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Auf der anderen Seite steht eine mitunter ganz erstaunliche Scheu an der kirchlichen Basis, sich nicht in „zivilem Ungehorsam“ über Konfessionsgrenzen hinwegzusetzen, wie es sogar Papst Franziskus (Pontifikat: seit 2013)$Franziskus, Pontifikat seit 2013, römisch-katholischer Papst in der Frage des gemeinsamen AbendmahlsAbendmahl von konfessionsverschiedenen Ehepaaren angeraten hat (vgl. Metzger, 2016, 40–42). Einer Verflachung der Konfessionalität und der konfessionellen Problematik widerspricht darüber hinaus auch das zu beobachtende Interesse von Christen in einer globalisierten Welt an dem, was andere Christen leben und wonach sie sich ausrichten. Gleichfalls ist der Bildungshunger von Christen zu konstatieren, die in Zeiten des Relevanzverlustes des Christentums über ihre eigene Konfession Bescheid wissen möchten. Von daher ist es nach wie vor ein wichtiges und wesentliches Unterfangen, konfessionelles Wissen zu erwerben, ökumenische Diskussionen zu führen und die ökumenische Annäherung zu praktizieren. Besonders scheint es da angeraten, wo praktische Probleme ihrer Lösung harren (vgl. Metzger, 2014).

Streitfelder in und zwischen den KonfessionenWährend sich durch die religiöse SelbstermächtigungSelbstermächtigung und den „zivilen Ungehorsam“ scheinbar mühelos aus den ökumenischen Sackgassen der alten Probleme befreit wird, werden andere Diskussionen in den Konfessionen mit großer Wucht geführt. Dabei verlaufen neue Fronten nicht mehr entlang der Konfessionsgrenzen, sondern durch alle Konfessionen und Kirchen hindurch. Um diese Entwicklung auf den Punkt zu bringen, lässt es sich am ehesten auf die Begriffe liberalLiberal und konservativKonservativ zurückgreifen, ohne dass hier politische Ausrichtungen oder wertende Konnotationen mitschwingen. Auch eine allzu präzise Zuordnung von Haltungen, Charakteristika oder Gruppenzugehörigkeiten ist mit diesen Termini nicht möglich. Liberal meint im weitesten Sinne die progressive Bereitschaft, neue Positionen einzunehmen, konservativ das Bestreben, traditionelle Positionen als zukunftsweisend zu bewahren. Liberale und konservative Gruppen stehen sich gegenüber, ohne dass dabei traditionelle Konfessionsgrenzen ein Hindernis darstellen.

Die wesentlichen Diskussionspunkte, die gegenwärtig liberaleLiberal und konservativeKonservativ Fronten evozieren, sind FrauenordinationFrauenordination und Frauen in kirchlichen Leitungsämtern, HomosexualitätHomosexualität von Kirchengliedern und Geistlichen und – mit beidem im Zusammenhang stehend – die Frage nach dem Verständnis der Heiligen Schrift. Auf diese drei Aspekte als konfessionsüberschreitende Frontlinien wird im Ausblick ausführlich eingegangen werden. An dieser Stelle aber werden kurz die Folgen dieser Frontstellung für die KonfessionskundeKonfessionskunde skizziert.

Konsequenz für die KonfessionskundeKonfessionskundeDie Herausforderung für das Fach KonfessionskundeKonfessionskunde ist, dass sich konfessionelle Grenzen zunehmend schwerer definieren lassen. Sobald bei den transkonfessionellen Frontstellungen die gemeinsamen Ziele der aus verschiedenen Konfessionen zusammengesetzten Gruppen erreicht wurden (oder sie sich eingestehen, dass die Ziele nicht zu erreichen sind), zerfallen die sozialen Einheiten, können sich aber bei einem anderen kontroversen Thema, sogar auf verschiedenen Seiten, wieder begegnen. Die jeweilige konfessionelle Anbindung spielt dabei so gut wie keine Rolle.

