Читать книгу: «Zu Dritt. Threesome», страница 5

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Mika kommt langsam die Treppe herunter. Er hat den Eindruck, dass sein Kopf immer noch vor Peinlichkeit knallrot ist. Auf jeden Fall durchflutet ihn eine Hitzewelle nach der anderen. Keno steht an der Theke zur Küche und klimpert mit Gläsern und Eiswürfeln herum.

„Ich glaub, ich geh jetzt lieber“, verkündet Mika unsicher und versucht, an Keno vorbeizuschleichen. Ein starker Arm schlingt sich von hinten um seine Brust.

„DU gehst nirgendwo hin“, raunt Keno in ruhigem Befehlston. Er zieht Mika zur Theke, was ihm sehr leicht fällt, weil er keine Gegenwehr spürt. Während Keno ihm ein vor Kälte beschlagenes Glas Gin Tonic in die Hand drückt, redet er weiter auf Mika ein.

„Es gibt gar nichts, wofür du dich in irgendeiner Weise schämen müsstest!!“

Mika seufzt einmal tief und lässt seinen erneut errötenden Kopf sinken. „Müssen wir das auch noch ausdiskutieren …“ erwidert er gequält.

Keno stößt mit seinem Glas gegen Mika’s. „Na klar!“

Mika verzieht kurz den Mund zu einer Grimasse. „Wenn’s sein muss!!“ Er gönnt sich zwei große Schlucke und stöhnt genussvoll auf, als der Alkohol seinen Körper erobert.

Keno schlendert bereits ins Wohnzimmer und schmeißt sich in einen gemütlichen Sessel am Kamin.

„Komm her! Mach’s dir bequem!“ ruft er zu Mika rüber und deutet auf die kleine Couch ihm gegenüber. Mika setzt sich und beobachtet seinen perlenden Drink, als gäbe es nichts Spannenderes auf der Welt. Er weiß genau, dass Keno ihn die ganze Zeit dabei beobachtet. Was soll er nur sagen? Vorsichtig schielt er von unten herauf in Keno’s Richtung. Natürlich!! Keno sieht ihm direkt in die Augen.

„Mika?“ fragt Keno ruhig.

„Ja …“

„Das macht mich unglaublich an, wenn du so bist!“

Herr im Himmel! Wohin soll dieses Gespräch denn führen? Reiß dich gefälligst mal zusammen!!! befiehlt sich Mika selbst. Und er strafft seine Körperhaltung, hebt den Kopf und sieht herausfordernd in Keno’s Richtung.

„Du stehst drauf, wenn andere unsicher sind?! Ganz schön pervers, find ich!“ ranzt Mika zurück.

Keno lächelt breit.

„Findest du? Ich find’s viel perverser, wenn man neue Erfahrungen macht und dann hinterher versucht, seine Gefühle zu verleugnen - die neuen, die ungewohnten, die beängstigenden ….“

„Ich hab keine Angst!“ Natürlich kommt prompt diese Antwort aus Mika’s Mund geschossen, bevor er richtig darüber nachdenken kann.

„Du?“ fragt Keno zurück. „Nein! Du hast keine Angst ... wovor auch?“ Keno hebt fragend die Augenbrauen. „Davor, dass Jana erfährt, dass du verknallt in sie bist? Oder, dass sie rauskriegt, wem sie heute Abend einen geblasen hat – wer sie geküsst hat, dass sie fast verrückt geworden ist?“

Keno verzieht den Mund, als würde er angestrengt nachdenken.

„Oder vielleicht davor, dass du mit einem Kerl geknutscht hast – huch!!“ Übertrieben tuntig schlägt er eine Hand vor den Mund. „… dass du ihn angefasst, gestreichelt und angemacht hast?“

Mika wird immer kleiner auf seiner Couchseite. Er drückt sich weiter in die Kissen und starrt trotzig zu Keno rüber.

„Vielleicht hast du aber Angst davor, noch tiefer in dich hineinzuhorchen …“ Hier unterbricht er einfach und nimmt einen Schluck von seinem Drink.

„Noch tiefer …?“ fragt Mika leise. Er räuspert sich. „Was meinst du damit?“

„Was denkst du?“ Keno legt den Kopf schräg und sein Blick saugt sich an Mika fest.

Mika schüttelt langsam den Kopf. „Ich hab keine Ahnung, ehrlich!“

Keno deutet mit dem Kopf in Richtung Treppe. „Unsere kleine Auseinandersetzung eben … als ich dich gepackt hab … ich hab ein bisschen den Eindruck, dass dich so was anmacht.“ Er sieht Mika forschend an.

„Nein!“ wiegelt Mika ab. „Das war … nur von … der ganzen Aufregung heute Abend.“

„Für mich war das ein handfester Ständer. Und den hattest du erst, nachdem ich dich gepackt und gegen die Wand gedrückt hab“, widerspricht Keno ihm.

„Das hättest du wohl gerne, was?“ Mika sucht seine Verteidigung im Angriff.

Keno kratzt sich am Kinn. „Jaaa, jetzt wo du’s sagst: das könnte mir gefallen!“ Mit einem süffisanten Grinsen nimmt er einen tiefen Schluck aus seinem Glas.

Mika’s Gesicht wird von einer bezaubernden Röte durchzogen. Zumindest findet Keno sie bezaubernd. Mika wird eigentlich nur ganz schön heiß. Er ist es überhaupt nicht gewohnt, dass jemand so offen mit ihm über seine Gefühlswelt diskutiert. Und schon gar nicht, wenn dieser Jemand ein Typ ist, den er erst seit zwei Tagen kennt und mit dem er vorhin quasi Sex hatte. Oh du mein Gott seufzt Mika innerlich, während ihm wieder ein Stromstoß durch den Magen schießt. Das ist alles so … irre.

„Darf ich ehrlich zu dir sein?“ fragt Keno ihn unvermittelt.

„Klar!“ Mika verschränkt die Arme vor der Brust.

„Also … ich glaube, dass du eine ziemlich devote Ader hast, die du selber vielleicht noch gar nicht an dir kennst.“

„Ja, sicher …“ wirft Mika ironisch ein.

„Ja, aber ganz sicher“, setzt Keno nach. „Denk einfach mal drüber nach! Und mal davon abgesehen, dass du darauf stehst, wenn ein Kerl dich mal härter anpackt … die Wahl deiner Angebeteten spricht auch für sich!“

Mika runzelt die Stirn. „Wieso das denn?!“

Keno setzt sich ein wenig auf und zählt an seinen Fingern ab. „Unerreichbar. Frech. Dominant. Und dann wieder zuckersüß. - Von wem rede ich wohl gerade?“

Mika hat nicht vor, darauf zu antworten.

Keno nickt einige Male leicht. „Du weißt es genau. Ich rede von Jana. Du betest sie an, hast Angst, sie könnte plötzlich nicht mehr mit dir reden, wenn sie erfährt, dass du verknallt in sie bist. Du bist ja nichts wert. Du hast keine Kohle, keine Ausbildung, einen Job als Kellner – du Unwürdiger!!“ provoziert Keno ihn.

Doch Mika nimmt die Aussage so hin. „Ist doch auch so …“ bestätigt er leise und starrt wieder vor Scham in sein Glas.

„Red. Keinen. Scheiß!!“ Keno’s Stimme ertönt laut und lässt die Worte in der Luft vibrieren. Bockig blickt Mika wieder in Keno’s Richtung. Hätte er keinen Drink in der Hand, könnte man denken, ein kleiner Junge bekäme gerade eine saftige Strafpredigt gehalten.

„Mika!“ redet Keno eindringlich weiter. „Ist dir noch nie der Gedanke gekommen, dass du auf dieses Anhimmeln, diese Unerreichbarkeit … dass du darauf einfach abfährst?“

Mika’s Atem geht ein wenig schwerer.

„Du stehst drauf, wenn sie dir sagt, wo’s lang geht, Mika!“ reibt ihm Keno unmissverständlich unter die Nase. „Oder?!!“

„Na und?!“ antwortet Mika endlich laut.

„Ja, genau: na und?!!“ bestätigt Keno ebenfalls laut. „Dann leb es doch endlich aus, verdammt noch mal!“

„Ausleben …“ wiederholt Mika ausdruckslos. In seinem Kopf wirbeln alle Gedanken durcheinander. Keno sagt ihm hier Dinge, die sich Mika vorher noch nie bewusst gemacht hat. Wie oft hatte er sich vorgestellt, er würde sich vor Jana auf die Knie werfen und sie bitten, ihn zu küssen – nur ein einziges Mal?!! Er hatte sie angefleht und angebettelt … und sich dabei kräftig einen runter geholt.

Nie war ihm der Wunsch gekommen, andere Typen, auf die Jana sich ab und zu einließ, in Gedanken zu verprügeln. Nein, in seinen Träumen hat er Jana nur inständig gebeten, doch endlich die Finger von diesem oder jenem Kerl zu lassen. Und jedes ‘Bitte‘, ‘Bitte‘ hatte ihn härter werden lassen.

Aber das waren alles … Träumereien. Er hatte sie seiner Sehnsucht zugeschrieben. Doch vielleicht war es ja tatsächlich so, dass er auf diese Bettelei stand, auf das Hoffen, das Anflehen … war das wirklich so?

„Wie soll ich das denn ausleben?“ fragt er Keno verzweifelt.

„Lass dich doch einfach mal ein bisschen von jemandem lenken!“ Keno’s Augen blitzen. „Ich schwör dir, das wird dir gefallen!“

Er atmet tief durch. „Ich will ehrlich zu dir sein was mich betrifft, Mika … Im Gegensatz zu dir, möchte ich meine Gefühle nicht verstecken oder unterdrücken.“ Keno’s Blick schweift durch den Raum.

„Es gab eine Zeit, in der ich alles an mir verleugnen musste und seitdem …“ Er räuspert sich kurz. „Ist ja auch egal! Es ist so, dass ich mich als ‘dominant‘ bezeichnen würde. War ich schon immer. Ich steh drauf. Ich fahr voll drauf ab, andere zu verunsichern, sie zu lenken und ja, auch zu demütigen … Guck nicht so ängstlich!“

Keno lacht, als er Mika’s erschrockenes Gesicht sieht.

„Ich bin kein Sadist!! Ich hab‘ keinen Bock drauf, irgendwelche Menschen zu was zu zwingen, was sie nicht wollen. Aber wenn einer – oder eine – drauf abfährt … warum nicht? – Und ja, ich steh auf Frauen und Männer, wie du ja vielleicht schon mitgekriegt hast! Es ist mir scheißegal, wie andere Leute das finden. Bedeutsam für mich ist, dass die Menschen, die mir wichtig sind, wissen, mit wem sie es zu tun haben!“ Keno sieht Mika gerade in die Augen. „Und du … könntest …“ Er seufzt.

Mika hält den Atem an.

Keno beugt sich ein wenig vor und legt seine Unterarme auf die Knie. „Und du …“ beginnt er erneut, „… deine unglaubliche Ausstrahlung … du machst mich ganz …“ Keno beendet den Satz wieder nicht, doch das Unausgesprochene daran ist eindeutig genug.

Mika stehen alle Nackenhaare zu Berge. Oh Gott, was kommt jetzt noch …

Keno fährt lächelnd fort. „Ich fand dich erst nur ziemlich niedlich. Wie du so auf Knien hinter Jana her warst … im ‘Crawlers‘.“

Bei dem Bild muss selbst Mika auflachen.

Keno lächelt. „Doch jetzt hab ich dich beim Sex erlebt. Du bist soo sinnlich, Kleiner, glaub mir.“

Mika’s Blut schießt ihm in Nanosekunden in den Kopf. „Ja, ich glaub’s dir ja“, wiegelt er ab.

„Und ich gestehe, dass mich auch deine Unsicherheit …“ Keno presst die Lippen aufeinander und zieht die Nase kraus. „… das törnt mit echt an!“

Mika atmet tief aus und stellt sein Glas auf einen kleinen Beistelltisch. „O. k., ich muss dann jetzt wirklich langsam mal ….“ setzt er an.

Keno lacht aus voller Kehle. „Mach dich locker, Mika! Hast du Angst, ich könnte jetzt über dich herfallen?“

Konnte der Typ auch noch Gedanken lesen? Mika will dringend weg. Er ist dermaßen verunsichert, dass er kaum noch klar denken kann.

„Keno…“ setzt er vorsichtig an, „bitte sei nicht sauer, aber … das ist jetzt einfach zu viel für mich. Du weißt, dass ich nicht schwul bin … also …“

Keno sieht ihn ernst und doch liebevoll an. „Ich fass dich nicht an, keine Angst! Ich würde niemals etwas tun, was du nicht willst, o. k.?“

Mika betrachtet eingehend seine Fingernägel.

„O. k.???!!“ hakt Keno noch mal eindringlich nach.

Mika nickt. „O. k., ich nehm‘ dich beim Wort.“

„Kannst du auch! Aber glaub mir: du stehst drauf!“

Mika holt tief Luft, um vehement zu widersprechen, doch Keno winkt schon wieder lachend ab.

„Ich hör‘ jetzt auf! Geil, dass du nicht einfach abhaust! Das find ich wirklich cool von dir, Kleiner. Trinken wir noch einen?“ Mika zögert.

„Hey!! Ich hab‘ extra Tonic für dich besorgt!“ Keno hebt erwartungsvoll die Arme.

Mika betrachtet ihn nachdenklich. „Immer her mit dem Stoff!“ antwortet er schließlich und hält ihm lächelnd sein leeres Glas hin.

Mika weiß selbst nicht genau, wie er so viel Vertrauen aufbringt, um nicht wie von tausend Hunden gehetzt das Haus zu verlassen. Doch Keno’s gelassene Art und Weise mit der Situation umzugehen, lässt Mika alle Bedenken über Bord werfen.

Irgendwann lümmeln sie ziemlich vollgesoffen und Chips in sich hinein stopfend auf dem riesigen Wasserbett. Und irgendwann haben sie angefangen, über den Sex mit Jana zu reden. Noch nie in seinem ganzen Leben hat Mika so detailliert mit jemand anderem darüber gesprochen, was er während einer Nummer so gefühlt hat.

Sogar darüber, wie es war, Keno abzuknutschen und seine Kraft zu spüren, hat Mika geredet. Dazu war er nur in der Lage, weil Keno ganz selbstverständlich mit diesem Thema umgeht. Es scheint ihm nichts fremd zu sein. Und über kein Gefühl von Mika macht er sich lustig. Mika gewinnt immer mehr Vertrauen. Zugegeben … der Alkohol hilft ihm dabei.

„Ich bin so was von verliebt“, sinniert Mika leise und kaut gedankenverloren auf seinen Chips herum, während er ins Leere starrt.

„Hm“, Keno presst kurz die Lippen aufeinander, „Du verdammter Glückspilz!“

Nachdenklich blickt Mika ihn an. „Du hast mich voll in der Hand, weißt du das?“

„Wieso?!“ Keno runzelt die Stirn.

„Wenn du jetzt zu Jana gehst und ihr alles erzählst, dann war’s das. Nie wieder würde sie ein Wort mit mir wechseln – schon aus Prinzip nicht. Und ich sag dir noch was. Momentan wäre das die schlimmste Sache, die mir passieren könnte. Glaub mir! Selbst wenn ich deiner Meinung nach nur auf’s Anhimmeln steh‘ … nach heute Abend will ich sie nicht mehr unerreichbar, ich will sie so wie sie heute für mich war! So nah, so geil und so …“ Mika schluckt, weil ihm die Worte im Hals stecken bleiben.

„… so wunderschön!“ bringt Keno den Satz für ihn zu Ende. „Sie war wirklich wunderschön!“

Mika atmet tief durch. „Sie würde mir das nie verzeihen – niemals! Ich kenn‘ Jana. Sie ist genau so stolz wie dickköpfig.“

„Hey“, beruhigt Keno ihn leise. „Mach dir keine Gedanken. So was würde ich nie tun! Und wie soll sie’s sonst rauskriegen … außer du wirst endlich zum Mann und sagst es ihr selbst!“ ärgert er ihn.

Erschrocken starrt Mika ihn an. „Nein!!!“

Keno schmunzelt. „Das musst du selber wissen, Kleiner. Aaach …“ Er lässt sich nach hinten fallen und fährt sich mit den Händen übers Gesicht. „Ich glaub, ich kann nicht mehr.“

Mit ein paar Handgriffen haben sie das Bett entrümpelt und wühlen sich in ihren Klamotten zwischen die Kissen. In seinem besoffenen Zustand kann Mika nicht verhindern, dass ihm nun doch ein paar Tränen über’s Gesicht rinnen.

Ach, Jana! denkt er immer wieder und schnieft leise. Hoffentlich hab ich heute Abend nicht alles kaputt gemacht. Ich Vollidiot! Wenn sie davon erfährt … nicht auszudenken!

Mika wischt sich schnell die Tränen vom Gesicht und versucht, so leise wie möglich Luft zu holen. Plötzlich spürt er, dass Keno zu ihm rüber rutscht. Er schiebt einen Arm unter Mika’s Hals und mit dem anderen zieht er ihn nah zu sich heran.

„Ist schon gut, Kleiner“, flüstert er ihm zu und streicht langsam mit der flachen Hand über Mika’s Brust. „Ist schon gut!“

Nichts weiter passiert. Weder spürt Mika einen Ständer an seinem Hintern, noch wird er überall angefasst oder abgeleckt. Nur das leise Streicheln über seine Brust und ab und zu ein Flüstern. Mika beruhigt sich wieder, entspannt sich und schläft schließlich ein.


Am nächsten Morgen wacht Mika bereits um 9:00 Uhr auf. Mit einem etwas dicken Schädel wankt er ins Bad unter die Dusche. Er wundert sich selber ein wenig darüber, wie selbstverständlich er sich in Keno’s Haus bewegt, obwohl er ihn erst seit drei Tagen kennt. Sogar frische Klamotten kann er sich einfach aus dem riesigen Schrank raussuchen. Mika kommt sich vor wie in einem Hotel mit angeschlossener Boutique, während er ein gemütliches Sweat-Shirt auswählt.

Mit verstrubbelten Haaren hüpft er die Treppe runter und riecht schon auf halber Strecke das köstliche Aroma seines Lieblingsgetränks.

„Wow!!“ ruft er begeistert aus, als er die dicke Tasse mit dem dampfenden Inhalt auf der Küchentheke stehen sieht.

„Du hast extra für mich Kakao besorgt?“

Keno lehnt von der Küchenseite gegen die Theke gelehnt und lacht amüsiert über den Rand seiner Kaffeetasse hinweg.

„Tja … Sohn … noch einmal so eine Schnute zum Frühstück hätte ich nicht ausgehalten“, imitiert er einen typisch pathetischen Western-Helden.

„Ooh, geil!!!“ Mika schwingt sich auf einen der Hocker und zieht genüsslich den schokoladigen Duft durch die Nase, bevor er sich den ersten Schluck gönnt.

„Mhmm, das hast du guut gemacht!!“ lobt er Keno, während er sich zwischendurch den Schaum von den Lippen schleckt.

Keno grinst anzüglich. „Ich kann noch ganz viele andere Sachen gut!“

„Ich hör‘ dir gar nicht zu!“ erwidert Mika mit halb geschlossenen Augen.

Beide schmunzeln vor sich hin, während Keno sich aus einer Obstschale am Ende der Theke eine Banane rausfischt.

„Obwohl …“ fährt Mika fort, „eigentlich bin ich neugierig. Ich weiß ja noch so gar nix über dich.“

„Ich weiß auch nichts über dich…“ gibt Keno zu bedenken.

„O. k.,“ Mika setzt seinen Kakao ab und verrührt den Schaum. „Wir fragen abwechselnd! Ich zuerst: Wie alt bist du eigentlich?“ fragt Mika neugierig.

„Spirituell oder in Menschenjahren?“ flachst Keno zurück.

Mika verzieht die Mundwinkel. „Na, was wohl?!!“

„Ich bin Fünfundzwanzig, du Küken!“ grinst Keno.

„DIE fünf Jahre machen ja wohl keinen so großen Unterschied …“ Mika schüttelt entrüstet den Kopf.

„Wenn du meinst … jetzt bin ich dran … wann hattest du das erste Mal Sex mit einem Mädchen?“

Mika verdreht genervt die Augen. „War ja klar, dass von dir so eine Frage kommt!“

Keno klopft auffordernd mit dem Zeigefinger auf die Theke. „Antworten!!“

„Hmm“, überlegt Mika, „ich glaube, da war ich fünfzehn – fast sechzehn. Ja! Kurz vor meinem Geburtstag. Spätzünder, ich weiß!“

„Wie süß!“ ärgert Keno ihn, „Das war ja quasi erst gestern!“

„Ist ja guhuut!!“ Mika versucht spielerisch, Keno eine zu knallen. „Jetzt ich wieder!“

Das macht richtig Spaß, so ein Fragespiel.

„Wo hast Du Dir eigentlich dein Rücken-Tattoo machen lassen?“

„Im Ausland“.

Mika trinkt einen weiteren Schluck. Dann hebt er auffordernd beide Handinnenflächen hoch.

„Und??? Ist das alles?“

Keno zuckt mit den Schultern. „Ja!! Was soll ich dir dazu noch erzählen?“

„Na ja, zum Beispiel, in welchem Land, von wem und wann?“

„China, Chinese, vor einem Jahr – mehr gibt’s dazu nicht zu sagen!“ Keno steht auf und schmeißt die Bananenschale in einen Mülleimer am anderen Ende der Küche. Er setzt sich wieder zu ihm, aber Mika entgeht nicht die leise Distanz, die sich zwischen beide gelegt hat. Er hebt auffordernd die Hand in Keno’s Richtung.

„O. k. … Wo ist dein Vater?“ will Keno wissen.

Mika stutzt. Seine Stimmung sinkt direkt um ein paar Punkte.

„Warum willst du so was wissen?“ fragt er ausweichend.

„Du erwähnst immer nur deine Mutter und da hab ich mich gefragt …“ Keno zuckt mit den Achseln.

„Ist schon o. k.“, winkt Mika ab. „Ich hab keine Ahnung, wo mein Vater ist und es ist mir auch egal. Er hat uns sitzen lassen, als ich ungefähr Vier war. Ein Ultra-Arschloch eben. War von heute auf morgen weg und hat sich nie nach mir oder meiner Mutter erkundigt. Ich hoffe, dass der größte Elch in Schweden ihn entmannt hat. Denn nach Schweden ist er vermutlich zurück und deshalb ist meine Mum auch … heute … also, es geht ihr nicht so gut. Psychisch!“ Mika betrachtet eingehend seine Tasse.

„Alkohol oder Drogen?“ fragt Keno ernst.

Mika verzieht ein wenig die Mundwinkel. „Alkohol … und Depressionen … manchmal.“

„Jetzt du wieder“, reißt Keno ihn aus seiner kurzen Grübelei.

„Hmm … wo kommst du her?“

Keno legt den Kopf ein wenig schräg. „Schlauer Junge“, antwortet er langsam. „Ich weiß, manchmal kann man’s raushören. Ich hab den größten Teil meines Lebens in US and A gelebt. Meine Mutter war Amerikanerin und mein Alter ist Deutscher.“

„Höre ich da auch einen liebevollen Zwischenton heraus? Du liebst deinen Vater so sehr wie ich meinen, oder?“ fragt Mika ironisch.

„Da kannst du verdammt noch mal einen drauf lassen!“ nickt Keno zustimmend. „Mein Alter war oder ist – keine Ahnung ob er noch lebt – eines der brutalsten Arschlöcher, das du dir vorstellen kannst. Ich hab so viel Prügel als Kind und Jugendlicher bekommen … keine Stelle an meinem Körper war nicht irgendwann mal mit einem blauen Fleck versehen. Er hat mich windelweich geschlagen – meistens ohne Anlass. Er war ständig besoffen und obendrein jähzornig.“

Mika starrt ihn mit entsetzt geöffnetem Mund an. „Hat denn deine Mutter nichts dagegen unternommen? Oder deine Lehrer?“

Keno zuckt mit den Schultern. „Meine Mutter ist ziemlich früh gestorben. Ich war noch sehr klein, denke mal drei Jahre, oder so. Ich bin, als ich so Fünf oder Sechs war, oft bei den Nachbarn untergekrochen. Die meisten hatten Mitleid mit mir. Aber immer ging das natürlich nicht. Und Pauker? Hör mir mit dem Gesocks auf. Pädagogen!! Ich glaub, die Pauker in Texas sind noch extremer als anderswo. Allesamt erzkonservative Spinner. Wenn du es wagst, bei einem von denen über deine Eltern negativ zu reden, kriegst du direkt eine rein. Keiner hat sich drum geschert. Wir waren ziemlich arm und da kümmert es deine Lehrer noch weniger.“

„Das tut mir echt leid“. Mika ist total erschüttert. Sein Blick ist so mitfühlend, dass Keno lächeln muss.

„Ich hab’s ja überlebt, Kleiner. So was kann einen auch abhärten … für weitaus Schlimmeres … naja, es war nicht nur schlecht, mein ich damit.“

Doch ganz so ehrlich scheint Keno’s Kommentar nicht zu sein. Bedrückt dreht und spielt er an einem silbernen Ring herum, den er an der linken Hand trägt.

„Oh, zeig mal! Der ist ja geil!“ fordert Mika ihn auf. Zögernd zieht Keno den Ring vom Finger und reicht ihn Mika rüber.

„Boah, ist der schwer“, lacht er. Ein richtig massiver breiter silberner Männerring, die Ränder sind eckig. Mika spielt ein wenig damit herum und betrachtet ihn eingehend!

„Toll, echt schön gemacht! Oh, eine Gravur „J.“ Wer ist denn „J.“??“

Keno hält ihm auffordernd die offene Hand hin. „Kennst Du nicht!“

Mika gibt ihm den Ring zurück und Keno steckt ihn sich schnell wieder an.

„Du machst es ja spannend“. Mika zieht erstaunt die Augenbrauen hoch. Ihm entgeht nicht die plötzliche Stimmungsschwankung bei Keno. Er greift sich Keno’s linke Hand und dreht den Ring spielerisch an dessen Finger hin und her.

„Könnte es sein, dass das deine Jana ist?“ fragt er leise.

Keno linst ihn unter seinem Pony hindurch an.

„Könnte sein … Kleiner … könnte sein“. kommt die ebenfalls leise Antwort.

Beide seufzen gleichzeitig ziemlich tief und das reißt sie aus ihrer Stimmung wieder heraus.

Lachend fragt Mika. „Was machst Du eigentlich so, ich mein‘, hast du einen Job?“

Keno setzt schwungvoll seine leere Tasse ab und räuspert sich. „Tja, Mika … pass auf … das war jetzt echt cool mit unserem Fragespielchen, aber mehr musst du nicht über mich wissen“, antwortet Keno bestimmt.

„Häh?“ Mika ist verwirrt. „Das war doch jetzt nun wirklich keine zu persönliche …“

Keno hebt die rechte Hand, um ihn zum Schweigen zu bringen. „Du weißt schon viel zu viel über mich. Glaub mir, das wäre nicht gut, wenn du noch mehr über mich erfährst.“

„Man könnte fast denken, du bist auf der Flucht“, lacht Mika. Doch als er zu Keno rüber sieht, bleibt ihm das Lachen im Hals stecken.

„Bist du?“ fragt Mika verunsichert. Nur eine Sekunde lang hat Mika einen entsetzt ertappten Gesichtsausdruck wahrgenommen, doch schon legt sich wieder die altbekannte Coolness wie ein Schleier darüber.

„Wie sagt man so schön in Amiland?“ kommt Keno‘s arrogante Antwort. „That’s none of your fucking business“!


399
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9783844285147
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