Читать книгу: «Seerosenzauber», страница 4

Шрифт:

Um ihm das zu demonstrieren, schlage ich die erste Seite auf und halte sie John vor die Nase.

Nach kurzer Zeit schüttelt mein Kollege ununterbrochen den Kopf, während er noch weiter liest. »Das wird definitiv nichts. Hat der Chef wirklich nichts von zusätzlichem Personal gesagt?«

Ich schüttle den Kopf und fasse mir nachdenklich ans Kinn. »Ich werde nach dem Termin zu ihm ins Krankenhaus fahren. Wir müssen das durchsprechen.«

John nickt. »Auf jeden Fall. In unserer jetzigen Besetzung schaffen wir das definitiv nicht.«

»Ich weiß noch nicht mal, ob Eduard sich um Geschirr gekümmert hat. Am liebsten würde ich den Termin absagen, aber Eduard meinte, dieser Sander wäre so wichtig.«

»Sander?«

»Ja, Sander.« Ich blättere zurück zum Deckblatt. »Software Construction.«

»Was?«, fragt John aufgekratzt. »Der Sander von Software Construction

»Ja, warum? Kennst du ihn?«

»Nein, noch nicht. Aber Sander ist ein ausgezeichneter Programmierer. Seine Software ist der absolute Hammer. Die haben sogar eine Abteilung, die Spiele entwickelt.«

»Aha«, murmle ich desinteressiert.

John hat noch nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass er nach Feierabend zum Runterkommen Computerspiele spielt.

Ich kann dem Ganzen nichts abgewinnen. Technik ist im Allgemeinen nicht so mein Ding. Na ja, bis auf mein Smartphone. Ohne das Gerät kann ich nicht mehr leben. Dabei telefoniere ich kaum. Vielmehr sind es die Chats, die ich mit Gini habe. Wenn es das nicht geben würde, hätten wir manchmal tagelang keinen Kontakt. So eine Nachricht ist schneller geschrieben, als ein Telefonat zu führen.

Wobei ich auf die Chats in nächster Zeit verzichten kann. Es ist unglaublich, aber Gini und ich wohnen jetzt zusammen. Als Kinder sprachen wir oft davon, irgendwann zusammenzuziehen. Da ich im Haus meiner Großeltern die obere Etage für mich habe, hatte ich nie einen Grund, um auszuziehen. Gini musste auch noch nie alleine wohnen. Sie lebte bisher immer mit einem Mann zusammen. Selbst, wenn eine ihrer Beziehungen zu Bruch gegangen war, blieb sie nie lange Single. Irgendwie hatte sie jedes Mal einen Neuen am Start. Ich glaube, sie kann nicht alleine sein.

»Ich muss wieder«, sage ich und mache auf dem Absatz kehrt.

Mitten im Büro bleibe ich stehen und drehe mich im Kreis. Ich frage mich, ob Eduard in diesem Schlachtfeld den Kunden empfangen wollte. Einen Moment denke ich darüber nach, ob ich mich mit diesem Sander an einen Tisch im Gastraum setzen soll. Doch die Mahnung des Küchenchefs, wie wichtig dieser Typ ist, hält mich davon ab. Also muss ich hier ein wenig aufräumen.

Ich lege den Hefter auf einen der Stühle, damit ich ihn nicht aus Versehen irgendwo vergrabe und gehe zum Tisch.

Wahllos greife ich nach den Papieren, um sie ordentlich aufzutürmen. Am liebsten würde ich sie komplett vom Schreibtisch verbannen, nur weiß ich nicht, wo ich sie lassen soll. Die Schränke, die uneinsehbar sind, wurden von Eduard schon bis oben hin vollgestopft. Sie in die wenigen freien Fächer der Regale unterzubringen, würde sie auch nicht unsichtbar machen. Also kann ich sie gleich auf dem Tisch liegen lassen.

Ein letztes Mal schaue ich mich um, bevor ich den Hefter auf den Schreibtisch lege und das Büro verlasse. Auf dem Weg in die Küche gehe ich im Gastraum vorbei und gebe Charlotte Bescheid, dass ich einen Kunden erwarte.

5. Gregor - Samstag

Meine Laune ist auf ihrem Tiefpunkt, als ich den Parkplatz des Eduards erreiche. Sie wurde mit jeder Stunde schlechter. Nach dem Aufwachen war ich noch guter Dinge. Völlig motiviert bin ich in den Park gelaufen, in der Hoffnung, diese grünen Augen wiederzusehen.

Statt meiner üblichen Laufrunde habe ich ein paar Extrarunden gedreht. Ich wäre gerne länger geblieben, als die zwei Stunden.

Meine Bemühungen waren vergebens. Die Frau mit diesen Augen, die mir nicht mehr aus dem Kopf gehen, war nicht aufgetaucht.

Also bin ich irgendwann nach Hause gelaufen.

Nachdem ich mich einigermaßen gefasst hatte, rief ich meine Mutter an, um ihr mitzuteilen, dass ich den Freitagsessen fernbleiben werde. Sie hatte es schlecht aufgenommen und fing sogar an zu weinen. Allerdings glaube ich, ihr geht es weniger um mich, als darum, was mein Vater dazu sagen wird.

Meine Mutter hat mich regelrecht angefleht, es mir zu überlegen, aber das werde ich nicht. Tim hat recht. Die Besuche in meinem Elternhaus tun mir alles andere als gut. Hinterher bin ich jedes Mal mies drauf.

Am kommenden Freitag wird es mir besser gehen, wenn ich mit meinem besten Kumpel unterwegs bin. Er hält mir wenigstens keine Vorträge darüber, was ich doch für ein Versager bin.

Ich steige aus meinem Auto und werfe genervt die Tür zu. Ein letztes Mal atme ich tief durch und straffe die Schultern, bevor ich auf den Eingang des Restaurants zu gehe.

Ich bin gespannt, was sich dieser Eduard ausgedacht hat. In der Vergangenheit war ich schon oft mit Geschäftspartnern bei ihm, im Restaurant essen. Bisher war es immer sehr gut. Deshalb kam mir die Idee, ihn zu fragen, ob er auch außer Haus liefert. Normalerweise lassen wir uns von einem anderen Caterer beliefern. Allerdings hat die Qualität seiner Speisen in letzter Zeit nachgelassen. Die Preise sind gleich geblieben, aber die Lebensmittel scheinen minderwertiger zu sein.

Neugierig betrete ich das Restaurant. Hinter dem Tresen steht eine kleine rundliche Frau mit einem fast schwarzen Bob.

Sie bemerkt mich sofort und lächelt mich an.

Hastig gehe ich auf sie zu. »Hallo, Sander ist mein Name. Ich habe einen Termin mit Eduard.«

»Guten Tag, wenn Sie mir bitte folgen würden.«

Die Frau läuft mit schnellen Schritten davon. Ich bleibe ihr auf den Fersen. Im Vorbeigehen schaue ich mich im Gastraum um. Der Mittagsansturm ist längst vorbei. Es sind nur noch wenige Tische besetzt.

Die Servicekraft, die sich mir nicht vorgestellt hat, führt mich in ein Büro und deutet auf die Besucherstühle. »Nehmen Sie doch bitte Platz! Ich hole Frau Blum.«

Bevor ich widersprechen und erneut nach Eduard verlangen kann, ist sie verschwunden. Sie hat die Tür hinter sich geschlossen und lässt mich einfach unbeaufsichtigt zurück.

Ich würde niemals jemanden allein in meinem Büro zurücklassen. Bis auf Rosalie und Tim vertraue ich keiner Menschenseele.

Warum soll ich mit dieser Frau Blum sprechen, wenn ich doch einen Termin mit dem Küchenchef habe? Meine Laune sinkt immer tiefer. In mir braut sich etwas zusammen, dass bald wie Lava aus mir herausbrodeln wird. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis zu meinem Vulkanausbruch.

Ich lasse mich auf einen der Besucherstühle fallen und starre an die Wand mir gegenüber. Bis auf ein geschmackloses Landschaftsbild ist sie leer.

Es dauert eine Weile, bis die Tür aufgeht. Ohne mich umzudrehen, spüre ich, wie jemand den Raum betritt. Entweder ist die Person besonders leise oder sie bewegt sich nicht. Nach einer gefühlten Ewigkeit vernehme ich ein Räuspern und drehe mich um. Vor mir steht eine Frau, die ich bereits kenne. Diejenige, die ich am Morgen vergebens gesucht habe. Es ist die Besitzerin dieser wunderschönen grünen Augen.

Meine miese Laune verwandelt sich in Freude. Ich kann mich gerade noch davon abhalten, aufzuspringen und einen Freudentanz aufzuführen. Auch meine Mundwinkel wollen sich verselbstständigen und nach oben wandern. Doch ich hindere sie daran. Ein leichtes Zucken kann ich aber nicht verhindern.

Ich brauche einen Moment, um mich zu sammeln und wieder zu dem Geschäftsmann zu werden, der ich immer bin, um mir nicht auf der Nase herumtanzen zu lassen.

Sie muss mich ebenfalls wiedererkannt haben, sie scheint in eine Schockstarre gefallen zu sein. Ihr Mund steht offen und ihre Augen sind geweitet.

Ich überlege, ob ich etwas zu unserem Zusammenstoß im Park sagen soll, verkneife es mir aber, weil es unprofessionell wäre. Stattdessen warte ich, bis sie sich gefangen hat, und mustere sie. Ihr Outfit verrät mir, dass sie ebenfalls Köchin ist.

Nach einer gefühlten Ewigkeit normalisieren sich ihre Gesichtszüge und sie findet ihre Sprache wieder. »Hallo, ich bin Maja Blum! Es freut mich, Sie kennenzulernen!«

Maja Blum heißt sie also. Jetzt kenne ich ihren Namen und weiß, wo sie arbeitet.

Ich strecke ihr meine Hand entgegen. »Sander, von Software Construction. Wo ist der Chef? So weit ich weiß, habe ich einen Termin mit Eduard.«

»Ähm …«, stammelt sie verlegen. »Eduard hatte einen Unfall. Er ist im Krankenhaus und hat mich gebeten, ihn zu vertreten.«

»Na schön«, antworte ich mit ruhiger Stimme. »Dann lassen Sie mal hören, was Sie mir anzubieten haben, Maja Blum.« Ich grinse sie an.

Maja reicht mir eine Mappe. »Hier, die Vorschläge hat Eduard ausgearbeitet.«

Ich nehme ihr die Unterlagen aus der Hand und blättere darin herum. Was ich lese, klingt alles nicht schlecht. Allerdings hat Eduard die Menüvorschläge zusammengestellt. Mich würde viel mehr interessieren, was Maja für Ideen hat.

Ich setze mein Pokerface auf und frage mit gelangweilter Stimme. »Das ist alles?«

Sie schaut mich an, als hätte ich ihr ein unmoralisches Angebot gemacht. Ihre grünen Augen funkeln mich an.

Es gefällt mir, aber ich lasse mir nichts anmerken. Ich ziehe mein Spielchen weiter durch, um zu sehen, wie lange ich brauche, um sie aus der Fassung zu bringen. Ihr wütender Gesichtsausdruck macht mich total an. In meiner Fantasie stelle ich mir vor, wie ich sie packe, sie an mich drücke und sie küsse.

Reiß dich zusammen!, ermahne ich mich selber.

6. Maja - Samstag

»Geschafft!«, ruft John und schmeißt das Geschirrtuch auf die Arbeitsfläche.

»Fürs Erste«, murmle ich und beginne, das benutzte Geschirr wegzuräumen.

»Kommst du mit raus?«

Ich werfe einen Blick auf die Uhr. »Ich glaube, heute wird das nichts. Der Kunde wird jeden Augenblick hier sein.«

John nickt. »Josef?«, ruft er nach dem Azubi, der gerade dabei ist, das Geschirr zu spülen.

Erschrocken schaut er auf. »Ja?«

»Kommst du mit in den Hof?«

Josef sieht einen Moment verwirrt aus. Bisher hatte John ihn nie gefragt, ob er mit ihm nach draußen geht. Doch er fängt sich schnell wieder. »Klar, gerne«, erwidert Josef und grinst breit.

»Viel Spaß euch beiden«, rufe ich ihnen hinterher.

Ich seufze und beneide sie. Wie gern würde ich jetzt mit einem von ihnen tauschen. Frische Luft wäre mir deutlich lieber, als ein Kundengespräch zu führen. Wer weiß, wie dieser Sander so drauf ist. Es wundert mich sowieso, dass er hierher kommt. Solche Nerds verbringen doch bestimmt den ganzen Tag in irgendeinem dunklen Keller vor ihrem Computer, zumindest stelle ich sie mir so vor. Wenn ich ehrlich bin, kenne ich keinen. Es sei denn, Streber zählen mit. In unserer Klasse gab es damals zwei Jungen, die vor Ehrgeiz nur so strotzten. Sie waren zwar nett, ihnen war der Schulstoff nur immer wichtiger als ihre Mitschüler.

»Maja!«, ruft Charlotte nach mir.

»Ja«, antworte ich erschrocken. »Ist der Kunde schon da?«

»Nein, ich wollte dir Bescheid geben, dass Maike und ich jetzt Pause machen. Ich habe Moni informiert, dass du auf einen Kunden wartest.«

»Okay, danke!«

Ich werfe einen Blick auf die Wanduhr. Es ist zehn Minuten vor zwei. Ich beobachte den Sekundenzeiger. Mit jeder Bewegung wächst meine Aufregung.

Ich könnte Eduard dafür erwürgen, dass er mir das Gespräch eingebrockt hat. Er hätte es auch John machen lassen können. Er scheint ein Fan von diesem Sander zu sein und er ist zudem viel souveräner. Er wäre definitiv ein besserer Küchenchef, als ich es bin.

Meine Augen können sich nicht von dem Sekundenzeiger lösen. Es hat eine hypnotische Wirkung, ihm zuzuschauen, wie er sich immer wieder im Kreis dreht.

»Maja?«, holt mich eine Stimme in die Realität zurück.

Ich zucke zusammen und drehe mich zur Tür.

Im Türrahmen steht Moni. Sie schaut mich verwirrt an.

»Ja?«, frage ich leise.

»Der Kunde ist da.«

»O-Okay«, stammle ich und bleibe wie angewurzelt stehen.

»Ich habe ihn ins Büro geführt«, teilt mir Moni mit.

Gedankenverloren nicke ich. »Ja, danke! Ich komme gleich.«

»Gut«, erwidert Moni und wendet sich zum Gehen ab.

Ich starre ihr einen Augenblick nach, bevor ich mich wieder fange. Mein Blick wandert durch die Küche, um sicherzugehen, nichts vergessen zu haben. Anschließend atme ich tief ein, straffe die Schultern und gehe ins Büro.

Auf einem der Besucherstühle sehe ich die Rückansicht eines durchtrainierten Mannes.

Er hat mich noch nicht gehört. Während ich zum Schreibtisch gehe, räuspere ich mich, um diesen Sander nicht zu erschrecken.

Er dreht sich ruckartig zu mir um und grinst breit.

Ich erstarre. Dieses Gesicht habe ich erst vor wenigen Stunden gesehen. Es gehört dem arroganten Typen, der mich gestern beim Joggen umgestoßen hatte. Obwohl es mir vorkommt, als wäre dieser Vorfall eine Ewigkeit her - in der Zwischenzeit ist eine Menge geschehen - sehe ich die Situation noch ein Mal vor mir. Das Gesicht dieses Sanders, als er abstritt, mich gestoßen zu haben.

Niemals hätte ich damit gerechnet, ihn jemals wiedersehen zu müssen, aber nun ist er unser Kunde und ich muss freundlich zu ihm sein. Ausgerechnet zu diesem Kerl.

Ich erwache aus meiner Schockstarre, gehe auf ihn zu und reiche ihm die Hand. Mir gelingt es, ein gequältes Lächeln aufzusetzen. »Hallo, ich bin Maja Blum! Es freut mich, Sie kennenzulernen!«

Er bleibt sitzen und reicht mir die Hand. »Sander, von Software Construction. Wo ist der Chef? So weit ich weiß, habe ich einen Termin mit Eduard.«

»Ähm …«, stammle ich. Bisher bin ich davon ausgegangen, dass Eduard diesen Sander über die Änderung in Kenntnis gesetzt hätte. So wie es aussieht, kümmerte sich unser Küchenchef seit seinem Sturz um nichts mehr. »Eduard hatte einen Unfall. Er ist im Krankenhaus und hat mich gebeten, ihn zu vertreten.«

Die Augen des Kunden werden größer. Er wirkt so, als würde er jeden Moment aufspringen und davon laufen wollen.

Ich setze mich hinter den Schreibtisch und mustere Sander aufmerksam. Jede seiner Gefühlsregungen versuche ich wahrzunehmen, auf der Suche danach, ob er mich erkennt. Aber so arrogant, wie der Kerl ist, hat er den gestrigen Vorfall längst vergessen. So gut, wie er aussieht, hat er bestimmt jeden Tag unzählige Zusammenstöße mit Frauen. Einige werden solche kleinen Unfälle sicher mit Absicht arrangieren.

»Na schön«, sagt Sander in einem ruhigen Ton. »Dann lassen Sie mal hören, was Sie mir anzubieten haben, Maja Blum.« Wieder liegt dieses breite unverschämte Grinsen in seinem Gesicht.

Ich wende meinen Blick von ihm ab und greife nach der Mappe, um sie ihm zu reichen. »Hier, die Vorschläge hat Eduard ausgearbeitet.«

Der Kunde nimmt die Mappe und blättert lustlos darin herum. »Das ist alles?«, fragt er, nachdem er den Hefter bis zur letzten Seite durchgeblättert hat.

»Ich verstehe nicht«, sage ich verwirrt. »Was brauchen Sie noch?«

»Vielleicht wollen Sie mir zu den einzelnen Menüs noch etwas erzählen?« Er schaut mich fragend an.

Ich schlucke. »Nun ja, die Vorschläge hat unser Chef ausgearbeitet …«

»Und was hätten Sie mir vorgeschlagen?«, erkundigt er sich herausfordernd.

»Hören Sie …«

»Nein, jetzt hören Sie mir zu! Ich möchte ein vernünftig ausgearbeitetes Menü ohne diesen ganzen Schnickschnack. Das«, er zeigt auf die Mappe, »ist nicht das, was ich will!«

Ich bin nicht in der Lage etwas zu sagen. Mit Mühe bekomme ich ein Nicken zustande.

»Ich möchte, dass Sie«, er deutet auf mich, »mir bis Mittwoch zwei Menüvorschläge ausarbeiten.«

»Bis Mittwoch? Heute ist Samstag«, widerspreche ich panisch.

»Ich weiß. Wenn Sie das nicht schaffen, muss ich mich an einen anderen Caterer wenden.«

»Na schön, haben Sie bestimmte Wünsche? Fleisch? Fisch? Vegetarisch? Vegan?«

»Nein, überraschen Sie mich! Zur Sicherheit sollten Sie aber auch etwas Vegetarisches als Alternative anbieten können.« Ohne eine Antwort abzuwarten, erhebt er sich. »Ich erwarte Sie am Mittwoch um fünfzehn Uhr in meinem Büro.« Er legt mir eine Visitenkarte auf den Tisch und verschwindet.

Ich bin unfähig, mich zu rühren und starre ihm nach.

Erst als ich Geklapper aus der Küche höre, komme ich langsam zu mir. »Was war das denn?«, flüstere ich und erhebe mich.

Ich betrete die Küche und bleibe im Türrahmen stehen. Die restliche Küchencrew hat meine Anwesenheit noch nicht mitbekommen. Ich beobachte sie und beneide jeden Einzelnen von ihnen. Keiner, der anderen muss sich mit Menüvorschlägen und eingebildeten Kunden auseinandersetzen. Sie alle machen ihren Job, so, wie unser Küchenchef es von ihnen verlangt.

John entdeckt mich als Erster. »Und wie ist es gelaufen?«

Ich schüttele den Kopf.

»So schlimm?«

»Schlimmer!«

»Das heißt?«

»Der Typ will, dass ich ihm zwei Menüvorschläge ausarbeite. Das, was Eduard vorgeschlagen hat, ist ihm zu abgehoben

»Ah ja. Hast du das schon dem Chef gesagt?«

Bei dem Gedanken, Eduard über das Gespräch zu informieren, wird mir flau in der Magengegend. Er wird mit der Kritik nicht umgehen können. Entweder wird er diesem Sander seine Meinung geigen oder er wird den Auftrag canceln.

»Nein.«

»Na dann viel Spaß.«

»Vielen Dank für deine aufmunternden Worte, John!«, sage ich und verziehe den Mund.

»Sorry, das war nicht so gemeint. Hast du schon Ideen für ein Menü?«

»Vielleicht. Ich brauche Vorschläge für zwei Drei-Gänge-Menüs und eine vegetarische Alternative. Und das Ganze muss bis Mittwoch fertig sein. Dieser Sander hat mich zu sich bestellt.«

»Okay, das ist nicht viel Zeit. Wenn du willst, helfe ich dir. Wir könnten uns nach Küchenschluss zusammensetzen und uns Gedanken machen.«

»Danke, das wäre toll.« Dankbar lächle ich meinen Kollegen an. »Jetzt werde ich aber erst mal versuchen, Eduard zu erreichen und ihm die Hiobsbotschaft mitteilen.«

***

»Hey Süße«, begrüßt mich Gini, als ich gerade die Haustür aufschließen will. Sie muss mir die ganze Zeit hinter einem der Fenster aufgelauert haben. Vielleicht hat sie auch nur mein Auto gehört. Es macht ordentlich Krach und hat seinen eigenen Klang.

»Hi Gini«, antworte ich erschöpft und umarme meine Freundin hastig. »Ist mein Opa schon im Bett?«, erkundige ich mich.

»Ja, ist er.« Gini löst sich von mir und geht in die Küche.

Ich folge ihr und hole mir eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank.

»Habt ihr zusammen gegessen?« Ich deute auf die Dose in meiner Hand.

»Ja, haben wir. Ich habe Auflauf gemacht. Soll ich ihn dir erwärmen?«

Ich verstaue meine mitgebrachten Essensreste im Kühlschrank und drehe mich zu Gini um. »Nein, danke. Ich habe keinen Hunger. Eigentlich esse ich abends nur wegen Opa. Er isst nicht gern allein.«

»Das musste er heute nicht. Du brauchst dir keine Sorgen machen. Allerdings …« Mitten im Satz bricht sie ab und dreht sich zu mir um. Ihr Gesichtsausdruck verrät, dass sie mir nun etwas Unerfreuliches sagen wird. Wenn ich ehrlich bin, habe ich eine Vermutung.

Ich atme tief durch und wappne mich für die Hiobsbotschaft. »Ja?«, frage ich flüsternd.

»Du hast mir ja erzählt, dass dein Opa Dinge verlegt und sie an den unmöglichsten Orten auftauchen. Heute ist etwas Schlimmes passiert, also fast …«

»Gini, bitte! Sag schon, was los ist!«

»August wollte heute Mittag für uns kochen, dann hat es geklingelt. Er ging zur Tür und ließ den Herd an. Danach hatte er das Essen vergessen und es ist verkohlt. Ich habe irgendwann etwas Verbranntes gerochen. Ich will wirklich nicht den Teufel an die Wand malen, aber wer weiß, was passiert wäre, wenn ich nicht zufällig hier gewesen wäre.« Gini mustert mich prüfend.

Mir steht der Mund vor Schreck offen. Der erste Schock verwandelt sich schnell in Trauer. Mein Blick ist verschleiert.

Gini nimmt mich wortlos in die Arme. »Scht, Süße. Es ist ja noch mal gut gegangen, aber wir müssen uns Gedanken wegen August machen.«

Ich nicke. Zu mehr bin ich nicht in der Lage. Inzwischen laufen mir die Tränen an den Wangen hinunter. Sie tropfen auf Ginis Pullover.

Ich schniefe und löse mich von meiner Freundin. »Ich habe dir deinen Pulli versaut«, flüstere ich und deute auf einen Fleck, der eindeutig von meiner Wimperntusche stammt. Ich hätte etwas mehr für ein wasserfestes Produkt ausgeben sollen, aber ich hielt es für unnötig, da ich normalerweise selten weine.

»Das ist doch egal. Wir müssen uns überlegen, was wir machen wollen.«

»Ich weiß«, krächze ich. »Ich wollte mit ihm längst zum Arzt gehen, um Gewissheit zu haben, ob es Altersdemenz ist. Ich habe schon seit einer Weile den Verdacht, dass es keine normale Altersvergesslichkeit ist. Doch August weigert sich und ich kann ihn nicht zwingen, oder?«

»Nein, das kannst du nicht. Aber wir könnten einen Arzt herbestellen.«

»Welcher Arzt würde das denn tun?«

»Na ja, ich hätte da vielleicht eine Idee.« Gini kaut auf ihrer Unterlippe.

»Und die wäre?«

»Kannst du dich noch an Steven erinnern?«, fragt sie.

Ich schaue sie nachdenklich an. Der Name sagt mir nichts. Mir ist niemand mit diesem Namen bekannt.

»Er ist Arzt und zufällig der Freund von Saskia.«

»Saskia?«, frage ich.

Gini schaut mich herausfordernd an, so, als müsste ich wissen, von wem sie spricht, aber ich habe ein Brett vorm Kopf.

»Jetzt mach es nicht so spannend!«, sage ich mit einem genervten Unterton. Ich hasse solche Ratespiele. Normalerweise gibt mir meine beste Freundin auch keine Rätsel auf.

»Saskia!«, sagt Gini mit Nachdruck. »Pascals Schwester!«

Endlich fällt bei mir der Groschen. »Saskia?«, frage ich mit piepsiger Stimme. »Meinst du sie und ihr Freund helfen uns, jetzt wo du nicht mehr mit Pascal zusammen bist?«

»Klar, warum nicht? Mit Saskia war ich von Anfang an auf einer Wellenlänge. Steven ist auch ganz in Ordnung.«

»Na schön. Wir können es ja versuchen.«

»Okay, dann rufe ich sie morgen an.« Gini schaut betreten zu Boden.

»Was ist?«

»Könntest du mir dafür dein Handy leihen?«

»Klar.« Ich seufze. »Was ist mit deinem?«

Gini zuckt mit den Schultern.

»Du willst wirklich nicht mit ihm reden, oder?«

»Nein, ich kann nicht.«

»Na ja …«, stammle ich.

Sie dreht den Kopf ruckartig in meine Richtung. »Was ist los?« Sie sieht mich wütend an, als hätte ich ihr soeben ihr Lieblingsspielzeug weggenommen.

»Pascal hat heute wieder angerufen. Ich bin rangegangen …«

»Und?«, unterbricht mich Gini mit finsterer Miene. »Was hat er gesagt? Was hast du gesagt?«

»Er hat mich nach dir gefragt. Er klang wirklich besorgt, weil er nicht wusste, wo du bist.«

»Und du hast es ihm erzählt«, stellt Gini fest und lässt die Schultern sinken.

»Nein, ich habe es ihm nicht erzählt, aber ganz ehrlich Süße, er kann es sich denken. Wo solltest du auch sonst sein?« Ich atme tief durch und fahre fort. »Auf jeden Fall wollte er wissen, was los ist. Ich habe ihm gesagt, dass du sie gesehen hast und er mich nicht mehr kontaktieren soll, weder telefonisch noch persönlich. Nun hoffe ich, er hält sich daran.«

»Oh Gott, meinst du, er taucht hier auf?«

Ich zucke mit den Schultern. Natürlich kann ich es mir vorstellen, aber es laut auszusprechen macht es zu real.

»Ja, er wird herkommen!«, kreischt sie und fuchtelt aufgeregt mit ihren Händen herum.

»Warum sollte er?«, versuche ich meine Freundin zu beruhigen. »Wenn er das wollte, wäre er doch längst hier, oder?«

»Vielleicht war er das …« Gini schüttelt den Kopf.

»Was?«

»Vielleicht ist er auf August gestoßen und er hat vergessen, es zu erzählen«, flüstert sie verlegen.

»Warst du heute unterwegs?«

»Ich war am Nachmittag kurz im Supermarkt, aber sonst war ich die ganze Zeit hier.«

»Okay, wir können meinen Opa ja morgen fragen, aber ich glaube es nicht. Warum sollte er ausgerechnet in der Zeit hier gewesen sein, in der du es nicht warst? Du hättest seinen Besuch garantiert mitbekommen. Du kennst doch meinen Opa. Pascal sollte sich in den nächsten Wochen von unserem Haus fernhalten. Mein Opa würde ihm die Leviten lesen, wie er es nennt.« Ich lächle zaghaft und schwelge in Erinnerungen.

Als Kind hatte mir mein Opa immer angedroht, er würde mir die Leviten lesen, wenn ich nicht anständig bin. Gemacht hatte er es nie, zumindest nicht richtig. Mehr als ein Satz, in dem er mir sagte, wie falsch mein Handeln war, brachte er nie über die Lippen. Er konnte mir einfach nie böse sein. Bei fremden Menschen ist das anders, da kann er schnell an die Decke gehen, wenn er wütend wird.

»Falls er sich überhaupt noch an Pascal erinnert.« Ginis Stimme klingt zittrig.

»Natürlich erinnert er sich an ihn! Er vergisst zwar manchmal Dinge, aber keine Menschen. Ich hoffe, dieser Steven kommt mal unverbindlich vorbei.« Ich schaue Gini ernst an. »Willst du Saskia wirklich anrufen? Sie wird dich bestimmt nach Pascal fragen?«

»Jepp.«

»Und? Wirst du ihr die Wahrheit sagen?«

Gini mustert mich. Ihr Gesichtsausdruck wirkt ungläubig. »Na klar! Warum sollte ich es ihr verheimlichen? Ich bin nicht fremdgegangen, also gibt es nichts, für das ich mich schämen müsste.«

Ich nicke gedankenverloren. »Vielleicht weiß sie es auch schon.«

Gini lacht auf. »Von Pascal sicher nicht. Er gibt nur ungern Fehler zu. Also wird er wohl kaum seine Schwester angerufen haben, um ihr zu sagen, dass er eine andere hat.«

Ich zucke mit den Schultern. »Kann sein.«

»Ich rufe sie morgen an und dann sehen wir weiter. So, nun erzähl mal, wie es mit dem Kunden genau gelaufen ist. In deiner Nachricht warst du sehr kurz angebunden.«

Ich nicke und hole tief Luft, bevor ich ihr von dem Termin mit Gregor Sander berichte. Dabei lasse ich die Begegnung im Park nicht aus. Während meiner Schilderung sagt meine Freundin kein Wort. Das braucht sie auch nicht. Ihre Gesichtszüge zeigen mir deutlich, was sie denkt. Zwischen einem Lächeln und einem ungläubigen Gesicht ist alles dabei.

»Und habt ihr jetzt die Menüvorschläge fertig?«, fragt sie, als ich ihr zuletzt von dem Brainstorming mit John erzählt habe.

Mein Kollege hat einige brauchbare Vorschläge einzelner Gerichte gemacht. Ich muss sie nur noch zusammenstellen. Die Gänge müssen perfekt aufeinander abgestimmt sein. Die neuen Speisen sind in der Zubereitung weniger aufwendig. Die Menüs lassen sich während des Tagesgeschäfts kochen. Mir steht aber immer noch die undankbare Aufgabe bevor, Eduard über die Planänderung zu unterrichten. Bis jetzt konnte ich weder ihn noch Manfred telefonisch erreichen. Zeitlich war es mir nicht möglich, ins Krankenhaus zu fahren.

Mir ist etwas mulmig vor der Reaktion des Küchenchefs. Andererseits sollte er froh sein, wenn dieser Sander irgendetwas davon akzeptiert und der Auftrag zustande kommt.

»Fast«, antworte ich gähnend. »Sei mir nicht böse, aber ich muss jetzt ins Bett.« Ich erhebe mich und gehe aus der Küche.

»Schade«, ruft Gini mir hinterher.

Ich drehe mich um und stecke den Kopf in die Küche. »Was ist los?«

»Ach, nichts Bestimmtes. Ich dachte nur, wir könnten noch ein bisschen quatschen. Das ist alles.«

»Sei mir nicht böse, aber ich bin kaputt und morgen muss ich wieder arbeiten. Am Montag habe ich erst frei.«

Gini nickt. »Na los, geh schon ins Bett.«

Бесплатный фрагмент закончился.

287,15 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
240 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783753190600
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают