffees, schalte ich die Mailbox ein und höre ihre Nachricht: „Du Sven, es tut mir leid. Ich war ziemlich blöd zu dir. Gibst du mir die Chance, es zu erklären? Bitte!“ ‚Na, so was‘, denke ich, ‚jetzt will sie mir alles gestehen.‘ Ich beschließe, dass das ein paar Tage Zeit braucht, und sende ihr eine WhatsApp:

Hallo Manuela,

Deine Erklärung muss bis nächsten Freitag warten, fühle mich heute nicht in der Lage, das zu verdauen. Lass uns am Freitag um 19 Uhr essen gehen. Da können wir reden. Gruß Sven.

Kurz darauf schreibt sie zurück:

Lieber Sven,

sehr schade, ich wollte es Dir gern heute sagen. Aber ich akzeptiere Deinen Vorschlag. Freitag um sieben in der Schlachterbörse. Ich reserviere einen Tisch. Bis dann.

Und schon wieder nimmt sie das Ruder in die Hand, bestimmt das Lokal und reserviert gleich. Ich seh schon, das wird kein langer Abend.

Ich komme bewusst etwas später am Freitag, obwohl das sonst nicht meine Art ist. Sie springt auf und will mich umarmen und küssen. Das blocke ich ab und sage: „Lass uns was bestellen und reden. Dann sehen wir weiter.“ Ein bisschen bedröppelt setzt sie sich wieder hin und sagt erst mal nichts. Wir bestellen Steak und Bier und als der Kellner die Getränke bringt, fängt sie an, vom letzten Wochenende zu reden. „Ich war nicht ganz ehrlich zu dir. Bei den Leuten, die ich an der Bar getroffen habe, war ein Mann, den ich nett fand, und er mich auch. Er ist etwas älter und verheiratet, aber sehr charmant. Wir sind dann gegen Mitternacht wirklich noch zu viert weggefahren, aber danach sind wir zu ihm ins Zimmer und ich habe mit ihm geschlafen. Morgens ist mir dann mein Fehler bewusst geworden und es tut mir unendlich leid. Ich hoffe, du kannst mir verzeihen.“ „Und, hast du ihn danach noch mal wiedergesehen?“ „Ja, als du weg warst, haben wir uns noch mal getroffen und am Sonntag sind wir beide nach Hause zurück.“ „Und seitdem kein Kontakt?“ „Er schreibt mir ab und zu Nachrichten, dass er mich wiedersehen will, aber ich will das nicht.“ „Und jetzt erwartest du von mir, dass ich das einfach so wegstecke?“ „Ich weiß, dass das schwer ist, und ich bitte dich noch mal um Verzeihung. Sag mir, was ich tun kann, dass es wieder so wird wie vorher.“

Unser Essen wird gebracht und wir schweigen uns an beim Kauen. Ich sehe in ihren Augen, dass sie sich Sorgen macht und offensichtlich auch geweint hat. Aber es hilft nichts, ich bin zu sehr verletzt. Einerseits, weil sie mich betrogen hat. Aber schlimmer finde ich, dass sie es nicht gleich zugegeben hat und dann, nachdem ich weg war, noch mal bei ihm Trost gesucht hat oder was auch immer. Vielleicht hat sie den Schuss Glückshormone gebraucht, weil sie mit mir eh nicht mehr zufrieden ist. Ich entscheide also spontan, dass ich ihre Entschuldigung nicht akzeptiere. Nach dem letzten Bissen sage ich zu ihr: „Tut mir leid, aber ich kann deine Affäre nicht einfach vergessen. Ich glaube, wir waren eh schon auf einem Trip des Auseinanderlebens. Erinnere dich daran, dass wir den Ausflug nach Rügen gemacht haben, um mehr Zeit füreinander zu haben und wieder näher zueinander zu finden. Und dann schmeißt du dich gleich einem anderen Kerl an den Hals. Auch wenn er noch so nett und charmant war, verstehe ich nicht, dass du ihn dann noch mal wiedergesehen und wahrscheinlich auch wieder mit ihm gevögelt hast. Das halt ich nicht aus. Ich denke, wir beenden das hier. Ich gehe jetzt und das Essen geht heute auf dich. Mach’s gut.“

Ich stehe tatsächlich auf, nehme meine Jacke und lasse sie allein sitzen. Draußen staune ich über meinen Mut und auf dem Heimweg rinnen mir die Tränen herunter. Aber ich weiß, es war richtig. Aus uns wär eh nichts geworden.

In meiner Wohnung warten mein Computer und ein paar Flaschen Jever auf mich. Ich schalte den Laptop ein und sehe eine erfreuliche Mail von meinem Redakteur beim NDR. „Hallo Sven, kannst Du Dir bitte den Zeitraum vom 20. bis 23. August freihalten? Ich möchte, dass Du mit einem Kollegen oder einer Kollegin zusammen von der Gamescom berichtest. Über das Format und das Team sprechen wir noch. Schönes Wochenende.“

22. Leo

Das Erlebnis von letzter Woche musste Lucy erst einmal verdauen. Und wenn man es genau nimmt, ich auch. Wir haben daraufhin die ganze nächste Woche nur Nachrichten geschrieben und ab und zu telefoniert. Ich habe es vermieden, das Thema noch mal anzusprechen, fürchtete ich doch, dass sie sagen könnte: „Das war’s mein Lieber! Lassen wir es besser bleiben und jeder geht wieder seiner Wege.“ Ich mag sie sehr und könnte mir durchaus auch mehr vorstellen. Aber die Tatsache, dass es bei mir manchmal auch eine Maus zu sehen geben könnte, kann ich nicht ändern. Also müsste ich aus dem Haus ausziehen und zu ihr übersiedeln. ‚Will ich das? … Will sie das? … Ist das nicht viel zu schnell?‘ Alles Fragen, die wir klären sollten. Aber ich weiß nicht, wie ich das anfangen soll. Lucy hält jedenfalls auch mit dem zurück, was ihr auf den Lippen brennt. Das spüre ich bei unseren Telefonaten. Sie ist manchmal so kurz angebunden, dass ich denke, jetzt platzt es gleich aus ihr heraus. ‚Wir müssen uns wieder treffen und dann schaffen wir Klarheit.‘

Ich sitze gerade im Teammeeting, bei dem die Aufgaben für den nächsten Sprint verteilt werden, als mein Handy vibriert. Eine Nachricht von Lucy:

Hallo Leo! Du fehlst mir! Wollen wir uns heute Abend treffen? In der Pizzeria vielleicht? Wann bist Du denn heute fertig?

Da ist sie ja, meine Chance, die Situation zu klären! In der nächsten Pause antworte ich ihr und sage zu. Um 18:00 Uhr kann ich die Firma verlassen und mache mich gleich auf den Weg zur Pizzeria, in der wir uns bereits öfter getroffen haben. Sie ist schon da und hat unseren fast schon gewohnten Platz besetzt. Ich begrüße sie mit einem gehauchten Kuss und nehme über Eck Platz, um nicht zu weit weg von ihr zu sitzen. Wir bestellen zwei Gläser Frascati und zweimal Pizza, und nach einer unangenehmen Schweigeminute beginne ich das unausweichliche Gespräch: „Lucy, ich glaube, wir sollten miteinander reden. Ich habe das Gefühl, dir geht es nicht so gut seit deinem letzten Besuch bei mir zu Hause. Stimmt’s?“ „Da hast du recht“, gibt sie zu und senkt bedrückt den Kopf. „Das war eine sehr unangenehme Situation und es tut mir leid, dass ich so hysterisch war. Es ist aber so, dass ich beim nächsten Mal wieder genauso reagieren würde. Das weiß ich. Ich halt diese Viecher nicht aus. Wie gesagt, mich ekelt davor. Was sollen wir nur tun? Oder besser – was können wir tun?“ Es ist Gott sei Dank ein friedliches Gespräch, sachlich und fair geführt, also richtig lösungsorientiert, wie mein Chef sagen würde. Ich mache ihr keinen Vorwurf, dass sie überreagiert hätte, und sage ihr sogar, dass ich Verständnis für ihr Unbehagen habe. Beides nicht ganz ehrlich, aber für sie sicher besser zu nehmen. „Mein Problem ist nur“, ergänze ich, „ich wohne in einem alten Haus, in dem ich es nicht verhindern kann, dass sich ab und zu kleine Lebewesen verirren. Die einzige Lösung wäre, auszuziehen.“ „Wäre das so schlimm? Jeder zieht irgendwann von den Eltern weg. Dann ist es halt jetzt bei dir so weit“, schlägt sie vor. „Puh … Lucy, ich sehe das ein bisschen anders. Erstens wohne ich ja nicht mit meinen Eltern zusammen, sondern nur nebenan, und ich mag das Häuschen. Also warum sollte ich mir was Neues suchen? Und zweitens denke ich, dass es zu früh ist, zusammenzuziehen.“ „Moment!“, meldet sie sich zu Wort. „Vom Zusammenziehen hat hier niemand gesprochen! Das geht auch gar nicht. Ich teile meine Wohnung mit meiner Freundin.“

Über eine Stunde bequatschen wir das Thema, während wir unsere Pizza so lange martern, bis die letzten Stücke kalt sind. Das Ende vom Lied ist, dass wir uns sehr gernhaben, aber offensichtlich keine gemeinsame Basis finden. Also stoßen wir noch mal auf unsere nette gemeinsame Zeit an und verabschieden uns für immer.

Ein paar Tage beschäftigt mich noch die Frage, ob unsere Entscheidung richtig war. Irgendwie fehlt sie mir. Dann richte ich mich auf, beschließe, meine Besuche im McFit wieder zu forcieren und am Wochenende eine ausgiebige Motorradtour zu machen. So lenke ich mich ab und wecke meine Lebensgeister neu. Diese Gedanken beschließe ich mit einem letzten Blick in den Tinder-Account vor dem Schlafengehen.

Mein Blick fällt auf ein Foto, das mich sofort gefangen nimmt. Kurzes, rotes Haar – garantiert natürlich rot, kess geschnitten. Die große, dunkle Brille betont die spitzbübisch lächelnden Augen. Da lohnt sich bestimmt der Wisch nach rechts! ‚Bye-bye, Mickymaus … Hello Ginger …“

23. Lydia

Am Sonntagmorgen gehe ich wieder ins Clever Fit. Da ich früh dran bin, ist noch nicht viel los und ich kann meine Strecke auf dem Band genüsslich ausdehnen und dabei Musik hören. Plötzlich taucht der Typ vom letzten Mal wieder auf. Der hat sich wohl gemerkt, dass ich gern sonntags herkomme, und er geht auf das Band neben mir. Ich sehe, dass er irgendwas zu mir sagt, aber wegen der Musik auf meinen Ohren verstehe ich ihn nicht. So unhöflich möchte ich nicht sein; ich bleibe stehen und setze die Kopfhörer ab: „Guten Morgen, hab dich leider nicht gehört.“ „Guten Morgen und ich hab gesagt, dass ich mich freue, dich wiederzutreffen.“ „Wieso?“ „Na, weil du mir gefällst und weil ich hoffe, dass wir diesmal etwas mehr miteinander sprechen können.“ „Aber jetzt nicht, ich möchte noch ein paar Kilometer laufen und dabei Musik hören.“ „Gehst du nachher wieder in die Sauna?“ „Ja, aber vorher noch ein bisschen an die Geräte.“ „Dann seh ich dich später in der Sauna.“

‚Ganz nett schaut er ja aus, vor allem hat er einen tadellosen Körper. Warum soll ich später also nicht ein bisschen mit ihm babbeln. Aber erst mal weiterrennen.‘ Ich lasse mich auf den Rhythmus der Musik ein, gerade läuft „Like a Rolling Stone“ von Bob Dylan. Ein bisschen langsam zum Laufen, aber nett zu hören. Zwei Stücke später hab ich genug und gehe an die Hantelbank. Die Gewichte kommen mir heute schwerer vor als sonst. ‚Hab ich gestern Abend ein Glas zu viel getrunken? Egal, dann muss ich umso mehr schaffen.‘ Nachdem ich hier fast 20 Minuten Gewichte gestemmt habe, gehe ich noch für 15 Minuten auf den Stepper, dann langt’s. Vor der Sauna muss ich schnell mal unter die Dusche, so verschwitzt wie ich bin. Aber jetzt los. Ich komme in die Saunakabine und sehe, dass bereits vier Leute drin sind. Mein Verehrer vom Laufband noch nicht. Aber ein paar Minuten später kommt er dazu. Scheinbar traut er sich nicht, viel zu sagen, solange die anderen noch dabei sind. Nach ein paar Minuten verlassen drei Laute den Raum und jetzt fragt er mich: „Hast du heute ein bisschen mehr Zeit als vor drei Wochen?“ „Im Prinzip schon, was hast du denn vor?“ „Magst du chinesisches Essen? Ich kenne ein gutes Lokal nicht weit weg, da könnten wir doch nachher was essen gehen.“ „Dann war ja die ganze Aktion hier umsonst und das Essen landet wieder auf den Hüften.“ „Auf deinen Hüften ist doch noch viel Platz, wie ich sehen kann“, grinst er. Ich denke kurz nach und mir fällt ein, dass ich nicht so viel im Kühlschrank habe, und sage dann spontan: „Also gut, dann machen wir das. Aber vorher möchte ich drei Saunagänge machen.“ „Ist mir recht.“

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