Читать книгу: «Die bedeutendsten Staatsmänner», страница 5

Шрифт:

LÁZARAO CÁRDENAS DEL RÍO

Cárdenas, ein Indio aus einem mexikanischen Bauerndorf, wurde von Salesianerpadres erzogen und erhielt nach seiner rudimentären Ausbildung Arbeit in einem lokalen Finanzamt.

1913, nach der Ermordung von Präsident Francisco Madero, der 1911 den Sturz des langjährigen Diktators Porfirio Diaz herbeigeführt hatte, und der nachfolgenden Militärdiktatur, kam es zum Ausbruch eines Bürgerkrieges. Cárdenas schloss sich jenem Teil der revolutionären Armee an, der von Guillermo García Aragón kommandiert wurde. Innerhalb eines Jahres avancierte er zum Hauptmann. In den Kämpfen der folgenden Jahre erwies er sich als höchst loyal und erreichte schließlich 1920 den Rang eines Generals.

1928 wurde er zum Gouverneur seines Geburtsstaates Michoacán gewählt und konnte sich als fähiger Verwalter seiner Heimatprovinz profilieren. Gleichzeitig engagierte er sich beim landesweiten Aufbau der PNR (Partido Nacional Revolucionario), deren Führerschaft er 1930 übernahm. Er einte die in einzelne Provinzparteien zersplitterte Gruppe zu einer nationalen Partei, die ein stabiles Element in Mexiko werden sollte. Unter dem Diktator Plutarco Calles übernahm er zunächst das Amt des Innenministers, dann das Verteidigungs- und Marineministerium. Er trennte sich jedoch bald von Calles und kandidierte selbst für die bevorstehenden Präsidentenwahlen. Ein Jahr lang führte Cárdenas einen großartigen Wahlkampf, bereiste das ganze Land, besuchte jede Stadt und sprach mit hunderten Bürgern. Er stellte allen seine Pläne vor, mit Hauptaugenmerk auf seine Sozial- und Wirtschaftsreformen. Der Erfolg blieb nicht aus: Cárdenas wurde mit einem eindrucksvollen Votum gewählt. Langsam begann er seine Pläne umzusetzen, nachdem er sichergestellt hatte, dass der Einfluss seines Vorgängers ausgeschaltet war. Calles wurde schließlich 1936 in die USA ins Exil geschickt.

Obwohl Cárdenas eine beeindruckende Karriere gemacht hatte, vergaß er nie seine Herkunft und verwirklichte deshalb auch Ideen des Staatssozialismus. Bisher hatten sich die politischen Machthaber auf Kirche, Armee, Großgrundbesitz und Auslandskapital gestützt. Er änderte dies grundlegend. Obwohl sein Landwirtschaftsprogramm unter der schlechten Verwaltung litt, gelang es ihm, das Latifundiensystem zu brechen. Als Präsident unterstützte er die Gewerkschaften, die schon unter seinem Vorgänger Abelardo Rodríguez stark geworden waren, und sorgte für ihren Zusammenschluss unter der Bezeichnung Confederación de Trabajadores de Mexico. Als Verteidiger eines aggressiven mexikanischen Nationalismus konnte er auf eine breite Zustimmung in der Bevölkerung zählen. Er öffnete außerdem die Mexikanische Revolutionspartei für die breite Masse; bisher gehörten nur Beamte und Politiker der Partei an. Überaus entscheidend für die politische Stabilität des Landes war, dass er den vorherrschenden Einfluss der Militärs egalisieren konnte.

Obwohl die mexikanische Verfassung des Jahres 1917 die Möglichkeit geboten hätte, gegen Großgrundbesitzer einzuschreiten, erhielten die landlosen Bauern erst unter seiner Präsidentschaft im Jahr 1937 in großem Umfang Boden und konnten auch auf günstige Kredite hoffen. Die in ausländischem Besitz befindliche Eisenbahngesellschaft wurde verstaatlicht. Ein Jahr später wurden die britischen und amerikanischen Ölgesellschaften verstaatlicht, was dem Land ein großes Stück wirtschaftlicher Unabhängigkeit schenkte.

Als Cárdenas 1940 sein Amt niederlegte, war er ein hoch geachteter Mann, der auch weiterhin Einfluss auf die Regierungsgeschäfte nahm. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, an dem Mexiko an der Seite der Alliierten teilnahm, übernahm Cárdenas noch einmal für zwei Jahre das Amt des Verteidigungsministers.

Allen seinen Nachfolgern bot er ein Beispiel an linker politischer Verantwortung und Integrität. Immer blieb er ein strikter Gegner amerikanischer politischer Einflussnahme auf die Wirtschaft Mexikos.

Als in Kuba Fidel Castro sein Regime etablierte, erwies er sich als ein verlässlicher Partner. In seinen letzten Lebensjahren verlor er an politischem Einfluss, blieb aber immer ein »elder statesman« für das linke kritische Lager des Landes.


ROBERT STEWART VISCOUNT CASTLEREAGH

Viscount Castlereagh führte gemeinsam mit Metternich die große Allianz gegen Napoleon Bonaparte. Wie kaum ein anderer englischer Politiker nahm er Einfluss auf die Gestaltung Europas beim Wiener Kongress der Jahre 1814/1815. Auf seine Initiative geht das Konzept eines ausgewogenen Gleichgewichts der europäischen Großmächte zurück, ein Konzept, das auch wesentlich die gesamte Überseepolitik bestimmte.

Robert Stewart Castlereagh war der Sohn eines anglo-irischen Grundbesitzers, er wurde in Armagh und am St. John’s College erzogen. 1790 zog er als unabhängiges Mitglied in das irische Parlament ein. Vier Jahre später heiratete er Emily Anne Hobart, mit der er eine sehr gute, aber kinderlose Ehe führte. 1798 wurde er mit der Aufgabe eines Chefsekretärs von John Jeffreys Pratt Earl of Camden, einem Verwandten, betraut, der Vizekönig von Irland war. In der gleichen Funktion war Castlereagh anschließend bei Lord Charles Cornwallis, dem Nachfolger Earl Camdens, tätig. Castlereagh trug die strengen Maßnahmen, die angesichts der Niederschlagung des irischen Aufstandes von 1798 verhängt wurden, mit, trat aber in der Folge für eine Politik der Milde ein, um weitere Unruhen auf Dauer zu verhindern.

Angesichts der europäischen Probleme – Napoleon bedrohte England mit der Invasion – schien es geraten, im eigenen Lande stabile Verhältnisse zu schaffen. Castlereagh setzte daher – gegen den erbitterten Widerstand der Protestanten – im irischen Parlament den »Act of Union« durch, der ein gemeinsames Parlament für England und Irland vorsah. Seinem Gerechtigkeitssinn entsprechend, forderte er gleichzeitig die politische Emanzipation für die irischen Katholiken. Als dieses Ansinnen am Widerstand von König Georg III. scheiterte, traten Castlereagh und Lord Cornwallis zurück. In der Folge fungierte er aber als Berater für irische Angelegenheiten für Premierminister Henry Addington.

1802 wurde er mit dem Vorsitz der Kontrollbehörde für die indischen Angelegenheiten betraut, wodurch er im britischen Kabinett schnell an Einfluss gewann. 1805 wurde er im Kabinett von William Pitt Staatssekretär für das Kriegswesen. Seine erste Aufgabe war die Entsendung eines britischen Corps nach Hannover, das jedoch durch Napoleons Sieg bei Austerlitz nicht mehr zum Einsatz kam, Castlereagh blieb jedoch von der Wichtigkeit einer starken britischen Armee überzeugt.

Als William Pitt starb, verließ Castlereagh das Kabinett und wurde Sprecher der Opposition für außen- und militärpolitische Fragen. Schon ein Jahr später, als William Henry Duke of Portland die Regierungsgeschäfte übernahm, beteiligte sich Castlereagh als Kriegsminister wieder an den Regierungsgeschäften, fest entschlossen, Großbritannien an der europäischen Auseinandersetzung mit Napoleon teilnehmen zu lassen. Durch eine große Heeresreform sorgte er für eine schlagkräftige Armee, sowohl für die Verteidigung der Insel als auch für den Krieg in Übersee.

Die Revolte Spaniens gegen Napoleon unterstützte Großbritannien durch ein Truppenkontingent. Castlereagh setzte sich dafür ein, dass Arthur Wellesley, der spätere Duke of Wellington, das Kommando erhielt. Als ein britisches Unternehmen gegen die napoleonische Marinebasis in Antwerpen infolge Krankheit der Soldaten scheiterte, brachen Zwiste und Intrigen im britischen Kabinett aus, und Castlereagh wurde für das Desaster verantwortlich gemacht. Als er erfuhr, dass Außenminister George Canning ihn durch Wellington ersetzen wollte, forderte er seinen Widerpart zum Duell, wobei dieser leicht verletzt wurde. Beide Gentlemen legten ihre Kabinettsfunktionen nieder.

1812 kehrte er wieder zur Politik zurück, und zwar als Außenminister im Kabinett Robert Banks Jenkins nach der Ermordung von Premier Spencer Perceval. Für das nächste Jahrzehnt behielt Castlereagh die Führung der britischen Außenpolitik. Erste und wesentliche Aufgabe war es, die europäische Koalition gegen Napoleon zusammenzuschweißen und in weiterer Folge die europäische Neuordnung für die Zeit nach dem Krieg vorzubereiten. 1814 führte er Gespräche in Châtillon, bei denen sich herauskristallisierte, dass die europäische Neuordnung unter der Kontrolle der Großmächte zu stehen habe. Diese Grundsätze wurden im Vertrag von Chaumont im selben Jahr beschlossen und bildeten für zwei Dezennien die Leitlinien der europäischen Politik.

Beim Wiener Kongress 1814/1815 spielte Castlereagh eine wichtige vermittelnde Rolle. Unter allen Umständen wollte er einen Machtzuwachs Russlands vermeiden, wichtig war ihm die Stabilisierung der europäischen Mitte, nämlich Deutschlands und Italiens. Gemeinsam mit dem Österreichischen Staatskanzler Klemens Wenzel Metternich dominierte er die Verhandlungen und sorgte dafür, dass Russlands und Preußens Forderungen im Zaum gehalten wurden. Sein Grundsatz, knapp gefasst, lautete: »just equilibrium« (wörtlich: gerechtes Gleichgewicht). In Verfolgung dieser Absicht kam es auch zu regelmäßigen Konsultationen der europäischen Großmächte. Bei der Konferenz von Aix-en-Chapelle 1818 wurde Frankreich wieder in den Kreis der Mächte aufgenommen. Strikt widersetzte Castlereagh sich dem russischen Vorschlag nach Etablierung eines militärischen Sanktionssystems. Deshalb lehnte er auch die Konferenzen von Troppau (1820) und Laibach (1821) ab, die sich mit den liberalen Bewegungen in Deutschland, Spanien und im Königreich beider Sizilien befassten und dementsprechende Sanktionen forderten. In einem Grundsatzpapier von 1820 legte er klar die Unterschiede zwischen den absolutistischen Systemen Mittel- und Osteuropas und den konstitutionellen Strukturen in Frankreich und Großbritannien dar. Danach konnte Großbritannien nur im Rahmen des parlamentarischen Systems tätig werden.

1822 wollte Castlereagh noch an der Konferenz von Verona teilnehmen, da britische Interessen in Griechenland und in den spanischen Kolonien betroffen waren. Strikt hielt er an der Nichtinterventionsthese fest und bekräftigte, dass Großbritannien auch Staaten anerkennen würde, die aus erfolgreichen Revolutionen hervorgingen. Damit distanzierte er sich und die britische Außenpolitik klar von der reaktionären Politik im übrigen Europa, wie sie vor allem nach seinem Tod verfolgt wurde.

In seinem eigenen Land war Castlereagh trotzdem nicht sehr populär, da er zu viel auf Geheimdiplomatie hielt. Angriffe Lord Byrons, der sich in geradezu romantischer Weise für Griechenland engagierte, und weitere Drohungen gegen ihn und das gesamte Kabinett ließen ihn um sein Leben fürchten. Dazu kam als weitere Belastung die königliche Scheidungsaffäre, denn König Georg IV. trennte sich von seiner Gattin Karoline. All dies löste bei Castlereagh eine akute Paranoia aus. Weitere Verdächtigungen, die gegen ihn geäußert wurden, trieben ihn in den Selbstmord – ein tragisches Ende für einen großen Diplomaten.


CAMILLO GRAF BENSO DI CAVOUR

Der Visionär des italienischen Nationalstaates, der unermüdliche Betreiber der italienischen Unabhängigkeit und der Begründer des Königreiches Italien begann seine eigentliche politische Laufbahn bei der in Turin erscheinenden Zeitschrift »Il Risorgimento«. Der Titel dieses Blattes war Programm seines gesamten politischen Wirkens.

Cavour stammte väterlicherseits aus einer adeligen piemontesischen Familie, seine Mutter war eine zum Katholizismus konvertierte Genfer Calvinistin, Taufpatin war Napoleons Schwester Pauline, die mit Prinz Camillo Borghese verheiratet war. Seine früheste Erziehung und schulische Ausbildung erhielt er in der elterlichen Familie, als zweitgeborener Sohn wurde er für die militärische Laufbahn bestimmt, auch wenn ihn die Politik wesentlich mehr interessierte.

1820 wurde er in die Militärschule in Turin eingeschrieben, vier Jahr später zum Pagen von König Karl Albert bestellt. Seine radikal-liberale Gesinnung eckte jedoch an, man übte Druck auf ihn aus, die Armee zu verlassen. Daher quittierte er mit 21 Jahren den Militärdienst. Nun widmete er sich der Verwaltung des elterlichen Besitzes in Grinzane nahe Turin, von 1832 bis 1848 stand er der kleinen Gemeinde als Bürgermeister vor.

In dieser Zeit unternahm Graf Cavour zahlreiche Reisen durch Europa, studierte Politik und Landwirtschaft in Paris und Genf. Er soll ein schlechtes Italienisch gesprochen haben, das ihn den Italienern als Ausländer erschienen ließ. 1830 wurde er Zeuge der Julirevolution in Paris, was ihn in seinen liberalen Ansichten bestärkte. Das nachfolgende Regime von Louis Philippe führte ihm die Effizienz einer konstitutionellen Monarchie vor Augen. Und so sah er die Zukunft Italiens auf drei Säulen ruhend, nämlich Liberalismus, Nationalismus und technischem Fortschritt.

Mit der Wahl des liberalen Papstes Pius IX. im Jahr 1846 sah Cavour seine Stunde gekommen, 1847 gründete er die Zeitschrift »Il Risorgimento«, die ihm in Sardinien-Piemont zu großem Einfluss verhalf. Die europäischen Revolutionen des Jahres 1848, der Aufstand im Königreich beider Sizilien veranlassten König Karl Albert von Sardinien-Piemont eine Charta der Freiheiten für sein Königreich zu erlassen. Cavour vermochte den König zu überreden, Österreich den Krieg zu erklären. Mit dem Ausbruch des Aufstandes in Mailand war die beste Gelegenheit geboten, sich gegen Österreich zu erheben. Cavour richtete einen Aufruf an Karl Albert, sich der revolutionären Bewegung anzuschließen. Doch die Schlachten von Custozza und Novarra wurden zur Niederlage für Sardinien, die revolutionären Bewegungen in der Lombardei und im Veneto wurden niedergeschlagen. Der Geist der Revolution aber lebte weiter. Bei der Wahl zur sardischen Abgeordnetenkammer gewann Cavour einen Sitz, König Albert dankte zugunsten seines Sohnes Viktor Emanuel II. ab.

Nun begann Cavours eigentliche Karriere. 1850 übernahm er in der Regierung Massimo D’Azeglios das Landwirtschafts- und Handelsressort, 1851 das Finanzressort. Ein Jahr später hatte er den Regierungschef verdrängt und bestimmte fortan die gesamte Politik des Königreichs Sardinien. Er wurde zwar von Zeitgenossen als »Despot« und »Kampfhahn« bezeichnet, doch grundsätzlich vertrat er eine liberale Grundhaltung, die letztlich zur Basis des geeinten Königreiches Italien wurde. In Piemont leitete er eine Reform des Rechtswesens, der Wirtschaft, des Militärs und des Außenhandels ein, er organisierte die Verwaltung neu und trieb die Entwicklung der Wirtschaft durch Eisenbahnbauten an.

Cavour sorgte dafür, dass Sardinien 1855 an der Seite Englands und Frankreichs am Krimkrieg teilnahm und sich somit im Spiel der europäischen Mächte positionierte. Im Interesse Italiens spielte er Österreich und Frankreich gegeneinander aus. Der Pariser Friedenskongress von 1856 war für ihn das geeignete internationale Forum, vor dem er die Besetzung italienischer Gebiete durch Österreich an den Pranger stellen konnte. 1858 kam es zur Begegnung Cavours mit Napoleon III. in Plombières, bei der der Krieg gegen Österreich beschlossen wurde. Als Preis für seine Unterstützung verlangte Napoleon III. Nizza und Savoyen. Im April des nächsten Jahres begann der Feldzug, der in den Schlachten von Magenta und vor allem Solferino entschieden wurde. Infolge des überstürzten und unüberlegten Rückzuges der österreichischen Truppen auf Befehl von Kaiser Franz Joseph schloss Napoleon III. rasch den Waffenstillstand von Villafranca, ohne den piemontesischen Bundesgenossen zu konsultieren. Cavour war empört, da Sardinien nur die Lombardei erhielt und Österreich Venetien behielt, und trat zurück.

Doch schon wenige Monate später kehrte er wieder an die Spitze der Regierung zurück und schloss neuerlich ein Geheimabkommen mit Frankreich, diesmal war Savoyen betroffen. Cavour ermunterte Giuseppe Garibaldi, mit seiner Armee von tausend rot gekleideten Abenteurern von Genua nach Sizilien zu segeln. Nach dem Zusammenbruch des Königreiches Neapel wurden diese Gebiete dem Königreich Italien angeschlossen. Darauf folgte die Okkupation eines großen Teiles des Kirchenstaates. Im März 1861 wurde Viktor Emanuel II. zum König von Italien ausgerufen. Rom sollte die künftige Hauptstadt des geeinten Italien werden, doch konnte Cavour die völlige Einigung Italiens nicht mehr erleben.

Wegen seiner Kirchenpolitik – sein Grundsatz lautete »Freie Kirche im freien Staat« – wurde Cavour wiederholt exkommuniziert, trotzdem fühlte er sich immer der katholischen Kirche zugehörig. Schon Jahre vor seinem Tod sicherte er sich den Beistand eines katholischen Priesters für seine Todesstunde und damit ein kirchliches Begräbnis. Vincenzo Gioberti, Priester, Philosoph und Vordenker eines geeinten Italien, sagte über Cavour, dass ihm die »italienische Geisteshaltung« fehle, er sei vielmehr angelsächsisch in seinen Ideen und gallisch in seiner Sprache. Kein anderer Politiker trieb die Einigung Italiens so konsequent wie Cavour voran, und das unter Einsatz legaler Mittel. Cavour wollte sein Ziel nicht auf revolutionärem Wege durchsetzen, sondern eine legale Abschaffung des absolutistischen Systems erreichen.


CHIANG KAI-SHEK

Der Staatschef der nationalistischen Regierung Chinas auf Taiwan stammte aus einer in bescheidenem Wohlstand lebenden Händler- und Bauernfamilie. Seine Geburtstadt lag in der Provinz Chekiang nahe der Meeresküste. Mit 19 Jahren trat er in die Paoting-Militärakademie in Nordchina ein. In den Jahren 1907 bis 1911 diente er in der japanischen Armee, deren spartanische Ideale er bewunderte und für sich persönlich übernahm. Auch andere in Tokio lebende chinesische Kameraden übten einen großen Einfluss auf ihn aus. Im Sinne einer nationalen Denkweise setzte er sich das Ziel, China von der als fremd empfundenen Mandschu-Dynastie zu befreien. Um dieses Vorhaben zu erreichen, schien ihm eine republikanische Regierungsform geeignet.

Als 1911 in China Unruhen ausbrachen, kehrte Chiang nach China zurück, schloss sich den revolutionären Truppen an und half, die Mandschu-Dynastie zu stürzen. Zwischen 1913 und 1918 nahm Chiang an sämtlichen revolutionären Kämpfen teil, auch an den Unruhen gegen den Möchtegern-Kaiser Yüan Shihk’ai. Zwischenzeitlich tauchte er in Shanghai unter, wo er zu der Geheimgesellschaft Green Gang gehörte, die durch Finanzmanipulationen Geld beschaffte.

1918 kehrte er wieder in das öffentliche Leben zurück und schloss sich Sun Yat-sen an, dem Führer der nationalistischen Partei Kuomintang. Chiang Kai-shek nützte seine enge Beziehung zu Sun Yat-sen und baute darauf seine eigene Macht aus. Er wollte ein wiedervereinigtes China, das seit dem Sturz von Yüan in gegeneinander Krieg führende Satrapien zerfallen war.

Großes Vorbild für die Kuomintang war die Sowjetunion, die Chiang 1923 besuchte, vor allem um den Aufbau der Roten Armee zu studieren. Wieder zurück in China wurde er zum Leiter der Militärakademie in Whampoa, nahe Kanton, bestellt, die er nach sowjetischem Vorbild umorganisierte. In dieser pro-sowjetischen Phase lebten auch zahlreiche russische Berater in China, das Verhältnis zu den Kommunisten war ein so enges, dass sie sogar in die Kuomintang aufgenommen wurden und nach dem Tod Sun Yat-sens 1925 zunehmend an Einfluss gewinnen konnten. Daraus resultierten aber auch Differenzen zwischen den konservativeren Mitgliedern der Kuomintang und den Kommunisten. Chiang, der sich als politischer Erbe Sun Yat-sens fühlte, versuchte den Einfluss der Kommunisten zurückzudrängen, ohne jedoch die sowjetische Unterstützung zu verlieren. Bis 1927 konnte Chiang auf die Hilfe aus Moskau rechnen, doch als er in einem blutigen Aufstand mit den Sowjets brach, war es mit der Achse Moskau-China vorbei.

Chiang schloss sich der Nationalpartei an, unterdrückte aber die von ihr gegründeten Gewerkschaften. Seit 1925 Kommandant der nationalen Armee, startete er eine massive Kampagne gegen die Warlords im Norden Chinas und eroberte 1928 Peking. In Nanking kam es zur Gründung einer nationalen Regierung unter Chiangs Führung.

1930 konvertierte Chiang unter dem Einfluss der mächtigen Soong-Familie, deren jüngste Tochter Mei-ling er in zweiter Ehe geheiratet hatte, zum Christentum. Nun konzentrierte sich Chiangs Regierungsprogramm auf soziale Reformen, doch vermochte er das Land nicht unter seine Kontrolle zu bekommen. Vor allem die provinziellen Warlords, die er nicht gänzlich ausschalten hatte können, stellten ihn laufend in Frage.

Die Kommunisten wiederum hatten sich aufs Land zurückgezogen, eine eigene Regierung gebildet – und sie sammelten eine Armee. Eine weitere Front eröffnete sich für Chiang durch den unausweichlichen Konflikt mit dem expandierenden Japan, das 1931 die Mandschurei erobert hatte und nun Anstalten machte, in China, das durch den Bürgerkrieg geschwächt erschien, einzumarschieren. Chiang entschied sich dafür, zuerst die Kommunisten zu bekämpfen und sich dann mit Japan auseinanderzusetzen. Diese Strategie wurde von seinen Anhängern abgelehnt, es kam zu heftigen internen Konflikten, vor allem weil Chiang keinen entscheidenden Sieg über die Kommunisten erringen konnte.

Um der chinesischen Nation einen moralisch engeren Zusammenhalt zu geben, belebte Chiang den Konfuzius-Kult neu. 1934 startete er eine Kampagne, die er »Bewegung Neues Leben« nannte. Das neue Gedankengut sollte die moralischen Vorstellungen des Konfuzius unter das Volk bringen – angesichts der hungernden Millionen ein sinnloses Unterfangen.

1937 brach der Krieg mit Japan aus. Chiang sah sich gezwungen, den Krieg mit den Kommunisten abzubrechen und eventuell mit Hilfe der Kommunisten gegen die Japaner zu kämpfen. Bis zum Kriegseintritt Amerikas 1941 blieb China völlig auf sich allein gestellt, dann erst erklärten die übrigen Alliierten, abgesehen von der Sowjetunion, Japan den Krieg. Dadurch gewann die Kuomintang-Regierung ihren Platz in der Reihe der Siegermächte, die nach 1945 den Ton angaben. Daher rührt auch Taiwans Platz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen.

Doch Chiangs Regime litt zusehends unter einem Imageverlust. Die internationale Gemeinschaft nahm mit Missstimmung auf, dass Chiang nach der Kapitulation Japans wieder den Kampf gegen die Kommunisten aufnahm. Denn damit stürzte er das Land 1946 neuerlich in einen Bürgerkrieg, den er nicht gewinnen konnte. 1949 musste er den Kommunisten weichen und zog sich mit dem Rest seiner Getreuen nach Taiwan zurück, wo er eine gemäßigte Diktatur errichtete. In China selbst wurde die Volksrepublik ausgerufen.

Mit Hilfe der USA wandelte Chiang Kai-shek Taiwan in den nächsten zwei Dezennien zu einem modernen Industriestaat um, der aber stets von China bedroht blieb. 1955 erreichte er noch eine Vereinbarung mit den USA, die die Verteidigung Taiwans garantierte. Doch Anfang der 1970er-Jahre, als es zu einer generellen Annäherung zwischen den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China kam, verlor dieses Abkommen zusehends an Wert. Die Möglichkeiten des riesigen chinesischen Festlandmarkts waren zu verlockend. Auch bot Chiangs Regime zu viele Angriffsflächen – korrupt und versteinert war es den Anforderungen einer sich verändernden internationalen Lage nicht gewachsen. Zuletzt setzte Chiang nur mehr auf persönliche Seilschaften, vor allem aus dem Bereich der Armeeclique.

Nach Chiangs Tod brachen die USA sogar die diplomatischen Beziehungen zu Taiwan ab, um ebensolche mit der Volksrepublik China aufnehmen zu können.

Am meisten hatte Chiang geschadet, dass er seine bestens ausgebildete Armee kaum gegen die Japaner im eigenen Land einsetzte, sondern diese Aufgabe den Amerikanern überließ. Er wollte seine Streitkräfte für den Einsatz gegen die Kommunisten schonen, was ihn die Sympathien der Bevölkerung kostete. Für Chiang stand diese Auseinandersetzung im Zentrum seiner Interessen, während er die desolate wirtschaftliche und soziale Lage vernachlässigte. Und das in einem Land, in dem 90 Prozent der Bevölkerung Agrarwirtschaft betrieben – und dabei hungerten.


Бесплатный фрагмент закончился.

399
430,07 ₽
Возрастное ограничение:
18+
Объем:
361 стр. 86 иллюстраций
ISBN:
9783843802093
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают