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Kapitel 4

Micha

»Swift?«

Micha hätte nicht erwartet, dass seine Rückkehr nach Pine Cove noch demütigender werden könnte. Er hatte sich getäuscht.

Nachdem er aus seinem Spielmodus gerissen wurde, sah er sich in der Küche um. Da waren Pops, sein Bruder Rhett, seine Schwester Darcy und Frauen, an die er sich von früher erinnerte. Und da war…

Swift Coal. Verdammt.

Micha hatte sich immer noch nicht so ganz von seiner kurzen Haft, der Gerichtsverhandlung und seiner dämlichen Rückkehr nach Pine Cove erholt. Und da musste ausgerechnet dieser herrliche, perfekte Swift hier auftauchen? Von allen denkbaren Besuchern ausgerechnet er?

Er war immer eine Art Heiliger gewesen – der Starathlet mit den guten Noten und den perfekten Manieren. Genau die Art von Mann, die Micha nie werden würde, so sehr er sich das auch immer gewünscht hatte. Swift und Rhett hatten sich auf der Oberschule angefreundet und waren auch danach in Kontakt geblieben, obwohl sie an unterschiedlichen Colleges studierten. Nach dem Studium ließen sie sich in Pine Cove nieder und wurden allerbeste Freunde.

Micha war damals mitten im Teenageralter und kostete seine pubertäre Libido mit voller Macht aus. Als Swift Coal ständig im Haus auftauchte, um Rhett zu besuchen, fiel Micha in ein Lustkoma, das ihm unmissverständlich klarmachte, dass seine Vermutung richtig und er schwul war.

Sobald Swift den Raum betrat, konnte er keinen klaren Gedanken mehr fassen. Swift hatte goldbraune Haut, sonnengelbe Haare, ausgeprägte Muskeln und ein Lächeln, das Michas Herz und Schwanz gleichermaßen zum Leben erweckte. Er stolperte über seine eigenen Füße, wenn er den gottgleichen Swift nur ansah.

Und jetzt war Swift hier.

Halt. Warum war er eigentlich hier? Während Michas Verstand sich langsam entwirrte, brach die Realität wie eine kalte Dusche über ihn herein.

Imogen saß auf seinem Schoß. Swift war ihr Daddy. Und das hieß, dass ihre Mommy entweder Swifts Frau oder seine Freundin war.

Micha war am Boden zerstört vor Enttäuschung. Es war geradezu lächerlich. Er hatte doch immer gewusst, dass Swift nicht schwul war und auch nicht wundersamerweise bisexuell oder sonst was. Swift würde dem missratenen kleinen Bruder seines besten Freundes nie auch nur einen zweiten Blick gönnen. Es gab nichts, worauf Micha eifersüchtig sein konnte. Er sollte sich darüber freuen, dass Swift glücklich war und eine Familie hatte.

Micha hoffte, dass dieses Gedankenwirrwarr ihm so schnell durch den Kopf geschossen war, wie es sich angefühlt hatte. Sonst hätten ihn die anderen nämlich unangenehm lange angestarrt.

Er wäre beinahe wieder über seine eigenen Füße gestolpert, obwohl er stocksteif im Zimmer stand. Micha schlang sich die Arme um den Leib und hoffte, dass sein Lächeln nicht allzu grimassenhaft aussah. Oh Gott, Swift hatte vermutlich schon gehört, dass der jüngste Perkins jetzt vorbestraft war. Die Demütigung drohte, ihn zu überwältigen.

Swift zog die Augenbrauen hoch und ein leichtes Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. »Micha. Wow. Lange nicht gesehen. Schön, dass du wieder zu Hause bist.«

Micha warf einen Blick auf seinen Bruder. Mit dieser Reaktion hatte er nicht gerechnet. Hatte Rhett seinem Freund von Michas Verhaftung erzählt? Oder hatte er es verschwiegen, weil er sich schämte? Wie auch immer, jedenfalls flippte Swift nicht aus, weil sein kleines Mädchen mit einem Kriminellen gespielt hatte.

»Danke«, sagte Micha mit dem Anflug eines Lächelns. Sein Magen zog sich krampfhaft zusammen und sein Schwanz pochte. Und das alles nur, weil er Swift persönlich gegenüberstand. Micha hielt sich von Facebook und anderen sozialen Medien fern. Sie waren einfach nicht sein Ding. Deshalb hatte er auch schon lange keine Fotos mehr von Swift gesehen und… Verdammt. Swift war noch heißer als früher. Micha fragte sich, ob er immer noch in dem Fitnessstudio als Trainer arbeitete.

