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aa) Konsultationspflichten

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Gemäß Art. 2 Abs. 1 MERL hat ein Arbeitgeber, der beabsichtigt, Massenentlassungen vorzunehmen, die Arbeitnehmervertreter rechtzeitig zu konsultieren Welche Arbeitnehmervertreter hiermit gemeint sind, ist in den Mitgliedstaaten unterschiedlich geregelt. In Deutschland ist der Betriebsrat zu konsultieren,68 in Großbritannien die Gewerkschaftsvertreter oder gewählten Arbeitnehmervertreter,69 in Österreich der Betriebsrat bzw., falls ein solcher nicht besteht, die betroffenen Arbeitnehmer selbst.70

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In welchem Umfang die Arbeitnehmervertreter zu unterrichten sind, ist in den nationalen Umsetzungsgesetzen in der Regel konkretisiert. Der Konsultationsprozess ist in den Mitgliedstaaten unterschiedlich ausgestaltet. In Deutschland ist der Arbeitgeber verpflichtet, dem Betriebsrat Auskunft erteilen, ihn schriftlich zu unterrichten und sich mit dem Betriebsrat über die Möglichkeiten zu beraten, Entlassungen zu vermeiden oder einzuschränken und ihre Folgen zu mildern (§ 17 Abs. 2 KSchG). Der Versuch der Einigung reicht aus.71 Anders ist dies beispielsweise in Griechenland. Gibt es keine Einigung der Beteiligten, entscheiden die griechischen Behörden. Diese können die geplanten Entlassungen ganz oder teilweise ablehnen; der Arbeitgeber darf dann die Massenentlassungen ggf. nur in dem durch die Entscheidung der Behörde festgelegten Umfang durchführen.72

bb) Anzeigeverfahren

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Gemäß Art. 3 Abs. 1 MERL hat der Arbeitgeber der zuständigen Behörde alle beabsichtigten Massenentlassungen schriftlich anzuzeigen. Die Anzeige muss alle zweckdienlichen Angaben über die beabsichtigte Massenentlassung und die Konsultation der Arbeitnehmervertreter enthalten. Nach der Rechtsprechung des EuGH knüpft die Massenentlassung an den Kündigungszeitpunkt an,73 weshalb nunmehr die Anzeige dem Zugang der Kündigungserklärung bzw. der zum Aufhebungsvertragsschluss führenden Willenserklärung74 zeitlich vorgeschaltet sein muss.

c) Rechtsfolgen bei Verstößen

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Gemäß Art. 6 MERL haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass den Arbeitnehmervertretern und/oder den Arbeitnehmern administrative und/oder gerichtliche Verfahren zur Durchsetzung der Verpflichtungen gemäß dieser Richtlinie zur Verfügung stehen. Die MERL überlässt damit weitgehend den Mitgliedstaaten die Gestaltung des Verfahrens, mit dem diese sicherstellen, dass die Verpflichtungen der Richtlinie erfüllt werden. Von diesem Umsetzungsspielraum haben die Mitgliedstaaten in unterschiedlicher Weise Gebrauch gemacht.

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Typischerweise, so etwa in Deutschland75 und Spanien,76 sind die Kündigungen unwirksam, falls der Arbeitgeber gegen Vorschriften des Massenentlassungsverfahrens verstoßen hat. Großbritannien77 und Irland78 gewähren den betroffenen Arbeitnehmern hingegen Abfindungsschutz. In Luxemburg haben die Arbeitnehmer ein Wahlrecht zwischen Bestands- und Abfindungsschutz.79 In manchen Ländern, so z.B. in Italien,80 ist die Heilung bestimmter Mängel möglich. Oftmals stellt der Verstoß gegen die Anzeigepflicht bei der Behörde eine Ordnungswidrigkeit dar. In Großbritannien kann ein solcher Verstoß sogar eine Straftat darstellen.81

