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Читать книгу: «Abendstunden», страница 11

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»Beim Topsegel meines Fliebootes!« rief endlich der lange Nagel. »Zieht ihr zur Kreuzfahrt, Herr Ritter, oder wollet ihr die Ehre eurer Dame in einem Turniere vertheidigen?«

»Nein Vater, entgegnete Maria; er geht, um die Ketten des Vaterlandes und – eure Nägel zu kürzen.«

»Demzufolge gehst du morgen nach Brüssel, nicht wahr, mein Sohn? so ist es unter uns beschlossen.«

»Morgen?« frug Alfred, sichtbar ergriffen. »Morgen bereits?«

»Morgen bereits?« seufzte Maria, wie wenn ein Echo in ihrer Brust die Worte des Geliebten wiederholt hätte.

»Ja morgen,« war die Antwort des unerbittlichen Vaters.

Alfred konnte sich nur mit Mühe fassen; er dachte des schnellen Abschiedes, und auch Maria bedeckte ihre Augen mit beiden Händen. Der lange Nagel drückte sie mitleidig an seine Brust.

»Wie kannst du nur weinen, mein Kind!« sprach er. »Wie herrlich wird Alfred nicht vor dir stehen, nachdem sein Fuß des Ungeheuers Leib zertreten!«

Maria sank an den Hals des Vaters.

»Junker,« fuhr der lange Nagel dann zu Alfred gewendet fort; »das Alles hat nun lange genug gedauert und den Wassergeusen mag ich nicht länger weinen sehen. Hier habet ihr einen Brief, den ich mit dem Geusensiegel schloß; gebet ihn gleich nach eurer Ankunft zu Brüssel bei Freund Schrieck ab; der wird euch Näheres über die Gänge des Bluthundes sagen. Herr van Schoonhoven, es ist Zeit. Maria, nimm kurz Abschied. Eile dich.«

Die Liebenden sanken sich in die Arme, ihre Hände bebten noch einmal in einander und sie schieden.

Bald hielt die Schaluppe an dem Schiffe und dieß kehrte zurück.

II

Am folgenden Morgen begab sich Alfred auf den Weg nach Brüssel. Düstere Träume umzogen den Reiter, und Henker mit Schwertern, Blut und abgeschlagene Köpfe sah er im bunten Kreise um sich wimmeln, und eine wüthende Menge Volks heulte dazu ihm in’s Ohr, und in der Mitte derselben stand Maria händeringend. All’ die Schreckensscenen des Jahres 1568 gingen an seinem Auge noch einmal vorüber; er hatte auf dem Markte zu Brüssel gestanden, als dort die Herren von Batenburgh und sechzehn andere Edele hingerichtet wurden; edel, kostbar Blut strömte da von dem Schaffotte hernieder. Ein kalter Schweiß überlief ihn, doch folgte ihm schnell glühende Hitze. Wie wüthend stieß er die Sporen in die Seiten seines Renners, der nun blitzschnell mit ihm dahinflog, nicht zu schnell jedoch für den Junker. Die Abtei von Contich lag bald hinter ihm, dann gings über die schmale Brücke der Neth, an Mecheln und dem starken schloß Vilvorde vorbei, und er hatte Brüssel erreicht.

Zwei heiße Wolken dampften stürmend aus des Pferdes Nüstern; schäumender schweiß bedeckte die Haut des müden Thieres, weißer Staub den Reiter vom Kopfe bis zu Fuße.

Neugierig blieb das Volk in den Straßen stehen, als der junge Reiter im Fluge sie durchrannte. Dieß bemerkte Alfred nicht sobald, als er das Roß anhielt und in kurzem Trabe, und endlich in ruhigem Schritt es hingehen ließ, bis es vor Schrieck’s Wohnung stille stand.

Der Hospes empfing Alfred auf’s Freundlichste und führte ihn in einen Saal, in welchem eine zahlreiche Gesellschaft versammelt war.

»Meine Herren,« sprach Schrieck, »ich habe die Ehre euch den Junker Alfred van Schoonhoven vorzustellen. Ihr werdet es ihm nicht übel nehmen, daß er in Stiefeln und Sporen vor euch erscheint.«

Tiefe Bücklinge und gewöhnliche Höflichkeiten bewillkommten den Junker, doch fühlte dieser sich nicht wohl inmitten der Versammlung, denn aus den hochmüthigen Gesichtern schaute zugleich etwas wie Verachtung, und er meinte, die Frage auf mehr denn einem derselben zu lesen:

»Woher kommt denn der Geuse?«

Schnell wandte er das Auge von ihnen ab, die Sprache und Kleidung aller war Spanisch, und somit ihm verhaßt, darum bat er Herrn Schrieck, mit ihm ein Wörtchen allein sprechen zu wollen. Beide traten in ein Nebenzimmer, und ließen sich auf kostbaren Sesseln nieder.

