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c) Verlegung des ganzen Betriebs oder von wesentlichen Betriebsteilen

(§ 111 Abs. 1 Satz 3 Ziff. 2 BetrVG)

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Dieser beispielhafte Katalogtatbestand erfordert eine Verlegung des Betriebs oder eines wesentlichen Betriebsteils. Zur Definition von Betrieb und wesentlichen Betriebsteilen kann auf die obigen Ausführungen (Rn. 92ff., 113ff.) zurückgegriffen werden.

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Verlegung ist die „Veränderung der örtlichen Lage“,83 wobei ohne nähere Begründung allgemein angenommen wird, dass geringfügige Änderungen nicht genügen.84 Als Beispiele werden der „Wechsel der Straßenseite“, die „Verlegung in ein in der Nähe gelegenes Haus“ oder der „Umzug im Haus“ angeführt. In der oft zitierten Entscheidung des BAG vom 17.8.1982 zitiert dieses die einschränkende Auffassung, ohne sie abschließend zu bewerten, da die im konkreten Fall vorliegenden 4,3 Straßen-km nicht geringfügig seien. Im Beschluss vom 27.6.2006 – 1 ABR 35/05 verneint das BAG zwar das Vorliegen von Versetzungen bei Verlegung um 3 km, bejaht aber indirekt die sozialplanpflichtige Betriebsänderung.85 Das LAG Köln hat die Verlagerung um 350 m zumindest genügen lassen, um eine Einigungsstelle einzusetzen.86 Es hat hierzu die Frage in den Raum gestellt, ob die „von der Literaturmeinung angenommene einschränkende Geringfügigkeitsgrenze bereits unterschritten sei“, was in seiner Wortwahl zumindest leichte Zweifel an der dogmatischen Herleitung dieser im Gesetz nicht vorgesehenen Geringfügigkeitsgrenze erkennen lässt. Darüber hinaus hat es die Frage aufgeworfen, ob nicht bei einer entfernungsmäßig geringfügigen Verlagerung weitere Kriterien, wie der Wegfall eines kostenlosen Betriebsparkplatzes, die Maßnahme letztlich als nicht geringfügig erscheinen lassen. Das Arbeitsgericht Frankfurt hat bei einer zweigeteilten Verlegung für den Teil, der nur 400 m Distanz zum neuen Standort hatte, eine Betriebsänderung ebenfalls bejaht, nachdem „mit dem Umzug zwingend – jedenfalls nach dem Planungsstatus von Anfang September 2015 – die Umstellung von kleineren Büros auf Großraumbüros mit Open-Space-Konzept verbunden“ war.87

126

Keine Verlegung des Betriebs im Sinne von § 111 Satz 3 Ziff. 2 BetrVG liegt vor, wenn der Ortswechsel des Betriebs bestimmungsgemäß ist, wie z.B. bei Zirkus- und Jahrmarktsunternehmen.88

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Beim sog. Offshoring, also der Verlagerung von Betrieben ins Ausland, kommt entgegen anderslautender Auffassung89 sehr wohl § 111 Satz 3 Nr. 2 in Betracht,90 wobei bei den Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan zu beachten wäre, dass nach dem Vollzug der Verlegung deutsches Recht nicht mehr Anwendung findet. Geht jedoch die Identität des Betriebs bei der Verlagerung verloren, etwa dadurch, dass ein erheblicher Teil der Arbeitnehmer sich weigert, am neuen Ort tätig zu sein, wird aus der versuchten Betriebsverlegung eine Betriebsstilllegung.91

128

Für die Verlegung wesentlicher Betriebsteile gilt das vorgenannte entsprechend. Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es hier zur Verwirklichung des Tatbestands des § 111 Satz 3 Ziff. 2 BetrVG auch genügt, wenn die Verlegung innerhalb des Betriebs erfolgt.92

d) Zusammenschluss mit anderen Betrieben oder die Spaltung von

Betrieben (§ 111 Abs. 1 Satz 3 Ziff. 3 BetrVG)

aa) Zusammenschluss von Betrieben

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Der Zusammenschluss von Betrieben als Katalogtatbestand des § 111 BetrVG kann dadurch erfolgen, dass ein oder mehrere Betriebe in einem anderen aufgehen, oder dadurch, dass zwei oder mehr Betriebe ihre Identität jeweils verlieren und einen neuen Betrieb bilden.93 Gelegentlich wird hier etwas ungenau davon gesprochen, dass es sich um zwei Betriebe handeln müsse. Das ist zwar auch der Fall, es können aber auch mehrere Betriebe beteiligt sein. Die Frage, ob ein Betrieb andere aufnimmt oder ein ganz neuer entsteht, hat für die Frage des Vorliegens einer Betriebsänderung keine Bedeutung, jedoch gegebenenfalls für die Frage des Übergangsmandats nach § 21a Abs. 2 BetrVG und die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen.

