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Prof. Dr. Hans-Peter Dürr (*1929 - †2014)

Vortrag von Prof. Dr. Hans-Peter Dürr: Was die Welt im Innersten zusammenhält

beim Bad Wörishofener Herbst 2011

Warum es ums Ganze geht

Neues Denken in einer Welt im Umbruch

Das Lebendige lebendiger werden lassen

Wie uns neues Denken aus der Krise führt

Es ist einigermaßen überraschend, wenn sie hören, dass ich ein Physiker bin. Nicht nur ein Physiker, ein Atomphysiker, Kernphysiker. Das heißt jemand, der sich vorgenommen hat, herauszufinden, was die Welt im Innersten zusammenhält. Das habe ich auch 60 Jahre lang gemacht; nachgesehen, wie kann man das verstehen, was um uns herum ist. Ich habe mit Heisenberg zusammengearbeitet, der selbst als 24 jähriger auch einen Lehrer hatte, Niels Bohr. Ich war in einer ähnlichen Situation.

Und viele Leute fragen mich: Was ist denn dabei herausgekommen, dass Du 60 Jahre damit verbracht hast? Ein Punkt ist ganz wichtig: Dass man gesehen hat, dass es Materie gar nicht gibt. Dann sagen alle: Mein Gott! Der arme Kerl! 60 Jahre an etwas gehangen, das es gar nicht gibt.

Aber genau das ist nicht der Fall. Dass es das nicht gibt, hat nichts damit zu tun, dass man noch nicht weit gekommen ist, sondern dass die Art und Weise, wie wir die Welt sehen, eine ganz andere ist. Das ist nicht meine Erfindung, das ist das, was Heisenberg 1925 herausgefunden hat, und wofür er seinen Nobelpreis bekommen hat.

Ich muss auch sagen, es hat mich sehr gefreut, dass es hier diesen Obertitel hat „Ehrfurcht vor dem Leben“. Ich glaube, das ist eine ganz wichtige Sache. Dass es ein Physiker als wichtig empfindet, das ist dann eher komisch, weil er sich ja genau mit dem abgibt, was nicht lebt. Sie wissen, dass die Biologen seit Jahren versuchen, so gut zu sein, wie die Physiker. Und ich sage immer: Passt doch auf! Wir bemühen uns die ganze Zeit, etwas zu retten von der Physik, weil wir sehen, dass die Physik viel zu lebendig ist, als dass man sie noch Physik nennen kann. Ihr braucht nicht zu uns zu kommen, wir sind auf dem Weg zu euch!

Aber das wollen sie nicht. Sie sagen, wir wollen irgendwie eine Vorstellung haben, dass wir die Welt verstehen, weil wir die Welt in den Griff bekommen wollen.

Dann sag ich: Nein, ihr kriegt sie nie in den Griff. Gott sei Dank!

Und die sagen: Wenn wir sie nicht in den Griff bekommen, wer bezahlt uns dann in Zukunft?

Ich muss auch sagen, was mich hier im Allgäu ganz stark beschäftigt, gerade in Zeiten, wo wir wieder diese große Unruhe in der ganzen Welt haben, ist folgendes: Es ist ja kaum auszuhalten. Als jemand, der den Krieg voll mitbekommen hat, kann ich sagen, dass eigentlich mein Leben und das meiner Familie, in der ich aufgewachsen bin - es waren fünf Kinder - ein Überleben nicht einfach war. Es war die Familie, die uns aufgefangen hat. Wir haben uns dann in der „Ottoshütte“ ausgemacht, wenn der Krieg zu Ende ist, wollen wir uns dort wieder treffen. Ich war der letzte, und sie hatten die Hoffnung schon aufgegeben, dass ich es überhaupt überleben würde, weil auch alle meine Freunde in dieser Zeit umgekommen sind. Ich bin zu Fuß von Innsbruck nach Gunzesried gegangen, mutterseelenallein, eine Strecke, die weit über 100 Kilometer war. Ohne Essen, ohne Kleidung zum wechseln. Dass ich das überstanden habe! Aber es war einfach so, dass ich der Letzte in der Familie war, und dann auch bei der Geißrückenalpe in der Nähe von Gunzesried untergekommen bin, wo ich dann als Arbeiter gearbeitet habe und dafür gesorgt habe, dass die ganze Familie dort nicht verhungern muss. Das also im Hintergrund.

Und ich muss sagen, ich habe damals noch mehr das Gefühl gehabt, dieses Land ist wunderbar. Die Landschaften sind wunderbar, die Menschen sind wunderbar, dass sie auch anderen helfen.

Ich will aber jetzt auf das eingehen, was ich hier aufgeschrieben habe. Darunter: Das Leben lebendiger werden lassen – Wie uns Neues Denken aus der Krise heraus hilft.

Wie müssen wir die Welt eigentlich ansehen? Wie anders ist die Welt, als wir bisher angenommen haben? Welche Konsequenzen ziehen wir daraus? Wenn wir sie wirklich ernst nehmen, dann haben wir auch gleich einen Hinweis, in welche Richtung wir gehen müssen. Und dann haben wir auch die Möglichkeit, aus der jetzigen Krise auszusteigen. Wir werden es nicht machen können, wenn wir glauben, wir müssen uns nur ein bisschen anders orientieren. Nein, das Auto ist wirklich in den Graben gefahren, wir müssen aussteigen und ein Stück zu Fuß laufen, um wieder in die richtige Richtung zu kommen.

Ich möchte jetzt einfach mal in diese Richtung gehen, um Ihnen zu zeigen, warum wir eigentlich mit der alten Vorstellung der Welt nicht mehr zurechtkommen. Wir sehen, dass wir ein ganz anderes Weltbild haben, als das, welches wir ursprünglich angenommen haben.

Das ist auch Heisenbergs Verdienst 1925. Es wurden paradoxe Messungen gemacht und man hat gedacht, man muss beim Messen einen Fehler gemacht haben. Es war kein Fehler, aber irgendetwas war nicht in Ordnung, und keiner hat gedacht, dass die Vorstellung der Welt, wie wir sie damals hatten, einfach nicht stimmt. Und Heisenberg zeigte: Wir müssen das ganz anders angehen. Bei dieser anderen Betrachtungsweise stellt sich heraus, dass wir ganz anders denken müssen. Wenn wir in diese Richtung gehen, stellen wir auf einmal fest, dass die Naturwissenschaften nicht isoliert dastehen. Auch nicht sozusagen angeberisch zu sagen: Endlich sind die Menschen auf der Welt, die wissen, was richtig und falsch ist! Wir haben die Instrumente, um festzustellen, was richtig und falsch ist, und wenn wir das sagen, dann wisst ihr, wir haben Recht.

Das, was herauskam, ist: Ihr seid auf dem falschen Weg. Dieser Ehrgeiz zu sagen, wir wissen alles, stimmt nicht. Das heißt, wir kommen in eine andere Situation hinein, die für einen Philosophen und auch für einen religiös eingestellten Menschen ganz klar ist. Man hat Schwierigkeiten auszudrücken, was man eigentlich meint, aber da ist etwas im Hintergrund, was irgendwie richtig ist, aber nicht so, wie man es ausdrückt.

Das führt dazu, dass der Unterschied zwischen Naturwissenschaften, Geisteswissenschaften und Religion auf einmal verschwindet, dass etwas Gemeinsames vorne steht. Was vorne steht, ist viel allgemeiner, aber es ist aufregend, es ist gut, dass wir darauf eingehen können.

Wir sind heute sozusagen in einer schizophrenen Situation. Wir lernen immer noch in den Schulen und überall die alte Physik. Die Technik, die wir haben, ist aber bereits die Konsequenz aus der neuen Physik. Und jetzt gehen wir in das 21. Jahrhundert hinein und wollen mit der alten Denkweise und der neuen Technologie das 21. Jahrhundert schaffen. Das geht einfach nicht.

Die Technologie, die wir heute haben, ist in drei Punkten ganz wichtig:

Da ist die chemische Betrachtung, die ist viel raffinierter, als wir uns vorgestellt haben. Das zweite ist, die Mikroelektronik können wir nicht verstehen mit der alten Denkweise. Wenn Sie herumlaufen mit ihrem Handy am Ohr und sie jemand fragt, was da passiert - „Ja, das ist ein Handy“ ist noch keine Erklärung. Warum sollte die für uns wahrnehmbare Welt so sein, dass wir es verstehen können? Leider sind auch die Atombomben ein Ergebnis dessen, wofür man die neuen Einsichten braucht. Deshalb auch diese Angst der Physiker. Einige von uns haben die Atombombe gebaut. Einige Menschen, auch wenn sie 90 sind, reden immer noch denselben Unsinn wie vor Jahrzehnten. Dann freut man sich, dass die Welt so geschaffen ist, dass wir nicht so unendlich lange leben. Dann hat man nicht so viele Leute zu überzeugen. Das ist schon ganz gut eingerichtet.

Wir wissen selbstverständlich, dass es irgendwie auch nicht ganz reicht, was kommt. Das Wertesystem, das wir heute haben, ist eigentlich von den Physikern vorgegeben worden. Wir begreifen, das ist nur da, alles andere ist Traumtänzerei, das brauchen wir gar nicht zu wissen. Doch im Hintergrund hat jeder das Gefühl, da ist doch noch so etwas wie Ethik und Moral. Erst wenn manche Männer so weise sind, dass sie auch mal auf ihre Frauen hören, kommt es zum Vorschein. Das heißt, die Frauen können sich viel weniger lösen von dieser Vorstellung, dass wir unabhängig voneinander sind. Sie finden, das Zusammenspiel ist das A und O von dem, was wir täglich erfahren. Man trägt es mit sich herum, aber man muss mehr Forschung treiben, damit wir das in den Griff bekommen.

Ich bin ganz froh, dass das gar nicht geht, aber wenn wir unsere Zeit damit verschwenden wollen, können wir das ruhig tun.

Überholte Weltbilder

Wir müssen unsere alten Weltbilder über Bord werfen. Insbesondere das, dass wir uns Menschen als außerhalb der Natur betrachten. Das ist auch im Christentum ganz schön schwer. Im Christentum ist es so, dass der Mensch ganz besonders ist, und die Natur ist etwas, das ihm untergeordnet ist und das er behandeln muss. So ist es nicht, sondern wir sind Teil eines größeren Organismus. Wir haben schon unsere besonderen Eigenschaften, aber wir sind nichts total Anderes. Wenn man sich vorstellt, es gibt nur noch uns Menschen und die Pflanzen sind alle gestorben, können wir nicht sagen, tummeln wir uns allein auf der Erde herum. Und wer kocht was? Es gibt dann keine Nahrung mehr. Daran merken wir, wir sind ein Teil eines größeren Ganzen. Wir Menschen sind Teil eines Biosystems, in das wir eingebettet sind. Wenn wir das ruinieren, sind wir auch ruiniert. Das Biosystem ist eingebettet in ein System, das den ganzen Planeten ausmacht, angepasst an den Planeten in der Art und Weise, wie er ist, welche Stoffe er an der Oberfläche hat. Über 4 Milliarden Jahre ist es so gewachsen, dass es zusammen gehört. Wir sind ein Teil davon. Und nicht ein abgetrennter Teil, der bevorzugt andere Möglichkeiten hat, sondern wir sind mit beteiligt. Das sieht man so zunächst nicht.

Man hat also gesehen, dass die einzige Art und Weise, wie wir aus dieser Betrachtungsweise herauskommen „Hier ist der Mensch, und dort alles übrige, und wir müssen den Menschen erziehen, wie er das um sich herum in den Griff bekommt, so dass es vor allem ihm nützt“, ein anderes Denken ist. Wir brauchen eine andere Art zu denken. Das ist besonders wichtig geworden, als Russel und Einstein 1955, ein Jahr, nachdem man herausgefunden hat, dass Hiroshima und Nagasaki kleine Bomben sind im Vergleich zu dem, was möglich wäre, davor warnten. Wenn wir das jetzt haben, bedeutet es, entweder, wir schaffen es, das aus dem Weg zu räumen, oder die Menschheit hat keine Zukunft mehr. Nämlich, wenn etwas passiert: Wir sind die Empfindlichsten in der ganzen Struktur, wir sind die ersten, die runterfallen.

1955! Vor kurzem haben wir 50 Jahre gefeiert, und ich habe den Auftrag bekommen: Was hätten Russel und Einstein 50 Jahre danach gesagt? Die wären verzweifelt gewesen, weil wir null gelernt haben. Im Gegenteil, nicht nur die Bomben, alles läuft in die falsche Richtung. Was ist denn los mit uns Menschen, wo wir immer glauben, wir seien so toll, so lernfähig? Ich behaupte, wir sind es! Es sind nicht wir, die wir da sind, wir stehen unter einer Macht, die es uns gar nicht erlaubt. Ihr ist es schnurzegal, was in Zukunft passiert, die einfach sagt: „Du kannst ja Recht haben, dass es nicht geht, aber der Dinosaurier ist doch auch ausgestorben.“ Ja, er ist ausgestorben, aber erst nach 4 Millionen Jahren, und wir haben es noch längst nicht so weit gebracht. Und du bist nur 60 Jahre alt! Diese 30 Jahre, die noch vor mir liegen, um die kümmere ich mich nicht, aber einige von uns denken daran, was in den nächsten 100 Jahren passiert, wenn wir da überhaupt noch da sind.

Wenn ich über die Zukunft spreche, ist nicht meine Zukunft gemeint, sondern eure Zukunft. Nachhaltigkeit ist das Wichtigste. Wir müssen alles tun, damit die Menschheit überhaupt eine Zukunft hat.

Das Wort Nachhaltigkeit ist ein bisschen falsch. Wenn man vor jungen Leuten steht und von Nachhaltigkeit spricht, da schlafen ihnen die Füße ein. Nachhaltigkeit, da habe ich den Eindruck, ich kann mich tot hinlegen, und dann habe ich das erfüllt. Auf Englisch heißt Nachhaltigkeit „Sustainability“, die Fähigkeit, die Welt so zu lassen, wie sie ist. Am besten, ich sterbe gleich, dann bleibt sie, wie sie ist. Das ist nicht wirklich, was uns vorschwebt. Uns schwebt vor, dass wir eine Welt sind, wo das Lebendige eine große Rolle spielt, und nicht nur das Tote. Wo das Lebendige eine Rolle spielt, hat es die Eigenschaft, dass Kreativität, Vitalität und all diese Dinge sprühen. Es bedeutet letzten Endes, dass wir das Lebendige lebendiger werden lassen. Das ist für die jungen Leute besser, eher: „Ihr seid beauftragt, es nicht so zu lassen, wie es ist, sondern die Welt muss noch lebendiger werden“. Ihr müsst euch daran erinnern, dass wir vor dreieinhalb Milliarden Jahren eine chemische Soße gehabt haben, und jetzt sind dreieinhalb Milliarden Jahre vergangen, und alles ist so anders. In so kurzer Zeit! Aus einer Brühe einen Menschen zu machen, überhaupt das Lebendige zu machen. Wir sind hier in einer Entwicklung. Das einzige, was wir feststellen, ist die Evolution des Lebendigen.

Evolution ist eigentlich nicht das richtige Wort. Evolution heißt Auswickeln. Da entsteht der Eindruck, es ist alles da, und jetzt wird es ausgewickelt und – ah, toll, jetzt kommt ein Mensch raus!

Nein, es ist wirklich etwas Kreatives im Hintergrund. Die Vorstellung von Evolution ist im Wesentlichen so: Am Anfang steht der Big Bang, den hat jemand gemacht – der liebe Gott hat bei den Physikern nicht eine Woche Zeit, sondern nur eine Millionstel Sekunde. Und dann wickelt sich alles aus – das reicht uns doch nicht.

Es wird sich herausstellen, dass die Kreativität Teil des Systems ist. Deshalb ist auch der Ausspruch wichtig: Das Lebende lebendiger werden lassen. Ich zitiere auch immer gerne den Albert Schweitzer: „Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das leben will.“

Das kommt meinem Gefühl entgegen, dass wir Teil sind von einem viel größeren Ganzen. Und damit hat er eigentlich auch Recht.

Etwas, wovon heute keiner spricht, ist, dass wenn wir von unserer Freiheit sprechen, wir den Menschen die Möglichkeit geben müssen, möglichst frei, ungebremst zu sein – das kann gar nicht gut gehen. Solange er nicht auch das Ganze im Auge hat. Die Meisten sehen nicht, dass, wenn sie hier auf unserem Planeten sitzen, sie nicht alles machen können. Wir können nicht einfach Rohstoffe beliebig verbrauchen, denn es gibt einen Erhaltungssatz für Materie. Materie verschwindet nicht und entsteht nicht, aber wenn ich sie verstreue, ist es, als ob es sie nicht gibt. Energie verschwindet auch nicht, sondern geht verloren. Sie wird zu Wärme in einer Form, in der sie uns nichts mehr nützt.

Wir müssen also jetzt auf diesem Planeten sehen, wie wir nicht nur 30 Jahre leben können, sondern wir haben noch etwa viereinhalb Milliarden Jahre Zeit, bis die Sonne explodiert. Aber das kümmert mich ehrlich gesagt nicht.

Das ist also eine ganz wichtige Sache. Hier will ich Ihnen auch sofort sagen, weil es eine ganz große Rolle spielt, weil wir so viel über Energie sprechen: Nicht nur die Materie bleibt gleich, auch die Energie bleibt gleich. Die Sonnenenergie, die einfällt, muss wieder in den Weltraum zurückgestrahlt werden. Sonst würden wir allmählich flüssig werden, dann gasförmig, und dann wären wir weg. Wenn wir sagen, wir brauchen Energie, ist dies eigentlich eine falsche Bezeichnung. Wir nennen es in der Physik Exergie, eine geordnete Form der Energie, die wir brauchen und die für das Leben unverzichtbar ist. Diese Form ist es, die überhaupt die Entwicklung des Lebendigen erst möglich macht. Es ist nicht die Energie selber.

Nur ein Viertausendstel der Sonnenenergie wird von den Pflanzen aufgesammelt und ist der Träger des ganzen Biosystems. Ein Viertausendstel! Das Übrige ist Sonnenlicht, das als Wärme wieder zurückgestrahlt wird.

Wenn jemand sagt, wir wissen nicht, wie wir unsere Energieprobleme lösen sollen – das stimmt nicht! Wir müssen uns einfach ein bisschen anstrengen. Es hat nichts damit zu tun, dass es nicht geht, sondern dass wir einfach nicht interessiert sind an etwas, das von der Sonne kommt. Jeder kann die Sonne anzapfen, er braucht nur nach oben gucken. Wir wollen aber etwas haben, wo man dauernd betteln muss: Mach doch die Energie etwas billiger! Ich nehme die Sonne, wo sie kommt, das heißt, wir werden unabhängiger und kommen dem näher, was wir anstreben wollen. Nämlich, dass der Mensch in der Demokratie nicht nur einen Wahlzettel weiterreicht, und dann wird ein Millionär Führer, sondern dass wir wirklich beteiligt sind an der Zukunft. Und das hat man nur, wenn man direkt auf die Dinge zugreifen kann, die wir brauchen, um das Leben fortzuführen.

Die Pflanzen sind schon toll! Mit 42 Schritten nehmen sie das Sonnenlicht so, dass die Ordnung nicht kaputt geht. Es wird immer wieder weitergereicht, bis man am Schluss Glucose hat. Das ist ein chemisch stabiler Zucker. Das bedeutet, es ist Sonnenlicht, das aufgefangen wurde.

Die fossilen Brennstoffe haben Millionen von Jahren gebraucht, um das zu sammeln, was wir in einem Jahrhundert verbraucht haben.

Ich will noch etwas sagen darüber, wie wir die Welt wahrnehmen. Wir glauben jeder, wir sind alle Menschen, und dass jeder dasselbe meint, wenn wir über die Welt sprechen. Welt, das heißt die vom Menschen wahrgenommene Wirklichkeit. Wir haben alle nur fünf Sinne. Was wir wahrnehmen ist nur ein Teil des Ganzen. Man nimmt an, dass jeder Mensch dasselbe sieht, aber wir wissen heute, das ist gar nicht der Fall. Was man für wichtig hält, sieht man mehr, und was man für unwichtig hält, sieht man weniger oder überhaupt nicht.

Wir erleben mehr, als wir begreifen. Warum? Weil wir noch zu dumm sind, um das zu erklären. Also wird mehr geforscht, damit wir alles begreifen – und das ist es, was schief geht.

Wir erleben mehr, als wir begreifen – da gibt es etwas, was ich überhaupt nicht begreifen, und trotzdem erleben kann. Das wissen wir, denn wir haben nicht nur unsere fünf Sinne, sondern auch unsere Gefühle.

Ich will zum Beispiel sagen „Ich habe mich verliebt“. Ich kann das erleben, aber kann ich erzählen, begreifen, was es ist? Ich habe mich verliebt – Liebe ist es nicht. In dem Augenblick, in dem ich es begriffen habe, habe ich genau das kaputt gemacht, was ich zum Ausdruck bringen wollte.

Die Welt ist voller Möglichkeiten, dass wir miteinander umgehen können, ohne uns auf das Begreifen zu verlassen. Aber das Begreifen ist das, was für die Physik wichtig ist. Etwas, das man messen kann, dann hängt es nicht von dem Menschen ab, sondern ich kann es in ein Buch schreiben, und das Buch kann auch noch in 100 Jahren auf dieselbe Weise beschrieben werden. Das ist nun eine ganz wichtige Sache. Wir haben ja in Deutschland den großen Vorzug, dass wir das Wort Wirklichkeit haben. Wir verwenden kaum Realität. Geht auf das 13. Jahrhundert zurück. Meister Eckhart! Er hat gesagt, das ist es, was man Wirklichkeit nennt. Aber Wirklichkeit ist etwas ganz anderes als Realität. Wirklichkeit ist etwas, das wirkt, das sich verändert. Realität – ja, was ist Realität? Realität bedeutet, dass wir als Beobachter und das, was wir beobachten, getrennt sind. Subjekt guckt das Objekt an.

Echte Wissenschaft hat man nur, wenn man in seinen Aussagen ganz und gar objektiv ist. Wenn man sich mit seinem Ich abschneidet von dem, was man sieht. Subjekt und Objekt trennt sich.

Wenn sie das nicht trennen, können sie nicht veröffentlichen. Sonst kann es sein, dass man schlechte Laune hatte, und deshalb ein anderes Ergebnis bekommen hat. Ein Wissenschaftler muss zeigen, dass er blind das als Ergebnis hat.

Aber dieser Schnitt, das Subjekt vom Objekt abzutrennen, das ist das, was uns den Garaus macht. Das Objekt ist nicht nur ein Objekt, sondern isoliert, so dass es abtrennbar ist. Nicht nur vom Beobachter, sondern von allem anderen. Die Welt ist aus Dingen aufgebaut, und Ding heißt im Lateinischen „Res“. Die Realität ist die Welt der abgetrennten Bausteine, die dann zusammenspielen und alles Übrige machen, was wir jetzt beobachten. Das ist die alte Physik.

Sie werden selbstverständlich sehen, dass da das Lebendige nicht hängen bleibt. Durch diesen Schnitt habe ich nur Resultate, aber was ist das Lebendige dann eigentlich?

Probieren Sie es mal aus: Sie zerschneiden sich in Tausend Teile und kleben sie mit dem Uhu wieder zusammen, Sie kommen nicht wieder in die Situation, in der Sie angefangen haben.

Das heißt, die Realität kann nur angewandt werden, wenn das Unbelebte betrachtet wird. Die Physik macht ihre Experimente am Unbelebten; nicht nur aus Sympathie an den Menschen, sondern weil es einfacher ist.

In unserem alten Bild wird die Wirklichkeit als Realität identifiziert.

Hier kommt jetzt ein ganz wichtiger Punkt. Kein Mensch redet darüber, obwohl es einer der wichtigsten Punkte ist: Eine Charakteristik des Unbelebten. Das Dominante in der Naturwissenschaft ist Getrenntheit und Wechselwirkung. Im zweiten Hauptsatz der Thermodynamik heißt es: Das Wahrscheinlichere passiert wahrscheinlicher. Ist das eine tiefgründige Aussage, dass das Wahrscheinlichere wahrscheinlicher ist? Natürlich ist es wahrscheinlicher! Aber es ist nicht trivial.

Schauen Sie sich Ihren Schreibtisch an, da sehen Sie es am besten. Zuerst ist er aufgeräumt. Nun haben Sie den ganzen Tag hart gearbeitet, jetzt ist er ein wenig durcheinander. Am Abend legen Sie sich hin, in der Nacht passiert immer das umgekehrte wie am Tag, man legt sich hin, steht wieder auf, aber der Schreibtisch hat sich nicht aufgeräumt. Das heißt, auch nachts geht es in diese Richtung, das wahrscheinlichere passiert. Bis der Schreibtisch so durcheinander ist, dass ich eine Stunde rumstöbern kann, es wird nicht wahrscheinlicher.

Dann kommt man an etwas wie diesen Tisch. Der rührt sich nicht mehr, der ist schon angekommen.

Die Frage ist, wie kann in einer solchen Welt überhaupt etwas Lebendiges entstehen? Leben ist so unwahrscheinlich, wenn Sie das ausrechnen, so unwahrscheinlich! Gilt da der 2. Hauptsatz etwa nicht? Er stimmt doch. Aber wir wissen genau, wenn wir unseren Schreibtisch aufräumen, brauchen wir eine ordnende Hand. Sie muss präzise vorgehen und alles an den richtigen Platz stellen. Am Schluss hat man zwei Häufchen und wir sagen, alles ist jetzt wieder in Ordnung.

Ich muss einen Blick darauf werfen: Erledigt – rechts, unerledigt – links. Ich brauche ein lebendiges Element, um überhaupt Leben in diese Unordnung hineinzubringen.

Wir können nicht überbetonen, es ist wunderbar, was wir alles mit den Gesetzen der Physik machen können. Ich sage es noch einmal: Es wird sich nicht als falsch herausstellen. Aber wenn wir sagen, exakt das, dann kommt es nicht heraus. Das liegt zum Teil daran, wenn wir als Physiker messen, müssen wir bestimmte Bedingungen stellen, damit es eine solide Messung wird.

Eddington hat es mit einem „Fischkundler“ verglichen, der das Leben im Meer erkunden will, und nach zwei Jahren des Fischfangs zu den ichthyologischen Gesetzen kommt: 1. Alle Fische sind größer als fünf Zentimeter. 2. Alle Fische haben Kiemen. Bei jedem Fang hat er das festgestellt. Dann geht er zu seinen philosophischen Freunden und sagt „Zwei Grundgesetze der Ichthyologie habe ich gefunden. Alle Fische sind größer als fünf Zentimeter und alle haben Kiemen.“ „Alle? Du hast nur zwei Jahre geforscht, es kann sein, dass alle Fische Kiemen haben, es kann aber auch sein, dass es noch etwas anderes gibt. Aber das erste ist überhaupt kein Gesetz! Wenn du die Maschen deines Netzes gemessen hättest, hättest du festgestellt, die sind größer als fünf Zentimeter. Du kannst mit dem Netz einfach keinen Fisch fangen, der kleiner ist.“

„Mein Philosophischer Freund, ich bin immer noch der Naturwissenschaftler, für mich ist ein Fisch definiert als etwas, was man mit diesem Netz fangen kann.“

So ist es. Das Netz ist in unserem Fall die Art, wie Wissenschaftler vorgehen. Wir zerlegen und zerlegen. Alles, was zu klein ist und kaputt geht beim Zerlegen, das können wir nicht, das machen wir später mal. Wir haben solche Regeln. Die Analyse ist das Instrument der Wissenschaft. Analyse heißt, auseinandernehmen.

Es ist eine gewisse Parallele darin, dass der Andere sagt: „Es gibt aber noch kleinere Fische“ und der Erste sagt: „Das interessiert mich nicht!“ Und ich bin nicht Fischkundler (Ichthyologist) gewesen, ich bin Fischer gewesen, und ich habe meine Fische am Markt verkauft. Ich habe am Markt nie einen Menschen gefunden, der einen Fisch wollte, den ich nicht fangen kann.

Hören Sie nur nicht auf die Wirtschaft! Die sprechen nur von den Dingen, die sie fangen können, und das andere ist ihnen egal.

Aber das andere, der kleinere Fisch, ist selbstverständlich eine Vorstufe des Fischs, den er gefangen hat.

„Ohne Instrumente sind die Menschen in einem kognitiven Gefängnis“ sagte Edward Wilson im Buch „Die Einheit des Wissens“. Also in einem Gefängnis, in dem man nur ganz Bestimmtes wahrnehmen kann. Er schreibt dann darüber, was es für Vorstellungen gibt. Und am Schluss sagt er: „Aber alles ist falsch. Sie irren sich immer wieder, weil die Welt zu weit weg ist von ihrer möglichen Erfahrung, um bildlich dargestellt zu werden.“

Er hat selbstverständlich Recht! Aber er meint, er sitzt nicht in einem Gefängnis. Dabei ist es noch enger dort, und die Knöpfe hat er selber gemacht. Selbstverständlich kann er mit dem umgehen, was er selber erzeugt hat. Aber wenn jemand draußen im Wald ist und jedes Mal etwas anderes sieht, der ist doch viel offener, als wenn er da drinnen ist. Das ist sozusagen die Schwierigkeit unserer Experten. Ich finde sie ja fantastisch. Aber wenn sie glauben, sie könnten irgendetwas Gescheites über die Welt als Großes sagen, dann sind sie auf dem Irrweg. Wir können deshalb das, was wir wissenschaftliche Messmethoden nennen, noch mit anderen Gleichnissen beschreiben.

Das Netz ist noch nicht gut genug, passender wäre, wenn ich statt dem Netz einen Fleischwolf nehme. Ich nehme einen Fleischwolf und ein Stück Fleisch – Entschuldigung an die Vegetarier unter Ihnen. Das Fleischstück stopfe ich oben rein und wirble es unten durch. Vorne kommen diese Nudeln raus – Ah, die Welt ist aus Nudeln zusammengestellt!

Unsere Sprache, wie wir die Welt ansehen, hängt damit zusammen: Wie habe ich sie angesehen? Jeder konstruiert sich eine andere Welt, und baut sie dann immer weiter aus. Wir dürfen nicht verwundert sein, dass wir zu anderen Bildern kommen.

Ein Beispiel ist das Vexierbild. Ich sehe die junge Dame, aber andere sehen die alte Frau. Manche nehmen es mir übel, sie sagen, du bist alt genug, die alte Frau zu sehen. Aber ich sehe immer noch die junge Dame, weil die mich bisher mehr beeindruckt hat. Es ist dasselbe Bild, aber je nachdem, wie wir es betrachten, schauen wir die Welt auf eine andere Art und Weise an. Wir sollten also, bevor wir anfangen zu streiten, erst einmal immer vergleichen: „Was hast du gesehen, als wir dasselbe angeguckt haben“?

Es ist doch fantastisch, dass wir so viel gesammelte Intelligenz haben in der Summe von allem! Ich musste Gottseidank nicht alles lernen, was ich brauchte, sondern ich musste die kennenlernen, die das besser können als ich, und umgekehrt.

Hier ein Beispiel wie wir in Deutschland mit dieser modernen Betrachtungsweise umgehen: Der Biologe Prof. Dr. Hubert Markl schrieb 1995 einen Artikel im Spiegel „Pflicht zur Widernatürlichkeit“. Das hat mich furchtbar aufgeregt. Ich zitiere: „… wenn wir dafür sorgen wollen, dass unsere Spezies noch möglichst lange überleben kann, dann sind wir gezwungen, aus Eigeninteresse oder aus sittlicher Verantwortung für das Wohlergehen künftiger Generationen, gerade unsere Natürlichkeit aufzugeben und uns ganz bewusst anders zu verhalten, als es naturgegebenen Antrieben entspräche.“

Mich hat es vom Stuhl gehauen. Ich habe dann mit dem Spiegel gesprochen und gesagt „Das kann nicht so stehenbleiben.“ Ich habe einen eigenen Artikel hingeschickt mit der Überschrift „Pflicht zur Mit-Natürlichkeit“. Interessant war, dass der Spiegel mir geantwortet hat „Wir haben eine Riesen-Anzahl an Briefen bekommen, ob sie nicht die Namen verwechselt haben. Es kann doch nicht sein, dass der Biologe zur Widernatürlichkeit rät, und der Kernphysiker schreibt Pflicht zur Mit-Natürlichkeit.“ Das heißt also nur, wir haben die Hölle sozusagen einmal durchlaufen und sehen, warum das eigentlich nicht funktioniert.

Noch kurz, wie die moderne Physik aussieht, die uns erlaubt, alles zu integrieren. Die moderne Physik sagt folgendes: Der Anfang ist nicht die Materie, sondern der Anfang ist die Verbindung. Das Dazwischen. Wirklichkeit ist nicht Realität, sondern Wirklichkeit ist Potentialität. Es ist die Möglichkeit, sie materiell und energetisch zu zeigen, aber nicht das, was da ist. Die Welt besteht größtenteils nicht aus Dingen, sondern aus etwas, was dazwischen ist. Das ist einfach furchtbar schwierig, aber ich habe schon das Handy erwähnt. Wie wir eigentlich telefonieren können, ohne dass eine Strippe dazwischen ist. Dann sagen alle „das ist eine Welle im Äther“, aber Einstein hat gesagt, den Äther gibt es gar nicht, sondern es ist eine Welle im Nichts. Stellen Sie sich mal im Nichts eine Welle vor, das geht einfach nicht.

Deshalb will keiner erklären, wie ein Handy funktioniert, wenn sein Sohn es fragt, denn er weiß es selber nicht. Aber es lässt sich auch nicht verstehen.

Es sind drei wichtige Dinge dabei. Die Verbundenheit ist da. Es ist das, was alles mit allem verkoppelt. Es sagt aber auch aus, dass es alles eine Struktur ist. Es gibt nichts, was unabhängig ist, was abgetrennt ist. Und dann das Dritte ist, dass sich die Zukunft nicht eindeutig vorhersehen lässt. Die Zukunft ist nicht beliebig offen, aber in der vorgegebenen Tendenz ist alles offen.

1 613,38 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
23 декабря 2023
Объем:
360 стр. 18 иллюстраций
ISBN:
9783981740776
Издатель:
Правообладатель:
Автор
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