5. Implementierung der Restrukturierungsmaßnahme

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Nach ordnungsgemäßer Wahrung sämtlicher Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertretungen kann das Unternehmen die Restrukturierungsmaßnahme umsetzen. Liegt beispielsweise ein Betriebsübergang vor, müssen die Arbeitnehmer schriftlich (in der jeweils von der einschlägigen Rechtsordnung vorgesehenen Form) über die Einzelheiten unterrichtet werden. Im Personalabbauszenario muss der Arbeitgeber die beabsichtigten Kündigungen aussprechen. Dabei sind unbedingt die jeweils einschlägigen nationalen Formvorschriften zu beachten. Beispielsweise in Deutschland82 oder Italien83 bedürfen Kündigungen der Schriftform. Diese setzt in der Regel eine eigenhändig unterschriebene Erklärung des Arbeitgebers voraus, eine E-Mail reicht dagegen nicht aus.84 In Luxemburg muss der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer seine Kündigung sogar per Einschreibebrief mitteilen.85 Ein Verstoß gegen Formvorschriften hat in der Regel die Unwirksamkeit der Kündigung zur Folge.

6. Anschließende Rechtsstreitigkeiten

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Jede Restrukturierungsmaßnahme birgt das Risiko anschließender Rechtsstreitigkeiten in sich. Dies gilt in besonderem Maße für Entlassungen.

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In Deutschland können Kündigungsschutzklagen für den Arbeitgeber mit erheblichen Kosten verbunden sein. Dies gilt selbst dann, wenn das Arbeitsgericht die Klage des Arbeitnehmers abweist, da in der ersten Instanz der Arbeitsgerichtsbarkeit im Urteilsverfahren kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes besteht.86 Der Arbeitgeber hat seine Rechtsberatungskosten somit in erster Instanz selbst zu tragen, auch wenn er obsiegt. Umso mehr gilt es, Rechtsstreitigkeiten durch geeignete Maßnahmen vorzubeugen. Insbesondere ein Sozialplan, der arbeitnehmer- und arbeitgeberseitige Interessen möglichst ausgewogen berücksichtigt, kann das Risiko anschließender Rechtsstreitigkeiten reduzieren. In Ländern, die keine dem Sozialplan vergleichbare Vereinbarung kennen, kann der Ausgang eines Rechtsstreits u.a. stark davon abhängen, ob das Gesetz Abfindungsregelungen und ggf. Maximalhöhen vorsieht. Fehlt es an einer gesetzlichen Regelung, steigt der Verhandlungsspielraum zwischen den Parteien und damit einhergehend auch das Klagerisiko des Arbeitnehmers.

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In solchen Ländern, die Arbeitnehmern kaum Schutzrechte einräumen, wie z.B in den USA, ist das Risiko anschließender Rechtsstreitigkeiten weitaus geringer Klagen auf Abfindungszahlungen sind in der Regel aussichtslos.

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Ausschließen lässt sich das Risiko der Klageerhebung gleichwohl nicht. Unternehmen sollten daher bei Restrukturierungsmaßnahmen stets ein gewisses Budget für Rechtsstreitigkeiten in ihre Kalkulation aufnehmen.

7. Schlusswort

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Wenn dieser Beitrag erscheint, wird die Welt vor ihrer größten wirtschaftlichen Herausforderung seit Generationen stehen. In den USA und in Großbritannien haben Unternehmen tausende von Arbeitnehmern „beurlaubt“, in Asien hat eine große Anzahl von Arbeitnehmern ihren Arbeitsplatz verloren. In einer Vielzahl europäischer Länder haben Regierungen lokale Äquivalente zur international bewunderten deutschen Kurzarbeit geschaffen und es so ermöglicht, dass Millionen von Arbeitnehmern bei Verringerung ihrer Arbeitszeit weiterhin ein zwar gekürztes, aber zum Teil staatlich subventioniertes Einkommen erhalten. Sehr viele Unternehmen werden in der zweiten Hälfte des Jahres 2020, spätestens 2021, insbesondere nach Ablauf der kurzfristigen Maßnahmen, darüber nachdenken müssen, welche Arbeitskräfte sie in einer veränderten Welt benötigen Umstrukturierungen werden, egal in welcher Form, unvermeidlich sein. So werden einige global tätige Unternehmen Vermögenswerte oder Geschäftsanteile verkaufen oder auf die Unterstützung von Finanzinvestoren angewiesen sein. Andere Unternehmen werden die Beschäftigungsbedingungen ändern oder sogar Mitarbeiter entlassen. Einige Unternehmen werden auch von der Insolvenz bedroht sein. Hochkarätige juristische Beratung wird weiterhin gefragt sein.

