Читать книгу: «Erwerb der deutschen Pluralflexion», страница 3

Шрифт:

2.3 Das Kasussystem des Deutschen

Im Deutschen sind die vier Merkmale Nominativ, Akkusativ, Dativ und Genitiv in der Merkmalklasse Kasus vorzufinden. Im Gegensatz zum Genus, bei dem für die einzelnen Nomen die Merkmale feststehen und nicht geändert werden können, sind in der Kategorie Kasus die Merkmale durch die umgebenden syntaktischen Gegebenheiten bestimmt. Die Kategorien Genus, Numerus und Kasus erzeugen zusammen die Kongruenz innerhalb der Nominalphrase. Wie erfolgt dabei die Markierung des Kasus im Deutschen? Wie sieht es mit den Gesetzmäßigkeiten in dieser Kategorie aus? Und welche Funktionen erfüllt der Kasus? Diese Fragen sollen im Folgenden kurz beantwortet werden, ohne den Anspruch zu erheben, auf die facettenreichen Diskussionspunkte und die einzelnen Theorien in der „kaum mehr überschaubaren Literatur“ (Wegener 1995b: 120) zum Kasus einzugehen und diese zu erfassen.

Nach Blake (2004: 1073) markiert Kasus vor allem „the relationship of a noun phrase to a verb“, so dass man demnach bei der Beschreibung der Kasusmarkierungen im Deutschen sowohl die Ebene der Morphologie als auch die Ebene der Syntax betrachten muss. Mit Hinblick auf den empirischen Teil der vorliegenden Arbeit wird im Folgenden der Blick auf die Markierung beim Nomen, beim Artikel und beim Adjektiv fokussiert werden.

Während bei der Kategorie Numerus die Pluralmarkierung ausschließlich am Nomen erfolgt, werden in der Kategorie Kasus „die Kasusmarker in wenigen Fällen (Genitiv-Singular und Dativ-Plural) am Nomen selbst realisiert“ (Wegener 1995b: 142):


(32)Genitiv-Singular:→ Der Hund des Mannes im 2. Stock bellt immer.


(33)Dativ-Plural:→ Er schenkt den Schwestern immer die gleichen Geschenke.

Ansonsten erfolgt die Markierung an den Determinierern und bzw. oder – wenn vorhanden – am Adjektiv, während der Determinierer „the maximum amount of differentation“ (Blake 2004: 1078) aufweist:


NeutrumMaskulinumFemininum
Nominativdas dicke Buchder kleine Tischdie schöne Tasche
Akkusativdas dicke Buchden kleinen Tischdie schöne Tasche
Dativdem dickenBuch(e)dem kleinenTisch(e)der schönenTasche
Genitivdes dickenBuchesdes kleinen Tischesder schönenTasche

Tabelle 4: Kasusmarkierung im Deutschen (im Singular)

Es ist anzumerken, dass die oben dargestellten Markierungen nur für die Merkmalsausprägung im Singular gelten. Für Pluralnomina sind andere Markierungen festzustellen:


NeutrumMaskulinumFemininum
Nominativdie dickenBücherdie kleinen Tischedie schönenTaschen
Akkusativdie dickenBücherdie kleinen Tischedie schönenTaschen
Dativden dickenBüchernden kleinenTischenden schönenTaschen
Genitivder dickenBücherder kleinen Tischeder schönenTaschen

Tabelle 5: Kasusmarkierung im Deutschen (im Plural)

Die Beobachtung dieser unterschiedlichen Verhaltensweisen der einzelnen Nomina im Deutschen führen dazu, dass verschiedene Flexionsklassen definiert werden, deren Anzahl „von 3 bis 77“ (Wegener 1995b: 147) reicht – je nachdem, wie die Definitionen vorgenommen werden. Oft unterscheiden sich diese Einteilungen auch in den verwendeten Begrifflichkeiten, so dass dabei auch beispielsweise von „Deklinationsart, Paradigma und Formenreihe“ (Dudenredaktion 2006: 196) und „Deklinationsklasse“ (Thieroff/Vogel 2012: 43) die Rede ist. Dabei wird auch die Numerusflexion bei diesen Klassenformulierungen berücksichtigt.

Im Folgenden sollen die bestehenden Regularitäten der Kasusflexion nach der Darstellung von Wegener (1995a: 146f.) und in Anlehnung an Duden (2006: 296ff.) skizziert werden.

Die Analyse der Tabellen 4 und 5 ergibt, dass „vier Deklinationstypen für singularische Nomina und zwei Deklinationstypen für Pluralnomina“ (Wegener 1995b: 146) aufgestellt werden können:


TypFlexionGenusKasusBeispiele
Sg.1(e)s-FlexionMaskulina, NeutraGenitivHundes, Films
2(e)n-FlexionMaskulinaHasen, Menschen
3NullflexionFemininaalleZahl, Ersparnis
4aEigennamen----alleOma, Anna
4bEigennamen----GenitivOmas, Annas
Pl.1n-FlexionalleDativLeuten,Trümmern
2NullflexionallealleMenschen,Sachen

Tabelle 6: Deklinationstypen der deutschen Kasusflexion (erstellt nach Wegener 1995b: 146f. und Dudenredaktion 2006: 197f.)

Aus diesen Deklinationstypen leitet Wegener für die Bildung von Kasusformen zwei Akkusativ-, vier Dativ- und fünf Genitiv-Regeln ab (siehe Wegener 1995: 147), wobei im Folgenden die Genitiv-Regeln unberücksichtigt bleiben werden, da sie für den „natürlichen Spracherwerb“ keine Rolle spielen (vgl. Marouani 2006: 40).

Dabei ist entscheidend, ob es sich um „markierte bzw. schwache Kasusflexion“ (Wegener 1995: 147) handelt oder eine unmarkierte bzw. starke Form vorliegt. Die erste Akkusativregel besagt, dass bei allen starken Nomen im Akkusativ eine Nullmarkierung vorliegt, während die zweite Akkusativregel festhält, dass bei allen schwachen Nomen die Allomorphe -(e)n suffigiert werden. Diese sind in Tabelle 6 unter Typ 2 gefasst und bestehen aus Maskulina. Es ist jedoch anzumerken, dass „die überwiegende Mehrzahl der deutschen Maskulina stark flektiert“ (Wegener 1995b: 146). Auch bei den Dativregeln spielen die Flexionsarten der Nomen eine Rolle. Die erste Dativregel beschreibt, dass alle starken Nomen im Dativ Singular keine Kasusmarkierung vornehmen. Handelt es sich um ein schwaches Nomen, wird die Dativform nach der zweiten Dativregel mit -(e)n markiert. Wenn dem Nomen die Pluralendung -(e) oder -er zugewiesen wird, dann erhält es die Endung -n im Dativ. Der Dativ wird nicht markiert – und hier sind wir bereits bei der vierten Dativregel – wenn das Nomen den Plural auf -(e)n oder -s bildet. Die folgende Tabelle soll die aufgeführten Regeln zusammenfassen:


RegelSg./Pl.FlexionMarkierungBeispiel
Akkusativ1Sg. + Pl.starkZahl, Sachen
2Sg. + Pl.schwach-(e)nHasen, Leuten
Dativ1Sg.starkZahl
2Sg.schwach-(e)nHasen
3Pl. -(e),-erstark + schwach-nHasen, Adlern
4Pl. -(e)n,-sstark + schwachBalken, Radius

Tabelle 7: Kasusregeln für Nomenmarkierung

Aus den Tabellen 4 und 5 lassen sich ebenso Regeln für die Kasusmarkierung der Artikel ableiten. Die Akkusativregel für die „kasusmarkierten Faktoren“ (Wegener 1995b: 152) besagt, dass diese mit der Endung -n markiert werden, wenn das Nomen das Genus Maskulinum aufweist. Neben dieser einen Akkusativregel lassen sich drei Dativregeln formulieren. Alle Artikel, die im Dativ vor einem Nicht-Femininum stehen, erhalten nach der ersten Dativregel die Endung -m und alle Artikel vor Feminina nach der zweiten Dativregel die Endung –r. Die dritte Dativregel bezieht sich auf den Plural.