In Analogie zur zunehmenden Bedeutungslosigkeit früherer politischer oder sozialer Zuordnungen wie „rechts“ und „links“ oder „oben“ und „unten“ verlieren Bezeichnungen wie „katholisch“ oder „evangelisch“, „orthodox“ oder „anglikanisch“ ihre Deutekraft, wenn es darum geht, konkrete Positionen zu bezeichnen. Somit steht die KonfessionskundeKonfessionskunde zunehmend unter dem Druck des Zerfalls ihrer Beobachtungsfelder in eine konfessionslose Praxis und eine kirchliche Theorie ihrer selbst. Wenn sich Gruppen innerhalb einer Kirche von ihrer „eigentlichen“ Position, d.h. der konfessionellen Bindung ihrer Kirche, kaum noch leiten lassen, dann kann konfessionskundlich nur darauf hingewiesen werden, dass es sich im Folgenden um Darstellungen des theoretischen Selbstbildes handelt, nicht um ein reales Abbild. Dann stehen mitunter konfessionelle Grenzen nur noch unverstanden in nicht gelesenen Büchern – u.a. Papst Franziskus wies darauf hin, dass die Lehre der Kirche in Büchern stehe, die schwer zu lesen seien (vgl. Metzger, 2014) – und werden deshalb vergessen, nicht beachtet oder nur als Verbote erlebt, ohne dass ihre Begründungen und ihr historisches Geworden-Sein verstanden wird.

Eine jede KonfessionskundeKonfessionskunde muss sich ihrer Grenzen bewusst sein, ebenso der Veränderungen, in denen sie selbst steht, und sich darum bemühen, die theologischen Beschreibungen einer Kirche mit der in ihr gelebten Wirklichkeit in Beziehung zu setzen. Phänomenologisch kann es hier zu Überraschungen kommen, die entweder zeigen, wie belastbar konfessionelle Merkmale geworden sind und wie dehnbar oder durchlässig konfessionelle Grenzen geworden sind. Die Konfessionskunde muss die Fähigkeit entwickeln, ohne Scheuklappen kirchlich-plurale, transkonfessionelle und zunehmend auch synkretistische Phänomen zu erfassen. Dann, aber nur dann, gewinnt sie entscheidend an Bedeutung für die Durchdringung und Beschreibung der religiösen Landschaft der Gegenwart.

Weiterführende Literatur

Albrecht, Christian (Hg.) (2011), Kirche, Themen der Theologie 1, Tübingen.

Frieling, Reinhard / Geldbach Erich / Thöle, Reinhard, KonfessionskundeKonfessionskunde. Orientierung im Zeichen der ÖkumeneÖkumene, Grundkurs Theologie 5,2, Stuttgart 1999.

Heyer, Friedrich (Hg.) (1977), KonfessionskundeKonfessionskunde, Berlin/New York.

Körtner, Ulrich H.J. (2018), Ökumenische KirchenkundeKirchenkunde, Lehrwerk Evangelischer Theologie 9, Leipzig.

Mühling, Markus (Hg.) (2009), Kirchen und Konfessionen, Grundwissen Christentum 2, Göttingen.

Oeldemann, Johannes (Hg.) (2015), KonfessionskundeKonfessionskunde, Paderborn/Leipzig.

Pinggéra, Karl (2013) KonfessionskundeKonfessionskunde als Begegnungswissenschaft, Materialdienst des Konfessionskundlichen Instituts 64, 9–13.

2 Die Ausdifferenzierung des ChristentumsAusdifferenzierung (des Christentums) im Überblick

Jesus ChristusJesus ChristusAm Anfang der Kirchengeschichte steht die Interpretation der Person Jesu von Nazareth. Die Anhänger dieses jüdischen ProphetenProphet behaupteten nach dessen Kreuzigung, dass dieser Mensch der erwartete Messias, der Sohn Gottes gewesen sei. In diesem Anfang liegt die Begründung der PluralitätPluralität – Pluralisierung des Christentums. Verschiedene Menschen sahen in Jesus von Nazareth den Christus. Sie fanden sich zusammen und bildeten den Kern dessen, woraus sich verschiedene Kirchen entwickelten.

Vielfalt und AusdifferenzierungAusdifferenzierung (des Christentums)Die historische Entwicklung von den Anfängen in Jerusalem oder Galiläa bis zu den gegenwärtigen Kirchen kann als Ausdifferenzierungsprozess der einzelnen Interpretationen verstanden werden. Weil jeder Mensch partiell anders erkennt und versteht, gibt es zu keiner Zeit eine einzige Kirche, die aufgrund von Spaltungen ihre „gottgegebene“ Einheit und Identität verloren hat, sondern es stehen von Anfang an unterschiedliche Interpretationen nebeneinander, die einmal mehr, einmal minder friedlich koexistieren.

Das Neue Testament, als normatives Zeugnis der frühen Zeit des Christentums, enthält keine homogene Theologie und stellt keine einheitliche Kirchenlehre dar, sondern ist in sich plural und bezeugt das von Anfang an stattfindende Ringen um die Deutung der Person Jesu. Der KanonKanon selbst ist Dokument einer Vielzahl von theologischen Entwürfen. Bereits 1951 stellte der Neutestamentler Ernst Käsemann (1906–1998)$Käsemann, Ernst, 1906–1998, evangelischer Theologe deshalb fest:

Der neutestamentliche KanonKanon begründet als solcher nicht die Einheit der KircheKircheEinheit der Kirche. Er begründet als solcher, d.h. in seiner dem Historiker zugänglichen Vorfindlichkeit dagegen die Vielzahl der Konfessionen. Die Variabilität des Kerygmas im NT ist Ausdruck des Tatbestandes, daß bereits in der Urchristenheit eine Fülle verschiedener Konfessionen nebeneinander vorhanden war, aufeinander folgte, sich miteinander verband und gegeneinander abgrenzte. (Käsemann, 1970, 221)

Deshalb ist es im Rahmen einer KonfessionskundeKonfessionskunde angebracht, stets in Erinnerung zu behalten, dass die Vielzahl von Kirchen an sich keine zu überwindende Illegitimität darstellt, sondern dem Christentum von seinem Ursprung her immanent ist.

Die viel zitierte Bitte des johanneischen Jesus in Joh 17,11.21 („dass sie alle eins seien“) zielt gerade nicht auf die Uniformität einer Einheitskirche, sondern auf das gemeinsame Wirken aller Christen in der Welt Vielfalt und Einheit(so wie Gott und Jesus in johanneischer Perspektive zusammen in der Welt wirken) und die Erkenntnis, dass alle Christen in einer von Gott her gegebenen Wirklichkeit, die über Zeit und Raum hinausgeht, bereits eins sind. Der Vers ist keine Handlungsaufforderung für die ÖkumeneÖkumene, sondern eine Erinnerung an die Kirche als Gemeinschaft der Heiligen. Diese Bitte ist deshalb so zu verstehen, dass Christen sich ihrer gemeinsamen Identität bewusst sein sollen, um in der Welt gemeinsam agieren zu können. So sollen sie „der Welt“ die Attraktivität und die Heilsmöglichkeit des Christentums zeigen.

Sobald bewusst ist, dass PluralitätPluralität – Pluralisierung kein zu überwindender Mangel der christlichen Kirchen ist, kann auch die historische Ausdifferenzierung des ChristentumsAusdifferenzierung (des Christentums) in verschiedene Kirchen akzeptiert werden, ohne dass dabei von Orthodoxie (‚richtige Lehre‘), von dem „rechten Glauben“ im Gegensatz zu HäresieHäresie im Sinne von ‚Irrlehre‘ oder ‚(Ab-)Spaltung‘ gesprochen werden muss. Kirchen wachsen miteinander, differenzieren sich in ihrem Innern, halten Spannungen entweder aus oder manifestieren sich in neuen Kirchen. Dabei führt sich jede Kirche im Prinzip auf das Ereignis des Anfangs zurück. Es ist demnach verfehlt, „Geburtsstunden“ einzelner Kirchen anzugeben oder eine Kirche als ältere bzw. jüngere zu bestimmen, da dabei übersehen wird, dass jede Kirche sich dem Anfang verpflichtet weiß und von diesem her ableitet. Die Geschichte jeder christlichen Kirche beginnt in dieser Perspektive deshalb mit der Interpretation Jesu als Christus.

2.1 Die ersten vier Jahrhunderte

Beginn der christlichen GemeinschaftNach der Kreuzigung Jesu löste sich die von ihm ins Leben gerufene jüdische Erneuerungsbewegung nicht vollständig auf und reintegrierte sich nicht umfänglich in das antike Judentum – obwohl das vorstellbar und zu erwarten gewesen wäre. Stattdessen begann die Verkündigung, die aus der jüdischen BewegungBewegung(en) eine neue ReligionReligion werden ließ.

