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Читать книгу: «Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen», страница 16

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BREME. Das lehrt dich den Pfuscher vom Meister unterscheiden. Freue dich, meine Tochter, daß du einen solchen Meister zum Vater hast: für ein wohldenkendes Kind ist nichts ergetzlicher, als sich seiner Eltern und Großeltern zu freuen.

KAROLINE mit traurigem Ton, wie bisher. Das tu ich, mein Vater.

BREME sie nachahmend. Das tust du, mein Töchterchen, mit einem betrübten Gesichtchen und weinerlichen Tone. – Das soll doch wohl keine Freude vorstellen?

KAROLINE. Ach, mein Vater!

BREME. Was hast du, mein Kind?

KAROLINE. Ich muß es Ihnen gleich sagen.

BREME. Was hast du?

KAROLINE. Sie wissen, der Baron hat diese Tage her sehr freundlich, sehr zärtlich mit mir getan; ich sagt' es Ihnen gleich und fragte Sie um Rat.

BREME. Du bist ein vortreffliches Mädchen! wert, als eine Prinzessin, eine Königin aufzutreten.

KAROLINE. Sie rieten mir, auf meiner Hut zu sein, auf mich wohl achtzuhaben, aber auch auf ihn; mir nichts zu vergeben, aber auch ein Glück, wenn es mich aufsuchen sollte, nicht von mir zu stoßen. Ich habe mich gegen ihn betragen, daß ich mir keine Vorwürfe zu machen habe; aber er –

BREME. Rede, mein Kind, rede!

KAROLINE. O, es ist abscheulich. Wie frech, wie verwegen! –

BREME. Wie? Nach einer Pause. Sage mir nichts, meine Tochter, du kennst mich, ich bin eines hitzigen Temperaments, ein alter Soldat; ich würde mich nicht fassen können, ich würde einen tollen Streich machen.

KAROLINE. Sie können es hören, mein Vater, ohne zu zürnen; ich darf es sagen, ohne rot zu werden. Er hat meine Freundlichkeit übel ausgelegt, er hat sich in Ihrer Abwesenheit, nachdem Luise auf das Schloß geeilt war, hier ins Haus geschlichen. Er war verwegen, aber ich wies ihn zurechte. Ich trieb ihn fort, und ich darf wohl sagen: seit diesem Augenblick haben sich meine Gesinnungen gegen ihn geändert. Er schien mir liebenswürdig, als er gut war, als ich glauben konnte, daß er es gut mit mir meinte; jetzt kommt er mir vor, schlimmer als jeder andere. Ich werde Ihnen alles, wie bisher, erzählen, alles gestehen und mich Ihrem Rat ganz allein überlassen.

BREME. Welch ein Mädchen! welch ein vortreffliches Mädchen! O ich beneidenswerter Vater! Wartet nur, Herr Baron, wartet nur! Die Hunde werden von der Kette loskommen und den Füchsen den Weg zum Taubenschlag verrennen. Ich will nicht Breme heißen, nicht den Namen Bremenfeld verdienen, wenn in kurzem nicht alles anders werden soll.

KAROLINE. Erzürnt Euch nicht, mein Vater.

BREME. Du gibst mir ein neues Leben, meine Tochter; ja, fahre fort, deinen Stand durch deine Tugend zu zieren, gleiche in allem deiner vortrefflichen Urgroßmutter, der seligen Bürgemeisterin von Bremenfeld. Diese würdige Frau war durch Sittsamkeit die Ehre ihres Geschlechts und durch Verstand die Stütze ihres Gemahls. Betrachte dieses Bild jeden Tag, jede Stunde, ahme sie nach und werde verehrungswürdig wie sie! Karoline sieht das Bild an und lacht. Was lachst du, meine Tochter?

KAROLINE. Ich will meiner Urgroßmutter gern in allem Guten folgen, wenn ich mich nur nicht anziehen soll wie sie. Ha, ha, ha! Sehn Sie nur, so oft ich das Bild ansehe, muß ich lachen, ob ich es gleich alle Tage vor Augen habe, ha, ha, ha! Sehn Sie nur das Häubchen, das wie Fledermausflügel vom Kopfe lossteht.

BREME. Nun, nun! zu ihrer Zeit lachte niemand darüber, und wer weiß, wer über euch künftig lacht, wenn er euch gemalt sieht; denn ihr seid sehr selten angezogen und aufgeputzt, daß ich sagen möchte, ob du gleich meine hübsche Tochter bist: sie gefällt mir! Gleiche dieser vortrefflichen Frau an Tugenden und kleide dich mit besserm Geschmack, so hab' ich nichts dagegen, vorausgesetzt, daß, wie sie sagen, der gute Geschmack nicht teurer ist als der schlechte. Übrigens dächt' ich, du gingst zu Bette; denn es ist spät.

