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2. Bestehen eines Betriebsrats

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Ferner setzt die Anwendbarkeit der §§ 111ff. BetrVG das Bestehen eines Betriebsrats zum Zeitpunkt des Entschlusses des Unternehmers zu der Betriebsänderung voraus.12 Einem erst später gewählten Betriebsrat stehen die Beteiligungsrechte der §§ 111ff. BetrVG nach der ständigen Rechtsprechung nicht mehr zu.13 Dies gilt auch dann, wenn dem Unternehmer während der Planung der Umstrukturierung bereits bekannt sein sollte, dass ein Betriebsrat in naher Zukunft gewählt werden soll. Sollte die Planung der Umstrukturierung hingegen noch nicht abgeschlossen sein, können einem während der Planungsphase gewählten Betriebsrat Beteiligungsrechte zustehen. Einem Unternehmen, in dessen Betrieb bisher kein Betriebsrat besteht, ist unter anderem aus diesem Grunde anzuraten, eine geplante Betriebsänderung vertraulich zu behandeln, bis das vollständige Konzept der Umstrukturierungsmaßnahme erarbeitet und die Umstrukturierung beschlossen wurde.

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In Bezug auf betriebsratslose Betriebe ist zu beachten, dass die Beteiligungsrechte der §§ 111ff. BetrVG einem existierenden Gesamtbetriebsrat zustehen können. Dieser ist gemäß § 50 Abs. Satz 1 BetrVG auch für betriebsratslose Betriebe zuständig, sollte die Betriebsänderung in die originäre Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats fallen. Davon ist auszugehen, wenn die Betriebsänderung mehrere Betriebe des Unternehmens betrifft und nicht durch die einzelnen Betriebsräte geregelt werden kann.

III. Die Mitbestimmungstatbestände des § 111 Satz 3 BetrVG

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Gemäß § 111 Satz 1 BetrVG hat der Unternehmer den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend zu unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit diesem zu beraten Ein Betrieb ist eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den von ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt.14 Abzugrenzen ist der Begriff des Betriebs von dem des Unternehmens. Ein Unternehmen kann aus mehreren Betrieben bestehen und damit auch mehrere Betriebsräte haben.

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Zur Qualifizierung der Umstrukturierungsmaßnahme als mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung muss diese die gesamte Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft betreffen. Für die Mitbestimmungstatbestände der Einschränkung, Stilllegung und Verlegung (§ 111 Satz 3 Nr. 1 und 2 BetrVG) genügt, dass ein wesentlicher Betriebsteil von der Maßnahme betroffen ist. Ob der betroffene Betriebsteil als wesentlich anzusehen ist, bestimmt sich danach, ob dieser einen erheblichen Teil der Gesamtbelegschaft umfasst.

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Zur Ermittlung der Erheblichkeitsgrenze im vorstehenden Sinne sind nach der ständigen Rechtsprechung des BAG die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG anzusetzen.15 Entscheidend für die Berechnung der Schwellenwerte ist dabei nicht die Zahl der Beschäftigten des Unternehmens, sondern die Beschäftigtenzahl des betroffenen Betriebs.16 Ist nur ein wesentlicher Betriebsteil von der Umstrukturierungsmaßnahme betroffen, ist bei der Bestimmung des Schwellenwerts auf die Anzahl der Beschäftigten des gesamten Betriebs und nicht lediglich die des betroffenen Teils abzustellen.17

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Zusätzlich verlangt das BAG, dass mindestens 5 % der Gesamtbelegschaft von der Maßnahme betroffen sind.18 Diese zusätzliche Voraussetzung wird jedoch erste bei einer Belegschaftsstärke von mehr als 600 Beschäftigten relevant. Bis zu dieser Beschäftigtenanzahl können durch die uneingeschränkte Anwendung der Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG interessengerechte Ergebnisse erzielt werden. Sollte jedoch etwa bezüglich einer Betriebsänderung, die einen Großbetrieb mit 3.000 Beschäftigten betrifft, der entsprechende Wert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KSchG ohne Einschränkung angewendet werden, würde schon die Betroffenheit von nur 30 Beschäftigten und damit lediglich von 1 % der Gesamtbelegschaft ausreichen, um eine Beteiligungspflicht des Betriebsrats auszulösen. Um nicht jede betriebliche Änderung, die nur einen sehr geringen Anteil der Beschäftigten betrifft, die Qualität einer mitbestimmungspflichtigen Betriebsänderung beizumessen, ist die Rechtsprechung des BAG zur zusätzlichen Anwendung einer 5 %-Hürde interessengerecht. Zudem müssen nach der Rechtsprechung des BAG bei Betrieben mit 20 oder weniger Beschäftigten von der Maßnahme mindestens 6 Beschäftigte betroffen sein.19

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Der Zahl der Beschäftigten, die von der Umstrukturierungsmaßnahme betroffen sind, kam nach der Rechtsprechung des BAG zunächst nur eine indizielle Bedeutung zu.20 Nunmehr setzt das Vorliegen einer Betriebsänderung nach der Rechtsprechung des BAG wohl voraus, dass die Anzahl der betroffenen Beschäftigten die Schwellenwerte erreicht und insgesamt 5 % der Belegschaft ausmacht. Die Werte des § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG dienen nach der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung der Konkretisierung des Tatbestandsmerkmals „erhebliche Teile der Belegschaft“ aus § 111 Satz 1 BetrVG.21

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Bei der Durchführung mehrerer unterschiedlicher Umstrukturierungsmaßnahmen, die der gleichen Zielsetzung wie etwa einer umfassenden Unternehmenssanierung dienen und auf einem einheitlichen unternehmerischen Beschluss beruhen, ist eine Betrachtung aller von den verschiedenen Maßnahmen betroffenen Arbeitnehmer geboten. Hat der Arbeitgeber jedoch zum Zeitpunkt der Planung einer weiteren beteiligungsbedürftigen Betriebsänderung eine vorherige, unabhängig geplante Maßnahme bereits durchgeführt, sind diese und die nunmehr geplante Maßnahme mitbestimmungsrechtlich nicht zur Ermittlung der betroffenen Arbeitnehmer zusammenzurechnen.22 Die Beweislast für das Vorliegen eines einheitlichen, auf mehrere Betriebsänderungen bezogenen Entschlusses des Unternehmers liegt beim Betriebsrat.

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Ob die wirtschaftliche und sonstige Bedeutung eines Betriebsteils, der den personellen Schwellenwert des § 17 Abs. 1 KSchG nicht erreicht, dazu führen kann, dass dieser dennoch als „wesentlich“ anzusehen ist, wurde höchstrichterlich noch nicht entschieden.23 Aus Gründen der Praktikabilität und Rechtssicherheit wäre eine Klarstellung des BAG dahingehend wünschenswert, dass Betriebsteile, welche die Schwellenwerte nicht erreichen, nicht als wesentlich anzusehen sind, selbst wenn diese eine wichtige Aufgabe innerhalb der Betriebsorganisation wahrnehmen.

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Das Vorliegen von wesentlichen Nachteilen für die betroffene Belegschaft durch die Betriebsänderung, welches gemäß § 111 Satz 1 BetrVG Voraussetzung für die Entstehung der Beteiligungsrechte des Betriebsrats ist, wird für die in § 111 Satz 3 BetrVG aufgezählten Tatbestände bereits fingiert und muss dementsprechend nicht mehr gesondert festgestellt werden.24 Somit unterliegt eine unternehmerische Maßnahme, die einen Fall des § 111 Satz 3 BetrVG darstellt, immer den Beteiligungsrechten des Betriebsrats. Dies gilt auch dann, wenn im Einzelfall gar keine wesentlichen Nachteile für die Belegschaft entstehen.25

1. Einschränkung und Stilllegung

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Nach § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG zählt die Einschränkung oder Stilllegung eines Betriebs oder eines wesentlichen Betriebsteils als beteiligungspflichtige Betriebsänderung.

a) Stilllegung
aa) Begriffsbestimmung

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Unter einer Betriebsstilllegung i.S.d. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG ist die Aufgabe des Betriebszwecks in Verbindung mit der Auflösung der vorhandenen Organisation durch einen endgültigen Willensentschluss des Unternehmers für eine nicht nur vorübergehende Zeit zu verstehen.26 Hierunter fällt der in der Praxis relevante Fall einer vollständigen Standortschließung aus wirtschaftlichen oder sonstigen unternehmerischen Gründen. Bei einer Betriebsstilllegung entfallen dauerhaft alle bisher bestehenden Beschäftigungsmöglichkeiten.27 Dabei ändert die in der Praxis häufig notwendige Weiterbeschäftigung von einzelnen Beschäftigten für eine gewisse Dauer zu Abwicklungszwecken nichts an der Qualifizierung der Maßnahme als Betriebsstilllegung und damit als mitbestimmungspflichtige Betriebsänderung.28

bb) Beteiligung des Betriebsrats vor der Durchführung der Stilllegung

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Für den Unternehmer ist insbesondere der Zeitpunkt ausschlaggebend, in dem der Betriebsrat nach § 111 Satz 1 BetrVG bei einer geplanten Betriebsstilllegung unterrichtet werden muss, um etwaigen Ansprüchen der betroffenen Beschäftigten aus § 113 BetrVG auf Ausgleich der durch eine fehlende Betriebsratsbeteiligung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile vorzubeugen. Die Beteiligungsrechte entstehen, sobald der Unternehmer den Entschluss zur Betriebsstilllegung gefasst hat. Der Betriebsrat sollte dementsprechend zur Vermeidung von Ansprüchen aus einem Nachteilsausgleich vor dem Beginn der tatsächlichen Durchführung der Maßnahmen zur Umsetzung der Betriebsstilllegung beteiligt werden.

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In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, welche Maßnahmen bereits als Durchführung der Betriebsstilllegung gelten, sodass diese erst nach der Beteiligung des Betriebsrats zu empfehlen sind. Die Einstellung der Produktion stellt noch keine Betriebsstilllegung dar, da diese jederzeit einseitig vom Unternehmer rückgängig gemacht werden kann, sollte die Betriebsorganisation als solche noch bestehen.29 Ebenso verhält es sich mit etwaigen Freistellungen der betroffenen Beschäftigten, da eine Freistellung den Bestand des Arbeitsverhältnisses nicht tangiert.30 Ob der Ausspruch von Kündigungen bereits die Durchführung der Betriebsstillegung darstellt, hängt davon ab, ob der Arbeitgeber bereits den Entschluss gefasst hat, den Betrieb zu schließen.31

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Maßgeblich für den Zeitpunkt des Beginns einer Betriebsstilllegung ist dementsprechend, ob die betriebliche Organisation durch die Maßnahme des Unternehmers aufgelöst wird und ob die Maßnahme unumkehrbar ist oder von dem Unternehmer einseitig wieder aufgehoben werden kann.32 Dies ist beispielweise bei der Veräußerung von Betriebsmitteln nicht der Fall,33 diese Maßnahme kann nicht ohne die Mitwirkung des Käufers der Betriebsmittel rückgängig gemacht werden.

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Die vollständige Stilllegung eines Betriebs ist in der Regel mit erheblichen Nachteilen für die Beschäftigten verbunden, da sie zu einem Verlust der Arbeitsplätze führt. Arbeitgeber sollten bezüglich des Zeitpunkts der Beteiligung des Betriebsrats bedenken, dass eine möglichst frühe Einbindung der Arbeitnehmervertretung in die Planung der Stilllegung zu einer höheren Akzeptanz seitens der Beschäftigten und mithin in der Regel auch Arbeitsbereitschaft bis zur tatsächlichen Betriebsstilllegung führen kann. Ebenso können aus Arbeitgebersicht frühzeitig (kollektiv) geregelte Incentivierungen sinnvoll sein. Dies insbesondere im Hinblick darauf, dass Beschäftigte nach der Bekanntgabe der Betriebsstilllegung gegebenenfalls eine Eigenkündigung mit einer relativ kurzen Frist aussprechen, obwohl sie zur Weiterführung des Betriebs bis zur tatsächlichen Stilllegung oder darüber hinaus für Abwicklungsarbeiten dringend benötigt werden.

cc) Abgrenzung zu anderen Maßnahmen

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Teilweise kann die Abgrenzung einer Betriebsstilllegung zu den weiteren in § 111 Satz 3 BetrVG geregelten Fällen von Betriebsänderungen schwierig sein So kommt etwa bei der Verlegung eines Betriebs an einen neuen Standort, die grundsätzlich unter § 111 Satz 3 Nr. 2 BetrVG fällt, auch eine Betriebsstilllegung in Betracht, wenn die ursprüngliche Betriebsorganisation aufgelöst und am neuen Standort eine im Wesentlichen neue Betriebsorganisation aufgebaut wird. Ausschlaggebend für die Abgrenzung zwischen einer Stilllegung und einer Verlegung ist, ob die Belegschaft ausgetauscht oder ob diese aus dem vorherigen Standort übernommen wird.34 Die Abgrenzung ist in der Praxis jedoch nicht von Bedeutung, da beide Maßnahmen eine beteiligungspflichtige Betriebsänderung darstellen. Bedeutung hat diese Frage hingegen im Hinblick auf das Schicksal des Betriebsrats. Im Falle einer Verlegung bleibt dieser im Amt, während bei einer Stilllegung gemäß § 21b BetrVG lediglich ein Restmandat besteht.

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Des Weiteren stellt sich bei einem Inhaberwechsel (Betriebsübergang i.S.d. § 613a BGB) die Frage, ob gleichzeitig eine Betriebsstilllegung vorliegt. Stilllegung und Betriebsübergang schließen sich jedoch gegenseitig aus.35 Während der Betrieb bei dem Übergang auf einen neuen Inhaber in seiner Organisation bestehen bleibt, stellt die Auflösung der betrieblichen Organisation eine Stilllegung dar. Ein bereits stillgelegter Betrieb kann nicht mehr veräußert werden. Dementsprechend fehlt es an einem endgültigen Entschluss des Unternehmers zur Schließung des Betriebs und damit an einer beteiligungspflichtigen Betriebsstilllegung i.S.d. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG, sollte dieser noch Verhandlungen über eine Veräußerung des Betriebs führen.36

b) Einschränkung
aa) Begriffsbestimmung

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Eine Einschränkung des Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen i.S.v. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG liegt vor, sollte die Leistungsfähigkeit des Betriebs durch eine unternehmerische Maßnahme auf Dauer herabgesetzt werden, wobei die betriebliche Organisation als solche bestehen bleibt. Dies kann sowohl durch die Verringerung oder den Entzug von Betriebsmitteln als auch durch eine Einschränkung der personellen Leistungsfähigkeit mittels einer Reduktion der Zahl der Beschäftigten durch den Ausspruch von Kündigungen erfolgen.37 Als Betriebsmittel sind alle sachlichen Mittel wie beispielsweise Maschinen zu qualifizieren, die von den Arbeitnehmern zur Erreichung des arbeitstechnischen Zwecks des Betriebs genutzt werden.

bb) Personalabbau als Einschränkung i.S.d. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG

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Von hoher praktischer Relevanz sind insoweit Maßnahmen des Personalabbaus Auch ein reiner Personalabbau kann eine Einschränkung i.S.d. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG darstellen und damit beteiligungspflichtig sein.38 Dies ist der Fall, sollte die Anzahl der vom Personalabbau betroffenen Beschäftigten die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG erreichen. Unter die betroffenen Beschäftigten fallen nicht nur solche, deren Arbeitsverhältnis durch eine arbeitgeberseitige Kündigung endet, sondern auch Beschäftigte, die vom Arbeitgeber zu einer Eigenkündigung oder dem Abschluss eines Aufhebungsvertrags aufgrund der Betriebsänderung veranlasst werden,39 etwa im Rahmen eines Freiwilligenprogramms.

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Sollte die Betriebsänderung ausschließlich in einem Personalabbau bestehen und keine weiteren Maßnahmen beinhalten, ist zudem § 112a BetrVG zu beachten, der für die Erzwingbarkeit eines Sozialplans erhöhte Schwellenwerte vorschreibt.

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Bei einem über mehrere „Wellen“ verteilten Personalabbau, der auf einem einheitlichen Entschluss des Unternehmers beruht und insgesamt die Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 KSchG übersteigt, ist für die Frage des Bestehens eines Beteiligungsrechts des Betriebsrats die ursprünglich vom Entschluss des Unternehmers umfasste Zahl der Beschäftigten maßgeblich. Hierdurch soll eine Umgehung des Beteiligungsrechts der Arbeitnehmervertretung durch eine schrittweise durchgeführte Reduzierung der Beschäftigtenanzahl verhindert werden Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den „Entlassungswellen“ spricht zwar für einen einheitlichen Entschluss des Unternehmers,40 dieser muss aber keinesfalls vorliegen.

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Ergibt sich nach einem Personalabbau, der aufgrund der Unterschreitung der Schwellenwerte des § 17 Abs. 1 BetrVG nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG unterlag, eine neue, verminderte Beschäftigtenanzahl, die das Unternehmen nunmehr kennzeichnet, und entscheidet sich der Unternehmer sodann für einen weiteren Stellenabbau, so ist die bereits verminderte Beschäftigtenanzahl für ein etwaiges Beteiligungsrecht des Betriebsrats maßgeblich.41

2. Verlegung

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Die Verlegung eines Betriebs i.S.d. § 111 Satz 3 Nr. 2 BetrVG stellt eine Veränderung der örtlichen Lage des ganzen Betriebs oder eines wesentlichen Betriebsteils dar. Die betriebliche Organisation bleibt dabei unberührt, sodass der Betrieb oder der Betriebsteil in seiner Identität unverändert an einem neuen Standort fortbesteht.42 Voraussetzung für eine beteiligungspflichtige Betriebsänderung aufgrund der Veränderung der örtlichen Lage ist jedoch, dass der neue Standort einen gewissen Abstand zu dem ursprünglichen Standort aufweisen muss. Eine Verlegung im selben Haus oder lediglich ein Wechsel der Straßenseite stellt noch keine Verlegung eines Betriebs i.S.d. § 111 Satz 3 Nr. 2 BetrVG dar.43 In der Praxis versucht die Arbeitnehmervertretung in diesen Fällen allerdings regelmäßig, eine beteiligungspflichtige Betriebsänderung durch weitere, im Zusammenhang mit der Standortverlegung stehende Maßnahmen zu begründen, etwa durch eine angebliche Änderung der Betriebsorganisation. Ob eine solche tatsächlich vorliegt oder es sich – wie häufig – lediglich um Maßnahmen im Zusammenhang mit der Standortverlegung handelt, die die Schwelle zu einer Betriebsänderung noch nicht erreichen, sollte im Einzelfall vor der Standortverlegung genau geprüft werden, um insbesondere Verzögerungen bei der späteren Verlegung des Standorts zu vermeiden.

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Bei Betrieben, die regelmäßig ihren Standort wechseln, wie etwa einem Wandertheater oder einem nicht ortsfesten Jahrmarkt, ist eine Veränderung des Standorts nicht als Betriebsänderung anzusehen, sondern gehört zum regelmäßigen Betriebsablauf. Eine Betriebsratsbeteiligung ist in diesen Fällen nicht erforderlich.44

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Im Falle der Verlegung eines wesentlichen Betriebsteils i.S.d. § 111 Satz 3 Nr. 2 BetrVG kommt häufig auch eine Betriebsänderung in der Form einer Betriebsspaltung i.S.d. § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG in Betracht.

3. Zusammenschluss

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Gemäß § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG stellt zudem der Zusammenschluss mit anderen Betrieben eine beteiligungspflichtige Betriebsänderung dar. Ausschlaggebend ist die betriebliche Organisation vor und nach der Umstrukturierungsmaßnahme. Gesellschaftsrechtliche Umstrukturierungen, wie etwa die Fusion mehrerer Unternehmen, stellen keine Betriebsänderungen i.S.d. § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG dar.

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Eine Betriebsänderung in Form eines Zusammenschlusses liegt vor, wenn zwei organisatorisch unabhängige Betriebe durch die Umstrukturierungsmaßnahme unter eine einheitliche Leitung zusammengefasst werden, sodass diese anschließend eine betriebliche Einheit bilden.45 Der hierdurch entstehende einheitliche Betrieb kann sowohl einem als auch mehreren Unternehmen angehören, wobei im letzteren Falle ein Gemeinschaftsbetrieb entsteht. Sollte einer der betroffenen Betriebe bestehen bleiben und den anderen Betrieb „aufnehmen“, was in der Praxis der Regelfall sein dürfte, liegt hierin ebenfalls ein mitbestimmungspflichtiger Zusammenschluss i.S.d. § 111 Satz 3 Nr. 3 BetrVG.46

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Bei einem Zusammenschluss ist zu beachten, dass die Betriebsräte beider Betriebe zu beteiligen sind. Sollten die von der Umstrukturierungsmaßnahme betroffenen Betriebe demselben Unternehmen angehören, ist dem Arbeitgeber zu raten, die Verhandlungen soweit als möglich mit dem Gesamtbetriebsrat zu führen. Hierdurch werden Widersprüche in den Verhandlungen und Regelungen vermieden, es können unternehmenseinheitliche Regelungen getroffen werden und Verhandlungen sind nur mit einem Gremium erforderlich. Es ist insoweit jedoch zu beachten, dass der Gesamtbetriebsrat gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG nur zuständig ist, sollte eine betriebsübergreifende Regelung zwingend erforderlich sein, die reine Zweckmäßigkeit einer solchen Regelung aus Sicht des Unternehmers reicht nicht aus.47 In Bezug auf einen abzuschließenden Interessenausgleich ist der Gesamtbetriebsrat nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zuständig, sollte der geplanten Umstrukturierungsmaßnahme ein unternehmenseinheitliches Konzept zugrunde liegen.48 Aus der Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für die Vereinbarung eines Interessenausgleichs folgt nicht automatisch auch seine originäre Zuständigkeit für den Abschluss eines Sozialplans.49 Das BAG legt bei der Prüfung der Zuständigkeit für einen Sozialplan im Gegenteil einen etwas strengeren Maßstab zugrunde als bei der Prüfung der Zuständigkeit für einen Interessenausgleich. So wird die Notwendigkeit eines einheitlichen, also betriebsübergreifenden Interessenausgleichs von der Rechtsprechung häufiger bejaht als die Notwendigkeit eines einheitlichen, betriebsübergreifenden Sozialplans. Insbesondere ergibt sich die Notwendigkeit eines einheitlichen, betriebsübergreifenden Sozialplans weder allein aus dem Umstand, dass die finanziellen Mittel zum Ausgleich oder zur Abmilderung wirtschaftlicher Nachteile – also das Sozialplanvolumen – von ein und demselben Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden, noch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.50 Es kommt für die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats für einen Sozialplan vielmehr darauf an, ob die durch die Betriebsänderung entstehenden Nachteile unternehmenseinheitlich oder betriebsbezogen ausgleichbar sind.51 Die Kompensationsregelungen zugunsten der betroffenen Beschäftigten können nur unternehmenseinheitlich getroffen werden, wenn ein genau definiertes Sozialplanvolumen verfügbar ist, über das nicht hinausgegangen werden kann bzw. darf, etwa, um den Erfolg einer Sanierung insgesamt nicht zu gefährden. Insoweit hat der Arbeitgeber also einen gewissen Gestaltungsspielraum. Sollte der Gesamtbetriebsrats für die Vereinbarung eines Interessenausgleichs und/oder eines Sozialplans nicht originär zuständig sein, bliebe dem Arbeitgeber noch die Möglichkeit, darauf hinzuwirken, dass der Gesamtbetriebsrat durch eine Delegation der Betriebsräte nach § 50 Abs. 2 Satz 1 BetrVG für zuständig erklärt wird.

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