Demnach werden im Dativ alle Artikel mit der Endung -n versehen (siehe Wegener 1995b: 152f.):


RegelSg./Pl.Genus des NomensMarkierung des ArtikelsBeispiele
Akk.1Sg.Mask.-nden Tisch
Dat.1Sg.Mask.+Neutr.-mdem Tischdem Buch
2Sg.Fem.-rder Tasche
3Pl.alle-nden Tischenden Taschenden Büchern

Tabelle 8: Kasusregeln für Artikelmarkierung

Versucht man jedoch Regeln zur Kasusmarkierung bei Adjektiven2 zu formulieren, kommt der Faktor der Flexionsart des Adjektivs hinzu, das heißt, ob es stark oder schwach flektiert. Geht ein Artikelwort mit Flexionsendung dem Adjektiv voran, wird das Adjektiv schwach flektiert, sonst erfolgt die Flexion stark:


RegelSg./Pl.Genus des NomensFlexionsmuster des AdjektivsMarkierung des AdjektivsBeispiel
Nom.1Sg.alleschwach-eder kleine Tischdas kleine Buchdie kleine Tasche
Akk.1Sg.Mask.schwach-enden kleinen Tisch
2Sg.Neutr.+Fem.schwach-edas kleine Buchdie kleine Tasche
Dat.1Sg.Mask. +Neutr.stark-emkleinem Tischkleinem Buch
2Sg.alleschwach-endem kleinen Tisch(e)dem kleinen Buchder schönen Tasche
3Sg.Fem.stark-erschöner Tasche
4Pl.allestark-enden kleinen Tischenden kleinen Büchernden kleinen Taschen

Tabelle 9: Kasusregeln für Adjektivmarkierung

Wie der obigen Darstellung zu entnehmen ist, erfährt das Adjektiv im Akkusativ die Markierung -en, wenn es sich um ein Maskulinum handelt, während Neutra und Feminina eine gesonderte Akkusativmarkierung vornehmen. Im Dativ sind vier Regeln zu formulieren, wobei sich drei auf den Singular beziehen und eine die Flexion im Plural beschreibt. In diesen Regeln ist das Flexionsmuster des Adjektivs entscheidend, ob es schwach oder stark flektiert. Die oben dargestellte erste Dativregel von Wegener (1995a) besagt, dass starke Adjektive bei nachfolgender Maskulina und Neutra mit der Endung -em markiert werden. Wenn jedoch vorangehende Artikelwörter existieren, gilt die zweite Dativregel, dass die Adjektive mit -en markiert werden.

Wenn keine Artikelwörter vorangestellt sind, erhält das Adjektiv vor Feminina die Endung -er. Nach der vierten Regel markieren, wie oben zu sehen, alle Nomen im Dativ-Plural ihre vorangehenden Adjektive mit der Endung -en. Diese aufgeführten Gesetzmäßigkeiten der Markierungen in der Kategorie Kasus gelten in den beschriebenen Kontexten nahezu ausnahmslos.

Der Kasus wird im Gegensatz zum Genus eher von äußeren Faktoren bestimmt und es lässt sich zudem feststellen, dass er auch „gegenüber dem Numerus die ‚äußere‘ Kategorisierung bei Substantiv [ist]“ (Eisenberg 2000: 152). Er übernimmt „bestimmte Funktionen im Satz, die jedoch komplexer zu beschreiben sind als die rein semantischen Funktionen der Numeri“ (Wegener 1995b: 120). Diese Funktionen sind unter anderem deshalb so komplex, da viele Synkretismen existieren, das heißt, dass es im Kasussystem des Deutschen viele Fälle gibt, in denen „zwei oder mehr Kasusfunktionen in einer Kasusform zusammengefallen sind“ (ebd.):


Neutr.Mask.Fem.Pl.
Nom.das Buchder Tischdie Taschedie Tische
Akk.das Buchden Tischdie Taschedie Taschen
Dat.dem Buchdem Tischder Tascheden Büchern

Tabelle 10: Beispiel für Genus-, Kasus- und Numerussynkretismen (nach Wegener 1995: 166)

Zu anderen „Synkretismusfeldern“ (Thieroff/Vogel 2012: 57) in der Kasusflexion sei an dieser Stelle auf Wegener (1995a: 166ff.) und Thieroff/Vogel (2012: 56ff.) verwiesen.