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Ein globales oder europaweites, gerichtsbarkeitsübergreifendes Umstrukturierungsprojekt wirft unweigerlich eine Vielzahl arbeitsrechtlicher Fragen auf. Viele dieser Themen werden, zumindest bei innereuropäischen Projekten, einem deutschen HR- oder Arbeitsrechtsspezialisten vertraut sein. Zwischen einzelnen Jurisdiktionen bestehen allerdings zum Teil erhebliche Unterschiede in rechtlichen Aspekten, die für die beiden wichtigsten Grundlagen eines Projekts – Timing und Kosten – entscheidend sind. In vielen Ländern, vor allem in Europa, haben die Informations- und Konsultationsprozesse mit den Sozialpartnern, wie Gewerkschaften und Betriebsräten, wesentliche Auswirkungen auf das gesamte Projekt, von der Kommunikations- und Öffentlichkeitsstrategie über die Umsetzung der Maßnahmen bis hin zur Budgetierung der Kostenkalkulation. Um unerwünschte Überraschungen und Hürden zu vermeiden, die schnell unüberwindbar erscheinen und das gesamte Projekt zum Entgleisen bringen können, ist eine strukturierte rechtliche Planung daher unverzichtbar. Auch wenn internationale Umstrukturierungsprojekte zu Beginn abschreckend wirken, können sie sehr wohl – eine gute Umsetzung und Kommunikation vorausgesetzt – zum Erfolg führen und das Unternehmen sowie vertrauensvolle Beziehungen zu den Stakeholdern für die Zukunft stärken.

1 Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, Rn. B 2. 2 Vgl. Deinert, RdA 2001, 368, 369; Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, Rn. B 39. 3 Willemsen/Hohenstatt/Schweibert/Seibt, Umstrukturierung und Übertragung von Unternehmen, Rn. B 2, B 55. 4 Becker, in: Handbuch internationales Arbeitsrecht, Stichwort: China. 5 Frik, NZA 2008, 86, 90. 6 Becker, in: Handbuch internationales Arbeitsrecht, Stichwort: Vereinigte Staaten von Amerika. 7 Becker, in: Handbuch internationales Arbeitsrecht, Stichwort: Kanada. 8 Becker, in: Handbuch internationales Arbeitsrecht, Stichwort: Brasilien. 9 Powietzka, in: Grobys/Panzer-Heemeier, Stichwort: Wirtschaftsausschuss, Rn. 1. 10 Wie vor. 11 Vgl. Art. 2 Abs. 1 lit. a RL 2009/38/EG. 12 Vgl. Art. 6 RL 2009/38/EG. 13 Vgl. Art. 6 RL 2009/38/EG. 14 Müller-Bonanni/Witschen, in: Preis/Sagan, Europäisches Arbeitsrecht, Rn. 17.55. 15 Müller-Bonanni/Witschen, in: Preis/Sagan, Europäisches Arbeitsrecht, Rn. 17.58. 16 Müller-Bonanni/Witschen, in: Preis/Sagan, Europäisches Arbeitsrecht, Rn. 17.124. 17 Kühn, in: Annuß/Kühn/Rudolph/Rupp, EBRG, § 30 Rn. 14. 18 Kühn, in: Annuß/Kühn/Rudolph/Rupp, EBRG, § 30 Rn. 12. 19 Breitfeld, in: Boecken/Düwell/Diller/Hanau, § 1 EBRG Rn. 2. 20 Siehe Art. 11 Abs. 2 RL 2009/38/EG. 21 § 45 Abs. 1 EBRG. 22 § 45 Abs. 2 EBRG. 23 LAG Köln, 8.9.2011 – 13 Ta 267/11 – BB 2012, 197 (199); ArbG Köln, 22.5.2012 – 5 BV 208/11 – BeckRS 2012, 71403. 24 Siehe hierzu Middendorf, in: Grobys/Panzer-Heemeier, Stichwort: Europäischer Betriebsrat, Rn. 4. 25 Siehe Blanke/Rose, RDA 2008, 65, 72f. 26 Grobys, NZA 2005, 84, 89. 27 Vgl. § 27 SEBG. 28 Kleinebrink, in: Minn/Stück/Laber, Stichwort: Formen der Mitbestimmung, I. 29 Koch, in: Schaub/Koch, Arbeitsrecht, Stichwort: Betriebsrat (Beteiligungsrechte), I. 1. (a). 30 Vgl. § 106 Abs. 2 Nr. 9a BetrVG. 31 ErfK/Kania, § 106 BetrVG Rn. 4. 32 ErfK/Kania, § 106 BetrVG Rn. 4. 33 Annuß, in: Richardi, BetrVG, § 106 Rn. 23. 34 § 102 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. 35 Becker, in: Handbuch internationales Arbeitsrecht, Stichwort: Frankreich. 36 Becker, in: Handbuch internationales Arbeitsrecht, Stichwort: Belgien. 37 Becker, in: Handbuch internationales Arbeitsrecht, Stichwort: Spanien. 38 Kleinebrink, in: Minn/Stück/Laber, Stichwort: Formen der Mitbestimmung, I., II. 39 § 111 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. 40 Fitting, BetrVG, § 111 Rn. 5. 41 § 113 BetrVG. 42 Becker, in: Handbuch internationales Arbeitsrecht, Stichwort: Niederlande. 43 § 102 Abs. 3 Nr. 1 BetrVG. 44 § 102 Abs. 5 BetrVG. 45 Kleinebrink, in: Minn/Stück/Laber, Stichwort: Formen der Mitbestimmung, V. 46 Becker, in: Handbuch internationales Arbeitsrecht, Stichwort: Niederlande. 47 Kleinebrink, in: Minn/Stück/Laber, Stichwort: Formen der Mitbestimmung, VI. 48 § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG. 49 Becker, in: Handbuch internationales Arbeitsrecht, Stichwort: Polen. 50 EuGH, Urt. v. 10.9.2009 – C 44/08. 51 EuGH, Urt. v. 10.9.2009 – C 44/08. 52 Becker, in: Handbuch internationales Arbeitsrecht, Stichwort: Niederlande. 53 Vgl. § 17 KSchG. 54 Siehe hierzu Frik, NZA 2008, 86 89. 55 Becker, in: Handbuch internationales Arbeitsrecht, Stichwort: Argentinien. 56 Becker, in: Handbuch internationales Arbeitsrecht, Stichwort: Südafrika. 57 Spelge, in: Franzen/Gallner/Oetker, RL 98/59/EG Art. 1 Rn. 20. 58 EuGH, 11.11.2015 – C-422/14 Rn. 47f. – Pujante Rivera, NZA 2015, 1441. 59 Spelge, in: Franzen/Gallner/Oetker, RL 98/59/EG Art. 1 Rn. 21a. 60 Siehe Art. 1 Abs. 1 lit. a EMRL. 61 § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG. 62 Art. 51 Nr. 1 lit. a–c ET. 63 Section 6 Abs. 1 Protection of Employment Act 1977. 64 § 45a Abs. 1 Nr. 1–3 AMFG. 65 Section 188 Abs. 1 TULR(C)A 1992. 66 Krebber, RdA 2018, 271, 282. 67 Siehe hierzu Krebber, RdA 2018, 271, 282. 68 § 17 Abs. 2 KSchG. 69 Section 188 Abs. 1B TULR(C)A 1992. 70 § 45a Abs. 4 AMFG. 71 BAG, 22.9.2016 – 2 AZR 276/16, NZA 2017, 175. 72 Siehe hierzu Zerdelis, RdA 2016, 245, 254. 73 EuGH, ECLI:EU:C:2005:59 = NJW 2005, 1099 – Junk. 74 Johnson, BB 2019, 1909, 1912. 75 § 17 Abs. 2 KSchG, § 134 BGB. 76 Siehe Krebber, RdA 2018, 271, 285. 77 Section 189 TULR(C)A 1992. 78 Section 11A lit. c Protection of Employment Act 1977. 79 Krebber, RdA 2018, 271, 285. 80 Krebber, RdA 2018, 271, 285. 81 Section 194 TULR(C)A 1992. 82 § 623 BGB. 83 Art. 2 des Gesetzes Nr. 604/1966. 84 Siehe für Deutschland: § 126 Abs. 1 BGB. 85 Art. 123-3 AGB. 86 § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG.

A. Betriebsänderungen im Sinne des § 111 BetrVG

Abschnitt 1 – Perspektive Arbeitgeber
I. Vorbemerkung

1

Bei der Umstrukturierung eines Unternehmens, etwa aus wirtschaftlichen Gründen, stellt sich für den Arbeitgeber regelmäßig die Frage, bei welchen konkreten Maßnahmen eine Beteiligung des Betriebsrats erforderlich ist und in welchem Rahmen diese zu erfolgen hat. Etwaige Beteiligungsrechte des Betriebsrats sind insbesondere im Hinblick auf den zeitlichen Ablauf sowie die Kosten der Umstrukturierung zu berücksichtigen. Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei den sogenannten wirtschaftlichen Angelegenheiten sind gegenüber anderen Beteiligungsrechten, etwa der zwingenden Mitbestimmung bei sozialen Angelegenheiten, zwar weniger durchgreifend, da der Betriebsrat die Umstrukturierung des Unternehmens nach den Vorstellungen des Arbeitgebers nicht verhindern kann, der Betriebsrat hat aber die Möglichkeit, die Umstrukturierung zeitlich zu verzögern und einen Sozialplan zu erzwingen, der dem Ausgleich der wirtschaftlichen Nachteile der Umstrukturierung für die Beschäftigten dient.

2

Die Beteiligungsrechte des Betriebsrats bei Umstrukturierungen, im Betriebsverfassungsgesetz (im Folgenden „BetrVG“) als Betriebsänderungen bezeichnet, sind zur Vermeidung von Nachteilen bereits im frühen Planungsstadium der Umstrukturierung zu beachten. Das folgende Kapitel beschäftigen sich mit Betriebsänderungen i.S.d. § 111 BetrVG.

II. Allgemeine Anwendungsvoraussetzungen

3

Zunächst stellt sich die Frage, welche Unternehmen überhaupt von den Regelungen der betrieblichen Mitbestimmung in wirtschaftlichen Angelegenheiten, geregelt in den §§ 111ff. BetrVG, erfasst werden.

1. Unternehmensgröße

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Für die Beteiligungsrechte des Betriebsrats in wirtschaftlichen Angelegenheiten kommt es – wie teilweise auch bei anderen Beteiligungsrechten des Betriebsrats – nicht auf die regelmäßige Beschäftigtenzahl des betroffenen Betriebs, sondern die des gesamten Unternehmens an. Gemäß § 111 Satz 1 BetrVG muss das Unternehmen mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigen, die zur Wahl des Betriebsrats berechtigt sind.

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Folglich können auch Betriebsräten in Betrieben mit 20 oder weniger Beschäftigten die Mitbestimmungsrechte der §§ 111ff. BetrVG zustehen, sollte der Betrieb zu einem Unternehmen gehören, das den Schwellenwert von mehr als 20 Beschäftigten überschreitet. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob die unternehmerische Verselbstständigung der einzelnen Betriebe eine unzulässige Umgehung der Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats darstellen kann. Unternehmen, die mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigen, könnten durch die Gründung einzelner Tochterunternehmen für jeden Betrieb, der für sich betrachtet den Schwellenwert nicht überschreitet, der Mitbestimmung des Betriebsrats gemäß den §§ 111ff. BetrVG entgehen. Bei diesem Vorgehen handelt es sich jedoch vielmehr um eine zulässige unternehmerische Gestaltung. Eine Ausweitung des für den Schwellenwert ausschlaggebenden Arbeitnehmerkreises auf den gesamten Konzern ist abzulehnen. Dies würde nach zutreffender Ansicht sowohl dem Wortlaut des § 111 Satz 1 BetrVG als auch der Konzeption des restlichen BetrVG widersprechen.1

6

Ausschlaggebend ist dementsprechend die Anzahl der Beschäftigten im Hinblick auf das Unternehmen zu dem Zeitpunkt, zu dem die Beteiligungsrechte des Betriebsrats aufgrund der Umstrukturierungsmaßnahme entstehen.2 Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber konkrete Planungen anstellt und der Entschluss zur Durchführung der Betriebsänderung feststeht, wobei Art und Umfang der Betriebsänderung bekannt sein müssen.3

7

Bei der Berechnung des Schwellenwertes ist nicht die zufällige Beschäftigtenanzahl zum Zeitpunkt der Entschlussfassung, sondern die für das Unternehmen kennzeichnende Anzahl an Arbeitnehmern ausschlaggebend.4 Mithin muss für das Unternehmen eine Beschäftigtenanzahl von mehr als 20 kennzeichnend sein. Dabei ist eine Prognoseeinschätzung sowie ein Rückblick notwendig, um die relevante Beschäftigtenanzahl zu ermitteln.5 Auch Leiharbeitnehmer sind bei der Berechnung des Schwellenwertes zu berücksichtigen. Die Berechnung erfolgt nach der Rechtsprechung des BAG nach „Kopfzahlen“,6 wobei die Leiharbeitnehmer zu den in der Regel im Unternehmen Beschäftigten gehören müssen. Davon ist nur auszugehen, wenn diese während des größten Teils des Jahres, d.h. länger als sechs Monate, bei dem Entleiher beschäftigt werden.7 Für die Anzahl der Beschäftigten ist nicht ausschlaggebend, ob diese in Teil- oder Vollzeit oder befristet beschäftigt werden, soweit sie einen Arbeitsplatz besetzen, der für die regelmäßige Beschäftigtenanzahl bezeichnend ist, und nicht lediglich vorübergehenden Bedarf decken.

8

In Betrieben, die von mehreren Unternehmen gemeinsam gebildet werden (Gemeinschaftsbetrieb), stellt sich die Frage, ob die Beschäftigtenanzahl der einzelnen Unternehmen oder die des Gemeinschaftsbetriebs zur Berechnung des Schwellenwertes anzusetzen ist. Es gibt Gerichte, die bei einem gemeinsamen Betrieb von Unternehmen, die jeweils nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigen, annehmen, es komme auf die Beschäftigtenanzahl des Gemeinschaftsbetriebs an, sodass dem Betriebsrat dennoch Beteiligungsrechte zustünden.8 Gegen eine gemeinschaftliche Betrachtung spricht jedoch, dass kleine Unternehmen vor einer finanziellen Überforderung durch einen vom Betriebsrat erzwingbaren Sozialplan oder durch einen bei der Missachtung der Beteiligungsrechte drohenden Nachteilsausgleich geschützt werden müssen.9 Dementsprechend ist es interessengerecht, die Unternehmen einzeln zu betrachten, sodass die Beteiligungsrechte nur gegenüber den Unternehmen entstehen, die mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigen.10

9

Eine höchstrichterliche Rechtsprechung besteht zu dieser Frage noch nicht, jedoch hat das BAG für die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei personellen Einzelmaßnahmen entschieden, dass trotz des eindeutigen Gesetzeswortlauts des § 99 BetrVG, der dem des § 111 Satz 1 BetrVG insoweit entspricht, bei Gemeinschaftsbetrieben eine unternehmensübergreifende Betrachtung geboten ist.11 Eine entsprechende Entscheidung des BAG für die Berechnung des Schwellenwertes des § 111 Satz 1 BetrVG für Gemeinschaftsbetriebe kleinerer Unternehmen steht daher zu erwarten. Dies ist bei der Beratung von Unternehmen, die weniger als 21 Arbeitnehmer beschäftigen und Teil eines Gemeinschaftsbetriebs sind, der in der Regel mehr als 20 Beschäftigte umfasst, im Rahmen von anstehenden Betriebsänderungen entsprechend zu berücksichtigen.

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