»Herr Schrieck,« begann Alfred, »ich bin zu euch gesandt von Personen, welche euch unter ihre Freunde zählen. Sie müssen sich wohl in Bezug auf euch verrechnet haben, da Spanier und Feinde euer Haus füllen. Saget mir, wenn’s euch beliebt, ob meine Vermuthung gegründet ist oder nicht, denn im letzteren Falle wäre meine Sendung bei euch zu Ende.«

Schrieck ärgerte sich nicht wenig über die kühne Frage des Jünglings; er antwortete mit sichtbarem Unwillen:

»Junker, eure Worte sind gar verletzend. Denkt ihr, daß ich mein Vaterland weniger liebe, als ihr? Wie dürft ihr mich der Treulosigkeit beschuldigen? Fürwahr, das ist eine schlechte Art.«

»Eine schlechte Art?« wiederholte Alfred. »Ziemt es einem echten Belgen, die Günstlinge des Bluthundes zu bewirthen? Und fürchtet ihr nicht, daß Meineid und Blutdurst euch mit ihrem Athem in’s Herz sinken? Ihr streichelt den Tiger, aber, gebt Acht, er beißt seine Freunde auch.«

»Das ist wohl die Sprache eines feurigen Jünglings, der Bös und Gut durch seine grillenhafte Einbildung in’s Unendliche vergrößert. Der Staatsmann aber muß auch die streicheln, welche Zähne haben zu beißen. Ich weiß nicht, was ihr im Kopf habt, Junker. Ihr seht mich gar für einen Verräther an. Fürchtet ihr nicht, daß ich mich ob dieser Schmach räche? Wahrlich, das ist gar kühn von euch.«

Alfred’s Verdacht sank nun, denn Schriecks Züge blieben so ernst und ehrlich, daß der Junker ein braves Geusenherz in ihm zu finden glaubte. Doch ergab er sich noch nicht und sprach:

»Entschuldiget, Herr Schrieck; die wenige Erfahrung, welche ich bisher hatte, konnte mich leicht irre führen. Die Sache, derentwegen ich mit euch zu verhandeln habe, ist aber von so großem Gewicht, daß ich euch dieselbe weder offenbaren kann noch mag, bevor ihr mich von euren Gesinnungen in Bezug auf Alba überzeugt habt.«

Sobald Schrieck hörte, daß es sich um Alba und eine geheime Sache handle, veränderte sich sein ganzes Gesicht, wie der Ton seiner Stimme. Freundlich dem Jünglinge näher tretend, flüsterte er ihm zu:

»Ihr habt Recht, Junker, und ich kann nur eure Vorsicht bewundern. Der Herzog ist ein Tyrann, ein blutdürstiger, verächtlicher Mensch, der unserer Väter Land zu ruinieren und auszusaugen trachtet durch Mord und Folter, und durch seinen zehnten Pfennig. Das sind meine Gesinnungen in Bezug auf Alba; was die Spanier betrifft, die ihr in meinem Hause seht, so sind das diejenigen, welche mich von den geheimen Rathschlägen des Herzogs in Kenntniß erhalten, damit ich unsere Freunde, die Geusen, davon benachrichtigen kann.«

Während er diese Worte mit Heftigkeit sprach, zog der Junker langsam den Brief des langen Nagels aus dem Wamms, übergab ihn Schrieck und antwortete:

»Ich sehe, Herr Schrieck, ihr seid ein wackerer und warmer Belge. Der Brief des Grafen van der Marck wird euch weiter sagen, warum ich hier bin.«

Schrieck überflog schnell den Brief, der ihn mit Alfred’s Sendung bekannt machte und worin er zu Hilfe und Beistand aufgefordert wurde. Innige Freude erfüllte sein Herz und er sprach:

»Junker, ihr werdet zweifelsohne bei mir übernachten. Das wird mir jedenfalls eine große Ehre sein. Lasset mich jetzt nur machen. Saget Niemanden etwas von der Sache, denn lose Füchse sind um und bei euch. Ich werde sorgen, daß ihr ein Gespräch mit dem Herzog erlanget, und dann . . . «

Die übrigen Worte flüsterte er in Alfred’s Ohr. Dieser schien auf’s Aeußerste zufrieden, und ließ sich auf Schrieck’s Anrathen durch einen Diener nach seinem Zimmer führen.

