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6.3.4 Sich möglicher Beobachtungsfehler bewusst sein

Die menschliche Wahrnehmung bildet die Umwelt nicht eins zu eins ab. Dies zeigt sich beispielsweise in Vexierbildern, wo verschiedene Menschen im gleichen Bild Unterschiedliches sehen. Was Menschen wahrnehmen, hängt von ihnen selbst, teilweise sogar von ihrer momentanen Verfassung oder von ihren Vorerfahrungen ab. Die Wahrnehmung von anderen Menschen hängt aber auch von der aktuellen Situation und der Person ab, die wahrgenommen wird. Allen Menschen unterlaufen Wahrnehmungsfehler. Aufgrund ihrer professionellen Kompetenz sollten sich Lehrpersonen dieser Gefahr aber bewusst sein und zum Beispiel Forschung zu impliziten Persönlichkeitstheorien[13] von Lehrpersonen kennen. Diese zeigen, dass Lehrpersonen zwischen guten und schlechten Schülerinnen, Neigungs-, Problem-, Indifferenz- und Ablehnungsschülern unterscheiden und sich gegenüber den verschiedenen Schülertypen systematisch anders verhalten (Hofer u. Haimerl 2008). Bekannt ist auch, dass Erwartungen als subjektive Annahmen über die Auftretenswahrscheinlichkeit eines zukünftigen Ereignisses, die Wahrnehmung desselben beziehungsweise das eigene Verhalten verändern. Mit «Pygmalion-Effekt» oder «selbsterfüllender Prophezeiung» wird die Wirkweise von Erwartungen in sozialen Interaktionen bezeichnet. Das andere Verhalten von Lehrpersonen gegenüber Schülerinnen und Schülern, von denen sie eine hohe Leistungserwartung haben, äußert sich in vier Faktoren: Erstens vermitteln die Lehrpersonen diesen Lernenden mehr und schwierigere Inhalte, zweitens geben sie ihnen genauere und positivere Feedbacks zu ihren Leistungen, sie räumen ihnen drittens mehr Zeit für Antworten und Fragen ein und gewähren ihnen viertens eine stärkere sozioemotionale Unterstützung. Dieses Verhalten wirkt auf die Lernenden. Sie nehmen sich und ihre Kompetenzen anders wahr und zeigen bessere Leistungen (Hofer u. Haimerl 2008).

Professionelle Lehrpersonen sollten weiter folgende mögliche Beobachtungsfehler kennen (Jürgens 1998, 105–115):

• Projektionsfehler: Lehrpersonen neigen dazu, eigene Eigenschaften, Persönlichkeitsmerkmale, Wünsche, Fehler und Zielsetzungen auf die Schülerinnen und Schüler zu übertragen und in deren Verhalten besonders deutlich wahrzunehmen.

• Halo-Effekte: Lehrpersonen nehmen einzelne Verhaltensweisen oder Leistungen von Lernenden vor dem Hintergrund eines globalen Allgemeineindrucks verzerrt (positiv oder negativ) wahr. Bei einem selbstbewussten Kind könnte zum Beispiel unberechtigterweise angenommen werden, dass es die Matheaufgaben selbstständig und korrekt lösen kann.

• Logische Fehler: Aus der Präsenz eines Leistungsmerkmals wird die Ko-Präsenz eines anderen erschlossen (z. B. wer gut ist in Mathematik, ist auch gut in Physik).

• Kausalattribuierungen: Je nach Ursache, welche die Lehrperson der Leistung einer Schülerin oder eines Schülers zuschreibt (Fähigkeit, Anstrengung, Glück), wird diese Leistung unterschiedlich wahrgenommen und beurteilt.

• Perseverationstendenz: Lehrpersonen neigen dazu, an einer einmaligen Wahrnehmung festzuhalten und weitere Indizien gar nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen.

• Kontexteffekte: Die Wahrnehmung der Lehrperson von Leistungen einzelner Lernender wird von Umgebungsreizen beeinflusst. Wenn die anderen Leistungen in der Klasse übermäßig gut sind, wirken die Leistungen eines bestimmten Kindes beispielsweise nur mittelmäßig, obwohl es unter einer unvoreingenommeneren Perspektive gute Leistungen erbringt.

Professionelle Lehrpersonen kennen nicht nur Beobachtungsfehler. Sie sind auch in der Lage, schon verfestigte Beobachtungen kritisch zu prüfen. Dabei achten Sie insbesondere auf eigene negative Wahrnehmungen. Forschungsergebnisse weisen nämlich darauf hin, dass es aus lernförderlichen Gesichtspunkten eher günstiger ist (siehe oben, Pygmalion-Effekt), wenn Lehrpersonen (verglichen mit standardisierten Testleistungen) die Leistungsfähigkeit ihrer Schülerinnen und Schüler leicht überschätzen (Helmke 2003, 89). Fällt einer Lehrperson also beispielsweise auf, dass sich dieselben Beobachtungen bei einem Schüler oder einer Schülerin wiederholen, und formuliert sie schon viele Beobachtungen auf nominalem Niveau als eigentliche Beurteilungen (wie z. B.: «Lisa ist eine unkonzentrierte Schülerin»), so sucht sie bewusst Situationen, in denen Lisa an einer Aufgabe bleiben kann oder in welchen spezifischen Situationen sie stärker oder weniger stark abgelenkt ist. Mit diesem bewussten Blick auf die Ressourcen eines Schülers oder einer Schülerin findet sie dann eher Ansatzpunkte für die weitere Förderung (Werning 2006). Geht es also um die individuelle Unterstützung, ist nicht distanziertes, nur auf das Ergebnis konzentriertes, objektives und vergleichendes Beobachten und Beurteilen gefragt, sondern verstehendes Beobachten der einzelnen Lernenden mit ihren Bedingungen und Voraussetzungen. Helmke (2003, 89) weist denn auch darauf hin, dass diagnostische Urteile von Lehrpersonen nicht besonders genau sein müssen, wenn sie sich der «Ungenauigkeit, der Vorläufigkeit und der Revisionsbedürftigkeit» ihrer Urteile bewusst sind. Damit Beobachtungen und die daraus abgeleiteten Beurteilungen nicht willkürlich und subjektiv sind, gehen Lehrpersonen beim Beobachten und Beurteilen systematisch und fragegeleitet beziehungsweise hypothesengeleitet vor. Insbesondere in anspruchsvollen Situationen gleichen sie ihre Beobachtungen mit denen anderer Lehrpersonen ab.

6.3.5 Mündliche und schriftliche Befragung als Erhebungsmethode

Beobachtungen und Dokumentenanalysen ermöglichen es Lehrpersonen, die Kompetenzentwicklung ihrer Schülerinnen und Schüler zu erfassen. Um einen verstehenden Einblick in individuelle Voraussetzungen, konkrete Überlegungen, gewählte Lösungswege, spezifische Schwierigkeiten oder in die Motivationslage einzelner Schülerinnen und Schüler zu bekommen, ist es jedoch notwendig, dass die Lehrperson mit ihnen Gespräche führt oder ihnen schriftlich spezifische Fragen stellt. Teilweise finden solche Gespräche spontan während des Unterrichts mit einzelnen Schülerinnen und Schülern als Feedbackgespräche statt (siehe Abschnitt 8.1). Spezifischere Themen einzelner Kinder oder Jugendlicher werden in geplanten Coachinggesprächen aufgegriffen.

Um einen Überblick über den Lernstand der Schülerinnen und Schüler zu erhalten, können im Klassenunterricht entsprechend der vierten Strategie (siehe Abschnitt 2.5.1) einfache Formen formativer Beurteilung eingesetzt und für die Steuerung der weiteren Lehr- und Lernprozesse genutzt werden. Mündliche und schriftliche Lernkontrollen können als Formen einer Befragung verstanden werden.

a) Mit diagnostischen Fragen das Verstehen der Lernenden erkunden

Zahlreiche Studien zeigen, dass Lehrpersonen im Unterricht sehr viele Fragen stellen, jedoch kaum mit dem Ziel, den Lernstand der Schülerinnen und Schüler zu erkunden. Gleichzeitig wird den Schülerinnen und Schülern wenig Zeit gelassen, nachzudenken und ausführlich zu antworten (z. B. Brown u. Wragg 1993). Für Wiliam (2011, 79) gibt es nur zwei Gründe, im Klassenunterricht Fragen zu stellen. Einerseits, um die Schülerinnen und Schüler zum Denken anzuregen (siehe kognitive Aktivierung als zentrales Merkmal von Unterrichtsqualität in Abschnitt 2.4.2). Andererseits sollen Lehrpersonen Fragen stellen, um Informationen zum Lernstand der Schülerinnen und Schüler zu erhalten und auf dieser Basis Entscheide für den weiteren Unterrichtsverlauf fällen zu können. Zu diesem Zweck sind Fragen oder Impulse notwendig, welche die Lernenden auffordern, nicht nur die Lösung zu nennen, sondern auch ihre Überlegungen zu einer (richtigen oder falschen) Lösung auszuführen. Damit soll verhindert werden, dass falsche Überlegungen, die zufällig zur richtigen Lösung geführt haben, für richtig gehalten werden und dann bei einer nächsten, etwas anspruchsvolleren Aufgabe nicht mehr zielführend sind. So funktioniert beispielsweise beim Addieren im Hunderterraum die Strategie, die Zehner- und die Einerziffern je einzeln zu addieren, nur so lange, als die Summe der Einerziffern den Zehner nicht überschreitet.

Um den Schülerinnen und Schülern Zeit zum Nachdenken und Austauschen über ihr Lernen und Verstehen zu geben, ist das Grundmuster des kooperativen Lernens (Think-Pair-Share) hilfreich. Dabei geht es grundsätzlich darum, dass die Lehrperson eine Frage oder Aufgabe stellt, die zunächst alle für sich beantworten (think). Danach tauschen sie ihre Überlegungen mit jemand anderem aus (pair). Schließlich fordert die Lehrperson Einzelne auf, ihre Antworten in der Klasse darzulegen (share).

Die Beispiele unter b) bis d) skizzieren weitere Möglichkeiten von einfachen Diagnosen (in Anlehnung an Wiliam u. Leahy 2015, 63–102 und Wiliam 2011, 71–105) und können von der Lehrperson im Klassenunterricht eingesetzt werden, um einen genaueren Überblick zum Lernstand der Klasse zu erhalten.

b) Sich für die richtige Lösung entscheiden

Jüngere Schülerinnen und Schüler entscheiden mit einer grünen oder roten Karte, ob die von der Lehrperson präsentierte Lösung richtig oder falsch ist. Bei älteren Lernenden werden vier mögliche richtige oder falsche Lösungen (A, B, C, D) präsentiert. Die Schülerinnen und Schüler halten jene ABCD-Karten hoch, welche richtige Lösungen zeigen (mehrere richtige Antworten möglich). Auch mit digitalen Tools können Lernende mit ihren Tablets, Smartphones oder Laptops diagnostische Fragen in Form von Abstimmungen (z. B. www.mentimeter.com) oder Spielen (z. B. www.kahoot.it) beantworten. Digitale Tools ermöglichen eine anonyme Datenerhebung sowie eine unmittelbare Präsentation der Ergebnisse in der Klasse und können als Ausgangspunkt einer weiterführenden Besprechung dienen. Die Konstruktion von Aufgaben oder Fragen für solche Kurztests verlangt fachdidaktisches Wissen, um (häufig) vorkommende Fehlvorstellungen in die Antworten zu integrieren beziehungsweise die falschen Antworten interpretieren zu können. Das Gespräch darüber, welche Überlegungen zu den Antworten geführt haben, ist von besonderem diagnostischem Wert, weil die Lehrpersonen Einblick in die Vorstellungen der Schülerinnen und Schüler erhalten (Wiliam 2011, 93–105).

c) Abschlussticket lösen

Gegen Ende einer Lektion stellt die Lehrperson eine kurz zu beantwortende Frage oder eine Aufgabe, um zu überprüfen, ob die Lernenden das Ziel der Lektion erreicht haben und bereit sind für den nächsten Schritt. Am Ende des Unterrichts geben die Lernenden die Lösungen ab. Mit der Durchsicht der Antworten kann die Lehrperson in der nächsten Lektion auf spezifische Probleme eingehen beziehungsweise den Lernständen entsprechend unterschiedliche Lernangebote (z. B. Aufgaben zum nochmaligen Durcharbeiten, zum automatisierten Üben oder Transferaufgaben) zur Verfügung stellen.

d) Mit Fragen die Reflexion über das Lernen anregen

Lernen sowie der Aufbau und die Weiterentwicklung von fachlichen und überfachlichen Kompetenzen verlangt auch ein Nachdenken über Prozesse und Erfahrungen. Häufig werden dazu Lerntagebücher oder Lernjournale genutzt. Die damit unterstützte Förderung metakognitiver Kompetenzen erweist sich als sehr lernwirksam (siehe Abschnitt 5.1). Ausgelöst werden kann die Reflexion durch geeignete mündliche oder schriftliche Impulse. Dabei lassen sich grundsätzlich ähnliche Fragen stellen und Impulse setzen, wie in Abschnitt 5.1 dargestellt.

Während gute Fragen die Reflexion über das Lernen anregen, dienen die Antworten der Lehrperson auch als Grundlage für Diagnosen.

6.3.6 Schriftliche und mündliche Lernkontrollen mit Fragen und Impulsen konstruieren

Eine spezifische und weit verbreite Form, um den Kompetenzaufbau (formativ oder summativ) zu überprüfen, sind mündliche und schriftliche Lernkontrollen (Prüfungen). Die Art der Fragen oder Impulse bestimmt, welche Leistung beziehungsweise Performanz von Lernenden gefordert ist und auf welche Kompetenzen/Kompetenzdimensionen geschlossen werden kann. Grundsätzlich lassen sich offene, halboffene oder geschlossene Fragen oder Impulse unterscheiden. Sie können kognitiv unterschiedlich anspruchsvoll gestellt werden. Eine Frage oder ein Impuls kann vertieftes Verstehen von Konzepten und das Beherrschen von Prozeduren verlangen oder ausschließlich Faktenwissen betreffen.

Offene Fragen oder Impulse zielen eher auf anspruchsvollere fachliche oder überfachliche Aufgabenstellungen und können schriftlich oder mündlich vorliegen.

Entsteht ein Text, eine Konstruktion, eine Darstellung oder ein Produkt, kann die Auswertung nach dem Verfahren einer Dokumentenanalyse vorgenommen werden. Die Ergebnisse werden entlang bekannter Kriterien, mit denen im Laufe des Unterrichts gearbeitet wurde, analysiert und beurteilt.

Bearbeiten die Lernenden die Frage oder den Impuls mündlich oder praktisch handelnd, entspricht die Datenerhebung einer aktiv-teilnehmenden Beobachtung, weil die Lehrperson das Gespräch oder die Aufgabenstellung moderiert und gleichzeitig beobachtet. Insbesondere bei summativen mündlichen Lernkontrollen muss die Lehrperson die Fragen und Impulse vorbereiten. Dies gewährleistet, dass die Fragen und Impulse zum Anwenden der aufgebauten Kompetenzdimensionen herausfordern und auf die zentralen Zielsetzungen des Unterrichts abgestimmt sind. Da bei einer teilnehmenden Beobachtung die Beurteilung der Performanz zeitnah erfolgt, muss sich die Lehrperson zudem der möglichen Ergebnisse und unterschiedlichen Qualitäten beziehungsweise der Erfolgskriterien bewusst sein. Hier sind wiederum strukturierte Beobachtungsinstrumente hilfreich.

Bei schriftlich gestellten Fragen sind unterschiedliche Antwortformate möglich (Sacher 2011). Sie können offen als leeres Feld gestaltet, teilstrukturiert sein oder vorgegebene Wahlantworten aufweisen. Single- oder Multiple-Choice-Fragen sind aufwendig zu konstruieren, wenn sie auf höhere Stufen der Taxonomie von Bloom zielen und kognitiv herausfordernd sein sollen. Zudem besteht die Gefahr, dass die Schülerinnen und Schüler nur raten oder sprachlich schwächere Schülerinnen und Schüler an den sprachlichen Anforderungen scheitern und die eigentliche fachliche Kompetenz nicht zeigen können.

Abbildung 15

Beispiele von Frage- und Antwortformate n


Frage/ImpulsBeispielAntwortformat
Geschlossene FrageNennen Sie die drei Bezugsnormen der Beurteilung.1.2.3.
Geschlossene Frage mit AuswahlantwortenWelche der folgenden Aussagen sind richtig?a) Die formative Beurteilung bezieht sich auf individuelle Lernziele.b) Für summative Beurteilungen müssen alle zur selben Zeit dieselben Aufgaben lösen.c) Für eine auf die Individualnorm bezogene Beurteilung müssen mindestens zwei Mal die gleichen Kompetenzen beobachtet werden.
Halb offene Frage/ImpulsBegründen Sie mit zwei unterschiedlichen Argumenten, warum sich Noten auf die Lernzielnorm beziehen sollen.1.2.
Offene Frage/ImpulsArgumentieren Sie mit aktuellen Erkenntnissen aus der Wissenschaft und mit Situationen aus dem Berufsfeld für oder gegen die Abschaffung von Noten.

Eine schriftliche summative Lernkontrolle mit Fragen (und Antwortformaten) ist so zu konstruieren, dass sie zum Anwenden der aufgebauten Kompetenzdimensionen herausfordert und auf die Schwerpunkte des Unterrichts ausgerichtet ist. Sacher (2011) spricht in diesem Zusammenhang vom Prinzip der proportionalen Abbildung. Zudem muss sich die Lehrperson bewusst sein, anhand welcher Kriterien sie die Qualität der Ergebnisse beurteilen kann.

Bei offenen Fragen oder Impulsen besteht die Aufgabe der Lehrperson darin, die Lösungsversuche der Lernenden differenziert wahrzunehmen, gegebenenfalls zu dokumentieren und in einem nächsten Schritt zu analysieren. Im Hinblick auf die Analyse ist es wichtig, dass sich die Lehrperson bereits im Vorfeld bewusst macht und am besten verschriftlicht, welche Erwartungen sie an eine gelungene Lösung richtet. Hat die Lehrperson ihren Erwartungshorizont geklärt, kann sie die vorliegenden Lösungen der Lernenden vor diesem Hintergrund begutachten. Da bei offenen Fragen oder Impulsen auch mit originellen, überraschenden Lösungen der Schülerinnen und Schüler gerechnet werden muss, sollte die Lehrperson jedoch flexibel bleiben und bereit sein, ihren Erwartungshorizont bei Bedarf neu zu justieren.

Im Gegensatz dazu wird bei geschlossenen Fragen bereits im Voraus im Detail überlegt, welche Lösungen als korrekt gelten. In diesem Fall werden im Rahmen der Operationalisierung möglichst eindeutig erfassbare Indikatoren für korrekte Lösungen festgelegt (Lösungsschlüssel).

6.3.7 Didaktische Landkarte kompetenzorientierter Beurteilungsanlässe

Die didaktische Landkarte in Abbildung 16 bietet Lehrpersonen eine Orientierungshilfe und zeigt verschiedene Varianten, wie im Unterricht je nach Fragestellung unterschiedliche Kompetenzen in einer Performanz sichtbar gemacht (hellgrün: Fragen 1–3) und diagnostiziert (dunkelgrün: Fragen 4–7) werden können. Die im Modell analytisch getrennten Aspekte einer Fragestellung (z. B. «Was wird beurteilt?») sind in Wirklichkeit nicht immer trennscharf zu unterscheiden. Sie dienen jedoch dazu, die große Palette von möglichen Beurteilungsanlässen aufzuzeigen und zu systematisieren.

Abbildung 16

Didaktische Landkarte kompetenzorientierter Beurteilungsanlässe


7 Informationen und Daten analysieren, beurteilen und bewerten

Hat die Lehrperson entlang ihrer aktuellen Fragestellung eine geeignete Vorgehensweise gewählt und Daten erhoben, geht es darum, einen Überblick über die gewonnenen Daten zu erlangen, indem diese dargestellt und analysiert werden. Daraus kann schließlich eine Diagnose beziehungsweise eine Beurteilung abgeleitet werden (siehe Abbildung 10). Bei diesem Vorgang gilt es, bestimmte Gütekriterien einzuhalten und einen sachgerechten Beurteilungsmaßstab (eine sogenannte Bezugsnorm) anzulegen. Bei Bedarf kann den erhobenen Daten auch ein Wert (z. B. eine Note) zugewiesen werden.

7.1 Interpretation und Analyse erhobener Informationen und Daten

Diagnostik zielt auf das Ableiten begründeter Entscheidungen ab. In der Schule beziehen sich solche Entscheidungen zum Beispiel auf die Unterrichtsplanung, die Beratung der Lernenden oder die Beurteilung von Schülerinnen und Schülern (Jürgens u. Lissmann 2015, 58).

Im Hinblick auf das Entwickeln einer Diagnose werden die entlang der jeweiligen Fragestellung erhobenen Daten strukturiert, ausgewertet und mit den Hypothesen abgeglichen, um daraus entsprechende Schlussfolgerungen zu ziehen (oder neue Hypothesen zu entwickeln).

Im Zusammenhang mit der Beurteilung von Kompetenzen in Schule und Unterricht beziehen sich diagnostische Fragestellungen zumeist auf die Optimierung des Lernens (formativ), eine Standortbestimmung des Lernens (summativ) oder auf Laufbahnfragen (prognostisch). Im Hinblick auf diese drei Funktionen der Beurteilung (siehe Abschnitt 2.5) ist es zunächst notwendig, die gewonnenen Daten zur Ist-Situation mit den Lernzielen in Beziehung zu setzen, um zu entscheiden, inwiefern und allenfalls wie gut diese erreicht wurden. Je nach Funktion werden aus einer oder mehreren Beurteilungen andere Schlüsse gezogen und Maßnahmen abgeleitet.

Zur Ermittlung der Ist-Situation werden einerseits die bei der Datenerhebung verwendeten Aufgabenstellungen und andererseits die mittels Beobachtung, Befragung und Dokumentenanalyse gewonnenen Daten analysiert. Die Aufmerksamkeit gilt je nach Fragestellung zum Beispiel Beobachtungen zu Lösungswegen, beigezogenen Hilfestellungen, Motivation, Frustrationstoleranz, Stärken oder eigenständigem Arbeiten. Es können aber auch Ergebnisse von Dokumentenanalysen von Interesse sein, etwa wenn es um Originalität, Zweckmäßigkeit, Ästhetik oder Korrektheit geht.

Wird das Erreichen geschlossener Lernziele (konvergente Leistungen; siehe Abschnitt 4.4.1) beurteilt, so muss entschieden werden, ob und in welcher Qualität das Erfolgskriterium erfüllt wurde, um zu einer Diagnose im Hinblick darauf zu gelangen, ob das entsprechende Lernziel erreicht wurde.

Wurden offene Lernziele (divergente Leistungen; siehe Abschnitt 4.4.2) mit Erfolgskriterien zur Wahl eingesetzt, so müssen die Arbeiten in einem zirkulären Prozess eingeschätzt werden (Winter 2015, 99). Die Lehrperson versucht, das Lernen beziehungsweise die Leistung der Schülerin oder des Schülers zu verstehen, indem sie ihre Aufmerksamkeit zirkulär auf das Ganze und dann wieder auf die einzelnen Kriterien richtet. Anders ausgedrückt: «Die Beurteilung einer ganzheitlichen Leistung wird letztlich ein hermeneutischer Kreisprozess bleiben müssen, der vom anfänglich-undifferenzierten Gesamteindruck über eine Überprüfung und Korrektur desselben an Details zu einem abschließend-differenzierten Gesamteindruck zurückführt» (Sacher 2009, 155). Dabei kommt es «nicht in erster Linie darauf an, ob ein Urteil wahr ist, sondern ob es Entscheidungen ermöglicht, die den oder die Lernenden weiterbringen» (Winter 2015, 99). Auch aus der Gesamteinschätzung sowie der Beurteilung der einzelnen Erfolgskriterien eines offenen Lernziels lassen sich Diagnosen und Fördermaßnahmen ableiten.

2 598,16 ₽
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573 стр. 89 иллюстраций
ISBN:
9783035518979
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