Wegener unterscheidet zwischen syntaktischen, semantischen und pragmatischen Funktionen der Kasus im Deutschen (siehe Wegener 1995: 120ff.). Die wichtigste Funktion stellt die syntaktische Funktion dar. Hier nimmt Wegener eine Differenzierung zwischen primären und sekundären Funktionen vor (ebd.). Die durch die Kasusmarkierung umgesetzte Bestimmung der „grammatischen Relation Subjekt (SU), direktes Objekt (DO), indirektes Objekt (IO) und Attribut“ im Satz sei die „primäre Funktion der Kasus“ (Wegener 1995: 120). Im Nominativ wird „zusammen mit der Verbkongruenz“ (ebd.) das Subjekt kodiert. Der Akkusativ kodiert das direkte Objekt und der Dativ das indirekte Objekt. Die sekundären, die Syntax betreffenden Funktionen, wie die Realisierung von Prädikatsnomen, werden hier nicht thematisiert (siehe dazu Wegener 1995b: 121ff.).

Bei der Erfüllung von semantischen Funktionen der Kasusmarkierungen wird die Annahme vertreten, „daß die semantische Struktur von Verben auf die syntaktische Ebene projiziert wird, und daß es bestimmte Prinzipien gibt, nach denen bestimmte Thetarollen mit bestimmten Kasusmarkierungen und bestimmten Strukturpositionen kombiniert werden“ (Wegener 1995b: 122). Daraus ergibt sich eine Anordnung von semantischen Rollen und grammatischen Relationen, die sich gegenseitig bestimmen und bedingen:


KasusSyntakt. Funktionen/Grammat. RelationenSemantische Rolle
Nom.SubjektAgens
Akk.Direktes ObjektThema
Dat.Indirektes ObjektRezipiens

Tabelle 11: Zu den semantischen Rollen in der Kasusmarkierung

Als pragmatische Funktionen der Kasusmarkierungen im Deutschen sind zum einen das Ermöglichen von verschiedenen Sprecherperspektiven (vgl. Marouani 2006: 44), zum anderen auch die Variationsmöglichkeit der Topikalisierung in einem Satz zu nennen. Diese sollen hier im Hinblick auf ihre Irrelevanz für den empirischen Teil der Arbeit nicht erläutert werden (siehe dazu Wegener 1995b: 124ff. und Marouani 2006: 44f.).

2.4 Zusammenfassung

In den letzten Kapiteln erfolgte eine skizzenhafte Beschreibung der Merkmalklassen Numerus, Genus und Kasus und ihrer Ausprägungen im Deutschen. Alle drei Kategorien wurden sowohl im Hinblick auf ihre Markierungsvorkommen im Deutschen als auch ihrer Funktionen, die sie in der deutschen Sprache einnehmen und die dabei festzustellenden Gesetzmäßigkeiten betrachtet.

Im Numerus lassen sich die Merkmale Singular und Plural unterscheiden, während nur die Ausprägung Plural markiert wird. Diese Markierung erfolgt flexivisch und nur am Nomen, indem die Endungen -e, -er, -n, -en und -s suffigiert werden (und/oder zusätzlich das Nomen umgelautet wird), wenn es sich um ein Nomen handelt, das etwas in der Mehrzahl kennzeichnet. Denn der Numerus ist eine „semantische Kategorie, die es ermöglicht, flexivisch zwischen Einzahl und Mehrzahl zu unterscheiden“ (Weber 2001: 11). Dabei ist zu beachten, dass im Deutschen lediglich Nomen, die zählbar sind, in den Plural gesetzt werden können. Das deutsche Pluralsystem ist äußerst komplex und es existieren verschiedene Ansichten darüber, wie dieses System zu beschreiben ist. Diese Ansichten unterscheiden sich zum einen bezüglich ihrer Auffassung, ob sie davon ausgehen, dass die Zuweisung der einzelnen Pluralmarker eher regelgeleitet oder eher beliebig erfolgt, und zum zweiten inwieweit – und bezüglich welcher Kriterien (phonologisch/morphologisch/semantisch) – Regeln und Ausnahmen formuliert werden.

Bei der Betrachtung des deutschen Numerussystems lässt sich feststellen, dass dieses nicht allein analysiert werden kann. Im Deutschen ist jedem Nomen ein bestimmtes Genus zugewiesen, das fest ist und nicht verändert wird. Somit weist ein Nomen entweder das Merkmal Maskulinum, Neutrum oder Femininum auf. Diese Eigenschaft des Nomens, sein Genus, bleibt in der Syntax beim Zusammentreffen mit anderen Wortarten nicht nur erhalten, sondern beeinflusst die Flexion der anderen Konstituenten, wie z.B. des Artikels oder des Adjektivs. Auch wenn die Funktionen des Genus, wenn es überhaupt eine Funktion erfüllt, einen sehr kontrovers diskutierten Abschnitt des deutschen Genussystems darstellen, so ist festzuhalten, dass das Genus bei der Erzeugung und Markierung von Kongruenz eine wichtige Rolle spielt. Der Kasus „operiert [im Vergleich zu Numerus und Genus vor allem] auf der Satzebene [… und] wird als funktionale Kategorie angesehen, die die Bezüge zwischen den verschiedenen Satzteilen verdeutlicht“ (Weber 2001: 11), wobei erst durch das Mitwirken aller drei Kategorien die Kongruenz hergestellt werden kann.

Zusammenfassend ist zu betonen, dass Kongruenz unter Einbezug von sowohl syntaktischen als auch semantischen, morphologischen und auch lexikalischen Ebenen betrachtet werden muss und somit die Möglichkeiten der Markierung sich als sehr vielfältig aufweisen (vgl. Corbett 2006). Es fällt auf, dass die Formulierung von Regeln und Funktionen in der Kategorie Kasus viel einheitlicher, ausführlicher und auch in weitaus mehr Publikationen vorgenommen wird, als dies beim Numerus und vor allem beim Genus der Fall ist.

Zudem kann festgestellt werden, dass „dort, wo Kasus- und Numerusflexion behandelt werden, […] sie beinahe nur als voneinander unabhängige Bereiche des Flexionssystems [erscheinen]“ (Bittner 1994: 65). Die bestehenden Zusammenhänge, Wechselwirkungen und Abhängigkeiten zwischen Kasus- und Numerusflexion werden bislang oft unzureichend beschrieben.

3 Die Nominalflexion des Türkischen

„Die deutsche Nominalflexion ähnelt so eher derjenigen des Türkischen als derjenigen des Lateins.“ (Gallmann 1990: 166)

Inwieweit ähnelt die Nominalflexion des Türkischen dem Deutschen? Dieser Frage soll in den nächsten Kapiteln nachgegangen werden. Die Beschreibung der türkischen Nominalflexion erfolgt, soweit möglich, im direkten Vergleich mit der in Kapitel 2 beschriebenen deutschen Nominalflexion. Dabei ist auch in diesem Kapitel das Augenmerk insbesondere auf die im empirischen Teil untersuchten Phänomene der Nomen-, Artikel- und Adjektivmarkierung im Numerus-, Genus- und Kasussystem und den dabei beobachteten Funktionszuschreibungen gerichtet. Für detailliertere, umfassendere Beschreibungen der Nominalflexion im Türkischen sei an dieser Stelle auf Ketrez (2012: 22ff.), Ersen-Rasch (2004: 24ff.) und Göksel/Kerslake (2005: 165ff.) verwiesen.

Ebenso erfolgt vorweg keine ausführliche Beschreibung der Charakteristika des Türkischen, wie die Agglutination, die Vokalharmonie oder die Genus- und Artikellosigkeit. Diese Merkmale werden bei der Beschreibung des Numerus-, Genus- und Kasussystems im Türkischen jeweils kurz erläutert, sofern sie bei dem betrachteten Phänomen eine Rolle spielen.

3.1 Das Numerussystem des Türkischen

Das Türkische besitzt wie das Deutsche zwei Numeri: Singular und Plural (vgl. Kornfilt 2000: 265). Die semantischen Konzepte, die für die Markierung von Plural im Türkischen existieren, unterscheiden sich jedoch wesentlich von den Kontexten, in denen die Pluralmarkierung im Deutschen obligatorisch ist.

Eine systematische Beschreibung der Pluralmorphologie im Hinblick auf ihre Markierung scheint auf den ersten Blick sehr einfach zu sein. Statt neun Pluralmarkierungsmöglichkeiten am Nomen, wie im Deutschen der Fall, existiert im Türkischen lediglich eine Möglichkeit der Pluralmarkierung. Das Pluralsuffix -ler bzw. -lar wird, je nachdem wie der letzte Vokal des Nomen lautet, an die Singularform angehängt und betont:


(34)arabaAutoaraba-larAuto-PL‚Autos‘
(35)kapıTürkapɪ-larTür-PL‚Türen‘
(36)balonLuftballonbalon-larLuftballon-PL‚Luftballons‘
(37)koyunSchafkoyun-larSchaf-PL‚Schafe‘

Handelt es sich bei dem letzten Vokal der Singularform um ein a/ı/o/u, so wird aufgrund der kleinen Vokalharmonie im Türkischen die Endung -lar suffigiert. Ist der letzte Vokal ein e/i/ö/ü, wird die Endung -ler angehängt:


(38)inekKuhinek-lerKuh-PL‚Kühe‘
(39)keçiZiegekeçi-lerZiege-PL‚Ziegen‘
(40)traktörTraktortraktör-lerTraktor-PL‚Traktoren‘
(41)köprüBrückeköprü-lerBrücke-PL‚Brücken‘

Die Komplexität des türkischen Numerussystems liegt nicht wie im Deutschen in der Pluralmarkierung und der Zuweisung von Pluralflexiven, sondern in der Beschreibung der semantischen Konzepte, in denen eine Pluralmarkierung verwendet wird bzw. obligatorisch ist. Dieser Aspekt zeigt uns wieder, wie sehr die Betrachtung von grammatischen Phänomenen auf den verschiedenen Ebenen der Sprachwissenschaft als notwendig erscheint. Sowohl die Betrachtung auf morphologischer, phonologischer, syntaktischer, pragmatischer als auch semantischer Ebene ist hier für die Beschreibung des Numerussystems im Türkischen mit einzubeziehen, um die Sprachverwendung adäquat abbilden zu können. Diese semantischen Konzepte bilden die Funktionen, die die Pluralmarkierung im Türkischen erfüllen können.

Das Thema Pluralbildung und Pluralmarkierung wird in verschiedenen Grammatiken des Türkischen oft unzureichend und teilweise unsystematisch behandelt (siehe z.B. Underhill 1976, Lewis 2000, Moser-Weithmann 2001, Kornfilt 2000). Als eine mögliche Erklärung für diese Beobachtung können die oben erwähnten Unterschiede bezüglich der Verwendung der Pluralmarkierung genannt werden, und zwar die eigenen semantischen Konzepte der türkischen Sprache, die hinter der Pluralmarkierung und ihrer Auslassung stehen können. Eine gute, wenn auch relativ kurze Übersicht über die existierenden Ausprägungen von Singular und Plural im Türkischen ist in Ersen-Rasch (2004: 24ff.) zu finden. Die im Folgenden genannten Beispiele basieren auf ihren Ausführungen.

Bei der Betrachtung der Funktion des türkischen Pluralsuffixes lassen sich erhebliche Unterschiede im Vergleich zu den Funktionen der Pluralmarkierungen im Deutschen feststellen. Zudem kann das „zweiförmige Suffix“ (Kissling 1960: 20) –ler/-lar zum einen, wie bereits gezeigt wurde, den Plural markieren, aber auch als Possessivsuffix (3. Person Plural) fungieren (Göksel/Kerslake 2005: 68f., siehe dazu auch Schroeder 1999: 26f.):


(42)araba-larıAuto-PL.3.SG/ 3.PL.POSS‚Ihr Auto/ihre Autos‘


(43)

Hierbei liegt eine Ambiguität bezüglich der Verwendung des Possessivsuffixes vor (siehe Göksel/Kerslake 2005: 170f.). Es kann sowohl Plural und 3. Person Singular Possessiv (44), als auch 3. Person Plural Possessiv (45), sowie Plural und 3. Person Plural Possessiv (46) ausdrücken:


(44)Araba-lar-ı orada.Auto-PL.3.SG.POSS dort‚Seine/Ihre Autos sind dort.‘


(45)Araba-ları orada.Auto-3.PL.POSS dort‚Ihr Auto ist dort.‘


(46)Araba-ları orada.Auto-PL.3.PL.POSS dort‚Ihre Autos sind dort.‘

Auch in ihrer Funktion als Pluralmarker, um Pluralität und Mehrzahl auszudrücken, kann das Pluralsuffix –ler/-lar im Türkischen eine Vielzahl von Funktionen ausüben (siehe z.B. Göksel/Kerslake 2005: 129ff., 165ff., 228f., 283). Im Folgenden sollen diese in drei Funktionen zusammengefasst werden:

5 238,97 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
278 стр. 15 иллюстраций
ISBN:
9783823300243
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают