Читать книгу: «Vertraue niemandem», страница 3

Шрифт:

Zehn

Karin Hausner und ihr Freund Michael Benn trafen um halb acht im „Inferno“ ein. Sandro, der Restaurantbesitzer, begrüßte sie herzlich wie alte Freunde. Lisa servierte den Champagner. Und sie spürte sofort die Spannung zwischen den beiden. Als sie die Speisekarten brachte, hörte sie, daß Michael sie bedrängte:

„Aber die Kosten dieses Einmarsches in Kongo … das ist doch ein Risiko, das man kaum kalkulieren kann. Klar, deutsche Generäle wollen endlich mal wieder schießen, das ist ihr Job. Also verharmlosen sie alles. Doch die Folgen mußt du allein ausbaden, wenn es schiefgeht.“

Karin schwieg und schob ihre Gabel von rechts zur Mitte, legte den Löffel gerade, während Lisa ihnen Champagner nachschenkte. Michael war offensichtlich tief beunruhigt:

„Was mir auch nicht klar ist, wie du diese Elitesoldaten dazu bringen willst, abzuziehen. Die sind jetzt schon drei Jahre drin und machen ein Riesengeschäft. Sie verfügen über eine perfekte Infrastruktur. Was ist, wenn sie Verstärkung holen? Dann könnte es schnell ein sehr langer Krieg werden.“

Karin zog die Augenbrauen hoch und begegnete ihm mit ihrem Oberlehrerblick:

„Okay! Danke für die wertvollen Hinweise. Kleine Korrektur: Das sind keine Elitesoldaten, sondern Eliteterroristen, die tagaus tagein morden. Vor allem aber: Meinst du etwa, wir hätten das nicht alles schon durchkalkuliert?“

„Und was kam dabei heraus?“

Karin sah Lisa an, die den Kühler am Tisch hin und her bewegte und gebannt zuhörte. Als sie Karins Blick bemerkte und sich zurückziehen wollte, war es schon zu spät. In eisigem Befehlston sagte sie ihr:

„Wir möchten uns ungestört unterhalten.“

Lisa lag die Entschuldigung schon auf der Zunge, aber sie stoppte sich noch rechtzeitig, denn das hätte wie ein Eingeständnis gewirkt. Also drehte sie sich lächelnd um und wandte sich den Gästen am Nebentisch zu.

In diesem Moment klingelte Karins Handy. Anruf der Kanzlerin. Sie wollte sich mit ihr am nächsten Morgen um halb sieben treffen. Karin mußte eingestehen:

„Wir sind noch nicht so weit.“ Und wartete ab. Die Kanzlerin legt verärgert auf.

„Dicke Luft … oder?“, fragte Michael.

Karin nickte nur. „Sie übertreibt ein wenig.“

„Vielleicht nicht. Sie befürchtet wohl ähnlich wie ich, daß diese Aktion außer Kontrolle gerät und sehr teuer werden kann.“

Nun wurde Karin ziemlich ärgerlich: „Du kannst sicher sein, daß wir diesen Fall so lösen werden, daß deine und ihre und weitere Befürchtungen nicht eintreten werden. Und nun beenden wir das Thema und bestellen erst mal etwas zu essen. Sonst gehe ich gleich wieder.“

Michael Benn öffnete die Speisekarte. Sie bestellten beide Lachsspaghetti und fanden trotz mehrfacher Anläufe kein Thema mehr, daß sie länger als ein paar Floskeln beschäftigte. Dann verabschiedeten sie sich. Lisa half Karin in den Mantel. Sie dankte ihr, gab wie immer 10 Euro Trinkgeld und war weg.

Elf

Hans hatte sich am Bahnhof Zoo mit seinem Taxi eingereiht. Es ging wieder mal nur träge voran. 21 Taxis standen noch vor ihm. Er hatte also mindestens eine Stunde Wartezeit und das gab ihm die Möglichkeit, in Ruhe nachzudenken. Wie sollte es mit Lisa weitergehen? Was könnte er unternehmen, damit Karin sich intensiver mit seinen Visionen befaßte? Es entwickelte sich eine chaotische Tagträumerei, bei der ihm plötzlich bewußt wurde, daß er Karin und Lisa miteinander verglich. Sie waren sich durchaus ähnlich. Rauhe Oberfläche, so gut wie unnahbar. Aber wenn sie erst einmal Zutrauen gefunden hatten, bröckelte der dick aufgetragene Kunstlack ab und ihr wirkliches Ich wurde bloßgelegt. Plötzlich waren sie pure Leidenschaft. Und nachdem das Feuer eine Weile lichterloh brannte, wurde es rasch gelöscht und frischer Lack aufgetragen und die Schotten wurden wieder dichtgemacht. Schon seltsam – die Evolution hat es doch so eingerichtet, daß es keine zwei gleichen Lebewesen gibt – schon gar nicht Menschen. Aber Lisa und Karin hatten nun mal überraschend viele Ähnlichkeiten.