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Betriebe, die zusammengeschlossen werden können, sind sowohl originäre Betriebe als auch solche, welche nach § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG als solche gelten. Ob auch Betriebe nach § 3 Abs. 5 BetrVG dazu gehören, erscheint zweifelhaft (vgl. oben Rn. 92ff.).94

131

Der Begriff des Zusammenschlusses ist betriebsverfassungsrechtlich zu sehen, nicht unternehmensrechtlich. So kann z.B. mit einer unternehmensrechtlichen Verschmelzung ein Betriebszusammenschluss einhergehen, muss es aber nicht. Andererseits kann auch der Zusammenschluss von Betrieben unterschiedlicher Unternehmen ohne unternehmensrechtlichen Übergang stattfinden. In diesen Fällen kommt dann ein Gemeinschaftsbetrieb zustande.

132

Strittig ist, ob Betriebsteile oder zumindest wesentliche Betriebsteile, die zuvor womöglich abgespalten wurden, durch Zusammenschluss mit einem anderen Betrieb den Tatbestand des Betriebszusammenschlusses erfüllen. Däubler95 befürwortet im Falle wesentlicher Betriebsteile eine entsprechende Anwendung von Ziff. 3, Fitting verneint dies und verweist darauf, dass dann aber eine Änderung der Betriebsorganisation im Sinne von Satz 3 Ziff. 4 vorliegen könne oder aber die „Generalklausel des S. 1“.96 Es spricht indes einiges dafür, Ziff. 3 zumindest für solche Einheiten anzuwenden, die entweder für sich genommen eine signifikante Größe aufweisen oder aber deren Zusammenschluss mit dem anderen Betrieb dort Veränderungen im entsprechenden Umfang auslöst.

bb) Spaltung von Betrieben

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Auch der Begriff der Spaltung ist betriebsverfassungsrechtlich und nicht unternehmensrechtlich zu sehen. Eine Spaltung i.S.v. § 111 Satz 3 Ziff. 3 BetrVG kann sowohl durch eine Aufspaltung des Betriebs als auch durch eine Abspaltung von Betriebsteilen erfolgen. In Fällen der Aufspaltung wird der Ursprungsbetrieb aufgelöst, in Fällen der Abspaltung besteht der Ursprungsbetrieb fort.97 Die Spaltung eines Betrieb kann innerhalb des Unternehmens erfolgen, sie kann aber auch mit der Veräußerung eines Betriebsteils i.S.v. § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB, also einem Teilbetriebsübergang, verbunden sein.98

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Bereits 1996 hat das BAG darauf hingewiesen, dass es nicht erforderlich ist, dass ein abzuspaltender Betriebsteil erheblich oder wesentlich sei.99 Ob sog. Bagatellausgründungen auch von der Spaltung erfasst werden, hat das BAG damals offen gelassen, jedoch darauf hingewiesen, dass, sofern ein Betriebsteil veräußert werde, also eine „veräußerungsfähige Einheit“ besteht, dies auf jeden Fall genügt.100 Im Beschluss vom 17.2.2015 weist das LAG Hamm richtigerweise darauf hin, dass „der Gesetzgeber durch den Wortlaut des § 111 Satz 3 Ziff. 3 zum Ausdruck gebracht (habe), dass jede Betriebsspaltung ausreicht“. Einschränkungen, etwa durch Hinzufügung des Erfordernisses eines „wesentlichen“ Betriebsteils, enthalte das Gesetz nicht.101 Aber selbst wenn man eine sog. „Bagatellgrenze“ anerkennen wollte, so kann diese sich nicht an den Zahlen des § 17 Abs. 1 KSchG orientieren, sondern muss die Frage beantworten, ob eine veräußerungsfähige Einheit vorliegt. Die Reduktion des Personalstands im Umfang der Zahlen des § 17 Abs. 1 KSchG erfüllt ja bereits den Tatbestand des § 111 Satz 3 Ziff. 1 BetrVG.

e) Grundlegende Änderungen der Betriebsorganisation,

des Betriebszwecks oder der Betriebsanlagen (§ 111 Abs. 1 Satz 3

Ziff. 4 BetrVG)

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Auch bei § 111 Satz 3 Ziff. 4 BetrVG handelt es sich um mehrere Varianten von Betriebsänderungen, bei der jeweils die möglichen Nachteile für die Beschäftigten fingiert werden (siehe oben Rn. 83).102

aa) Grundlegende Änderung

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Das Adjektiv „grundlegend“ bezüglich der möglichen Änderungen von Betriebsorganisation, Betriebszweck oder Betriebsanlagen zeigt, dass eine bestimmte Dimension bzw. Tiefe der Veränderung gefordert ist, wenngleich es falsch wäre, zur Interpretation allein auf Satz 1 zurückzugreifen. Wenn richtigerweise Betriebsänderungen im Sinne von Satz 3 als solche des Satzes 1 gelten, also die Frage der wesentlichen Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft nicht gesondert zu prüfen ist, kann eben dieses nicht als verbindlicher Prüfpunkt bei einem der Katalogtatbestände herangezogen werden. Wenn noch zu prüfen wäre, ob wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft Folge der Maßnahme sein können, so wäre ja auch gleichzeitig eine Betriebsänderung im Sinne des Satzes 1 jenseits der Katalogtatbestände gegeben. Das BAG hat bereits 1982 klargestellt, dass eine Gesamtschau erforderlich ist und (nur) bei Zweifeln darüber, ob die Änderung der Betriebsanlagen grundlegend ist, der Anzahl der Betroffenen indizielle Bedeutung zukommt.103 Die Änderung muss also in ihrer Gesamtschau104 von erheblicher Bedeutung sein, wobei stets qualitative Gesichtspunkte, wie z.B. der Grad der technischen Änderung, aber auch die Auswirkung auf die Mitarbeiter zu bewerten ist.

bb) Änderung der Betriebsorganisation

137

Eine Änderung der Betriebsorganisation liegt vor, wenn der Betriebsaufbau, insbesondere hinsichtlich Zuständigkeiten und Verantwortung, umgewandelt wird.105

138

Die Fremdvergabe bzw. Outsourcing von Aufgaben z.B. führt an sich zu so einem Wegfall der bisherigen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten in diesem Bereich.106 Ist dieser jedoch klein und/oder nicht zentral wertschöpfend, so stellt sich die Frage der Auswirkung auf den Rest des Betriebs. Die Fremdvergabe der technischen Anzeigenproduktion (Satzherstellung) eines Zeitungsverlags mit 10 von 390 Mitarbeitern hat das BAG nicht genügen lassen, da dies keine hinreichenden Auswirkungen auf den Betriebsablauf oder auf die Arbeitsweise und -bedingungen der nicht unmittelbar betroffenen Arbeitnehmer hatte.107 Wären die Arbeitsabläufe enger miteinander verwoben gewesen, hätte das Ergebnis anders aussehen können. Genügen ließ das BAG die Aufgabe des mit eigenen Angestellten durchgeführten Anzeigendienstes zugunsten des Aufbaus eines Netzes selbstständiger Handelsvertreter.108 Auch die Ausgliederung der Zimmerreinigung in einem Hotelbetrieb ist eine Änderung der Betriebsorganisation im Sinne von § 111 Satz 2 Nr. 4 BetrVG, da es sich, anders als etwa in einer Druckerei, im Hotel um eine Primärfunktion handelt.109

139

Ein häufiger Anwendungsfall sind grundlegende Organisationsveränderungen, bei denen oftmals Hierarchieebenen hinzukommen oder entfallen und/oder Aufgaben und Zuständigkeiten anders verteilt werden. Bei Entfall der Ebene der Regionalleiter im Pharma-Außendienst mit einer Betroffenheit von 100 Außendienstmitarbeitern hat das BAG die grundlegende Änderung bejaht.110 Im Gegensatz dazu hat das LAG Hamm eine grundlegende Änderung in einem Fall verneint, in dem die abgeschaffte Ebene nur aus einer Person bestand.111 Es kann aber auch eine Mischung verschiedener organisatorischer Maßnahmen vorliegen, wie im bejahten Fall der Neu-/Umorganisation der Logistik in Hallen eines Bremsbelägeherstellers und der damit einhergehenden Fremdvergabe der Staplerfahrertätigkeiten.112 Die Einrichtung einer Internetfiliale bei einer bis dahin

klassisch agierenden Bank kann eine grundlegende Änderung der Betriebsorganisation sein,113 ebenso die Einrichtung von häuslichen Telearbeitsplätzen oder Satellitenbüros.114 Auch der Übergang zu einer Profitcenter-Organisation bzw. die Einführung von Profitcentern ändert die Betriebsorganisation.115 Unter welchen Tatbestand die Einführung von „Desk-Sharing“ (auch „Shared Desk“ oder „Flexible Office“ genannt) fällt, wird unterschiedlich diskutiert.116 Aber auch hier kommt es natürlich auf die Ausgestaltung an.

140

Auch die Einführung von Matrixstrukturen wird in vielen Fällen mit einer grundlegenden Änderung der Betriebsorganisation einhergehen.117 Kern der Einführung von Matrixstrukturen ist ja gerade die Veränderung von Entscheidungsabläufen und zumindest teilweise Aufhebung klassischer Strukturen der Betriebsorganisation. Auch wenn zwischenzeitlich höchstrichterlich bestätigt wurde, dass die Übernahme von Führungsaufgaben eines Matrixmanagers ohne physische Präsenz im Betrieb als Einstellung im Sinne von § 99 BetrVG zu werten ist,118 wird man andererseits die Frage zu stellen haben, in welchem Umfang dies geschieht und wie sich dadurch Führung und Arbeitsabläufe verändern. Da die Frage der Dimension der Veränderung oft strittig sein wird, ist hier ergänzend auf das Informationsrecht des Wirtschaftsausschusses hinzuweisen. § 106 Abs. 3 Ziff. 9 BetrVG kennt den Begriff der Änderung der Betriebsorganisation ebenfalls, jedoch ohne dass dort die Änderung grundlegend sein muss. Hierüber kann zumindest der Informationsfluss „gefördert“ werden. Ein weiteres Beispiel ist die Umstellung von einer Linienorganisation auf eine agile Netzwerkorganisation.119 Die zumindest teilweise Auflösung klassischer Hierarchiestrukturen zugunsten flexibler, sich der jeweiligen Aufgabe anpassender Strukturen führt zu einer Änderung der Betriebsorganisation, wobei Umfang, Intensität und die Frage der Dauer in der Gesamtschau dann die Frage beantworten müssen, ob das „grundlegend“ im Sinne des Gesetzes ist. Die Abgrenzung zur Einführung neuer Arbeitsmethoden ist unscharf, da z.B. Scrum als Arbeitsmethode begriffen wird, aber die vorgenannten Auswirkungen hat. Das gilt auch für sog. „ganzheitliche Produktionssysteme“ wie Kaizen, Kanban und SMED, deren Einführung in aller Regel eine wesentliche Änderung der Betriebsorganisation darstellt, aber auch Auswirkungen auf Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren hat,120 wie auch Maßnahmen im Zusammenhang mit Industrie 4.0.121

cc) Änderung des Betriebszwecks

141

Betriebszweck i.S.d. § 111 Satz 3 Ziff. 4 BetrVG ist der mit dem Betrieb verfolgte arbeitstechnische Zweck.122 Es kommt darauf an, „wie“ die Einnahmen erzielt werden.123 Es kommt also auf die zu fertigenden Produkte oder angebotenen Dienstleistungen an. Eine Änderung kann darin bestehen, dass der bisherige Betriebszweck durch einen anderen ersetzt oder um einen weiteren Betriebszweck ergänzt oder einer von mehreren arbeitstechnischen Zwecken nicht mehr weiterverfolgt wird.124

142

War z.B. neben dem Vertrieb und Verkauf von Telekommunikationsgeräten weiterer Betriebszweck die Forschung und Entwicklung in Bezug auf Geräte der drahtlosen Kommunikation, so ist der Entfall von Forschung und Entwicklung als einer von zwei Betriebszwecken grundlegend.125 Wenn der arbeitstechnische Zweck eines Schlachthofes stets die Schlachtung von Rindern, Kälbern und Schweinen war und dies auch noch von den gleichen Arbeitnehmern ausgeführt wurde, so liegt nach BAG keine grundlegende Änderung des Betriebszwecks vor, wenn künftig nur noch Schweine geschlachtet werden.126 Werden aus dem Bereich „Reparatur von Endoskopen“ die zeitintensiveren Großreparaturen von Standardendoskopen auf einen anderen Betrieb verlagert, soll dies nach dem Arbeitsgericht Hamburg nicht genügen.127 Es verkannte dabei aber, dass die verbleibende Tätigkeit viel kleinteiliger wurde und auch geringere fachliche Kompetenz forderte, also ein wertbildender Faktor der Dienstleistung entfallen war. Hat hingegen eine Spielbank bisher nur Spiele nach Art „Monte Carlo“ (durch Croupier geleitet) angeboten und erweitert sein Angebot um Glücksspielautomaten (nach Art „Las Vegas“), so tritt ein grundlegend neuer Betriebszweck hinzu.128 Ebenfalls war eine grundlegende Änderung des Betriebszwecks bei Aufgabe des eigenen Vertriebs durch ein Versicherungsunternehmen zu bejahen, weil sich die erbrachte Dienstleistung dadurch ändert.129 Ein weiteres Beispiel kann die Umstellung der Produktion von Automobilen hin zu Motorrädern oder umgekehrt sein.130 Das Hinzutreten eines zusätzlichen Betriebszweckes ist nach hiesigem Dafürhalten auch stets grundlegend, wenn sich das Unternehmen damit neuen aufsichtsrechtlichen Kontrollen unterwirft, wie z.B. der Versicherungsaufsicht oder der Bankenaufsicht.

dd) Änderung der Betriebsanlagen

143

Der Begriff der Betriebsanlagen umfasst die sächliche Einrichtung des Betriebs, also die technischen und baulichen Anlagen, die zur Verwirklichung des arbeitstechnischen Zwecks eingesetzt werden.131

144

Neben den Betriebsgebäuden gehören auch Geräte und Fahrzeuge dazu. Das LAG Hessen hat den Austausch von LKWs als grundlegende Änderung angesehen, nachdem die neuen Fahrzeuge nicht mehr mit Führerschein Klasse 3, sondern nur noch mit Klasse 2 zu fahren waren.132 Die Einführung von Software, wie z.B. einem Redaktionssystem, kann auch eine grundlegende Änderung der Betriebsanlagen sein, wenn sie qualitative Auswirkungen auf den Betriebsablauf, die Arbeitsweise oder die Arbeitsbedingungen der Arbeitnehmer hat oder mit einem „Sprung“ in der technischen Entwicklung verbunden ist.133 Ist die Einführung von Desk-Sharing (auch „Shared Desk“ oder „Flexible Office“ genannt) mit einer einschneidenden baulichen Veränderung der Betriebsgebäude verbunden, führt dies zur Bejahung einer Betriebsänderung nach Ziff. 4.134 Hier kommt auch wieder die Einrichtung von häuslichen Telearbeitsplätzen oder Satellitenbüros in Betracht135 wie auch die Einführung von Profitcentern.136

f) Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren (§ 111 Abs. 1 Satz 3 Ziff. 5 BetrVG)

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Die Katalogtatbestände der Ziff. 5 überschneiden sich oft mit denen der Ziff. 4, wobei hier der Schwerpunkt auf der Frage des Einsatzes der menschlichen Arbeitskraft zur Verfolgung der arbeitstechnischen Zwecke liegt.137

aa) Grundlegende Änderung

146

Auch hier geht es wieder um „grundlegende“ Veränderungen (siehe oben Rn. 136). Die Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren erfordert prinzipiell eine qualitative Bewertung, wobei sich der bedeutsame Charakter einer neuen Arbeitsmethode oder eines neuen Fertigungsverfahrens auch aus der Zahl der von ihr betroffenen oder dem Gewicht der Auswirkungen auf die Beschäftigten ergeben kann.138

bb) Einführung neuer Arbeitsmethoden

147

„Arbeitsmethode“ bezeichnet die jeweilige Art, eine Arbeit systematisch abzuwickeln. Darunter fallen die Strukturierung des Arbeitsablaufs des einzelnen Arbeitnehmers – wie Handgriffe, Bewegungsabläufe –, die des Arbeitsablaufs zwischen den Arbeitnehmern – wie Einzel-, Gruppenarbeit – und der Einsatz technischer Hilfsmittel – etwa von Maschinen, Werkzeugen und Vorrichtungen. Gemeint sind letztlich alle konzeptionellen Regeln, welche hinter dem in mehr oder weniger viele einzelne, unselbstständige Arbeitsvorgänge gegliederten Arbeitsablauf stehen, d.h. die Festlegung, auf welchem Bearbeitungsweg und mit welchen Arbeitsmitteln durch welche Beschäftigten die Aufgabe erfüllt werden soll. Die „Arbeitsmethode“ erweist sich damit als das auf der Grundlage der personellen, räumlichen, technischen und sonstigen bedeutsamen Gegebenheiten und Möglichkeiten entwickelte Modell des Ablaufs derjenigen Arbeit, die zur Erfüllung der gestellten Aufgabe geleistet werden muss.139

148

Die Arbeitsmethode muss nicht an sich „neu“ sein, sondern nur für den Betrieb.140 Sie muss eine bisher angewandte Methode entweder ersetzen oder zusätzlich eingeführt werden.141 Hier wird man im Einzelfall trefflich streiten, ob noch eine routinemäßige Verbesserung vorliegt oder schon eine neue Arbeitsmethode, selbst wenn die Begriffe noch die alten sind. In der Praxis behilft man sich häufig damit, dass man argumentativ dahin ausweicht, dass zumindest der allgemeine Betriebsänderungsbegriff nach Satz 1 gegeben sei, wenn veränderte Arbeitsmethoden einen hinreichenden Teil der Mitarbeiter betreffen.

149

Das BAG hat richtig festgestellt, dass das Ein- und Durchführen eines Systems in einem Betrieb, das die Strukturierung, Vereinheitlichung und Optimierung von Arbeitsprozessen sowie deren Rationalisierung zum Ziel hat, mit einer Betriebsänderung nach § 111 BetrVG einhergehen kann, dies dann aber im Ergebnis spitzfindig abgelehnt, weil die Frage der konkreten Umsetzung etwaiger Ergebnisse ergebnisoffen gewesen wäre.142 Die Vorinstanz hatte im Gegensatz dazu richtigerweise noch das Unweigerliche des Systems erkannt und festgestellt, dass die Arbeitsabläufe sehr wohl nachhaltig und systematisch rationalisiert und effektiviert werden sollen.143

150

Zunehmend wichtig wird in den letzten Jahren die Einführung sog. agiler Arbeitsmethoden, wie z.B. Scrum. Kernelement agiler Arbeit ist dabei der Übergang von Linienorganisationen zu Netzwerkorganisationen unter Auflösung klassischer Hierarchiestrukturen.144 Entscheidend ist natürlich auch hier das Ausmaß der Veränderung. Ein weiteres Beispiel ist die Einführung von Gruppenarbeit145 wie auch die Einführung von Selbstbedienungskassen.146 Auch

Desk-Sharing (auch „Shared Desk“ oder „Flexible Office“ genannt) ist eine neue Arbeitsmethode. Es führt zu einem regelmäßigen Reservierungs- und Koordinierungsaufwand und zum Verlust des persönlichen Arbeitsplatzes und damit eines persönlich gestaltbaren Arbeitsumfeldes.147 Ebenso verhält es sich mit

der Auslagerung von Arbeitsplätzen in häusliche Telearbeitsplätze bzw. Homeoffice oder Satellitenbüros.148 Auch die Änderung bzw. Flexibilisierung von

Arbeitszeitmodellen kann sich auf die Arbeitsorganisation und damit Arbeitsmethoden auswirken.149 So ist bei einer systematischen Beschäftigung von Teilzeitkräften mit flexibler Arbeitszeit statt bisher fester Arbeitszeiten eine veränderte Arbeitsmethode anzunehmen.150 Auch die Änderung der Betriebssprache, etwa von Deutsch auf Englisch, ist eine grundlegende Veränderung der Arbeitsmethode, da die zu erbringenden „Handgriffe“ auch Kommunikation sein können.151

151

Die Verlagerung von Entscheidungsbefugnissen in dezentrale Strukturen oder umgekehrt kann hier ebenfalls genannt werden, dürfte ihren Schwerpunkt aber unter dem Begriff der Veränderung der Betriebsorganisation haben.

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