Imogen drehte sich zu Swift um und sah ihn mit ihren braunen Augen ernst an. Die musste sie von ihrer Mom haben, denn Swifts Augen waren so blau wie der Himmel.

»Ist Micha auch dein Freund?«, fragte sie ihn.

Swift blinzelte überrascht. Dann lächelte er seiner Tochter zu. »Ja«, antwortete er zu Michas Überraschung.

Ein Anflug von Stolz wärmte Micha das Herz. Dachte Swift wirklich, sie wären nach all den langen Jahren noch Freunde? Sicher, Micha hatte oft mit ihm und Rhett rumgehangen. Aber er war davon ausgegangen, dass sie ihn immer nur als den störenden kleinen Bruder gesehen hatten, der ihnen im Weg war.

Doch dann lächelte ihn Swift an und sein Lächeln war so ehrlich, dass Michas Herz zu flattern anfing. Er konnte sich nicht erinnern, wann er das letzte Mal von einem Menschen so angestrahlt worden war, der nicht zu seiner unmittelbaren Adoptivfamilie gehörte. Vielleicht von Brie, wenn er ihr ein Eis spendierte und sich an ihren Lieblingsgeschmack erinnerte. Guter Gott. Er hoffte wirklich, dass es ihr gut ging.

Swift zeigte auf Michas Geschwister. »Erinnerst du dich noch an Onkel Rhett und Tante Darcy? Ich habe sie dir vorhin vorgestellt. Micha ist ihr Bruder, also ist er auch dein Onkel.«

Imogen schnappte nach Luft. Dann drehte sie den Kopf zu Micha um. »Kann ich ihn dann wieder besuchen? Wollen wir wieder zusammen spielen, Onkel Micha?«

Micha war gerührt, wollte aber seine Grenzen nicht überschreiten. »Nun, wenn dein Daddy es erlaubt?«

Für eine Sekunde sahen sich Micha und Swift schweigend an. Es war, als würde ihm ein leichter Stromstoß durch den Körper gejagt, der seine Haut zum Kribbeln brachte. Dann erinnerte er sich ans Luftholen und lächelte Swift verlegen an. Zu seiner Überraschung erwiderte Swift das Lächeln.

»Aber sicher«, sagte Swift und nickte Imogen zu. »Du kannst auch die anderen Kinder besuchen. Jetzt sollten wir allerdings nach Hause fahren. Ich will dir noch dein neues Zimmer zeigen und Oma sagt, dass sie mit dir einkaufen gehen will. Du brauchst einen neuen Schlafanzug. Was meinst du?«

Imogen sah eine ältere Frau an, in der Micha jetzt Swifts Mutter erkannte. Deb. Imogen überlegte kurz und nickte dann. »Okay. Danke sehr, Oma.«

Einen Moment… Neues Zimmer? Das machte doch keinen Sinn. War Swift gerade umgezogen? Oder hatte er sich von Imogens Mutter getrennt und war ausgezogen?

Dafür wirkte er allerdings viel zu fröhlich.

Nicht, dass Micha jemandem eine Scheidung gewünscht hätte. Schon gar nicht einem so netten Mann wie Swift. Micha lächelte, als er sich daran erinnerte, wie fürsorglich Swift früher seine jüngeren Geschwister beschützt hatte, die alle schwul waren. Vermutlich hatte er innerlich immer gehofft, Swift wäre vielleicht auch bi oder so. Ausgeschlossen war das auch jetzt noch nicht. Solange Swift nur glücklich war – wie auch immer –, freute sich Micha für ihn.

Das hieß aber noch lange nicht, dass Swift von seinen Problemen hören musste, falls er noch nichts davon erfahren hatte. Was allerdings an ein Wunder grenzen würde. Am besten war, Micha ging dem Thema einfach aus dem Weg.

»Es war nett, dich wiederzusehen«, sagte er zu Swift. »Und ich habe mich sehr gefreut, dich kennenzulernen, Imogen. Ihr habt bestimmt noch viel vor und ich…«

»Ja, richtig«, sagte Pops und setzte sich auf, als hätte er gerade eine gute Idee gehabt. Sogar Peri, die Schäfchenwolke, hob den Kopf, um Pops zu lauschen. Und so war es dann auch. Pops sah Micha an und schnipste mit den Fingern. »Darcy, haben wir nicht noch die Kisten mit den Kindersachen bei uns auf dem Dachboden?«

Darcy nickte stirnrunzelnd. »Ja, ich glaube schon. Es war einfacher, als sie in unser Haus zu bringen.«

Pops grinste und nickte ebenfalls. »Hervorragend. Micha, könntest du Swift damit helfen?«

Micha zog die Augenbrauen hoch und sah Rhett fragend an.

Er hatte nichts dagegen, Swift zu helfen. Aber was ging hier vor? Rhett war doch Swifts bester Freund, nicht Micha. »Sicher. Aber Rhett…«

»Der muss zu seinen Babys zurück. Stimmt's, Rhett?« Pops schüttelte würdevoll mit dem Kopf. »Louella kann sich doch nicht allein um die beiden Teufelchen kümmern, oder?«

»Oh nein«, stammelte Rhett. »Mein Gott, ich habe komplett die Zeit vergessen. Natürlich nicht!« Er sprang hastig von seinem Stuhl auf.

Rhett hatte Micha schon gestanden, dass er sich immer noch daran gewöhnen müsste, jetzt Vater zu sein. Micha konnte das verstehen, denn Rhett und Louella hatten die Babys erst vor rund einem Monat adoptiert. Sosehr Micha Kinder auch liebte, er war sich nicht sicher, ob er in der Lage wäre, für ein ganzes Leben die Verantwortung für ein Kind übernehmen zu können. Schon gar nicht für zwei. Er konnte sich ja kaum um sich selbst kümmern.

»Bis später dann?«, sagte Rhett, winkte ihnen zu und eilte aus der Küche. Pops warf Micha einen fragenden Blick zu.

»Oh. Ja, äh…«, stammelte Micha. »Natürlich kann ich dir helfen, Swift.« Er meinte es ehrlich. Seine lächerliche Verliebtheit hatte offensichtlich im Laufe der Jahre nicht nachgelassen. Das hieß jedoch noch lange nicht, dass er sich nicht zusammenreißen und wie ein erwachsener Mann aufführen konnte. Wenn Swift Hilfe brauchte, war Micha für ihn da.

»Danke, Junge«, sagte Darcy und gab ihm einen Klaps an den Arm.

Das machte sie schon, seit Micha als verängstigter Zehnjähriger hier angekommen war. Aber es war wohl das erste Mal, dass er nicht zusammenzuckte, wenn sie ihn Junge nannte und dabei – wenn auch nur im Spaß – nach ihm schlug. Es fühlte sich eigentlich recht nett an. Vielleicht fing er ja doch an, die traumatischen Erfahrungen seiner Kindheit langsam zu überwinden.

»Kein Problem«, sagte er und hoffte, seine aufgesetzte Fröhlichkeit hörte sich normal an. »Nach was suchen wir?«

Darcy trommelte mit den Fingern an ihre Kaffeetasse. »Wenn ich mich recht erinnere, nach einer weißen Kiste mit der Aufschrift Peppers Klamotten und einer braunen, auf der Peppers Spielsachen steht. Falls nicht Leon die Kisten gepackt hat. Dann hat er sie vermutlich mit Rätseln aus Dungeons & Dragons beschriftet und Cthulhu stehe euch bei.«

Damit löste sie bei allen lautes Gelächter aus. Swift fragte Imogen, ob sie mit ihrer Oma knuddeln wollte. Deb rutschte so aufgeregt auf ihrem Stuhl hin und her, als hätte sie ihre Enkelin noch nie in den Armen gehalten. Micha machte ihr keine Vorwürfe. Es war besser, seine Liebe zu einem Kind etwas zu überschwänglich zu zeigen, als den Scheck vom Sozialamt in Empfang zu nehmen und sich ansonsten einen Dreck zu scheren.

Er war so begierig darauf gewesen, zu helfen und seinem Pops zu zeigen, dass er ihm dankbar und ein Teamplayer war. Deshalb fielen ihm die Konsequenzen seiner Zusage erst auf, als Swift aufstand und Imogen ihrer Oma übergab.

»Willst du vorausgehen?«, fragte Swift ihn.

Ah. Er würde mit Swift allein sein. Das war so ziemlich das genaue Gegenteil dessen, was Micha beabsichtigt hatte. Doch wenn er jetzt einen Rückzieher machte, würden sie ihn für einen Faulenzer halten, und das war definitiv nicht richtig. Er wollte Pops beweisen, dass er auch eine Hilfe sein konnte, ohne gleich alles zu vermasseln.

Obwohl er das vielleicht eher sich selbst beweisen wollte als Pops.

Wie auch immer. Er durfte sich jetzt jedenfalls nicht blamieren, durfte Seattle nicht erwähnen und auch nicht, dass er dort mit dem Gesetz in Konflikt geraten war. Er musste sich Mühe geben und durfte sich nicht wie ein Idiot aufführen.

Wenn er nur nicht selbst sein größter Feind wäre…

»Oh mein Gott, ein Kätzchen!«, rief er und ging zu der grauen Box, die auf der Kommode stand. Er hatte sie nicht beachtet, als er in die Küche gekommen war. Seine ganze Aufmerksamkeit war auf Swift gerichtet gewesen, den er seit Jahren das erste Mal wiedersah. Micha liebte Katzen und als er das kleine rote Fellknäuel in der Box sitzen sah, hockte er sich vor die Kommode, um es sich durchs Gitter zu betrachten.

Und hätte beinahe ein Auge verloren.

Die Katze fauchte und schlug mit den Krallen nach ihm. Micha konnte gerade noch rechtzeitig ausweichen und zurückspringen. Und zwar direkt in Swifts starke Arme, der ihn auffing und an seine harte Brust drückte.

Micha erstarrte. Miiist, schrie es in ihm, als er vorsichtig den Kopf hob. Swift schaute auf ihn herab und lächelte bedauernd.

»Sorry. Er ist anscheinend nicht ganz ungefährlich.«

Imogen kicherte und wippte auf Debs Schoß auf und ab. »Butter Bee ist lustig!«, rief sie.

Micha wünschte, der Boden möge sich unter ihm auftun und ihn verschlucken. So peinlich ihm die Sache auch war, sein Schwanz scherte sich nicht darum und freute sich über Swifts Berührung. Reiß dich zusammen!, schalt Micha sich und befreite sich aus Swifts Händen.

»Von der Katze fernhalten«, sagte er nickend und salutierte. »Ich merke es mir. Wollen wir jetzt, äh… nach den Sachen suchen?«

Swift strahlte, sah die anderen Anwesenden kurz an und streckte den Arm aus. »Nach dir.«

Das waren die perfekten Manieren, an die Micha sich noch so gut erinnerte. Und ihre Wirkung war noch genauso verheerend wie früher.

Swift war verdammt sexy, aber der Hauptgrund, warum sich Micha in ihn verliebt hatte, waren seine liebenswerte Freundlichkeit und Güte. Sexy konnte jeder sein – beispielsweise auch Dale. Rein objektiv gesehen war dieses Arschloch unglaublich sexy. Aber er war eben auch ein Arschloch und das hatte Micha, der anfangs in ihn vernarrt gewesen war, sehr schnell erkannt. Ein Mann wie Swift – fürsorglich und immer für seine Freunde da – war dagegen heißer als jeder Porno, den Micha sich nur vorstellen konnte.

Es war also nur gut, mit ihm in einen dunklen, engen Raum zu kriechen. Micha musste sich nur zusammenreißen, um sich nicht zu blamieren.

Nicht schon wieder.

»Scheißleben«, murmelte er und ging voraus zum Dachboden.

Kapitel 5

Swift

»Die Katze heißt also Butter?«, fragte Micha, während Swift hinter ihm die Treppe ins oberste Stockwerk hinaufstieg.

Swift zuckte lachend mit den Schultern. »Sieht so aus. Keine Ahnung, warum. Als weich und zart kann man das Biest jedenfalls nicht bezeichnen. Es ist genauso gemein, wie es aussieht.« Er zeigte Micha seine Hand, die schon mit etlichen Pflastern verklebt war. Und dabei hatte er den verdammten Kater noch nicht einmal aus der Box gelassen.

Micha blieb oben stehen und wartete darauf, dass Swift ihm nachkam. »Habt ihr ihn gerade erst adoptiert oder was?«

Oh Mist. Micha wusste noch nicht Bescheid. Swift hatte selbst noch nicht ganz verarbeitet, was heute alles passiert war, von den anderen gar nicht zu reden. Er war irgendwie davon ausgegangen, dass Rhett Micha informiert hätte, doch Rhett war in dieser Beziehung zurückhaltend. Er tratschte nicht über fremde Angelegenheiten und hatte es offensichtlich Swift überlassen wollen, Micha in die ganze Geschichte einzuweihen.

»Ja, also…«, sagte er und überlegte, womit er anfangen sollte. Er stemmte die Hände in die Hüften und nickte. »Du warst nicht in der Stadt, deshalb weißt du vermutlich nicht Bescheid. Ich habe erst heute erfahren, dass Imogen meine Tochter ist. Die Katze gehört ihr. Ihre Mom hat Schwierigkeiten, der CPS hat mich angerufen und… nun, hier ist sie.«

Micha sah ihn mit aufgerissenen Augen an. »Meinst du das ernst?«, flüsterte er.

Swift nickte und Micha leckte sich über die Lippen. Swift musste sich zwingen, den Blick abzuwenden.

Früher hatte er damit keine Probleme gehabt, aber damals war Micha auch noch ein Kind gewesen. Guter Gott, nichts daran war auch nur ansatzweise passend – weder das Timing noch die Person noch sonst was. Aber so beharrlich Swift seinem Schwanz auch klarzumachen versuchte, dass jetzt wirklich nicht der passende Zeitpunkt wäre, aufzuwachen und sich zu verknallen – das dämliche Ding wollte nicht auf ihn hören.

Er verlagerte das Gewicht und versuchte unauffällig, seine Jeans zurechtzurücken. Glücklicherweise hatte er sich vorhin noch schnell umgezogen, weil er bei dem Termin mit dem CPS einen guten Eindruck machen wollte. Dadurch waren die kritischen Stellen jetzt stoffbedeckter, als das vorher der Fall gewesen war.

Er gab sich in Gedanken einen Tritt in den Hintern. Vermutlich war er nur erschöpft von der langen Autofahrt und dem Schock. Jedenfalls war jetzt nicht der passende Zeitpunkt, um über einen Mann nachzudenken. Swift hatte seine Bisexualität in der Vergangenheit nicht ausgelebt und wollte auch jetzt nicht damit anfangen. Nicht mit Rhetts jüngerem Bruder und ganz sicher nicht, solange er sich vor allem um Imogen kümmern musste.

Der Gedanke an seine Tochter beruhigte ihn wieder. Sie war seine Priorität. Er durfte sich nicht durch ein schönes Gesicht von seinen Verpflichtungen ablenken lassen.

»Ja«, beantwortete er Michas Frage. »Ich war kurz mit ihrer Mom liiert. Sie ist dann weggezogen und hat mir nicht gesagt, dass sie schwanger war. Das war vor fünf Jahren.«

»Und CPS hat sie ihrer Mom weggenommen?«, hakte Micha nach.

Swift nickte nur. Er wollte nicht in die Details gehen oder schlecht über die Mutter seiner Tochter reden. Es kam ihm falsch vor. »Vorübergehend. Aber ich hoffe, dass wir uns das Sorgerecht teilen können, wenn sie wieder auf die Beine gekommen ist. Ich…« Seine Stimme versagte. Er überdeckte die Gefühle, die so unerwartet in ihm aufwallten, mit einem Lächeln. »Ich wusste nicht, dass ich Vater geworden bin. Aber ich bin mir sicher, dass ich es bleiben möchte.«

Micha überlegte kurz, dann erwiderte er Swifts Lächeln. »Ich wette, du wirst ein wunderbarer Vater sein«, meinte er leise.

Swift lachte unsicher. »Ich weiß nicht. Ich habe eine Heidenangst davor«, gestand er.

Micha zog eine Augenbraue hoch. »Du hast Imogen davor bewahrt, in ein Heim oder zu Pflegeeltern gebracht zu werden, stimmt's?« Swift nickte. »Dann hast du jetzt schon alles richtig gemacht«, beschied ihm Micha, drehte sich auf dem Absatz um und ging zu der Klappe in der Decke, die zum Dachboden führte.

Swift atmete tief durch. Micha hatte recht, es war ein guter Anfang. Das Dumme war nur, dass Swift sich nicht ansatzweise vorstellen konnte, was noch an Problemen auf ihn zukommen würde, und schon gar nicht, wie er sie lösen sollte. Aber jedenfalls wusste Imogen, wo sie heute Nacht schlafen würde und wenn es in Swifts Macht stand, würde sich das auch niemals ändern. Sie musste keine Angst haben.

Im Gegensatz zu Micha, als der noch ein Kind war.

Swift folgte ihm durch den Flur zur Dachluke, wo Micha mittlerweile die Leiter nach unten zog, damit sie auf den Dachboden klettern konnten. »Es ist komisch«, meinte Micha kopfschüttelnd. »Ich habe das seit Jahren nicht mehr gemacht, aber es fühlt sich immer noch an, als wäre es erst gestern gewesen.« Er warf Swift einen Blick zu, als wäre ihm gerade aufgefallen, dass er zu viel gesagt hatte.

Swift wusste, dass Micha vor Jahren nach Seattle gezogen war. Er wusste auch, dass Micha vor einigen Monaten mit Problemen gekämpft hatte. Und jetzt musste Swift sich eingestehen, froh darüber zu sein, dass Micha wieder nach Hause gekommen war. So erwachsen Micha auch geworden war und so hart er wirkte mit seinen Tattoos – da war immer noch diese Zerbrechlichkeit in ihm, sodass Swift ihn am liebsten in die Arme genommen hätte, um ihn vor allem Bösen dieser Welt zu behüten.

Doch das stand ihm nicht zu. Also lächelte er Micha nur an und fasste nach der Leiter. »So ist das mit einem Zuhause«, sagte er zu Micha. »Es wartet immer nur darauf, dass du wieder zurückkommst.«

Micha brummte, aber sein Lächeln erreichte nicht die Augen. Er stieg auf die Leiter und kletterte nach oben.

Swift sah ihm nach und wartete, bis Micha oben angekommen war, bevor er ihm folgte. Er wollte die persönliche Distanz wahren und lieber etwas Abstand halten. Während er die Leiter hochstieg, stellte er sich vor, wie es wohl gewesen sein mochte, so aufzuwachsen wie Micha. Micha war immer allein und auf sich selbst gestellt gewesen. Das hatte sich erst geändert, nachdem die Perkins ihn als Zehnjährigen adoptierten.

Rhett hatte ihm vor Jahren die ganze Geschichte erzählt. Micha war nur wenige Stunden nach seiner Geburt in einer der Nachbarstädte von Pine Cove vor einer Polizeistation ausgesetzt worden. Er war in einen Pullover gewickelt, an dem ein Zettel steckte: Ich heiße Micha. Bitte kümmert euch um mich. Swift hatte das immer entsetzlich gefunden. Wer konnte einem Baby so etwas antun? Später, als er älter wurde, musste er zugeben, dass Michas Mutter vielleicht nur versucht hatte, ihrem Baby eine bessere Chance zu geben, als sie selbst es gekonnt hätte.

Leider hatte Micha mit seinen ersten Pflegefamilien nicht viel Glück gehabt. Rhett kannte die Details nicht und hatte nur wiederholt, was ihnen seine Eltern erzählt hatten. Nämlich, dass manche Leute Pflegekinder nur aufnahmen, um dafür einen Scheck vom Staat zu kassieren.

Gott sei Dank hatten die Perkins ihn gefunden und zu sich geholt. Sie hatten im Laufe der Jahre viele Pflegekinder aufgenommen, aber adoptiert hatten sie nur Rhett und seine Geschwister. Und dann Micha.

Die Kinder, die sonst niemand wollte.

Swift wäre beinahe wieder wütend geworden, als er über Michas Vergangenheit nachdachte. Doch das hätte nichts geändert. Er musste sich auf die Zukunft konzentrieren. Und obwohl er einen mehr als seltsamen und anstrengenden Tag hinter sich hatte, musste er sich eingestehen, dass er sich sehr darüber freute, dass Micha in sein Leben zurückgekehrt war.

Vermutlich bleibt er nicht lange, dachte er traurig, als er den Kopf durch die Dachluke steckte. Micha würde sich bestimmt bald wieder auf den Weg machen, zurück in die Großstadt. Swift wollte die kurze Zeit mit ihm genießen, solange er konnte.

»Imogen hat gerne draußen mit dir gespielt.« Swift stützte sich mit den Ellbogen auf den Rand der Dachluke und sah zu, wie Micha sich durch Kisten mit Weihnachtsschmuck, Kleiderpuppen, Kinderräder und Golfschläger wühlte.

Micha sah ihn mit großen Augen an. »Oh, äh… Ich hoffe, es war dir recht.«

Swift runzelte die Stirn. »Was meinst du damit?«

Micha drehte sich um und fummelte an einer Kiste, die mit Hudsons Zeugnisse beschriftet war. »Ich hätte dich erst um Erlaubnis fragen sollen. Das war gedankenlos von mir.«

Swift blinzelte. »Na ja, ich dachte mir schon, dass es jemand aus deiner Familie ist, der die Schaukel anstößt…«

Micha lächelte traurig. »Dann solltest du dir Augen im Hinterkopf zulegen. Du darfst nicht so vertrauensselig sein. Fremde Gefahr und so.«

Swift knabberte an seiner Unterlippe. »Oh Gott.« Er schlug sich die Hand vors Gesicht. »Ich fange schon an, Mist zu bauen. Ich bin ein Versager.«

Zu seiner Überraschung zog ihm Micha sanft die Hand vom Gesicht. Es war nicht zu glauben, wie leise er sich bewegen konnte. »Nein, das bist du nicht«, sagte Micha und drückte ihm die Hand. »Mist gebaut hättest du nur, wenn du sie an fremde Menschen abgeschoben hättest. Du hättest sie einfach dort lassen können.«

Swift sah ihn entsetzt an. »Niemals.«

Micha blinzelte hektisch und ließ lächelnd Swifts Hand los.

Swift vermisste seine Berührung sofort. Sie hatte ihn getröstet.

»Siehst du?« Micha räusperte sich, stand auf und ging zu den Kisten zurück. »Du machst das schon richtig. Niemand erwartet von dir, dass du jetzt schon alles kannst und weißt.«

Swift seufzte und brachte irgendwie ein Lächeln zustande. Sie sagten ihm alle, dass er es schon schaffen würde. Vielleicht sollte er langsam selbst daran glauben. Er zog sich durch die Luke auf den Dachboden, um Micha bei der Suche zu helfen. »Danke«, sagte er kopfschüttelnd. »Du konntest schon immer gut mit Kindern umgehen. Auch, als du selbst noch ein Kind warst.«

Micha sah ihn verwirrt an. »Wie meinst du das?«

Swift überlegte. Wieso verstand ihn Micha nicht? »Deine Nichten und Neffen. Sie beten dich an. Es war immer, als hättest du Zauberkräfte. Du wusstest, wie man mit ihnen reden muss. Du konntest sie sogar überreden, den Brokkoli zu essen.« Swift pfiff durch die Zähne und schüttelte wieder den Kopf. »Und Carlee? Niemand hat die Gebärdensprache so schnell gelernt wie du. Logan und Nell hatten sich schon Sorgen gemacht, dass Carlee sich ausgeschlossen fühlen würde, aber das war überflüssig. Deinetwegen.«

Micha sah ihn immer seltsamer an. Swift fragte sich schon, ob er etwas Falsches gesagt hatte, doch dann leckte sich Micha über die Lippen und lächelte leicht. »Daran erinnerst du dich noch?«

»Meinst du das ernst? Natürlich erinnere ich mich daran.« Swift lachte. »Glaub mir, du warst ein sehr bemerkenswerter Junge.«

Michas Lächeln wurde verlegen. Er legte sich die Fingerspitzen ans Kinn und zeigte dann mit der flachen Hand auf Swift, der die Geste erkannte. Es war ein Zeichen aus der amerikanischen Gebärdensprache – ASL – und bedeutete Danke.

»Gern geschehen«, sagte Swift leise.

Micha sah ihm in die Augen, räusperte sich dann und rieb sich den Nacken. »Ich habe diese dämlichen Barbies immer noch nicht gefunden.«

»Ich helfe dir suchen.« Swift fing an, die Kisten mit den familiären Erinnerungsstücken der Perkins' zu sondieren.

Er war nicht so geschickt wie Micha, aber dafür ein ganzes Stück größer, sodass er es nur mit etwas Glück vermeiden konnte, ein Loch in die niedrige Decke zu stoßen. Nach einiger Zeit quiekte Micha aufgeregt. Er war innerlich immer noch der süße kleine Junge, an den sich Swift erinnerte, auch wenn er nach außen den Eindruck eines harten Kerls erzeugen wollte.

»Glaubst du, das ist die richtige Kiste?« Micha drehte sich zu ihm um und strahlte ihn glücklich an. Das war schon viel besser als der gehetzte, verschlossene Eindruck, den er vorhin in der Küche gemacht hatte.

Und tatsächlich – Micha hatte die Kiste mit den Kindersachen seiner Nichte Pepper gefunden. Sie enthielt Kleidung, Spielzeug, selbst Decken, Fingerfarben und Locken ihrer Haare.

»Bist du sicher, dass deine Schwester nichts dagegen hat, wenn ich mich an den Sachen bediene?«, fragte Swift.

Micha schnaubte. »Natürlich. Sie ist der unsentimentalste Mensch, den ich kenne. Leon musste sie erst überreden, die Sachen aufzuheben für den Fall, dass Rhett oder Hudson irgendwann Töchter bekommen. Oder Enkel vermutlich.«

»Oder für dich«, meinte Swift. Micha blinzelte ihn verwirrt an, was Swift nicht recht verstehen konnte. »Für den Fall, dass du Kinder bekommst«, erklärte er. »Sorry. Ich dachte nur, dass du dir bestimmt auch Kinder wünschst, weil du so gut mit ihnen umgehen kannst. Aber das ist, äh… wahrscheinlich nicht jedermanns Sache.«

Warum kam er sich nur vor, als wäre er gerade ins Fettnäpfchen getreten?

Micha machte ein trauriges Gesicht. »Ich glaube nicht, dass ich jemals Vater werde«, meinte er und hob eine der Kisten hoch. Sie musste schwerer sein, als er erwartet hatte, denn sie glitt ihm sofort wieder aus den Händen. Swift streckte sofort die Hände aus und griff zu, ohne lange darüber nachzudenken.

Und plötzlich war Michas Gesicht nur noch Zentimeter von seinem entfernt und ihre Hände berührten sich.

Sie starrten sich an. Dann lachte Micha verlegen und trat einen Schritt zurück. »Danke«, murmelte er.

Swift schaute auf die Kiste. Er wollte nicht aufdringlich sein, fragte sich aber, warum Micha glaubte, nie Vater zu werden. Swift packte die Kiste fester und überlegte, wie er Micha danach fragen könnte, ohne ihn noch mehr aufzuregen.

Dann drehte Micha sich um und suchte nach der zweiten Kiste. Swift hatte seine Chance verpasst. Micha fand die Kiste, hob sie hoch und sah Swift mit einem traurigen Lächeln an.

»Das war's. Wollen wir wieder nach unten gehen?«

Swift zögerte. Die Antwort war natürlich Ja, aber seine Füße wollten sich nicht bewegen. Warum musste dieser Augenblick schon zu Ende sein?

»Ja, das war's. Bleibst du länger in der Stadt?«

Die Frage brachte Micha aus dem Konzept. »Äh, ja. Ich weiß noch nicht genau, was ich machen werde. Aber ich will mir einen Job suchen und eine Weile bleiben.«

Swift grinste. »Prima! Ich dachte mir, wir könnten uns vielleicht treffen und über… Kinderkram reden. Falls du Lust hast?«

Er kam sich ziemlich dämlich vor, als Micha ihm einen verwirrten Blick zuwarf. »Ich helfe dir natürlich gern«, sagte Micha bedächtig. »Wenn ich es kann. Aber Rhett, Logan oder Darcy… Die haben alle eigene Kinder.«

Hmm. Swift wusste auch nicht so recht, warum er sich lieber von Micha helfen lassen wollte. Vielleicht wollte er nur eine alte Freundschaft auffrischen. Aber das war idiotisch. Micha war viel jünger als er. Micha würde sein Leben genießen wollen, würde ausgehen und sich amüsieren wollen. Swift durfte nicht vergessen, dass nicht jeder so extrovertiert war wie er selbst, der jede Zufallsbekanntschaft sofort auf seine Freundesliste bei Facebook setzte.

»Ja, da hast du recht«, meinte er lachend. »Ich will wohl nur ein guter Vater werden. Aber… jetzt, wo du wieder in der Stadt bist, kannst du uns jederzeit besuchen. Wenn du willst.«

Er ging zu der Luke, um seine Kiste nach unten zu bringen.

»Aber…«

Swift drehte sich wieder um, als er Michas Stimme hörte. Micha sah ihn mit hochgezogenen Augenbrauen an. Er wirkte unschlüssig.

»Alles in Ordnung?«

Micha setzte seine Kiste auf der Hüfte ab. Sein Mund öffnete sich und schloss sich wieder. Seine Augen glänzten glasig.

Mist. Dieses Mal schien Swift das Fettnäpfchen voll getroffen zu haben.

»Was ist denn los, Micha?«

»Du lädst mich zu dir ein?«, platzte Micha heraus, wurde rot und schniefte. »Warum willst du meinen Rat? Ich bin ein Versager. Ich baue nur Mist. Rhett muss dir doch alles erzählt haben.«

Swifts Herz zog sich zusammen. Vorsichtig stellte er die Kiste ab und ging auf Micha zu. Micha stellte seine Kiste ebenfalls ab, ohne Swift dabei aus den Augen zu lassen. Swift legte ihm die Hände auf die Schultern. Micha sah ihn mit seinen glänzenden braunen Augen an.

»Wenn ich kein Versager bin, bist du auch keiner. Okay?«, sagte Swift.

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