*                   *
*

Schon früh am andern Morgen stand ein Mann vor dem Bette des jungen Antwerpners:

»Junker,« sprach er mit leiser Stimme; um zehn Uhr werde ich euch zum Herzoge führen. Bereitet euch ernstlich vor, die Geißel des Vaterlandes zu opfern.«

Mit den Worten verließ er den Jüngling wieder und entfernte sich vorsichtig.

Während Alfred sich schnell ankleidete, traten tausend trübe Gedanken vor seine Seele. Dieselben soviel wie möglich zu vertreiben, beschaute er zu wiederholten Malen den Dolch, welchen Maria ihm geschenkt; auch seine Pistole untersuchte er genau. Nachdem er diese in bestem Zustande befunden, ließ er eine doppelte Ladung Pulver in den Lauf fallen, und eine eiserne Kugel darauf. Dann legte er an, wog die Waffe mit seltsamem Ausdrucke in allen Zügen und sprach unter einem ernsten Seufzer:

»Das gilt der Freiheit des Vaterlandes!«

Und er wog sie noch einmal, und sprach mit tiefer Stimme:

»Und das ihr, die ich anbete!« saß nicht sein ganzes Glück, seine Liebe, wie die Freiheit des Vaterlandes in dem Lauf der Waffe? Eben flüsterte er noch einmal den Namen Maria, als die Thüre sich öffnete:

»Seid ihr bereit, Junker?« frug Schrieck.

»Ich bin bereit,« entgegnete der Geuse, die Pistole unter dem Wamms bergend.

»Wohl an, dann laßt uns gehn.«

Bald standen sie an dem prächtigen Pallaste des Herzogs; ein geheimes Wort Schriecks bahnte ihnen den Weg durch die Leibwachen bis zu einem kleinen Saale, in welchem schwere, große Sessel standen.

»Alfred,« sprach Schrieck mit gedämpfter Stimme. »Sogleich wird der Herzog hier zu euch kommen. Ich habe ihn glauben machen, ihr hättet ihm ein wichtiges Geheimniß zu entdecken. Da er höchst neugierig ist, wird er sich nicht lange erwarten lassen. Seht aber zu, daß ihr nicht fehlt, denn sonst ist alles verloren, er ist schrecklich in seiner Wuth.«

»Trägt er stets seinen Harnisch?« frug Alfred.

»Gewiß,« antwortete Schrieck; »der verläßt ihn nie. Dennoch könnt ihr ihn leicht treffen, und zwar auf diese Weise: Wenn er euch um die Mittheilung eures Geheimnisses bittet, dann tretet ihm näher und näher und stoßt ihm endlich den Dolch unterm Kinn in die Gurgel; da kann der Kragen seines eisernen Wammses euch nicht genieren. Und nun, Alfred, guten Muth und laßt euch das Herz nicht klein werden.«

»Darüber seid nur ruhig,« seufzte der Jüngling. »Der Kampf ist zu Ende.«

»Setzt euch ein wenig,« sprach Schrieck, sich entfernend, »vielleicht müßt ihr noch ein wenig warten. Sprechet aber bei Leibe nicht, denn die Wände haben hier Ohren und Zungen, Ohren zu lauschen und Zungen zu verrathen.«

Alfred war nun allein in dem Zimmer. Er wandelte rastlos auf und ab, überlegend, was er dem Herzog sagen solle, damit derselbe nichts von seinem Vorhaben ahne. Er wußte nicht, daß ein blutig Auge ihn aus einem Seitenzimmer bespähte; er fühlte es nicht, wie glühend Alba’s Blick auf ihm brannte.

Endlich übermannte ihn die Ungeduld und er warf sich in einen der Sessel nieder, doch kaum saß er da, als ein Schrei des Schreckens seinem Munde entfloh.

Ein sonderbar Geräusch wurde laut, krachend sprangen eiserne Springfedern hervor und umschlossen ihm den Leib mit einem schrecklichen Gurt, preßten ihm die Brust zusammen und hefteten ihn fest auf den Stuhl.

Wir müssen nicht erst sagen, wie der Junker erblich, als er so sich gefangen sah; alle Muskeln spannten sich ihm, und mit Riesenkraft sträubte er sich in den Banden, doch vergebens; der Sessel bewegte sich nicht, er schien festgenagelt auf den Boden. Trotz des stets schneidenden Druckes der Federn gab Alfred den Widerstand nicht auf – es war ein gräulich Schauspiel, ihn so zu sehen mit glühendem Auge, sträubendem Haar, und den blauen, hoch geschwollenen Adern auf der schönen Stirn, mit weißem Schaume auf der Lippe und kochender Wuth im Herzen . . .

Die Thür öffnete sich, und ein Mann von hoher Gestalt trat mit stolzem Tritte in den Saal. Das war Alba – Alba, die Gottesgeißel, der in seinem Herzen den Untergang der Belgen geschworen.

Sein Gesicht war braun und außergewöhnlich lang. Seine greisen Augen, der rothe Bart gaben seinen Zügen einen gar häßlichen Ausdruck; ein stahlharnisch und stählerne Hüftplatten und Schienen schirmten ihn vor jeder Waffe; auf dem Kopfe trug er eine schwarze Sammtmütze, von der eine blutrothe Feder schmeichelnd herabsank. Er kreuzte eintretend die Arme über der Brust und lachte spöttisch auf den verzweifelnden Jüngling nieder.

»Geuse,« sprach er mit höllischem Hohn; »du kommst, Alba zu morden? Ein edelmüthig Unternehmen, wahrlich! Glaubst du denn Kind, daß der Riese sich durch einen Zwerg fangen lasse? Verachtung und Mitleiden wäre dein Lohn, so man sich nicht vor Narren schützen müßte. Stoß mir nun den Dolch unter’s Kinn, Meuter und Mörder du!«

Alfred’s Wuth kannte keine Grenzen; der Dolch in seiner Hand glühte unter ihren krampfhaften Zuckungen.

»Tyrann, du!« rief er. »Verachtung verdienst du selbst für all’ das Leid, was du über uns gebracht, Blutsauger, Schakal du! Denkst du aber, Gott werde mich nicht lohnen, dich nicht strafen, feiger Spanier? Rechenschaft sollst du geben von Egmont’s und Horn’s Blute und vom Blute meines Bruders Norbert, den du gemordet, und das Rache bei Gott über dich ruft!«

Ein spöttelndes Lächeln war des Herzogs Antwort. Er nahm eine Ruthe von der Mauer, schlug den Jüngling ins Gesicht damit, und sagte:

»Sieh, Bettler, so behandelt man in Spanien Landläufer und schlecht Gesindel.«

Der Geuse raste. Die Springfedern krachten unter seinem Ringen, Blut strömte ihm aus dem Munde, der Sessel bebte – doch Alles vergebens. Inmitten dieses Ringens, Stöhnens und Fluchens aber schien ihm plötzlich ein anderer Gedanke lichthell durch die Seele zu schimmern; ein Lächeln lief um seinen Mund, unter einem Freudengeschrei fuhr er pfeilschnell mit der Hand unter sein Wamms und zog die fast vergessene Pistole hervor:

»Nun ist dein Hohn zu Ende, Herzog!« rief er. »Du entrinnest mir jetzt nicht, und mein ist das Lachen, dein das Erbleichen, meinst du nicht?«

Fest hielt der Geuse den Lauf auf Alba’s Antlitz gerichtet, und er lachte mit Wollust ob dem Schrecken des Herzogs. Dann hob er schnell das Auge gen Himmel:

»Dank dir, Gott mein Vater, daß ich mein Land und meines Bruders Blut rächen mag! Stirb Ungeheuer!«

Und die eiserne Kugel flog gegen den Harnisch des Herzoges, so, daß Alba von dem Schlage erschüttert an der Mauer sich halten mußte.

Schnell füllte sich der Saal mit Leibwachen und Höflingen. Degen, Schwerter, Pieken, Hellebarden, Feuerrohre umringten ihn, der so wunderbar dem wohlverdienten Tode entronnen war.

Lange rang der junge Antwerpner mit seinen Feinden, bis man ihn entwaffnet und gefesselt hatte.

Sagte nicht eine geheime Stimme der Ahnung in diesem Augenblicke dem armen Vater, daß sein Sohn in die Hände des Henkers gefallen war? sagte nicht eine geheime Stimme Marien, daß das schöne Haupt ihres Geliebten auf dem Schaffotte fallen werde?

III

Gegen Ende des November, auf Sankt Andreastag, stand vor dem Rathhause zu Brüssel ein hohes Blutgerüst aufgeschlagen; Reiter mit bloßen Schwertern umringten dasselbe, und tausend niedergebeugte Bürger bedeckten den weiten Marktplatz. Tiefe Trauer und bange Neugier erfüllten jedes Herz.

Das rothe Bluttuch hing einem Schandflecken gleich aus einem der Fenster des Rathhauses; in den andern Fenstern standen Richter, Höflinge und Spanier; unter den letzteren war Alba an seinem höhnenden Auge, so wie an dem goldenen Fließe, welches auf seiner Brust prangte, am meisten kenntlich. Er glänzte von Gold und Edelsteinen. Ein Florentiner Harnisch mit prächtiger Ciselirarbeit und Silberzierrathen umschloß seinen schweren Leib; seine mit Juwelringen bedeckten Finger hingen wie nachlässig auf den Armen eines kostbaren Sessels.

So saß er da, der Tyrann, gleichgültig auf die tausend Augen niederblickend, welche thränenvoll zu ihm aufschauten, und auf die tausend racherufenden Blicke, welche zu ihm empor gerichtet waren.

Leicht konnte man unter der Menge die unterscheiden, welche aus Flandern, und welche aus dem Wallonenlande gekommen waren. Hier dunkelten die schwarzen Haare, und die schwarzen Augen der Lütticher und Ardenner, dort glänzten die blonden Haare und blauen Augen der Kinder des Nordens; dort die braunen Gesichter, welche die sonne der See oder des Feldes gesengt. Zumeist aber erregte ein Jüngling das Staunen manches der Zuschauer, so einnehmend schön war sein Antlitz, so edel seine leichtgebräunte Wange, so lang die Wimper über dem so lebendigen schwarzen Auge, so ernst und feierlich der Ausdruck, der in seinen Zügen lag – und dabei war doch auch wieder etwas so Zartes in der ganzen Gestalt, daß man kaum errathen konnte, ob es wirklich ein junger Mann war, und ihn fast eher für ein Mädchen hätte halten sollen. Keiner der Umstehenden kannte ihn, der unter dem groben Mantel so seine Formen barg, und mit so kleinen Füßchen die kalten Steine drückte. Der Fremdling aber war – Maria van der Marck.

Man wartete lange. Eine ganze Stunde war schon hin, seitdem das Volk sich auf dem Markte versammelt hatte, als plötzlich ein dumpfes Geräusch die Menge in Bewegung setzte.

»Da kommt er!« hatte jemand gerufen, und alle stellten sich auf die Zehen, und wandten das Haupt der Straße zu, durch welche der Verurtheilte in der That näher kam.

Inmitten eines Haufens von Soldaten, die alle mit Hellebarden und Feuerrohren bewaffnet waren, wankte Alfred gebückten Hauptes dem Schaffotte zu. Seine Hände waren ihm auf den Rücken gebunden, seine Haare bis zur Wurzel abgeschnitten, seine ganze Kleidung von schwarzem Sammt. Langsamen Schrittes erstieg er die blutrothen Stufen.

»Wie jung ist er noch!« seufzte ein Bürger, ein Messer in der Tasche öffnend.«

»Nur in diesem Alter hat man ein Herz voll Edelmuth und Selbstaufopferung,« sprach ein Anderer, den Kopf mißmuthig schüttelnd.

»Er zählt nur zwanzig Jahre und nicht mehr,« sprach ein Dritter, dessen Züge stark gebräunt waren.

»Das ist, ach Gott, doch zu jung, um schon zu sterben!«

»Aber der stirbt nicht, der wird nicht sterben!« sprach ein dicker Kaufmann.

»Nicht sterben, sagt ihr?« riefen mehrere Stimmen. »Nicht sterben? Welch ein Wunder hoffet ihr denn?«

»Es bedarf keines Wunders. Man sagt, der Herzog werde ihm Gnade schenken.«

»Gnade?« frug der braungesengte Mann. »Gnade?« Der? der Alba? – Ja, der schenkt Gnade, wie der Felsen, der zerschmetternd auf den Wanderer stürzt – Gnade, wie das Beil, das hackt, aber nicht hört – Gnade, wie der Henker, der Blut vergießt und lacht. Ja, und ich sag’s noch einmal, dieß spanische Ungeheuer ist härter als der Felsen, verachtungswürdiger und feiger als der Henker und unerbittlicher, wie das Beil.«

Die Umstehenden erschraken ob der kühnen Rede und schauten mit banger Verwunderung auf den Mann. Sie begriffen nicht, wie ein Mensch verwegen genug sein konnte, so vermessene Worte zu sprechen. Er im Gegentheil fuhr in demselben Tone fort; während seine Augen in die Runde funkelten, entrollten Flüche und Scheltworte gegen die Spanier einem wilden Gießbache gleich seinen Lippen. Es war sein Glück, daß nicht ein Verräther in der Nähe war und kein Soldat die Reden hörte.

