Читать книгу: «Tod in der Ville Close», страница 3

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„Paul, lass und doch die beiden Männer aufsuchen, die sich zuletzt noch mit de Rochefort getroffen haben. Ich habe versucht, auch den dritten Mann, aus dem Terminkalender zu ermitteln, aber der Name ist nicht in unserem System.“

„Das ist schon seltsam Ewen, in dem Melderegister sind doch normalerweise alle Einwohner erfasst. Kann es sein, dass der Name vielleicht falsch ist. Es wäre doch denkbar, dass der Mann einen fiktiven Namen angegeben hat.“

„Wir werden es herausfinden müssen. Lass uns jetzt erst einmal die beiden bekannten Herren besuchen.“

Ewen und Paul fuhren nach Melgven. Die Straße, Rue Jean Jaurès war schnell gefunden. Ewen parkte vor dem Haus. Sie gingen auf den Eingang zu. Ewen bemerkte, dass es keine Klingel gab. Ein alter, eiserner Türklopfer war an der Haustür befestigt. Der Rost, der sich bereits darauf angesetzt hatte, deutete daraufhin, dass er schon alt war, und die Spinnweben, die sich um ihn herumspannten, dass er nicht sehr häufig benutzt wurde. Die Fensterläden waren größtenteils geschlossen. Das Haus vermittelte einen unbewohnten Eindruck. Ewen betätigte den Klopfer und hörte, wie sich der Schall im Haus fortpflanzte. Nach einer Minute versuchte Ewen es noch einmal. Aber auch auf das zweite Klopfen hin ließ sich niemand blicken.

„Scheint entweder niemand zuhause zu sein, oder man will uns nicht öffnen, oder aber die Bewohner sind im Garten. Lass uns doch einmal ums Haus gehen, Paul.“

Sie gingen ums Haus herum. Auch der Garten machte einen ungepflegten Eindruck. Das Gras wartete sicher schon seit zwei Monaten auf einen Schnitt. Die überall herumliegenden, abgebrochenen Äste der letzten Winterstürme deuteten in die gleiche Richtung. Das Haus war scheinbar nur vorübergehend bewohnt. Vielleicht war es ein maison secondaire, ein Zweitwohnsitz, der jemandem als Feriendomizil diente.

„Wir scheinen kein Glück zu haben“, meinte Paul. Ewen war der gleichen Meinung, und so machten sie sich auf den Rückweg. Gerade als sie vor dem Haus angekommen waren, bog ein Fahrzeug in die Einfahrt ein, und ein Mann stieg aus.

„Das ist Privatbesitz meine Herren, was suchen Sie auf meinem Grundstück?“

Ewen und Paul zückten fast gleichzeitig ihre Ausweise.

„Ewen Kerber, police judiciaire Quimper. Das ist mein Kollege, Paul Chevrier. Wir möchten mit Monsieur Emile Hervy sprechen, sind Sie das?“

„Ja, mein Name ist Emile Hervy, wie kann ich der police judiciaire helfen?“

„Monsieur Hervy, wir haben ihren Namen im Terminkalender von Monsieur de Rochefort gefunden und gesehen, dass Sie sich am letzten Samstag mit ihm getroffen haben. Zu diesem Treffen würden wir Sie gerne befragen.“

„Moment, meine Herren, was haben Sie in dem Terminkalender von Monsieur de Rochefort zu suchen? Noch dürften solche Dinge, wie ein Terminkalender, in den Bereich der Persönlichkeitsrechte gehören. Da kann doch nicht einfach jeder herumschnüffeln.“

„Entschuldigen Sie, Monsieur Hervy, aber wir sind von der Mordkommission. Monsieur de Rochefort ist am Samstag ermordet worden. Da gehören diese Dinge, wie Sie sie gerade nannten, durchaus zu unseren Angelegenheiten.“

„Was sagen Sie? Monsieur de Rochefort wurde ermordet? Irren Sie sich nicht mit dem Namen?“

„Nein Monsieur Hervy, leider irren wir uns nicht. Monsieur de Rochefort wurde am Samstag in der Ville Close ermordet. Eine der letzten Eintragungen betraf ihr Gespräch mit de Rochefort. Es hatte wohl am Vormittag stattgefunden.“

„Ja, das ist richtig, wir haben uns am Samstagvormittag in seiner Wohnung getroffen.“

„Können Sie uns sagen, um was es bei diesem Gespräch ging?“

„Nun, es ist eigentlich ein rein privates Gespräch gewesen. Es ging um seine Kandidatur für die nächsten Parlamentswahlen. Er hatte vor, im Wahlkreis Concarneau, als Vertreter der PS zu kandidieren.“

„Monsieur Hervy, was haben Sie für Monsieur de Rochefort in diesem Zusammenhang tun sollen? Wir haben bereits eine Dame kennengelernt, die ihm bei seinem Wahlkampf behilflich gewesen ist. Jetzt hören wir, dass auch Sie haben helfen sollen. Der Mann ist noch nicht einmal als Kandidat aufgestellt gewesen und hat schon ein Wahlkampfteam besessen?“

„Sie sprechen von Madame Grosselle? Madame Grosselle habe ich ihm vorgestellt, bei einer Veranstaltung im Rathaus der Stadt Concarneau. Nein, ich sollte nicht direkt seinen Wahlkampf unterstützen. Ich sollte ihm überhaupt erst ermöglichen, in den Wahlkampf einsteigen zu können.“

„Das müssen Sie uns jetzt aber etwas genauer erklären.“ Ewen verstand nicht, was Monsieur Hervy damit sagen wollte. De Rochefort war doch schon sehr lange Mitglied der PS und als ehemaliger Staatssekretär bestens vertraut mit dem gesamten Parteiapparat.

„Sehen Sie, Monsieur le Commissaire, es gibt da einige Ereignisse in seiner Vergangenheit, die ihm eine Kandidatur eher erschweren als erleichtern.“

„Sie meinen seinen Rücktritt als Staatssekretär, wegen der Korruptionsaffäre?“

„Ja, genau das meinte ich. Die Partei wollte ihn auf keinen Fall zur Wahl zulassen. Wenigstens nicht in Paris. Ein Großteil der Parteiführung ging davon aus, dass eine erneute Kandidatur in der Hauptstadt negativ beurteilt würde. Hier in der Provinz, so war sein Kalkül, würden sich die Wenigsten an diese Angelegenheit erinnern. Hier, so dachte er, konnte er einen neuen Anlauf starten. Das Problem war aber der aktuelle Abgeordnete der PS. De Rochefort musste einen Grund finden, der dessen erneute Aufstellung durch die Partei verhinderte. Meine Aufgabe war genau das. Als Privatdetektiv sollte ich Argumente herbeischaffen, die die Wiederwahl des aktuellen Kandidaten unmöglich erscheinen ließen.“

„Haben Sie etwas gefunden?“

„Bis jetzt noch nichts, was sich beweisen lässt. Nur Gerüchte und Verdächtigungen. Dazu möchte ich mich aber nicht äußern. Wie ich schon gesagt habe, nichts wirklich Brauchbares.“

„Was Sie herausgefunden haben, könnte für uns aber von Bedeutung sein.“

„Sobald ich etwas Vernünftiges, habe melde ich mich bei Ihnen.“

„Wollen Sie denn in der Suche fortfahren, obwohl ihr Auftraggeber tot ist?“ Ewen sah Monsieur Emile Hervy fragend an.

“Ich habe mein Geld für den Auftrag erhalten. Folglich werde ich ihn auch zu Ende führen.“

„Auch wenn es keinen Abnehmer für ihre Ergebnisse mehr gibt?“ Paul war der Meinung, dass Monsieur Hervy das nur so dahersagte.

„Sie sind also sehr interessiert, wenn ich das richtig verstehe?“, fragte Hervy.

„Wir sind auch schon an den Gerüchten und Verdächtigungen interessiert, Monsieur Hervy.“

„Sobald ich etwas Näheres habe, werde ich mich bei Ihnen melden. Über Gerüchte spreche ich nicht.“

Ewen und Paul verabschiedeten sich von Hervy und gingen weiter zu ihrem Wagen.

„Seltsamer Typ, findest du nicht auch?“, fragte Paul seinen Kollegen.

„Schon etwas seltsam. Aber vielleicht auch nur konsequent.“

„Mich würde schon interessieren, was er an Vermutungen und Gerüchten über den Abgeordneten der PS herausgefunden hat.“

„Nun, wir werden dem Herrn bestimmt noch näher auf die Pelle rücken müssen.“

Ewen startete den Motor und fuhr los. Sie machten sich auf den Weg nach La Forêt-Fouesnant.

Dort wollten sie mit dem zweiten Mann der Liste sprechen. Es müsste der Mann aus dem Restaurant sein. Ewen zog das Bild aus seiner Akte und versuchte, sich das Gesicht einzuprägen. Sobald Monsieur Taridec ihnen die Tür öffnete, wüsste er, ob er es war, der mit de Rochefort in dem Restaurant gesessen hatte und eventuell der Täter war. Immerhin hatten die Amerikaner ausgesagt, dass die beiden Männer in heftigem Streitgespräch waren, als sie das Restaurant verlassen hatten. Die Rue de Pen Ar Ster war dank des Navigationsgerätes schnell gefunden. Das Haus von Monsieur Yves Taridec gehörte zu den größeren Anwesen in der Straße.

„Vornehm, vornehm“, meinte Ewen, als sie ausgestiegen waren und zu dem Gartentor gingen. Das Haus war im typischen bretonischen Stil gebaut, mit jeweils einem Kamin auf jeder Seite. Die sechs Dachgauben zeigten, dass auch die Etage ausgebaut war. Ewen schätzte die Wohnfläche auf über 200 Quadratmeter, was schon sehr beachtlich war. Das Grundstück war an die 30 Ar groß. Das elektrische Tor, das den Weg zum Haus versperrte, war circa fünf Meter breit, und die Zufahrt zum dahinterliegenden Haus war bestimmt an die 50 Meter lang. Vor dem Haus lag ein schön angelegter Vorplatz, mit Kies bedeckt, der Platz für mindestens fünf Fahrzeuge bot. Rechts daneben stand eine Doppelgarage, die im Stil des Hauses gebaut war. Ewen drückte auf den Klingelknopf neben der Sprechanlage.

„Sie wünschen?“, ertönte es nach wenigen Augenblicken aus der Sprechanlage.

„Commissaire Kerber und Chevrier, von der police judiciaire in Quimper. Wir würden sehr gerne mit Monsieur Yves Taridec sprechen.“

Als der Summer ertönte, konnte Ewen das Gartentor öffnen. Die beiden Kommissare durchschritten die Auffahrt. Als sie an der Haustüre angekommen waren, öffnete ein Mann die Tür, dessen Alter Ewen auf Mitte 40 schätzte.

„Treten Sie ein, meine Herren“, sagte der Mann und trat zur Seite, um die beiden Kommissare ins Haus zu lassen.

„Ich darf vorgehen“, sagte er, nachdem er die Haustür verschlossen hatte. Er ging quer durch die große Eingangshalle auf eine zweiflüglige Tür zu, die geöffnet war. Paul Chevrier und Ewen Kerber betraten das großzügige Wohnzimmer des Herren Taridec.

„Nehmen Sie doch bitte Platz, meine Herren“, sagte er und zeigte auf ein dreisitziges, weißes Ledersofa. Er selbst setzte sich in den breiten Ledersessel gegenüber.

Ewen und Paul nahmen Platz und Ewen kam sofort zur Sache, nachdem er sicher war, dass er den Mann auf dem Foto vor sich hatte.

„Monsieur Taridec, Sie hatten am Samstag einen Termin mit Monsieur de Rochefort, in der Ville Close. Können Sie uns sagen, um was es dabei ging.“

„Verzeihen Sie, aber ich weiß nicht, was Sie das angeht. Meine Gespräche sind doch wohl meine Privatangelegenheit.“

„Unter normalen Umständen würde ich Ihnen ja gerne zustimmen, Monsieur Taridec. Aber bei Mord hört die Privatangelegenheit auf.“

Ewen sah Taridec dabei ins Gesicht. Er wollte jede Bewegung, jede Regung seines Gesichtes sehen. Die Mimik konnte sehr hilfreich sein.

Das Erstaunen, dass sich jetzt auf Taridecs Gesicht zeigte schien echt zu sein. Entweder der Mann war ein ausgezeichneter Schauspieler, oder aber er wusste wirklich nichts vom Ableben des Herrn de Rochefort.

„Sie machen wohl Witze, Monsieur le Commissaire?“

„Sehe ich so aus, als ob ich Witze mit dem Tod eines Menschen machen würde?“ Dann fuhr Ewen fort.

„Am Samstagnachmittag ist de Rochefort in der Ville Close erschossen worden. Kurz zuvor haben Sie sich mit ihm getroffen. Zum einen geht diese Tatsache aus seinem Terminkalender hervor, zum anderen gibt es ein Foto, auf dem Sie mit dem Toten zu sehen sind kurz vor seinem Ableben.“

Yves Taridec blickte Ewen die ganze Zeit über an. Ewen nahm jetzt eine entspannte Sitzhaltung auf der Couch ein, und Taridec begann zu sprechen.

„Meine Herren, Sie sehen mich sprachlos. Ich hatte mich am Samstag mit Monsieur de Rochefort getroffen. Es ging um die anstehenden Wahlen. Er wollte, dass ich meine Unterstützung für den aktuellen Kandidaten zurückziehe und diese lieber ihm zukommen lasse. Ich unterstützte seit Jahren den Abgeordneten, Maëlik Decroaz. Als ich de Rochefort sagte, dass meine Unterstützung auch weiterhin Decroaz gehören würde, wurde er beinahe ausfallend. Er drohte mir, dass ich das noch bereuen würde. Es würden demnächst Erkenntnisse publik werden, die seine Wiederwahl zu Nichte machten. Ich fand diese Bemerkung, schon gar aus seinem Mund, beinahe makaber. Er selber war ja eigentlich nicht wählbar. Ein Staatssekretär, der sich bestechen ließ, war ja nicht gerade ein Aushängeschild.“

„Monsieur Taridec, dazu möchte ich mich nicht äußern. Uns geht es nur um die Aufklärung des Mordes. Hat Monsieur de Rochefort sich präziser ausgedrückt, warum Herr Maëlik Decroaz nicht mehr wählbar sei?“

„Nein, es blieb bei diesen Andeutungen. Ich hatte den Eindruck, dass er bemüht war, einige Leichen von Decroaz auszugraben. Dabei weiß ich gar nicht, ob es welche gab. Aber Sie wissen ja, bei genauem Nachsehen findet sich bei jedem Menschen ein schwarzer Fleck auf der weißen Weste.“

„Monsieur Taridec, darf ich Sie noch fragen, warum er ausgerechnet bei Ihnen Unterstützung erbeten hat? Sind ihre Zuwendungen für die PS so hoch?“

Taridec lachte schallend.

„Nein, es geht nicht um eine finanzielle Unterstützung. Ich bin der Vorsitzende eines Freundeskreises der PS. Meine Empfehlungen werden von unseren Mitgliedern weitergetragen, und so habe ich durchaus bedeutenden Einfluss. Auch die Presse ist regelmäßiger Gast bei unseren Treffen, und der Kontakt zu dem Ouest France und zum Télégramme ist ausgezeichnet. Sie verstehen, was ich meine?“

„Ich verstehe sehr wohl, Monsieur Taridec. Haben Sie am letzten Samstag mit de Rochefort noch andere Themen bewegt?“

„Nein, das war das einzige Thema. Ich habe Monsieur de Rochefort anschließend sofort verlassen.“

„Wohin sind Sie danach gegangen?“ Ewen fiel die Bemerkung von der jungen Amerikanerin ein, dass sie den Mann auf der Fähre wiedergesehen hatten.

„Als ich mich verabschiedete, bin ich zuerst in Richtung des Ausgangs der Ville Close gegangen. Später habe ich mich aber entschlossen, mit der Fähre noch zur Passage Lanriec zu fahren, und ein wenig spazieren zu gehen. Ich bin sehr erzürnt gewesen über das Verhalten von de Rochefort und habe ein wenig Entspannung gebraucht.“

„Haben Sie vielen Dank für Ihre Unterstützung. Vielleicht müssen wir noch einmal auf Sie zukommen.“

Ewen und Paul erhoben sich und gingen zum Ausgang. Ewen erhaschte noch einen Blick in das Zimmer, das direkt neben das Wohnzimmer anschloss. Ihm war, als ob er einen Schatten gesehen hätte. Hatte sich dort jemand aufgehalten, der ihr Gespräch verfolgt hatte?

Monsieur Taridec begleitete die beiden Kommissare bis zur Tür. Dort verabschiedete er sich nochmals und schloss die Tür hinter ihnen wieder ab.

„Hast du etwas bemerkt, als wir aus dem Wohnzimmer in den Hausflur traten?“ Ewen sah Paul an.

„Nein, ist dir etwas Spezielles aufgefallen?“

„Nicht wirklich, aber ich hatte den Eindruck, als ob sich jemand in dem Zimmer neben dem Salon aufgehalten hatte. Ich meinte einen Schatten gesehen zu haben, der hinter der Tür verschwunden war, als wir vorbeigingen.

Kapitel 5

Nach dem Telefongespräch, das de Rochefort mit Emile Hervy am Freitagmorgen geführt hatte, war seine Stimmung nicht gerade euphorisch gewesen. Er hatte gehofft, möglichst noch vor dem Treffen mit Yves Taridec, erste Ergebnisse von Hervys Nachforschungen zu erhalten. Stattdessen war der Privatdetektiv nur bei belanglosen Aussagen geblieben. Er würde weitere Ergebnisse erhalten, aber bis jetzt gäbe es nur erste Hinweise, die eine Wiederwahl von Decroaz unwahrscheinlich erscheinen ließen. Er würde ihn am Abend wieder anrufen und dann vielleicht mit entsprechenden Ergebnissen aufwarten können.

Alain de Rochefort wurde langsam unruhig. Die Entscheidung, wer als Kandidat der PS für die Region aufgestellt wurde, war für den Samstag in einer Woche geplant. Es blieben somit gerade noch acht Tage Zeit, um eine erneute Aufstellung von Decroaz zu verhindern. Er musste Yves Taridec unbedingt für sich gewinnen können. Derjenige, der Taridecs Unterstützung erhielt, war so gut wie gewählt. Alain de Rochefort mochte diesen etwas aufgeblasenen Taridec nicht besonders. Aber es war jetzt nicht der Augenblick, sich um solche Befindlichkeiten zu kümmern. Hier ging es um sein Comeback, sozusagen um Sein oder Nichtsein.

Alain legte den Hörer auf und ging in das noch spartanisch eingerichtete, Wohnzimmer. Seine Wohnung im 8. Arrondissement von Paris hatte er nicht aufgegeben, die Nähe zum Zentrum der Macht war ihm wichtig. Wenn er erst einmal wieder als Abgeordneter im Parlament säße, dann würde er seinen Weg nach oben erneut antreten, da war er sich sicher. Es störte ihn nicht, sich hier in der Provinz wählen zu lassen.

Ein Kommissar aus Quimper war schuld gewesen an seinem Absturz. Er hatte seinen Nebenverdienst, den er von seinem Freund Denis Goëlan für seine Beratertätigkeit erhalten hatte, aufgedeckt. Aber genau dieser Nebenverdienst war es jetzt, der ihm seinen Wiedereintritt in die Politik ermöglichte. Ohne diese finanzielle Rückendeckung war es unmöglich die Kampagne zu starten. Alain de Rochefort hoffte auf den Abend und auf ein gutes und umsetzbares Ergebnis des Privatdetektivs.

Er überlegte nicht lange und entschied sich in die Stadt zu gehen. Er brauchte frische Luft, und außerdem könnte es nicht schaden, wenn die Menschen der Stadt einen zukünftigen Kandidaten zu Gesicht bekämen.

Er ging zu Fuß von seinem Haus am Place Duquesne bis zu der kleinen Fähre, die die Hafeneinfahrt von Concarneau überquerte und so die Ville Close mit der Passage Lanriec verband. Die Fähre war beinahe schon eine Touristenattraktion. Der größte Teil der Nutzer waren Besucher von Concarneau, die auf dieser Seite, gegenüber der Ville Close, ihr Fahrzeug abstellten und für wenige Cent direkt in die Ville Close oder in die Stadt auf den Markt fuhren. Auf der Fähre hatten vielleicht zehn oder fünfzehn Personen Platz. Aber die Fähre verkehrte nach Bedarf ständig, und so ersparte man sich die leidige Parkplatzsuche in der Stadt. Als er an der Anlegestelle angekommen war, sah er, dass die Fähre gerade auf dem Weg zurück nach Lanriec war. Es würde vielleicht noch eine Minute dauern bis sie anlegte. Nach weiteren fünf Minuten waren sie auf dem Weg zur Ville Close.

Alain de Rochefort fand die Altstadt malerisch und wert, dass man sie besuchte. Die restliche Stadt dagegen schien ihm doch sehr provinziell. Die wenig attraktiven Geschäfte außerhalb der Altstadt waren für ihn auch ein Hindernisgrund, sich für einen ständigen Wohnsitz zu entscheiden. Hingegen sprach die Lage direkt am Meer und mit schönen Stränden am anderen Ende der Stadt oder auf der Ostseite, an der er wohnte, für ein angenehmes Leben. Aber de Rochefort brauchte den Trubel, die Blitzlichter wenn er erschien und die beständige Erwähnung seiner Person in der Presse. Natürlich nur, wenn es sich um positive Artikel handelte. Auf die reißerischen Aufmachungen, als die Presse ihn der Korruption bezichtigt hatte, konnte er verzichten.

De Rochefort durchschritt mit hoch erhobenem Kopf die Ville Close. Die Touristenströme waren ihm nicht so wichtig. Mit Anzug und Krawatte bekleidet ging er an den Musikanten vorbei, die wie beinahe an jedem Tag gleich hinter dem Haupteingang zur Ville Close saßen. Er überquerte die ehemalige Zugbrücke, um die Altstadt zu verlassen und quer über den gegenüberliegenden Marktplatz zur Markthalle zu gehen.

Die Markthalle war einer der Orte, die er an Concarneau am meisten schätzte. Sie war relativ klein, das konnte aber daran liegen, dass viele Bewohner ihren Fisch direkt an den diversen Verkaufsständen in und um die Stadt herum kauften oder auch in der großen Fischhalle, der criée, wie man die Halle nannte. Wenn gegen halb sechs Uhr morgens die Boote vom Fang zurück in den Hafen kamen wurden die Fische dort sofort versteigert. Es gab einen Verkaufsladen für die Bevölkerung am Ende der Halle, und zahlreiche Bewohner pflegten dort ihre Fischeinkäufe zu tätigen. In der Markthalle gab es neben Fisch auch Gemüse, Fleisch, Brot und Kuchen und natürlich bretonische Spezialitäten. Alain de Rochefort betrat die Halle, die nur am Vormittag geöffnet war. Es gab einen Händler, bei dem er gerne das Landbrot kaufte und einen anderen, bei dem er sich die Paté besorgte, die er hier so schätzte. Die Paté au Pommes hatte es ihm angetan.

Nach seinem kleinen Einkauf setzte er sich auf die Terrasse des l´Amiral, das an der linken unteren Ecke des Marktplatzes lag, von der Markthalle aus gesehen. Er bestellte sich einen Grand Café und genoss das angenehme warme Wetter. Unentwegt versuchte er die vorbeieilenden Menschen mit einem Lächeln zu beglücken, schließlich konnte jeder ein potentieller Wähler sein. Sehen und gesehen werden war schon immer seine Devise gewesen. Er kam dieser Aufgabe gerne nach. Schon gar auf einer Terrasse und im Sonnenschein. Mit einer Tasse Café vor sich auf dem Tisch war es leicht, sich ohne große Anstrengung zu präsentieren.

„Bonjour Alain, du bist auch in der Stadt?“

Alain de Rochefort drehte sich zu der Stimme um.

„Bonjour Monique, schön dich zu sehen. Komm, ich lade dich zu einem Café ein.“

„Ich bin zwar etwas in Eile, aber für einen Café sollte es noch reichen.“ Monique Grosselle setzte sich zu ihm an den Tisch.

„Was macht deine Kampagne? Ich habe meine Vorschläge für dich schon fast fertig. Ich denke, ich kann sie dir an einem der nächsten Tage vorbeibringen. Vielleicht Montag oder Dienstag.“

„Ich danke dir, Monique, wie geht es deiner Tochter?“

„Der geht es soweit gut. Sie ist ja noch fast ein Kind, und da will ich sehr vorsichtig sein mit meinen Fragen. Aber ich danke dir jedenfalls, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast. Mir wäre jedenfalls nicht aufgefallen, dass sich dieser Wagen ständig am Spielplatz aufhält, dort wo sie ihrer Aufgabe als Babysitter nachkommt. Wenn ich ihre bisherigen Äußerungen richtig deute, dann ist der Mann nie aus dem Auto ausgestiegen. Es sieht so aus, als ob er immer nur Fotos gemacht hat.“

„Das ist auch gut so, es wäre ja fürchterlich, wenn deiner Tochter etwas zustoßen würde.“

„Bist du schon weitergekommen mit deinen Nachforschungen? Wer hätte so etwas vermutet, von einem so angesehenen Menschen? Die Mutter der Freundin meiner Tochter hat mir von den Anschuldigungen gegen den Mann erzählt. Sie behauptet, dass ihre Tochter missbraucht worden ist. Sie hat aber keinerlei Beweise vorlegen können. Ich muss dich aber jetzt verlassen, wir sehen uns spätestens am Montag oder Dienstag nächster Woche, versprochen.“

Monique erhob sich, bedankte sich für den Café und verließ die Terrasse des l´Amiral.

Alain de Rochefort sah auf seine Uhr und stellte fest, dass es langsam auch für ihn Zeit wurde wieder nach Hause zu gehen. Er wollte noch einige Unterlagen durchgehen, und er musste unbedingt an seiner Rede feilen, die er am nächsten Samstag auf dem Parteikonvent halten wollte.

De Rochefort bezahlte, stand auf und überquerte die Straße, um durch die Ville Close zu gehen und am anderen Ende mit der kleinen Fähre zurückzufahren. Der Vormittag war jedenfalls sehr angenehm verstrichen. Wenn ihm Emile Hervy am Abend noch gute Nachrichten mitteilen konnte, dann wäre der Tag gerettet. Morgen stand das Treffen mit Taridec bevor.

De Rochefort war nach wenigen Minuten vor seinem Haus angekommen. In Paris war er nicht so schnell vom Stadtzentrum aus bei seiner Wohnung angelangt. Das war hier in der Provinz ein echter Pluspunkt. aber was konnte man in einer solchen Kleinstadt sonst noch tun? Beinahe nichts, außer den Besorgungen für das tägliche Leben nachgehen. Er schloss die Haustür auf und ging hinein.

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