Hans spürte, daß sein Magen knurrte. Zu wenig gefrühstückt. Er scherte aus der Warteschlange aus, fuhr in die Seitenstraße, parkte dort ein und ging ins „Ganymed“. Hier war der Kaffee stark und schwarz und es gab Vollkornbrot mit Schinken und Käse – genau das, was ihm fehlte. Er nahm seinen letzten Schluck Kaffee und wollte gerade an die Theke gehen und zahlen, als er am Nebentisch einen Zweimetermann mit Vollbart entdeckte. Das war Max Scheel, der frühere Sprecher der Linken in der Neue-Welt-Bewegung. Hatte er ihn nicht erkannt, als er sich neben ihn setzte? Max war vollständig in seine Zeitung vertieft. Mit seiner Intellektuellenbrille, die er früher nie trug, wirkte er wie ein Professor, der gerade eine Vorlesung in der Uni abhielt.

„Hallo Max!“, begrüßte ihn Hans und legte seine Hand auf dessen Schulter. Max schaute erstaunt auf, er überlegte und dann erkannte er ihn.

„Positive … nein, äußerst positive Überraschung.Ich habe gerade an dich gedacht … weil … ich das hier gelesen habe.“

Er reichte Hans die Zeitung. Es war ein Bericht über Karins Aufstieg und ihre Interventionspläne in Afrika. Hans nickte. Wollte das aber nicht kommentieren. Max beobachtete seine Reaktionen und meinte dann:

„Was ist aus deiner ehemaligen Frau bloß geworden? Sie war ja immer schon sehr ehrgeizig, aber jetzt steuert sie mit Riesenschritten auf den Kanzlerthron zu.“

„Langsam, langsam. Zum Glück ist die Kanzlerin noch da. Die wird ihren Posten nicht räumen.“

„Aber was Karin Hausner da plant, ist doch kaum zu kontrollieren. Wenn ich mich recht entsinne, haben Europäer bisher jedes militärische Engagement in Afrika mittel- oder langfristig bereut. Es hat viel Geld gekostet und nichts gebracht. Afrika ist wahrscheinlich nie kontrollierbar.“

„Leider ist unsere Bewegung ziemlich zerbröselt. Vor zwei Jahren hätten wir sie gestoppt.“

„Klar, wir müssen sie auch jetzt stoppen. Aber wie?“

„Darüber sollten wir ein anderes Mal ausführlich diskutieren, wenn du Interesse hast? Ich muß wieder los – Geld verdienen.“

„Warum nicht? Gern sogar.“

Kolbe gab ihm seine Visitenkarte. „Ruf mich an, wenn du mal Zeit hast. Ich habe mich schon mal bemüht, direkt an sie ranzukommen. Das werde ich auch weiterhin versuchen.“

Max kniff die Augen zusammen: „Sehr interessant. Ich melde mich dann mal.“

Zwölf

Nachdem die Kanzlerin am Morgen an der Sitzung des Europarates in Brüssel teilgenommen hatte, flog sie am frühen Nachmittag zurück nach Berlin. Sie landete auf dem Regierungsflughafen in Tegel. Kaum saß sie in ihrem Dienstwagen, teilte sie ihrem Fahrer mit, er solle sie sofort in das Außenministerium fahren.

Karin war ziemlich überrascht und sie spürte, daß die Kanzlerin diesmal nicht mit einem Cappuccino locken würde. Also nun erst recht: geschmeidig bleiben! Und sie nutzte ihren Vorteil, denn Generaloberst Gerd Johannes, der ihr gegenüber saß, hatte vor einer halben Stunde eine erste Analyse über den Einsatz im Kongo auf den Tisch gelegt.

Für die Kanzlerin faßte er die wesentlichen Punkte zusammen:

„Wir haben es im Kongo mit einem privatisierten Krieg zu tun. Geführt wird er von Golden Security, einer Truppe, die sich aus Elitesoldaten verschiedener Länder zusammensetzt. Ihre Kennzeichen sind: mindestens drei Jahre Kampferfahrung. Die Köpfe oder Bosse von Golden Security sind Manager. Ihr einziges Ziel: reich werden. Politische Motive haben sie nicht. Sie sind Bestandteil eines transnationalen Netzwerks organisierter Krimineller. Ihre Aktivitäten sind Menschen-, Drogen- und Waffenhandel sowie die gewaltsame Aneignung und Ausbeutung von Bodenschätzen. Sie betreiben eine sogenannte entzivilisierende Kriegführung. Das bedeutet: Massenvertreibungen, Massenvergewaltigungen, terroristische Akte gegen Zivilisten aller Art wie gezielte Tötung, Verstümmelung, Enthauptung. Militärisch gesehen setzen sie vor allem leichte Waffen und Gerät ein. Daraus ergibt sich unsere Überlegenheit, denn wir werden über sie ein Drohnen-Netz spannen, so daß wir in der Lage sind, unsere Kampfroboter gezielt gegen sie einzusetzen. Nachdem diese das Gröbste erledigt haben, kommen unsere Spezialeinheiten zum Einsatz, die den Rest erledigen.“

Die Kanzlerin hörte zunächst zu und sprach dann den aus ihrer Sicht wichtigsten Punkt an:

„Sehen Sie das nicht zu positiv? Welche Risiken sind am wahrscheinlichsten?“

Der General blätterte in seinen Unterlagen. Zu lange, denn schon hatte die Kanzlerin den nächsten Punkt. „Ich will außerdem wissen, welche außenpolitischen Konsequenzen damit verbunden sind.“

Karin war bemüht, den Spitzen, die die Kanzlerin in ihre Richtung abschoß, aus dem Weg zu gehen und schlug vor: „Ich werde heute Nachmittag mit den Außenministern Frankreichs, Großbritannien und den USA telefonieren. Bis dahin wird General Johannes auch zufriedenstellende Antworten auf deine Fragen haben.“

Die Kanzlerin wurde plötzlich wütend: „Warum seit ihr nicht jetzt schon so weit?“

Karin antwortete bewußt unaufgeregt: „Wir sind mittendrin und dürften in zwei oder drei Stunden fertig sein.“

Die Kanzlerin ließ jedoch nicht locker: „Wenn du diese Punkte gleich zu Anfang geklärt hättest, dann wäre dir auch klar gewesen, welche außenpolitischen Folgen das jetzt schon hat. In Brüssel hat man mir viele Fragen gestellt, die ich nicht beantworten konnte. Ich stand ziemlich dumm da. Dabei bin ich die Kanzlerin! Verteidigungsminister Klaus Baumann ist sauer. Zurecht. Er wurde bisher überhaupt nicht informiert. Ich habe ihn eine Weile beschwichtigt, doch nun ist er kurz davor, seine Position an die Öffentlichkeit zu bringen. Er befürchtet, daß folgende Länder wegen des unüberlegten Vorgehens ihre guten Beziehungen, die er mühsam über viele Jahre aufgebaut hat, abbauen werden: Belgien, Frankreich, USA und die Briten.“

Karin gab zu: „Das überrascht mich. Nach meinen Informationen stehen sie einem Eingriff, wie General Johannes ihn beschrieben hat, positiv gegenüber. Das hat auch damit zu tun, daß wir in Europa die einzige Macht sind, die in der Lage ist, mithilfe von Drohnen und Kampfrobotern zu agieren.“

Doch auch das überzeugte die Kanzlerin nicht. „Die Mehrzahl der Minister ist mit deinem Alleingang nicht einverstanden. Sie sind der Meinung, daß eine derartig weitreichende Entscheidung nicht im Hauruck-Verfahren von einem einzelnen Kabinettsmitglied getroffen werden darf. Schon darum sehe ich mich gezwungen, eine Kabinettsklausur einzuberufen. Sie wird in drei Tagen stattfinden. Bis dahin haben alle für diesen Fall zuständigen Minister und Ministerinnen Gelegenheit, ihren Standpunkt zu erarbeiten. Dann werden wir sehen, wer auf deiner Seite steht und wer dagegen ist.“

Die Kanzlerin erhob sich wütend und verließ den Raum.

Karin machte sich keine Illusionen mehr. Die Kanzlerin hatte ihr den Fehdehandschuh hingeworfen.

Der General war unter der Wucht des Zorns der Kanzlerin geradezu in sich zusammengesunken. Karin munterte ihn auf: „Keine Panik. Wir haben noch genügend Zeit. Sie kennen ja jetzt die Schwachpunkte. Ich möchte sie bitten, das Konzept bis zum Nachmittag so zu überarbeiten, daß ich allen Einwänden meiner Ministerkollegen in den USA, Frankreich und Großbritannien überzeugend begegnen kann.“

„Wird gemacht.“ Der General verabschiedete sich.

Karin rief ihren Staatssekretär Kai Blüm zu sich. Blüm war für sie ein wichtiger Partner, weil er einer der am besten vernetzten Politiker in der NSD war. Nachdem sie ihm erzählt hatte, was vorgefallen war und um eine Einschätzung bat, machte Blüm keine Ausflüchte:

„Wenn Sie das in der Klausur nicht nachvollziehbar begründen können, sind Ihre Tage als Außenministerin gezählt. Die Kanzlerin würde Sie entlassen. Wenn Sie iIhren Job behalten wollen, müssen Sie in die Offensive gehen. Wir haben nur drei Tage Zeit.“

Karin war optimistisch: „Das wird reichen.“

Dreizehn

Als Hans seine Wohnungstür öffnete, stand Lisa ganz in weiß, aber mit einem eleganten schwarzen Hut vor ihm und ihre Gesichtszüge versprühten schon jetzt die pure Lebenslust. Hans bat sie herein und sie setzten sich an den Küchentisch. Lisa redete auch nicht um den heißen Brei herum und legte gleich los:

„Also mein Lieber, wie ist das mit einer gemeinsamen Reise? Ich würde gern mal wieder nach Mallorca. Ein bißchen schwimmen, gut essen, eine Wanderung und viel, viel Liebe machen. Kannst du dich dafür begeistern?“

„Ja, kein Problem. Und ich denke, im Herbst ist die beste Zeit, nicht so heiß, weniger Touristen, besseres Essen, freundlichere Bedienung.“

„Du kennst dich also aus?“

„Ja, ich war schon dreimal dort.“

„Mit Karin?“

„Ja, warum?“

„Sie hat sich mit ihrem Partner – was außergewöhnlich ist – für Mittwoch zum Essen angemeldet.“

„Was ist ungewöhnlich?“

„Normalerweise kommen sie einmal im Monat, jetzt ist es das zweite Mal. Und ich kann dir so viel verraten, beim letzten Mal gab es richtig Knatsch.“

„Worum ging es?“

Sie zögerte. „Es bleibt absolut unter uns? Du schwörst es?“

„Ja, ich schwöre!“ Er hob die Linke, legte sie auf sein Herz.

„Also … er ist der Friedensengel und Ökonom. Er sagte, das Risiko, in Kongo gegen die Terroristen zu kämpfen, ist zu hoch, die Kosten könnten aus dem Ruder laufen … sie soll davon lassen. Aber diese Frau blieb absolut cool, sie ist ihm weit überlegen. Die hat sich keinen Millimeter bewegt. Und sie hat kaum was gesagt. Wie war das zwischen euch? Hat sie bei Meinungsverschiedenheiten mit dir auch diese Coolness ausgespielt?“

Hans überlegte. „Manchmal.“

Lisa wechselte überraschend das Thema.

„Wann willst du deine Praxis eröffnen?“

„Zum Jahreswechsel.“

„Du hast also schon Vorbereitungen getroffen?“

„Ja, ich werde im Bezirk Schöneberg in eine Gemeinschaftspraxis gehen. Aber noch mal zurück zu den beiden … wie ist dieser Michael?“

„Wie meinst du das? Ob er als Mann attraktiv ist? Ich sage ja. Ganz klar. Sehr sportlich, sehr galant, sehr gut gekleidet und gepflegt, guter Geschmack, immer guter Laune, sehr selbstbewußtes Auftreten.“

„Stopp! Ich meine was anderes.“ Hans war dennoch beeindruckt von ihrer Beobachtungsgabe. „Mich interessiert, wie er reagiert, wenn Karin diese Unnahbarkeitspose einnimmt?“

„Interessanter Begriff, typisch Psychologe. Aber korrekter Ausdruck. Ich glaube, er ist dann hilflos, er hat noch kein Mittel dagegen gefunden. Aber wie kann man das Eis brechen?“

„Indem man aufsteht und sich verabschiedet.“

Lisa war etwas irritiert. „… meinst du … ja … also … ehrlich: Würdest du einfach gehen, wenn ich dich abblitzen lasse? Ist es dann aus? So schnell?“

„Das kommt drauf an, welche Bedeutung dieser Konflikt hat. Das ist meine nächste Frage: Wie intensiv hängen die beiden aneinander? Du hast ja schon beim letzten Mal gesagt, die große Liebe scheint das nicht zu sein.“

Lisas Blick verdunkelte sich zunehmend. Sie formulierte in sich hinein und Hans wußte, was jetzt kommt.

„Wenn du so fragst … bist du eifersüchtig oder willst du wissen, ob du bei ihr noch Chancen hast?“

„Beruhige dich Lisa, mach dir keine Gedanken. Ich weiß ganz genau, daß Karin und ich in dieser Situation nicht darüber nachdenken werden, ob wir noch mal eine Beziehung eingehen oder nicht. Mich interessiert einzig und allein, wie ich es hinkriege, mal mit ihr über ihre veränderten Positionen zu reden. Unter vier Augen. Es geht um Politik, Friedenspolitik. Ich habe meine Positionen nämlich nicht geändert. Im Gegenteil, meine Argumente sind eher noch besser geworden. Ich würde also gern von ihr wissen, warum sie nicht erkennt, daß sie einen Krieg anzettelt – mit schwer zu kalkulierenden Folgen.“

„Interessante Fragen. Du bist also ein überzeugter Friedensengel?Ich eigentlich auch, habe nur noch nicht so intensiv darüber nachgedacht wie du. Aber ich werde hinhören, wenn sie mich lassen. Und dann reden wir mal drüber.“

Vierzehn

Am Nachmittag kam Blüm mit den Ergebnissen zu ihr. Zum ersten Mal wurden die Kosten und die größten Risiken benannt. Und damit war eine entscheidende Forderung der Kanzlerin erfüllt.

Blüm konnte außerdem nach intensiven Gesprächen mit den Staaten, die er auf eine Liste von möglichen Gegnern eingruppiert hatte, feststellen, daß sie die Pläne der Ministerin unterstützten. Die Mehrheit der befragten Staaten war sogar der Meinung, daß es an der Zeit war, im Kongo für Ruhe zu sorgen und das Problem mit dem strategisch wichtigen Rohstoff Tantal endgültig zu lösen. Der entscheidende Schritt lag für Karin somit auf der Hand.

„Wenn Sie gestern gefordert haben, ich muß in die Offensive gehen, dann gibt es jetzt nur einen Weg. Wir laden uns den Redakteur der Tageszeitung ‚Die Neue Post‘ für morgen zu einem Interview und vertreten diese Positionen. Danach kann die Kabinettsklausur kommen. Alle sind informiert, unsere Karten liegen auf dem Tisch. Ich glaube nicht, daß die anderen bessere Karten haben.“

Der Staatssekretär runzelte kurz die Stirn. Er sah bereits die Folgen und stellte darum fest: „Ich stimme Ihnen zu, gebe aber zu bedenken, daß dieser Schritt die Kanzlerin entscheidend herausfordert. Sie würden die Kabinettsdisziplin das zweite Mal durchbrechen. Auch das kann für sie ein Grund sein, Sie zu entlassen.“

Karin lächelte cool zurück. „Nein, wenn es zur Abstimmung kommt, und darauf bestehe ich, wird sie sich nicht durchsetzen. Unseren Argumenten kann sie nichts entgegensetzen.“

Blüm zog daraus den Schluß: „Dann bleibt ihr wohl nur ein Weg … zurückzutreten?“

„Ja, das kann ich nicht ausschließen. Ich muß mir in diesem Fall auch nichts vorwerfen, denn nicht ich habe ihr den Fehdehandschuh hingeworfen, sondern sie mir. Dabei ging sie davon aus, daß unsere Position unhaltbar ist, daß ich einen groben Fehler gemacht hätte und daß sie mich entlassen kann. Diese Herausforderung habe ich angenommen und nun werden wir sehen, welche Folgen das hat.“

Sie überlegte kurz und fügte dann hinzu: „Sie verfügen ja über ein hervorragendes Netzwerk in der Partei. Erkunden Sie doch schon mal, wie die Parteigrößen darauf reagieren würden. Und werben Sie dabei für unsere Position.“

Der Staatssekretär kannte Karin nun schon seit vier Jahren. Aber dieser entschlossene Schritt zur Machtübernahme war ihm neu. Hinzu kam, daß sie ihre beste Freundin und Förderin eiskalt abservieren wollte. Für ihn war klar: Diese Frau ist gefährlich.

Fünfzehn

Hans parkte schräg gegenüber dem „Inferno“ ein. Er hatte eine gute Sicht auf das hell erleuchtete Restaurant und die einzelnen Tische. In wenigen Minuten würden sie hier eintreffen. Er sah Lisa eilig hin- und herlaufen. Sie bediente ein älteres Paar. Er überlegte, ob er in der Nähe des Eingangs warten sollte, um sie dann einfach ansprechen zu können? Hallo Karin, ich habe noch keine richtige Antwort auf meinen Brief. Vielleicht hast du fünf Minuten? Nein, Quatsch, unmöglich … aber warum war er dann hier? Zu spontan und nicht zu Ende gedacht. In diesem Moment kamen sie. Vier Bodyguards stiegen aus einem schwarzen Mercedes und kontrollierten die Straße. Dann ging alles blitzschnell. Ein weißer Porsche Cayenne hielt vor dem Restaurant. Karin stieg aus, dann ihr Partner. Beide gingen sofort – abgesichert durch zwei Bodyguards – ins Restaurant. Hans machte sich klar, das ging alles so blitzschnell über die Bühne und derart perfekt abgeschirmt, da hätte er wohl weder mit einer Bombe noch mit einem Gewehr eine Chance gehabt.

Sechszehn

Das Essen fand unter Hochspannung statt. Lisa bediente sie und hielt sich geschickt in der Nähe auf, so dass sie fast alles verstand. Und da beide durch ihre Gegensätze emotional berührt waren, achteten sie diesmal weniger auf ihr Umfeld. Michael Benn machte – wie beim Schach – einen harmlosen Zug, indem er fragte, ob das Verhältnis zur Kanzlerin wieder normal ist. Karin zögerte.

„Was kann ich dir sagen, ohne Rechtsbruch zu begehen?“

Dann entschloß sie sich, ihm reinen Wein einzuschenken.

„Die Kanzlerin hat mir den Fehdehandschuh hingeworfen, entweder ich oder sie. Wenn ich die Abstimmung im Kabinett verliere und auch die Partei nicht mehr hinter mir steht, setzt sie mich auf die Straße.“

Lisa schenkt Wein nach.

Benn fragte aufgebracht; „Dann willst du also die Kanzlerin stürzen?“

„Mir bleibt kein anderer Weg.“

Lisa wäre beinahe die Flasche Wein aus der Hand gerutscht.

Da klingelt das Handy der Ministerin.

„Hallo Herr Blüm“, … und zu Benn gewandt: „Entschuldige, es ist mein Staatssekretär.“

Er teilte ihr mit, daß die Kanzlerin in einem Kurzinterview in der „Tagesschau“ sich klar von Karin distanziert hatte und sicher war, daß übermorgen deutlich werde, wohin die Reise geht. Auf die Frage, ob sie zur Außenministerin stehe, sagte sie, die habe einen eigenen Weg eingeschlagen. Man werde sehen, ob dies am Donnerstag noch so sei. Der Staatssekretär riet ihr, sie sollten die Inhalte für das morgige Interview mit der „Neuen Post“ noch mal diskutieren. Karin sagte zu. Sie würde nach dem Essen, also in etwa anderthalb Stunden, im Büro sein.

Während des Essens kamen sie nicht mehr ins Gespräch. Benn war sichtlich sauer. Er schaute sich mehrfach leicht verunsichert im Restaurant um und schien sich zu fragen, ob die anderen Gäste die Mißstimmung bemerkt haben. Karin wiederum schien mit ihren Gedanken schon beim Interview zu sein. Dann war es so weit: Der Cayenne fuhr vor. Karin verabschiedete sich mit einem flüchtigen Kuß. „Ich rufe dich an.“ Und weg war sie. Benn blieb noch sitzen und bestellte einen Grappa und einen doppelten Espresso. Der Restaurantbesitzer näherte sich ihm: „Die Dame ist heute schwer beschäftigt?“

Benn schaute ihn wie durch einen Nebel an und nickte. „Die Rechnung, bitte.“

Бесплатный фрагмент закончился.

399
477,84 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
220 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783737531795
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают