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Читать книгу: «Johann Wolfgang von Goethe: Gesammelte Dramen», страница 15

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LIEBE.

Gott! ich kann dich nicht erreichen,

Ach, von dir steh' ich gebannt!

Indem sie an ihren vorigen Platz eilig zurückkehrt.

GLAUBE.

Gibt's ein Elend solchesgleichen!

Die noch gezögert und sich hin und wieder umgesehen hat, stürmt auch nach ihrer Seite.

Nein! die Welt hat's nicht gekannt.

Beide werfen sich an ihrer Stelle nieder.

Zweiter Auftritt

HOFFNUNG welche indessen oben erschienen und heruntergetreten ist.

Ich höre jammern, höre klagen –

In Banden meine Schwestern? Wie,

O wie sie ringen, wie sie zagen!

Vernehmt mein Wort, es fehlet nie.

Ihr zeigt mir freilich eure Ketten,

Getrauet nicht, mich anzuschaun;

Doch bin ich, hoff' euch zu erretten –

Erhebt euch, kommt, mir zu vertraun!

Dritter Auftritt

GENIEN herbeieilend.

Immer sind wir noch im Lande,

Hier und dort mit raschem Lauf.

Sie nehmen die Ketten ab, zugleich mit dem Schmuck.

Erstlich lösen wir die Bande –

Richte du sie wieder auf!

Denn uns Genien gegeben

Ward gewiß ein schönes Teil;

Euer eigenes Bestreben

Wirke nun das eigne Heil.

Sie entfernen sich.

HOFFNUNG zu den wegeilenden Genien.

Nehmt Gotteslohn, ihr süßen Brüder!

Sie hebt erst den Glauben auf und bringt ihn gegen die Mitte.

Und steht nur erst der Glaube fest,

So hebt sich auch die Liebe wieder.

LIEBE die von selbst aufspringt und auf die Hoffnung loseilt.

Ja, ich bin's, und neugeboren

Werf' ich mich an deine Brust.

GLAUBE.

Völlig hatt' ich mich verloren,

Wieder find' ich mich mit Lust.

HOFFNUNG.

Ja, wer sich mit mir verschworen,

Ist sich alles Glücks bewußt.

Denn wie ich bin, so bin ich auch beständig,

Nie der Verzweiflung geb' ich mich dahin;

Ich mildre Schmerz, das höchste Glück vollend' ich;

Weiblich gestaltet, bin ich männlich kühn.

Das Leben selbst ist nur durch mich lebendig,

Ja übers Grab kann ich's hinüberziehn,

Und wenn sie mich sogar als Asche sammeln,

So müssen sie noch meinen Namen stammeln.

Und nun vernehmt! – Wie einst in Grabeshöhlen

Ein frommes Volk geheim sich flüchtete

Und allen Drang der himmlisch reinen Seelen

Nach oben voll Vertrauen richtete,

Nicht unterließ, auf höchsten Schutz zu zählen,

Und auszudauern sich verpflichtete:

So hat die Tugend still ein Reich gegründet

Und sich, zu Schutz und Trutz, geheim verbündet.

Im Tiefsten hohl, das Erdreich untergraben,

Auf welchem jene schrecklichen Gewalten

Nun offenbar ihr wildes Wesen haben

In majestätisch häßlichen Gestalten

Und mit den holden überreifen Gaben

Der Oberfläche nach Belieben schalten

Doch wird der Boden gleich zusammenstürzen

Und jenes Reich des Übermuts verkürzen.

Von Osten rollt, Lauinen gleich, herüber

Der Schnee- und Eisball, wälzt sich groß und größer,

Er schmilzt, und nah und näher stürzt vorüber

Das alles überschwemmende Gewässer:

So strömt's nach Westen, dann zum Süd hinüber

Die Welt sieht sich zerstört – und fühlt sich besser:

Vom Ozean, vom Belt her kommt uns Rettung;

So wirkt das All in glücklicher Verkettung.

Vierter Auftritt

GENIEN den drei Schwestern Kronen darreichend.

Und so bestärkt euch, Königinnen!

Ihr seid es, obschon jetzt gebeugt.

Ihr müßt noch alles Glück gewinnen:

Vom Himmel seid ihr uns gezeugt;

Zum Himmel werdet ihr euch heben

Die Sterblichen, sie sehn's entzückt

Und glorreich über Welten schweben,

Die ihr auf ewig nun beglückt.

Doch was dem Abgrund kühn entstiegen,

Kann durch ein ehernes Geschick

Den halben Weltkreis übersiegen,

Zum Abgrund muß es doch zurück.

Schon droht ein ungeheures Bangen,

Vergebens wird er widerstehn!

Und alle, die noch an ihm hangen,

Sie müssen mit zugrunde gehn.

HOFFNUNG.

Nun begegn' ich meinen Braven,

Die sich in der Nacht versammelt,

Um zu schweigen, nicht zu schlafen,

Und das schöne Wort der Freiheit

Wird gelispelt und gestammelt,

Bis in ungewohnter Neuheit

Wir an unsrer Tempel Stufen

Wieder neu entzückt es rufen:

Mit Überzeugung, laut.

Freiheit!

Gemäßigter.

Freiheit!

Von allen Enden Echo.

Freiheit!

LIEBE.

Kommt, zu sehn, was unsre frommen

Guten Schwestern unternommen,

Die mit Seufzen sich bereiten

Auf die blutig wilden Zeiten.

GLAUBE.

Denn der Liebe Hilf' und Laben

Wird den schönsten Segen haben,

Und im Glauben überwinden

Sie die Furcht, die sie empfinden.

GENIUS I.

Ihr werdet eure Kraft beweisen,

Bereitet still den jüngsten Tag.

GENIUS II.

Denn jenes Haupt von Stahl und Eisen

Zermalmt zuletzt ein Donnerschlag.

Die sämtlichen fünfe, unter musikalischer Begleitung, kehren sich um und gehen nach dem Grunde. Die Hoffnung besteigt die Ruinen links des Zuschauers, Glaube und Liebe die Ruinen rechts; die Knaben besteigen die Treppen und stellen sich an die Pforten. Sie begrüßen sich alle untereinander nochmals zum Abschied. Es wird Nacht.

Fünfter Auftritt

UNSICHTBARES CHOR.

Sterne versanken und Monden in Blut.

Aber nun wittert und lichtet es gut:

Sonne, sie nahet dem himmlischen Thron,

Lieber, sie kommen und wecken dich schon.

Die Genien eröffnen die Pforten, indem sie sich dahinter verstecken und lauschen. Epimenides ruht noch, wie er eingeschlafen; die Lampe brennt. Er erwacht, regt sich, steht auf, tritt unter die Türe, gibt seine Verwunderung zu erkennen, tritt wankend die Stufen herunter, ungewiß, wo er sich befinde.

Sechster Auftritt

EPIMENIDES.

Und welch Erwachen! wunderbar genug!

Die Pforten öffnen sich bei düstrer Nacht.

Täuscht mich der Genien sonst so treuer Dienst?

Kein Stern am Himmel?

Es erscheint ein Komet, ungeheuer.

Welch ein furchtbar Zeichen

Erschreckt den Blick mit Rutenfeuerschein!

Wo bin ich denn? – In eine Wüstenei,

Von Fels und Baum beschränkt, bin ich begraben.

Wie war es sonst! als mir die Flügeltüren

Beim ersten Morgenlicht von Geisterhand

Sich öffneten, das liebe Himmelspaar

Mich in die holde Welt herunterführte,

Mich Tempel und Palast, und nah und fern

Die herrlichste Natur mich glänzend grüßte.

Wie düster jetzt! und was der Feuerschein

Mir ahnungsvoll entdeckt, ist grausenhaft.

Wer leitet mich? wer rettet vom Verderben?

Verdient wohl euer Freund, ihr Götter, so zu sterben?

Die Genien treten, oben an der Pforte, hervor mit

Fackeln.

Doch ihr erhört des treuen Priesters Ruf!

Ich sehe neuen goldnen Schein umschimmern:

Die Lieben sind's! o, wo sie leuchtend gehn,

Liegt keine Wüste, haust kein Schrecknis mehr.

Sie sind heruntergekommen und stehen neben ihm.

O sagt mir an, ihr Holden, welchen Traum

Von Ängstlichkeiten schafft ihr um mich her?

Sie legen den Finger auf den Mund.

Ich träume, ja! wo nicht, so hat ein Gott

In tiefe Wüsteneien mich verschlagen

Hier – keine Spur von jenem alten Glanz,

Nicht Spur von Kunst, von Ordnung keine Spur!

Es ist der Schöpfung wildes Chaos hier,

Das letzte Grauen endlicher Zerstörung.

Genien deuten hinüber und herüber.

Was deutet ihr? Ich soll mich hier erkennen!

Die Genien leuchten voran nach der einen Seite.

Euch folgen? wohl! ihr leuchtet dieserseits.

Was seh' ich hier! ein wohlbekanntes Bild!

In Marmorglanze, Glanz vergangner Tage.

»Der Vater ruht auf seinem breiten Polster,

Die Frau im Sessel, Kinder stehn umher

Von jedem Alter; Knechte tragen zu,

Das Pferd sogar es wiehert an der Pforte;

Die Tafel ist besetzt, man schwelgt und ruht.«

Fürwahr! es ist die Stätte noch, wo mir

Des Freudentages hellste Sonne schien;

Ist alles doch in Schutt und Graus versunken.

Sie deuten, und leiten ihn nach der andern Seite.

Noch weiter? Nein, ihr Guten, nein, ach nein!

Ich glaub' es auch, es ist die alte Stätte;

Doch während meines Schlafes hat ein Gott

Die Erd' erschüttert, daß Ruinen hier

Sich aufeinander türmen, durch ein Wunder

Der Bäume, der Gesträuche Trieb beschleunigt.

So ist es hin, was alles ich gebaut

Und was mit mir von Jugend auf emporstieg.

O, wär' es herzustellen! Nein, ach nein!

Ihr nötigt mich an diese Tafel hin!

Zerschlagen ist sie, nicht mehr leserlich.

Hinweg von mir! O mein Gedächtnis! O!

Du hältst das Lied noch fest, du wiederholst es.

UNSICHTBARES CHOR.

Hast du ein gegründet Haus,

Fleh' die Götter alle,

Daß es, bis man dich trägt hinaus,

Nicht zu Schutt zerfalle

Und noch lange hinterdrein

Kindeskindern diene,

Und umher ein frischer Hain

Immer neu ergrüne.

EPIMENIDES.

Dämonen seid ihr, keine Genien!

Der Hölle, die Verzweiflung haucht, entstiegen.

Sie haucht mich an, durchdringt, erstarrt die Brust,

Umstrickt das Haupt, zerrüttet alle Sinnen.

Er beugt seine Knie, richtet sich aber gleich wieder auf.

Nein, kniee nicht! sie hören dich nicht mehr;

Die Genien schweigen, wünsche dir den Tod.

Denn wo der Mensch verzweifelt, lebt kein Gott,

Und ohne Gott will ich nicht länger leben.

Er wendet sich ab, verzweifelnd.

GENIEN sich einander zuwinkend.

Komm! wir wollen dir versprechen

Rettung aus dem tiefsten Schmerz

Pfeiler, Säulen kann man brechen,

Aber nicht ein freies Herz:

Denn es lebt ein ewig Leben,

Es ist selbst der ganze Mann,

In ihm wirken Lust und Streben,

Die man nicht zermalmen kann.

EPIMENIDES wehmütig.

O sprecht! o helft! mein Knie, es trägt mich kaum:

Ihr wollt euch bittern Spott erlauben?

GENIEN.

Komm mit! den Ohren ist's ein Traum;

Den Augen selbst wirst du nicht glauben.

Es wird auf einmal Tag. Von ferne kriegerische Musik. Epimenides und die Genien stehen vor der Pforte.

Siebenter Auftritt

Die kriegerische Musik kommt näher. Die Hoffnung, den Jugendfürsten an der Seite, führt über die Ruinen, da wo sie abgegangen ist, ein Heer herein, welches die verschiedenen neuern, zu diesem Kriege verbündeten Völker bezeichnet.

CHOR.

Brüder, auf! die Welt zu befreien!

Kometen winken, die Stund' ist groß.

Alle Gewebe der Tyranneien

Haut entzwei und reißt euch los!

Hinan! – Vorwärts – hinan!

Und das Werk, es werde getan!

So erschallt nun Gottes Stimme,

Denn des Volkes Stimme, sie erschallt,

Und entflammt von heil'gem Grimme,

Folgt des Blitzes Allgewalt.

Hinan! – Vorwärts – hinan!

Und das große Werk wird getan.

Und so schreiten wir, die Kühnen,

Eine halbe Welt entlang;

Die Verwüstung, die Ruinen,

Nichts verhindre deinen Gang.

Hinan! – Vorwärts – hinan!

Und das große, das Werk sei getan.

JUGENDFÜRST.

Hinter uns her vernehmt ihr schallen

Starke Worte, treuen Ruf:

Siegen, heißt es, oder fallen

Ist, was alle Völker schuf.

Hinan! – Vorwärts – hinan!

Und das Werk, es wäre getan.

HOFFNUNG.

Noch ist vieles zu erfüllen,

Noch ist manches nicht vorbei;

Doch wir alle, durch den Willen

Sind wir schon von Banden frei.

CHOR.

Hinan! – Vorwärts – hinan!

Und das große, das Werk sei getan.

JUGENDFÜRST.

Auch die Alten und die Greisen

Werden nicht im Rate ruhn;

Denn es ist um den Stein der Weisen,

Es ist um das All zu tun.

Hinan! – Vorwärts – hinan!

Und das Werk, es war schon getan.

CHOR.

Denn so einer »Vorwärts« rufet,

Gleich sind alle hinterdrein,

Und so geht es, abgestufet,

Stark und schwach und groß und klein.

Hinan! – Vorwärts – hinan!

Und das große, das Werk ist getan.

Und wo eh' wir sie nun erfassen,

In den Sturz, in die Flucht sie hinein!

Ja, in ungeheuren Massen

Stürzen wir schon hinterdrein.

Hinan! – Vorwärts – hinan!

Und das alles, das Werk ist getan.

Achter Auftritt

Glaube und Liebe mit den Frauen und Landbewohnern an der andern Seite.

CHOR.

Und wir kommen

Mit Verlangen,

Wir, die Frommen,

Zu empfangen

Sie, die Braven,

Sie mit Kränzen

Zu umschlingen.

Und mit Hymnen

Zu umsingen,

Zu erheben

Jene Braven,

Die da schlafen,

Die gegeben

Höhrem Leben.

LANDBEWOHNER aller Alter und Stände.

Und die wir zurückgeblieben,

Eurer Kraft uns anvertraut,

Haben unsren kühnen Lieben

Haus und Hof und Feld gebaut;

Und wie ihr im Siege schreitet,

Drückt uns traulich an die Brust:

Alles, was wir euch bereitet,

Lang' genießt es und mit Lust.

SÄMTLICHE CHÖRE.

Und mit den wichtigsten Geschäften

Verherrlicht heut' den großen Tag,

Zusammen all' mit vollen Kräften

Erhebt den Bau, der niederlag:

Strebt an – Glück auf – Strebt an!

Nur zu! und schon regt sich's hinan.

Und schon der Pfeiler, der gespalten,

Er hebt gefüget sich empor,

Und Säulenreihen, sie entfalten

Der schlanken Stämme Zierd' und Flor.

Strebt an – Glück auf – Strebt an!

Es steht, und das Werk ist getan.

Indessen sind die Ruinen wieder aufgerichtet. Ein Teil der Vegetation bleibt und ziert.

Neunter Auftritt

Epimenides mit zwei Priestern.

EPIMENIDES nach oben.

Wie selig euer Freund gewesen,

Der diese Nacht des Jammers überschlief,

Ich konnt's an den Ruinen lesen,

Ihr Götter, ich empfind' es tief!

Zu den Umstehenden.

Doch schäm' ich mich der Ruhestunden;

Mit euch zu leiden, war Gewinn:

Denn für den Schmerz, den ihr empfunden,

Seid ihr auch größer, als ich bin.

PRIESTER.

Tadle nicht der Götter Willen,

Wenn du manches Jahr gewannst:

Sie bewahrten dich im stillen,

Daß du rein empfinden kannst.

Und so gleichst du künft'gen Tagen,

Denen unsre Qual und Plagen,

Unser Streben, unser Wagen

Endlich die Geschichte beut;

Und nicht glauben, was wir sagen,

Wirst du, wie die Folgezeit.

GLAUBE.

Zum Ungeheuren war ich aufgerufen,

Mir dienten selbst Zerstörung, Blut und Tod;

So flammte denn an meines Thrones Stufen

Der Freiheit plötzlich furchtbar Morgenrot.

Schneidend eisige Lüfte blasen,

Ströme schwellen Schlund auf Schlund,

Und der Elemente Rasen,

Alles kräftigte den Bund.

Heil der Edlen, die den Glauben

In der tiefsten Brust genährt,

Unter Glut und Mord und Rauben

Das Verderben abgewehrt.

Ihr danken wir, nach mancher Jahre Grauen,

Das schöne Licht, das wir vergnüglich schauen.

LIEBE.

Begrüßet ihn mit liebevollen Blicken,

Der liebevoll bei seinem Volk verweilt,

Der treuen Seinen neubelebt Entzücken

Mit offnem holden Vaterherzen teilt.

Der Edle hat mit Edlen sich verbündet,

Da jauchzte kühn die treue Schar;

Und wo die Liebe wirkt und gründet,

Da wird die Kraft der Tugend offenbar,

Das Glück ist sicher und geründet.

HOFFNUNG.

Ich will gestehn den Eigennutz, o Schwestern!

Für jedes Opfer fordr' ich meinen Lohn,

Ein selig Heute für ein schrecklich Gestern,

Triumpheswonne statt der Duldung Hohn:

So wollt' ich es dem hohen Paare geben,

Von dessen Blick beseelt wir alle leben.

EPIMENIDES.

Die Tugenden, die hier ein kräftig Wirken

Und in unendlichen Bezirken

Sich herrlich tausendfach gezeigt,

Den höchsten Zweck mit Blitzesflug erreicht,

Sie helfen uns die größten Tage feiern.

Nur eine, die mit treuer Hand

Die Schwestern fest und zart verband,

Abseits, verhüllt bescheiden stand,

Die Einigkeit muß ich entschleiern.

Er führt eine bisher verborgen gebliebene Verschleierte hervor und schlägt ihr den Schleier zurück.

Zehnter Auftritt

DIE EINIGKEIT.

Der Geist, der alle Welten schafft,

Durch mich belehrt er seine Teuren:

»Von der Gefahr, der ungeheuren,

Errettet nur gesamte Kraft.«

Das, was ich lehre, scheint so leicht,

Und fast unmöglich zu erfüllen:

»Nachgiebigkeit bei großem Willen.«

Nun ist des Wortes Ziel erreicht,

Den höchsten Wunsch seh' ich erfüllen.

JUGENDFÜRST.

Ja, alle Kronen seh' ich neu geschmückt

Mit eignem Gold, mit Feindes Beute;

Ihr habt das Volk, ihr habt euch selbst beglückt;

Was ihr besitzt, besitzt ihr erst von heute.

Zwar hat der Ahnen würdiges Verdienst

Die goldnen Reife längst geflochten,

Doch nun ist's eigener Gewinst:

Ihr habt das Recht daran erfochten.

EPIMENIDES.

Und wir sind alle neugeboren,

Das große Sehnen ist gestillt;

Bei Friedrichs Asche war's geschworen

Und ist auf ewig nun erfüllt.

CHOR DER KRIEGER.

Und wir wandeln mit freien Schritten,

Weil wir uns was zugetraut,

Und empfangen in unsre Mitten

Gattin, Schwester, Tochter, Braut.

Getan! – Glück auf! – Getan!

Und den Dank nun zum Himmel hinan!

CHOR DER FRAUEN.

Euch zu laben,

Laßt uns eilen,

Unsre Gaben

Auszuteilen,

Eure Wunden

Auszuheilen:

Selige Stunden

Sind gegeben

Unsrem Leben!

Große Gruppe.

EPIMENIDES.

Ich sehe nun mein frommes Hoffen

Nach Wundertaten eingetroffen;

Schön ist's, dem Höchsten sich vertraun.

Er lehrte mich das Gegenwärt'ge kennen;

Nun aber soll mein Blick entbrennen,

In fremde Zeiten auszuschaun.

PRIESTER.

Und nun soll Geist und Herz entbrennen,

Vergangnes fühlen, Zukunft schaun.

CHOR.

So rissen wir uns ringsherum

Von fremden Banden los.

Nun sind wir Deutsche wiederum,

Nun sind wir wieder groß.

So waren wir und sind es auch

Das edelste Geschlecht,

Von biederm Sinn und reinem Hauch

Und in der Taten Recht.

Und Fürst und Volk und Volk und Fürst

Sind alle frisch und neu!

Wie du dich nun empfinden wirst

Nach eignem Sinne frei.

Wer dann das Innere begehrt,

Der ist schon groß und reich;

Zusammen haltet euren Wert,

Und euch ist niemand gleich.

Gedenkt unendlicher Gefahr,

Des wohlvergoßnen Bluts,

Und freuet euch von Jahr zu Jahr

Des unschätzbaren Guts.

Die große Stadt, am großen Tag,

Die unsre sollte sein –

Nach ungeheurem Doppelschlag

Zum zweitenmal hinein!

Nun töne laut: Der Herr ist da!

Von Sternen glänzt die Nacht.

Er hat, damit uns Heil geschah,

Gestritten und gewacht.

Für alle, die ihm angestammt,

Für uns war es getan,

Und wie's von Berg zu Bergen flammt,

Entzücken flamm' hinan!

Der Vorhang fällt.

Die Aufgeregten

Personen.

Die Gräfin

Friederike, ihre Tochter

Karl, ihr Söhnchen

Der Baron, ein Vetter

Der Hofrat

Breme von Bremenfeld, Chirurgus

Karoline, Bremens Tochter

Luise, Bremens Nichte

Der Magister, Hofmeister des jungen Grafen

Der Amtmann

Jakob, junger Landmann und Jäger

Martin,

Albert,

Peter, Landleute

Georg, Bedienter der Gräfin

Erster Aufzug

Erster Auftritt

Ein gemeines Wohnzimmer, an der Wand zwei Bilder, eines bürgerlichen Mannes und seiner Frau, in der Tracht, wie sie vor funfzig oder sechzig Jahren zu sein pflegte. Nacht.

Luise, an einem Tische, worauf ein Licht steht, strickend. Karoline, in einem Großvatersessel gegenüber, schlafend.

LUISE einen eben vollendeten gestrickten Strumpf in die Höhe haltend. Wieder ein Strumpf! Nun wollt' ich, der Onkel käme nach Hause, denn ich habe nicht Lust, einen andern anzufangen. Sie steht auf und geht ans Fenster. Er bleibt heut' ungewöhnlich lange weg, sonst kommt er doch gegen eilf Uhr, und es ist jetzt schon Mitternacht. Sie tritt wieder an den Tisch. Was die französische Revolution Gutes oder Böses stiftet, kann ich nicht beurteilen; so viel weiß ich, daß sie mir diesen Winter einige Paar Strümpfe mehr einbringt. Die Stunden, die ich jetzt wachen und warten muß, bis Herr Breme nach Hause kommt, hätt' ich verschlafen, wie ich sie jetzt verstricke, und er verplaudert sie, wie er sie sonst verschlief.

KAROLINE im Schlafe redend. Nein, nein! Mein Vater!

LUISE sich dem Sessel nähernd. Was gibt's, liebe Muhme? – Sie antwortet nicht! – Was nur dem guten Mädchen sein mag! Sie ist still und unruhig; des Nachts schläft sie nicht, und jetzt, da sie vor Müdigkeit eingeschlafen ist, spricht sie im Traume. Sollte meine Vermutung gegründet sein? sollte der Baron in diesen wenigen Tagen einen solchen Eindruck auf sie gemacht haben, so schnell und stark? Hervortretend. Wunderst du dich, Luise, und hast du nicht selbst erfahren, wie die Liebe wirkt, wie schnell und wie stark!

Zweiter Auftritt

Die Vorigen. Georg.

GEORG heftig und ängstlich. Liebes Mamsellchen, geben Sie mir geschwinde, geschwinde –

LUISE. Was denn, Georg?

GEORG. Geben Sie mir die Flasche.

LUISE. Was für eine Flasche?

GEORG. Ihr Herr Onkel sagte, Sie sollen mir die Flasche geschwinde geben; sie steht in der Kammer, oben auf dem Brette rechter Hand.

LUISE. Da stehen viele Flaschen; was soll denn drinne sein?

GEORG. Spiritus.

LUISE. Es gibt allerlei Spiritus; hat er sich nicht deutlicher erklärt? wozu soll's denn?

GEORG. Er sagt' es wohl, ich war aber so erschrocken. Ach, der junge Herr –

KAROLINE die aus dem Schlaf auffährt. Was gibt's? – Der Baron?

LUISE. Der junge Graf?

GEORG. Leider, der junge Graf!

KAROLINE. Was ist ihm begegnet?

GEORG. Geben Sie mir den Spiritus.

LUISE. Sage nur, was dem jungen Grafen begegnet ist, so weiß ich wohl, was der Onkel für eine Flasche braucht.

GEORG. Ach, das gute Kind? was wird die Frau Gräfin sagen, wenn sie morgen kommt! wie wird sie uns ausschelten!

KAROLINE. So red' Er doch!

GEORG. Er ist gefallen, mit dem Kopfe vor eine Tischecke, das Gesicht ist ganz in Blut; wer weiß, ob nicht gar das Auge gelitten hat.

LUISE indem sie einen Wachsstock anzündet und in die Kammer geht. Nun weiß ich, was sie brauchen.

KAROLINE. So spät! wie ging das zu?

GEORG. Liebes Mamsellchen, ich dachte lange, es würde nichts Gutes werden. Da sitzt Ihr Vater und der Hofmeister alle Abend beim alten Pfarrer und lesen die Zeitungen und Monatsschriften, und so disputieren sie und können nicht fertig werden, und das arme Kind muß dabei sitzen; da drückt sich's denn in eine Ecke, wenn's spät wird, und schläft ein, und wenn sie aufbrechen, da taumelt das Kind schlaftrunken mit, und heute – nun sehen Sie – da schlägt's eben zwölfe – heute bleiben sie über alle Gebühr aus, und ich sitze zu Hause und habe Licht brennen, und dabei stehen die andern Lichter für den Hofmeister und den jungen Herrn, und Ihr Vater und der Magister bleiben vor der Schloßbrücke stehen und können noch nicht fertig werden –

LUISE kommt mit einem Glase zurück.

GEORG fährt fort. Und das Kind kommt in den Saal getappt und ruft mich, und ich fahre auf und will die Lichter anzünden, wie ich immer tue, und wie ich schlaftrunken bin, lösche ich das Licht aus. Indessen tappt das Kind die Treppe hinauf, und auf dem Vorsaal stehen die Stühle und Tische, die wir morgen früh in die Zimmer verteilen wollen; das Kind weiß es nicht, geht gerade zu, stößt sich, fällt, wir hören es schreien, ich mache Lärm, ich mache Licht, und wie wir hinauf kommen, liegt's da und weiß kaum von sich selbst. Das ganze Gesicht ist blutig. Wenn es ein Auge verloren hat, wenn es gefährlich wird, geh' ich morgen früh auf und davon, eh' die Frau Gräfin ankommt; mag's verantworten, wer will!

LUISE die indessen einige Bündelchen Leinwand aus der Schublade genommen, gibt ihm die Flasche. Hier! geschwind! trage das hinüber und nimm die Läppchen dazu, ich komme gleich selbst. Der Himmel verhüte, daß es so übel sei! Geschwind, Georg, geschwind! Georg ab. Halte warmes Wasser bereit, wenn der Onkel nach Hause kommt und Kaffee verlangt. Ich will geschwind hinüber. Es wäre entsetzlich, wenn wir unsere gute Gräfin so empfangen müßten. Wie empfahl sie nicht dem Magister, wie empfahl sie nicht mir das Kind bei ihrer Abreise! Leider hab' ich sehen müssen, daß es die Zeit über sehr versäumt worden ist. Daß man doch gewöhnlich seine nächste Pflicht versäumt! Ab.

Dritter Auftritt

Karoline. Hernach der Baron.

KAROLINE nachdem sie einigemal nachdenkend auf und ab gegangen. Er verläßt mich keinen Augenblick, auch im Traume selbst war er mir gegenwärtig. O wenn ich glauben könnte, daß sein Herz, seine Absichten so redlich sind, als seine Blicke, sein Betragen reizend und einnehmend ist! Ach, und die Art, mit der er alles zu sagen weiß, wie edel er sich ausdrückt! Man sage, was man will, welche Vorzüge gibt einem Menschen von edler Geburt eine standesmäßige Erziehung! Ach, daß ich doch seinesgleichen wäre!

DER BARON an der Türe. Sind Sie allein, beste Karoline?

KAROLINE. Herr Baron, wo kommen Sie her? entfernen Sie sich! wenn mein Vater käme! Es ist nicht schön, mich so zu überfallen.

BARON. Die Liebe, die mich hieher führt, wird auch mein Fürsprecher bei Ihnen sein, angebetete Karoline. Er will sie umarmen.

KAROLINE. Zurück, Herr Baron! Sie sind sehr verwegen. Wo kommen Sie her?

BARON. Ein Geschrei weckt mich, ich springe herunter und finde, daß mein Neffe sich eine Brausche gefallen hat. Ich finde Ihren Vater um das Kind beschäftigt, nun kommt auch Ihre Muhme; ich sehe, daß es keine Gefahr hat, es fällt mir ein: Karoline ist allein – und was kann mir bei jeder Gelegenheit anders einfallen als Karoline? Die Augenblicke sind kostbar, schönes, angenehmes Kind! Gestehen Sie mir, sagen Sie mir, daß Sie mich lieben. Will sie umarmen.

KAROLINE. Noch einmal, Herr Baron! lassen Sie mich, und verlassen Sie dieses Haus!

BARON. Sie haben versprochen, mich so bald als möglich zu sehen, und wollen mich nun entfernen?

KAROLINE. Ich habe versprochen, morgen früh mit Sonnenaufgang in dem Garten zu sein, mit Ihnen spazieren zu gehen, mich Ihrer Gesellschaft zu freuen. Hieher hab' ich Sie nicht eingeladen.

BARON. Aber die Gelegenheit –

KAROLINE. Hab' ich nicht gemacht.

BARON. Aber ich benutze sie; können Sie mir es verdenken?

KAROLINE. Ich weiß nicht, was ich von Ihnen denken soll.

BARON. Auch Sie – lassen Sie es mich frei gestehen –, auch Sie erkenne ich nicht.

KAROLINE. Und warum bin ich mir denn so unähnlich?

BARON. Können Sie noch fragen?

KAROLINE. Ich muß wohl, ich begreife Sie nicht!

BARON. Ich soll reden?

KAROLINE. Wenn ich Sie verstehen soll.

BARON. Nun gut. Haben Sie nicht seit den drei Tagen, die ich Sie kenne, jede Gelegenheit gesucht, mich zu sehen und zu sprechen?

KAROLINE. Ich leugne es nicht.

BARON. Haben Sie mir nicht, so oft ich Sie ansah, mit Blicken geantwortet? und mit was für Blicken!

KAROLINE verlegen. Ich kann meine eignen Blicke nicht sehen.

BARON. Aber fühlen, was sie bedeuten – Haben Sie mir, wenn ich Ihnen im Tanze die Hand drückte, die Hand nicht wieder gedrückt?

KAROLINE. Ich erinnere mich's nicht.

BARON. Sie haben ein kurzes Gedächtnis, Karoline. Als wir unter der Linde drehten und ich Sie zärtlich an mich schloß, damals stieß mich Karoline nicht zurück.

KAROLINE. Herr Baron, Sie haben sich falsch ausgelegt, was ein gutherziges unerfahrnes Mädchen –

BARON. Liebst du mich?

KAROLINE. Noch einmal, verlassen Sie mich! Morgen frühe –

BARON. Werde ich ausschlafen.

KAROLINE. Ich werde Ihnen sagen –

BARON. Ich werde nichts hören.

KAROLINE. So verlassen Sie mich.

BARON sich entfernend. O, es ist mir leid, daß ich gekommen bin.

KAROLINE allein, nach einer Bewegung, als wenn sie ihn aufhalten wollte. Er geht, ich muß ihn fortschicken, ich darf ihn nicht halten. Ich liebe ihn, und muß ihn verscheuchen. Ich war unvorsichtig, und bin unglücklich. Weg sind meine Hoffnungen auf den schönen Morgen, weg die goldnen Träume, die ich zu nähren wagte. O, wie wenig Zeit braucht es, unser ganzes Schicksal umzukehren!

Vierter Auftritt

Karoline. Breme.

KAROLINE. Lieber Vater, wie geht's? was macht der junge Graf?

BREME. Es ist eine starke Kontusion; doch ich hoffe die Läsion soll nicht gefährlich sein. Ich werde eine vortreffliche Kur machen, und der Herr Graf wird sich künftig, so oft er sich im Spiegel besieht, bei der Schmarre mit Achtung seines geschickten Chirurgi, seines Breme von Bremenfeld, erinnern.

KAROLINE. Die arme Gräfin! wenn sie nur nicht schon morgen käme.

BREME. Desto besser! und wenn sie den übeln Zustand des Patienten mit Augen sieht, wird sie, wenn die Kur vollbracht ist, desto mehr Ehrfurcht für meine Kunst empfinden. Standespersonen müssen auch wissen, daß sie und ihre Kinder Menschen sind; man kann sie nicht genug empfinden machen, wie verehrungswürdig ein Mann ist, der ihnen in ihren Nöten beisteht, denen sie wie alle Kinder Adams unterworfen sind, besonders ein Chirurgus. Ich sage dir, mein Kind, ein Chirurgus ist der verehrungswürdigste Mann auf dem ganzen Erdboden. Der Theolog befreit dich von der Sünde, die er selbst erfunden hat; der Jurist gewinnt dir deinen Prozeß und bringt deinen Gegner, der gleiches Recht hat, an den Bettelstab; der Medikus kuriert dir eine Krankheit weg, die andere herbei, und du kannst nie recht wissen, ob er dir genutzt oder geschadet hat: der Chirurgus aber befreit dich von einem reellen Übel, das du dir selbst zugezogen hast oder das dir zufällig und unverschuldet über den Hals kommt; er nutzt dir, schadet keinem Menschen, und du kannst dich unwidersprechlich überzeugen, daß seine Kur gelungen ist.

KAROLINE. Freilich auch, wenn sie nicht gelungen ist.

280,59 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
1350 стр.
ISBN:
9783754178058
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

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