Maria’s Auge haftete starr auf dem Geliebten. Auf ihren Wangen waren keine Thränen sichtbar, doch ihr Herz weinte blutige Thränen. Sie hatte es sich zugeschworen, Alfred zu rächen und den Herzog zu tödten; in diesem Entschlusse sich zu festigen und zu stärken, hatte sie heimlich ihren Vater verlassen.

Alfred stand mit einem Priester auf dem Schaffotte, während der Henker, die Hand am Beile, auf sein Haupt wartete. Da tönten drei Trompetenstöße über den Markt hin und eine dumpfe Stille lagerte sich auf die Menge: das Urtheil wurde verlesen, welches Alfred zum Tode verwies, weil er einen Anschlag auf des Herzogs Leben gemacht.

Jedes Herz klopfte bang, aller Augen füllten sich mit Thränen, nur der braungesengte Mann fuhr fort zu schimpfen und zu schelten.

Noch einmal tönte die Trompete; jedes Brust war beengter, denn das Schlachtopfer bereitete sich zum Tode. Kein Seufzer wagte sich in die Luft, welche Alba’s Athem empfing. Maria schaute unverwandt auf Alfred und trachtete auf alle Weise, zu machen, daß er sie erkenne, doch es wollte ihr nicht gelingen.

Bereits kniete der Junker und sprach sein letztes Gebet, während der Henker die Aermel aufstreifte, um besser zuschlagen zu können. Nun war das Gebet zu Ende, Alfred wandte sich zu dem Henker, ihm zu sagen, daß er bereit sei – da fiel sein Auge auf Maria. Beide erbleichten; der Abschied lag schwer auf all ihren Zügen. Die weite Ewigkeit trat zwischen sie.—

Eine Thräne rollte zugleich aus Beider Augen.

Nun faßte der Henker das Beil mit beiden Händen, schwang es kräftig über dem Haupte und . . .

»Gnade! Gnade!« schrie Maria, daß es weit über den Markt scholl.

»Gnade! Gnade! wiederholte das bange Volk und der Henker hielt einen Augenblick inne.

»Hurrah! die Geusen leben! schrie eine Donnerstimme plötzlich drein und Aller Augen wandten sich auf den braungesengten Mann, der nun weit seinen Mantel öffnete, die bis dahin verborgen gehaltene linke Hand entblößte und sie hoch erhob. Lange krumme Nägel ragten an jedem Finger hervor und hundert Stimmen schrieen:

»Lumey! Lumey!«

»Die Geusen leben!«

»Schlagt ihn todt, den Ausländer!«

»Schlagt todt! Schlagt todt!«

»Hurrah, der lange Nagel!« Dolche, Rappiere und lange Messer glänzten überall unter der Menge. Es war ein schrecklicher Ausbruch von Mordgeschrei, Flüchen, Verdammungsrufen.

»Mord! Mord! heulte das bange Volk und flüchtete eilends durch alle Straßen dahin. Spanische Reiter sprengten gegen die Menge an; Manche rangen unter den Füßen der Pferde, Frauen lagen erdrückt am Boden . . .

Da wurde ein Zeichen aus einem der Fenster des Rathhauses gegeben; des Henkers Beil fiel und des Junkers Haupt sank. Zwei Strahlen Blutes schossen hoch auf.

Maria drang zwischen den Füßen der Pferde durch bis an das Schaffot, flog pfeilschnell hinauf, tunkte ihre Rechte in das noch rauchende Blut und verschwand . . . Nur der Henker hatte sie bemerkt.

*                   *
*

Abends war Alles totenstill. Die Steine des Marktes glänzten roth von Blut und hier und da lag eine von den Hufen der Pferde schmählich zerstümmelte Leiche; alle wurden von den Henkersknechten auf Schlitten geladen.

»Unser gnädige Herr hat befohlen, daß man die Leichen zur Schinderei bringe,« sprach der Scharfrichter, während man die letzte auf den Schlitten warf.

Was nun that Maria mit jenem Blute?

Sie wusch es an ihren Dolch und stieß diesen bei der Eroberung des Briel’s und Gorkum’s in fünfzig spanische Herzen.

Eine Kugel traf sie endlich; ihr letztes Wort war:

»Vaterland!«

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
260 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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