KAROLINE. Wollen Sie nicht noch Kaffee trinken? das Wasser siedet, er ist gleich gemacht.

BREME. Setze nur alles zurechte, schütte den gemahlenen Kaffee in die Kanne, das heiße Wasser will ich selbst darüber gießen.

KAROLINE. Gute Nacht, mein Vater! Geht ab.

BREME. Schlaf wohl, mein Kind.

Fünfter Auftritt

BREME allein. Daß auch das Unglück just diese Nacht geschehen mußte! Ich hatte alles klüglich eingerichtet, meine Einteilung der Zeit als ein echter Praktikus gemacht. Bis gegen Mitternacht hatten wir zusammen geschwatzt, da war alles ruhig; nachher wollte ich meine Tasse Kaffee trinken, meine bestellten Freunde sollten kommen zu der geheimnisvollen Überlegung. Nun hat's der Henker! Alles ist in Unruhe. Sie wachen im Schloß, dem Kinde Umschläge aufzulegen. Wer weiß, wo sich der Baron herumdrückt, um meiner Tochter aufzupassen. Beim Amtmann seh' ich Licht, bei dem verwünschten Kerl, den ich am meisten scheue. Wenn wir entdeckt werden, so kann der größte, schönste, erhabenste Gedanke, der auf mein ganzes Vaterland Einfluß haben soll, in der Geburt erstickt werden. Er geht ans Fenster. Ich höre jemand kommen; die Würfel sind geworfen, wir müssen nun die Steine setzen; ein alter Soldat darf sich vor nichts fürchten. Bin ich denn nicht bei dem großen unüberwindlichen Fritz in die Schule gegangen?

Sechster Auftritt

Breme. Martin.

BREME. Seid Ihr's, Gevatter Martin?

MARTIN. Ja, lieber Gevatter Breme, das bin ich. Ich habe mich ganz stille aufgemacht, wie die Glocke zwölfe schlug, und bin hergekommen; aber ich habe noch Lärm gehört und hin und wider gehen, und da bin ich im Garten einigemal auf und ab geschlichen, bis alles ruhig war. Sagt mir nur, was Ihr wollt, Gevatter Breme, daß wir so spät bei Euch zusammenkommen, in der Nacht; konnten wir's denn nicht bei Tag abmachen?

BREME. Ihr sollt alles erfahren, nur müßt Ihr Geduld haben, bis die andern alle beisammen sind.

MARTIN. Wer soll denn noch alles kommen?

BREME. Alle unsere guten Freunde, alle vernünftigen Leute. Außer Euch, der Ihr Schulze von dem Ort hier seid, kommt noch Peter, der Schulze von Rosenhahn, und Albert, der Schulze von Wiesengruben; ich hoffe, auch Jakob wird kommen, der das hübsche Freigut besitzt. Dann sind recht ordentliche und vernünftige Leute beisammen, die schon was ausmachen können.

MARTIN. Gevatter Breme, Ihr seid ein wunderlicher Mann; es ist Euch alles eins, Nacht und Tag, Tag und Nacht, Sommer und Winter.

BREME. Ja, wenn das auch nicht so wäre, könnte nichts Rechts werden. Wachen oder Schlafen, das ist mir auch ganz gleich. Es war nach der Schlacht bei Leuthen, wo unsere Lazarette sich in schlechtem Zustande befanden und sich wahrhaftig noch im schlechteren Zustande befunden hätten, wäre Breme nicht damals ein junger rüstiger Bursche gewesen. Da lagen viele Blessierte, viele Kranke, und alle Feldscherer waren alt und verdrossen, aber Breme ein junger tüchtiger Kerl, Tag und Nacht parat. Ich sag' Euch, Gevatter, daß ich acht Nächte nacheinander weg gewacht und am Tage nicht geschlafen habe. Das merkte sich aber auch der alte Fritz, der alles wußte, was er wissen wollte. Höre Er, Breme, sagte er einmal, als er in eigner Person das Lazarett visitierte, höre Er, Breme, man sagt, daß Er an der Schlaflosigkeit krank liege. – Ich merkte, wo das hinaus wollte, denn die andern stunden alle dabei; ich faßte mich und sagte: Ihro Majestät, das ist eine Krankheit, wie ich sie allen Ihren Dienern wünsche, und da sie keine Mattigkeit zurückläßt und ich den Tag auch noch brauchbar bin, so hoffe ich, daß Seine Majestät deswegen keine Ungnade auf mich werfen werden.

MARTIN. Ei, ei! wie nahm denn das der König auf?

BREME. Er sah ganz ernsthaft aus, aber ich sah ihm wohl an, daß es ihm wohlgefiel. Breme, sagte er, womit vertreibt Er sich denn die Zeit? Da faßt' ich mir wieder ein Herz und sagte: Ich denke an das, was Ihro Majestät getan haben und noch tun werden, und da könnt' ich Methusalems Jahre erreichen und immer fort wachen und könnt's doch nicht ausdenken. Da tat er, als hört' er's nicht, und ging vorbei. Nun war's wohl acht Jahre darnach, da faßt' er mich bei der Revue wieder ins Auge. Wacht Er noch immer, Breme? rief er. Ihro Majestät, versetzt' ich, lassen einem ja im Frieden so wenig Ruh als im Kriege. Sie tun immer so große Sachen, daß sich ein gescheiter Kerl daran zu Schanden denkt.

MARTIN. So habt Ihr mit dem König gesprochen, Gevatter? Durfte man so mit ihm reden?

BREME. Freilich durfte man so und noch ganz anders, denn er wußte alles besser. Es war ihm einer wie der andere, und der Bauer lag ihm am mehrsten am Herzen. Ich weiß wohl, sagte er zu seinen Ministern, wenn sie ihm das und jenes einreden wollten, die Reichen haben viel Advokaten, aber die Dürftigen haben nur einen, und das bin ich.

MARTIN. Wenn ich ihn doch nur auch gesehen hätte!

BREME. Stille, ich höre was! es werden unsere Freunde sein. Sieh da! Peter und Albert.

Siebenter Auftritt

Peter. Albert. Die Vorigen.

BREME. Willkommen! – Ist Jakob nicht bei euch?

PETER. Wir haben uns bei den drei Linden bestellt; aber er blieb uns zu lang' aus, nun sind wir allein da.

ALBERT. Was habt Ihr uns Neues zu sagen, Meister Breme? Ist was von Wetzlar gekommen, geht der Prozeß vorwärts?

BREME. Eben weil nichts gekommen ist, und weil, wenn was gekommen wäre, es auch nicht viel heißen würde, so wollt' ich euch eben einmal meine Gedanken sagen: denn ihr wißt wohl, ich nehme mich der Sachen aller, aber nicht öffentlich an, bis jetzt nicht öffentlich; denn ich darf's mit der gnädigen Herrschaft nicht ganz verderben.

PETER. Ja, wir verdürben's auch nicht gern mit ihr, wenn sie's nur halbweg leidlich machte.

BREME. Ich wollte euch sagen – wenn nur Jakob da wäre, daß wir alle zusammen wären, und daß ich nichts wiederholen müßte und wir einig würden.

ALBERT. Jakob? Es ist fast besser, daß er nicht dabei ist. Ich traue ihm nicht recht; er hat das Freigütchen, und wenn er auch wegen der Zinsen mit uns gleiches Interesse hat, so geht ihn doch die Straße nichts an, und er hat sich im ganzen Prozeß gar zu lässig bewiesen.

BREME. Nun so laßt's gut sein. Setzt euch und hört mich an. Sie setzen sich.

MARTIN. Ich bin recht neugierig, zu hören.

BREME. Ihr wißt, daß die Gemeinden schon vierzig Jahre lang mit der Herrschaft einen Prozeß führen, der auf langen Umwegen endlich nach Wetzlar gelangt ist und von dort den Weg nicht zurück finden kann. Der Gutsherr verlangt Fronen und andere Dienste, die ihr verweigert, und mit Recht verweigert: denn es ist ein Rezeß geschlossen worden mit dem Großvater unsers jungen Grafen – Gott erhalt' ihn! –, der sich diese Nacht eine erschreckliche Brausche gefallen hat.

MARTIN. Eine Brausche?

PETER. Gerade diese Nacht!

ALBERT. Wie ist das zugegangen?

MARTIN. Das arme liebe Kind!

BREME. Das will ich euch nachher erzählen. Nun hört mich weiter an. Nach diesem geschlossenen Rezeß überließen die Gemeinden an die Herrschaft ein paar Fleckchen Holz, einige Wiesen, einige Triften und sonst noch Kleinigkeiten, die euch von keiner Bedeutung waren und der Herrschaft viel nutzten; denn man sieht, der alte Graf war ein kluger Herr, aber auch ein guter Herr. Leben und leben lassen, war sein Spruch. Er erließ den Gemeinden dagegen einige zu entbehrende Fronen und –

ALBERT. Und das sind die, die wir noch immer leisten müssen.

BREME. Und machte ihnen einige Konvenienzen –

MARTIN. Die wir noch nicht genießen.

BREME. Richtig, weil der Graf starb, die Herrschaft sich in Besitz dessen setzte, was ihr zugestanden war, der Krieg einfiel und die Untertanen noch mehr tun mußten, als sie vorher getan hatten.

PETER. Es ist akkurat so; so hab' ich's mehr als einmal aus des Advokaten Munde gehört.

BREME. Und ich weiß es besser als der Advokat, denn ich sehe weiter. Der Sohn des Grafen, der verstorbene gnädige Herr, wurde eben um die Zeit volljährig. Das war, bei Gott! ein wilder böser Teufel, der wollte nichts herausgeben und mißhandelte euch ganz erbärmlich. Er war im Besitz, der Rezeß war fort und nirgends zu finden.

ALBERT. Wäre nicht noch die Abschrift da, die unser verstorbener Pfarrer gemacht hat, wir wüßten kaum etwas davon.

BREME. Diese Abschrift ist euer Glück und euer Unglück. Diese Abschrift gilt alles vor jedem billigen Menschen, vor Gericht gilt sie nichts. Hättet ihr diese Abschrift nicht, so wäret ihr ungewiß in dieser Sache. Hätte man diese Abschrift der Herrschaft nicht vorgelegt, so wüßte man nicht, wie ungerecht sie denkt.

MARTIN. Da müßt Ihr auch wieder billig sein. Die Gräfin leugnet nicht, daß vieles für uns spricht; nur weigert sie sich, den Vergleich einzugehen, weil sie, in Vormundschaft ihres Sohnes, sich nicht getraut, so etwas abzuschließen.

ALBERT. In Vormundschaft ihres Sohnes! Hat sie nicht den neuen Schloßflügel bauen lassen, den er vielleicht sein Lebtage nicht bewohnt, denn er ist nicht gern in dieser Gegend.

PETER. Und besonders, da er nun eine Brausche gefallen hat.

ALBERT. Hat sie nicht den großen Garten und die Wasserfälle anlegen lassen, worüber ein paar Mühlen haben müssen weggekauft werden? Das getraut sie sich alles in Vormundschaft zu tun, aber das Rechte, das Billige, das getraut sie sich nicht.

BREME. Albert, du bist ein wackrer Mann; so hör' ich gern reden, und ich gestehe wohl, wenn ich von unserer gnädigen Gräfin manches Gute genieße und deshalb mich für ihren untertänigen Diener bekenne, so möcht' ich doch auch darin meinem König nachahmen und euer Sachwalter sein.

PETER. Das wäre recht schön. Macht nur, daß unser Prozeß bald aus wird.

BREME. Das kann ich nicht, das müßt ihr.

PETER. Wie wäre denn das anzugreifen?

BREME. Ihr guten Leute wißt nicht, daß alles in der Welt vorwärts geht, daß heute möglich ist, was vor zehn Jahren nicht möglich war. Ihr wißt nicht, was jetzt alles unternommen, was alles ausgeführt wird.

MARTIN. O ja, wir wissen, daß in Frankreich jetzt wunderliches Zeug geschieht.

PETER. Wunderliches und abscheuliches!

ALBERT. Wunderliches und gutes.

BREME. So recht, Albert, man muß das Beste wählen! Da sag' ich nun: Was man in Güte nicht haben kann, soll man mit Gewalt nehmen.

MARTIN. Sollte das gerade das Beste sein?

ALBERT. Ohne Zweifel.

PETER. Ich dächte nicht.

BREME. Ich muß euch sagen, Kinder: jetzt oder niemals!

ALBERT. Da dürft Ihr uns in Wiesengruben nicht viel vorschwatzen; dazu sind wir fix und fertig. Unsere Leute wollten längst rebellern; ich habe nur immer abgewehrt weil mir Herr Breme immer sagte, es sei noch nicht Zeit, und das ist ein gescheiter Mann, auf den ich Vertrauen habe.

BREME. Gratias, Gevatter, und ich sage euch: jetzt ist es Zeit.

ALBERT. Ich glaub's auch.

PETER. Nehmt mir's nicht übel, das kann ich nicht einsehen; denn wenn's gut aderlassen ist, gut purgieren, gut schröpfen, das steht im Kalender, und darnach weiß ich mich zu richten; aber wenn's just gut rebellern sei, das, glaub' ich, ist viel schwerer zu sagen.

BREME. Das muß unsereiner verstehen.

ALBERT. Freilich versteht Ihr's.

PETER. Aber sagt mir nur, woher's eigentlich kommt, daß Ihr's besser versteht als andere gescheite Leute?

BREME gravitätisch. Erstlich, mein Freund, weil schon vom Großvater an meine Familie die größten politischen Einsichten erwiesen. Hier dieses Bildnis zeigt euch meinen Großvater Hermann Breme von Bremenfeld, der, wegen großer und vorzüglicher Verdienste zum Burgemeister seiner Vaterstadt erhoben, ihr die größten und wichtigsten Dienste geleistet hat. Dort schwebt sein Andenken noch in Ehren und Segen, wenngleich boshafte, pasquillantische Schauspieldichter seine großen Talente und gewisse Eigenheiten, die er an sich haben mochte, nicht sehr glimpflich behandelten. Seine tiefe Einsicht in die ganze politische und militärische Lage von Europa wird ihm selbst von seinen Feinden nicht abgesprochen.

PETER. Es war ein hübscher Mann, er sieht recht wohlgenährt aus.

BREME. Freilich genoß er ruhigere Tage als sein Enkel.

MARTIN. Habt Ihr nicht auch das Bildnis Eures Vaters?

BREME. Leider, nein! Doch muß ich euch sagen: die Natur, indem sie meinen Vater Jost Breme von Bremenfeld hervorbrachte, hielt ihre Kräfte zusammen, um euren Freund mit solchen Gaben auszurüsten, durch die er euch nützlich zu werden wünscht. Doch behüte der Himmel, daß ich mich über meine Vorfahren erheben sollte; es wird uns jetzt viel leichter gemacht, und wir können mit geringern natürlichen Vorzügen eine große Rolle spielen.

MARTIN. Nicht zu bescheiden, Gevatter!

BREME. Es ist lautre Wahrheit. Sind nicht jetzt der Zeitungen, der Monatsschriften, der fliegenden Blätter so viel, aus denen wir uns unterrichten, an denen wir unsern Verstand üben können! Hätte mein seliger Großvater nur den tausendsten Teil dieser Hilfsmittel gehabt, er wäre ein ganz anderer Mann geworden. Doch Kinder, was rede ich von mir! Die Zeit vergeht, und ich fürchte, der Tag bricht an. Der Hahn macht uns aufmerksam, daß wir uns kurz fassen sollen. Habt ihr Mut?

ALBERT. An mir und den Meinigen soll's nicht fehlen.

PETER. Unter den Meinigen findet sich wohl einer, der sich an die Spitze stellt; ich verbitte mir den Auftrag.

MARTIN. Seit den paar letzten Predigten, die der Magister hielt, weil der alte Pfarrer so krank liegt, ist das ganze große Dorf hier in Bewegung.

BREME. Gut! so kann was werden. Ich habe ausgerechnet, daß wir über sechshundert Mann stellen können. Wollt ihr, so ist in der nächsten Nacht alles getan.

MARTIN. In der nächsten Nacht?

BREME. Es soll nicht wieder Mitternacht werden, und ihr sollt wieder haben alles, was euch gebührt, und mehr dazu.

PETER. So geschwind? wie wäre das möglich?

ALBERT. Geschwind oder gar nicht.

BREME. Die Gräfin kommt heute an, sie darf sich kaum besinnen. Rückt nur bei einbrechender Nacht vor das Schloß und fordert eure Rechte, fordert eine neue Ausfertigung des alten Reverses, macht euch noch einige kleine Bedingungen, die ich euch schon angeben will, laßt sie unterschreiben, laßt sie schwören, und so ist alles getan.

PETER. Vor einer solchen Gewalttätigkeit zittern mir Arm und Beine.

ALBERT. Narr! Wer Gewalt braucht, darf nicht zittern.

MARTIN. Wie leicht können sie uns aber ein Regiment Dragoner über den Hals ziehen. So arg dürfen wir's doch nicht machen. Das Militär, der Fürst, die Regierung würden uns schön zusammenarbeiten.

BREME. Gerade umgekehrt. Das ist's eben, worauf ich fuße. Der Fürst ist unterrichtet, wie sehr das Volk bedrückt sei. Er hat sich über die Unbilligkeit des Adels, über die Langweiligkeit der Prozesse, über die Schikane der Gerichtshalter und Advokaten oft genug deutlich und stark erklärt, so daß man voraussetzen kann: er wird nicht zürnen, wenn man sich Recht verschafft, da er es selbst zu tun gehindert ist.

PETER. Sollte das gewiß sein?

ALBERT. Es wird im ganzen Lande davon gesprochen.

PETER. Da wäre noch allenfalls was zu wagen.

BREME. Wie ihr zu Werke gehen müßt, wie vor allen Dingen der abscheuliche Gerichtshalter beiseite muß, und auf wen noch mehr genau zu sehen ist, das sollt ihr alles noch vor Abend erfahren. Bereitet eure Sachen vor, regt eure Leute an und seid mir um sechse beim Herrenbrunnen. Daß Jakob nicht kommt, macht ihn verdächtig; ja es ist besser, daß er nicht gekommen ist. Gebt auf ihn acht, daß er uns wenigstens nicht schade; an dem Vorteil, den wir uns erwerben, wird er schon teilnehmen wollen. Es wird Tag; lebt wohl und bedenkt nur, daß, was geschehen soll, schon geschehen ist. Die Gräfin kommt eben erst von Paris zurück, wo sie das alles gesehn und gehört hat, was wir mit so vieler Verwunderung lesen; vielleicht bringt sie schon selbst mildere Gesinnungen mit, wenn sie gelernt hat, was Menschen, die zu sehr gedrückt werden, endlich für ihre Rechte tun können und müssen.

MARTIN. Lebt wohl, Gevatter, lebt wohl! Punkt sechse bin ich am Herrenbrunnen.

ALBERT. Ihr seid ein tüchtiger Mann! Lebt wohl.

PETER. Ich will Euch recht loben, wenn's gut abläuft.

MARTIN. Wir wissen nicht, wie wir's Euch danken sollen.

BREME mit Würde. Ihr habt Gelegenheit genug, mich zu verbinden. Das kleine Kapital zum Exempel von zweihundert Talern, das ich der Kirche schuldig bin, erlaßt ihr mir ja wohl.

MARTIN. Das soll uns nicht reuen.

ALBERT. Unsere Gemeine ist wohlhabend und wird auch gern was für Euch tun.

BREME. Das wird sich finden. Das schöne Fleck, das Gemeindegut war und das der Gerichtshalter zum Garten einzäunen und umarbeiten lassen, das nehmt ihr wieder in Besitz und überlaßt mir's.

ALBERT. Das wollen wir nicht ansehen, das ist schon verschmerzt.

PETER. Wir wollen auch nicht zurückbleiben.

BREME. Ihr habt selbst einen hübschen Sohn und ein schönes Gut; dem könnt' ich meine Tochter geben. Ich bin nicht stolz, glaubt mir, ich bin nicht stolz. Ich will Euch gern meinen Schwäger heißen.

PETER. Das Mamsellchen ist hübsch genug; nur ist sie schon zu vornehm erzogen.

BREME. Nicht vornehm, aber gescheit. Sie wird sich in jeden Stand zu finden wissen. Doch darüber läßt sich noch vieles reden. Lebt jetzt wohl, meine Freunde, lebt wohl!

ALLE. So lebt denn wohl!

Zweiter Aufzug

Erster Auftritt

Vorzimmer der Gräfin. Sowohl im Fond als an den Seiten hängen adelige Familienbilder in mannigfaltigen geistlichen und weltlichen Kostümen.

Der Amtmann tritt herein, und indem er sich umsieht, ob niemand da ist, kommt Luise von der andern Seite.

AMTMANN. Guten Morgen, Demoiselle! Sind Ihro Exzellenz zu sprechen? Kann ich meine untertänigste Devotion zu Füßen legen?

LUISE. Verzeihen Sie einigen Augenblick, Herr Amtmann Die Frau Gräfin wird gleich herauskommen. Die Beschwerlichkeiten der Reise und das Schrecken bei der Ankunft haben einige Ruhe nötig gemacht.

AMTMANN. Ich bedaure von ganzem Herzen! Nach einer so langen Abwesenheit, nach einer so beschwerlichen Reise ihren einzig geliebten Sohn in einem so schrecklichen Zustande zu finden! ich muß gestehen, es schaudert mich, wenn ich nur daran denke. Ihro Exzellenz waren wohl sehr alteriert?

LUISE. Sie können sich leicht vorstellen, was eine zärtliche sorgsame Mutter empfinden mußte, als sie ausstieg, ins Haus trat und da die Verwirrung fand, nach ihrem Sohne fragte und aus unserm Stocken und Stottern leicht schließen konnte, daß ihm ein Unglück begegnet sei.

AMTMANN. Ich bedaure von Herzen. Was fingen Sie an?

LUISE. Wir mußten nur geschwind alles erzählen, damit sie nicht etwas Schlimmeres besorgte; wir mußten sie zu dem Kinde führen, das mit verbundenem Kopf und blutigen Kleidern dalag. Wir hatten nur für Umschläge gesorgt und ihn nicht ausziehen können.

AMTMANN. Es muß ein schrecklicher Anblick gewesen sein.

LUISE. Sie blickte hin, tat einen lauten Schrei und fiel mir ohnmächtig in die Arme. Sie war untröstlich, als sie wieder zu sich kam, und wir hatten alle Mühe, sie zu überführen, daß das Kind sich nur eine starke Beule gefallen, daß es aus der Nase geblutet und daß keine Gefahr sei.

AMTMANN. Ich möcht' es mit dem Hofmeister nicht teilen, der das Kind so vernachlässigt.

LUISE. Ich wunderte mich über die Gelassenheit der Gräfin, besonders da er den Vorfall leichter behandelte, als es ihm in dem Augenblick geziemte.

AMTMANN. Sie ist gar zu gnädig, gar zu nachsichtig.

LUISE. Aber sie kennt ihre Leute und merkt sich alles. Sie weiß, wer ihr redlich und treu dient; sie weiß, wer nur dem Schein nach ihr untertäniger Knecht ist. Sie kennt die Nachlässigen so gut als die Falschen, die Unklugen sowohl als die Bösartigen.

AMTMANN. Sie sagen nicht zu viel, es ist eine vortreffliche Dame, aber eben deswegen! Der Hofmeister verdiente doch, daß sie ihn geradezu wegschickte.

LUISE. In allem, was das Schicksal des Menschen betrifft, geht sie langsam zu Werke, wie es einem Großen geziemt. Es ist nichts schrecklicher als Macht und Übereilung.

AMTMANN. Aber Macht und Schwäche sind auch ein trauriges Paar.

LUISE. Sie werden der gnädigen Gräfin nicht nachsagen, daß sie schwach sei.

AMTMANN. Behüte Gott, daß ein solcher Gedanke einem alten treuen Diener einfallen sollte! Aber es ist denn doch erlaubt, zum Vorteil seiner gnädigen Herrschaft zu wünschen, daß man manchmal mit mehr Strenge gegen Leute zu Werke gehe, die mit Strenge behandelt sein wollen.

LUISE. Die Frau Gräfin! Tritt ab.

Zweiter Auftritt

Die Gräfin im Negligé. Der Amtmann.

AMTMANN. Euer Exzellenz haben zwar auf eine angenehme Weise, doch unvermutet Ihre Dienerschaft überrascht, und wir bedauern nur, daß Dieselben bei Ihrer Ankunft durch einen so traurigen Anblick erschreckt worden. Wir hatten alle Anstalten zu Dero Empfang gemacht: das Tannenreisig zu einer Ehrenpforte liegt wirklich schon im Hofe; die sämtlichen Gemeinden wollten reihenweis an dem Wege stehen und Hochdieselben mit einem lauten Vivat empfangen, und jeder freute sich schon, bei einer so feierlichen Gelegenheit seinen Festtagsrock anzuziehen und sich und seine Kinder zu putzen.

GRÄFIN. Es ist mir lieb, daß die guten Leute sich nicht zu beiden Seiten des Wegs gestellt haben; ich hätte ihnen unmöglich ein freundlich Gesicht machen können, und Ihnen am wenigsten, Herr Amtmann!

AMTMANN. Wieso? wodurch haben wir Eurer Exzellenz Ungnade verdient?

GRÄFIN. Ich kann nicht leugnen, ich war sehr verdrießlich, als ich gestern auf den abscheulichen Weg kam, der gerade da anfängt, wo meine Besitzungen angehen. Die große Reise hab' ich fast auf lauter guten Wegen vollbracht, und eben da ich wieder in das Meinige zurückkomme, find' ich sie nicht nur schlechter wie vorm Jahr, sondern so abscheulich, daß sie alle Übel einer schlechten Chaussee verbinden. Bald tief ausgefahrne Löcher, in die der Wagen umzustürzen droht, aus denen die Pferde mit aller Gewalt ihn kaum herausreißen, bald Steine ohne Ordnung übereinander geworfen, daß man eine Viertelstunde lang selbst in dem bequemsten Wagen aufs unerträglichste zusammengeschüttelt wird. Es sollte mich wundern, wenn nichts daran beschädigt wäre.

AMTMANN. Euer Exzellenz werden mich nicht ungehört verdammen; nur mein eifriges Bestreben, von Eurer Exzellenz Gerechtsamen nicht das mindeste zu vergeben, ist Ursache an diesem üblen Zustande des Wegs.

GRÄFIN. Ich verstehe –

AMTMANN. Sie erlauben, Ihrer tiefen Einsicht nur anheim zu stellen, wie wenig es mir hätte ziemen wollen, den widerspenstigen Bauern auch nur ein Haarbreit nachzugeben. Sie sind schuldig, die Wege zu bessern, und da Euer Exzellenz Chaussee befehlen, sind sie auch schuldig, die Chaussee zu machen.

GRÄFIN. Einige Gemeinden waren ja willig.

AMTMANN. Das ist eben das Unglück. Sie fuhren die Steine an; als aber die übrigen, widerspenstigen sich weigerten und auch jene widerspenstig machten, blieben die Steine liegen und wurden nach und nach, teils aus Notwendigkeit, teils aus Mutwillen, in die Gleise geworfen, und da ist nun der Weg freilich ein bißchen holprig geworden.

GRÄFIN. Sie nennen das ein wenig holprig?

AMTMANN. Verzeihen Euer Exzellenz, wenn ich sogar sage, daß ich diesen Weg öfters mit vieler Zufriedenheit zurücklege. Es ist ein vortreffliches Mittel gegen die Hypochondrie, sich dergestalt zusammenschütteln zu lassen.

GRÄFIN. Das, gesteh' ich, ist eine eigne Kurmethode.

AMTMANN. Und freilich, da nun eben wegen dieses Streites, welcher vor dem Kaiserlichen Reichskammergericht auf das eifrigste betrieben wird, seit einem Jahre an keine Wegebesserung zu denken gewesen und überdies die Holzfuhren stark gehen, in diesen letzten Tagen auch anhaltendes Regenwetter eingefallen, so möchte denn freilich jemanden, der gute Chausseen gewohnt ist, unsere Straße gewissermaßen impraktikabel vorkommen.

GRÄFIN. Gewissermaßen? ich dächte, ganz und gar.

AMTMANN. Euer Exzellenz belieben zu scherzen. Man kommt doch noch immer fort –

GRÄFIN. Wenn man nicht liegen bleibt. Und doch hab' ich an der Meile sechs Stunden zugebracht.

AMTMANN. Ich, vor einigen Tagen, noch länger. Zweimal wurd' ich glücklich herausgewunden, das drittemal brach ein Rad, und ich mußte mich nur noch so hereinschleppen lassen. Aber bei allen diesen Unfällen war ich getrost und gutes Muts: denn ich bedachte, daß Eurer Exzellenz und Ihres Herrn Sohnes Gerechtsame salviert sind. Aufrichtig gestanden, ich wollte auf solchen Wegen lieber von hier nach Paris fahren, als nur einen Fingerbreit nachgeben, wenn die Rechte und Befugnisse meiner gnädigsten Herrschaft bestritten werden. Ich wollte daher, Euer Exzellenz dachten auch so, und Sie würden gewiß diesen Weg nicht mit so viel Unzufriedenheit zurückgelegt haben.

GRÄFIN. Ich muß sagen, darin bin ich anderer Meinung, und gehörten diese Besitztümer mir eigen, müßte ich mich nicht bloß als Verwalterin ansehen, so würde ich über manche Bedenklichkeit hinausgehen, ich würde mein Herz hören, das mir Billigkeit gebietet, und meinen Verstand, der mich einen wahren Vorteil von einem scheinbaren unterscheiden lehrt. Ich würde großmütig sein, wie es dem gar wohl ansteht, der Macht hat. Ich würde mich hüten, unter dem Scheine des Rechts auf Forderungen zu beharren, die ich durchzusetzen kaum wünschen müßte und die, indem ich Widerstand finde, mir auf lebenslang den völligen Genuß eines Besitzes rauben, den ich auf billige Weise verbessern könnte. Ein leidlicher Vergleich und der unmittelbare Gebrauch sind besser als eine wohl gegründete Rechtssache die mir Verdruß macht und von der ich nicht einmal den Vorteil für meine Nachkommen einsehe.

AMTMANN. Euer Exzellenz erlauben, daß ich darin der entgegengesetzten Meinung sein darf. Ein Prozeß ist eine so reizende Sache, daß, wenn ich reich wäre, ich eher einige kaufen würde, um nicht ganz ohne dieses Vergnügen zu leben. Tritt ab.

GRÄFIN. Es scheint, daß er seine Lust an unsern Besitztümern büßen will.

Dritter Auftritt

Gräfin. Magister.

MAGISTER. Darf ich fragen, gnädige Gräfin, wie Sie sich befinden?

280,59 ₽
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1350 стр.
ISBN:
9783754178058
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Правообладатель:
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