Mit der Aufnahme von Heiden und den damit verbundenen theologischen Implikationen beschäftigt sich der ApostelApostel Paulus. Seine Briefe zeigen, wie sich die neue ReligionReligion in der Welt zurechtfindet. Rituelle und theologische Fragen, z.B. Beschneidung oder Speisegebote wurden zuweilen kontrovers diskutiert (Gal 2; Apg 15) und mit der Neuinterpretation der TaufeTaufe als InitiationsritualInitiationsritual ging das Christentum schließlich über das Judentum hinaus. Die genauen Entwicklungen dieser Zeit liegen im Dunkeln. Während die Apostelgeschichte die Anfänge des Christentums harmonisierend erzählt und auf Jerusalem konzentriert, deutet der Schluss des Markusevangeliums auf einen Neubeginn der Jesusbewegung in Galiläa hin. Die Texte des Neuen TestamentsNeues Testament zeigen also, dass bereits in der zweiten Hälfte des 1. Jahrhunderts eine erstaunliche Vielfalt des Christentums präsent war.

Erste LehrentscheidungenVerschiedene Theologien und verschiedene christliche Strukturen an verschiedenen Orten bestimmten die frühen Jahre, in denen sich das Christentum in der Welt nach dem Prinzip von Versuch und Irrtum organisierte. Zunächst von der herrschenden Macht des Zeitalters, dem römischen Reich, nicht beachtet, dann nicht verstanden und schließlich bekämpft, versuchte das Christentum sich nach der ausgebliebenen Naherwartung einzurichten. Nachdem es im Reich von der verfolgten zur tolerierten ReligionReligion und schließlich sogar zur Staatsreligion (381) aufgestiegen war, mussten wesentliche Glaubensinhalte bestimmt werden. Nach Vorarbeiten, die zum Teil im Westen, zum größeren Teil im Osten des Reichs geleistet wurden, charakterisierten die KonzileKonzil / Konziliarismus von Nicäa (325) und Konstantinopel (381) die TrinitätslehreTrinitätTrinitätslehre in der Weise, dass auch der Sohn und der Heilige GeistHeiliger Geist eines Wesens mit dem Vater sind und hielten die Göttlichkeit von Sohn und Heiligem Geist fest.

Auf dem KonzilKonzil / Konziliarismus von Konstantinopel wurde als Ergebnis der Beratungen das wichtigste, weil allen gegenwärtigen Kirchen gemeinsame GlaubensbekenntnisGlaubensbekenntnis, das Nicäno-KonstantinopolitanumBekenntnisNicäno-Konstantinopolitanum, verabschiedet. Es ist das einzige Glaubensbekenntnis, das ökumenisch verbindlich für alle christlichen Kirchen gilt. Doch bereits um die Bestimmung Gottes gab es heftige Auseinandersetzungen und Verwerfungen, die die frühe PluralitätPluralität – Pluralisierung des Christentums belegen. Die Gegner der TrinitätslehreTrinitätTrinitätslehre, z.B. die Arianer oder Homöer, zeitigten zwar vereinzelt Nachwirkungen, z.B. bei den Germanen, konnten aber keine bis heute existierende Kirche gründen. Anders sah dies bei den Auswirkungen des nächsten Schritts der dogmatischen Entwicklung aus.

Das Interesse richtete sich nach der Klärung des trinitarischen Gottesbildes nun auf die Person Christi.

2.2 Die christologischen Auseinandersetzungen und das KonzilKonzil / Konziliarismus von Chalcedon 451

Das Problem der zwei NaturenDie sogenannten christologischenChristologie Auseinandersetzungen in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts waren ausschlaggebend für die Trennung der altorientalischen Kirchen von den byzantinisch-orthodoxen Kirchen des oströmischen Reichs. Dabei ging es um die zwei Naturen von Jesus ChristusJesus Christus, um das Verhältnis von Göttlichkeit und Menschlichkeit in seiner Person, und wie die Beziehung der beiden Naturen zueinander zu begreifen und zu beschreiben ist. Im 4. und 5. Jahrhundert wurden die christologischen Debatten im Wesentlichen zwischen den beiden theologischen Zentren der damaligen Zeit, Alexandrien und Antiochien, ausgetragen. Die alexandrinischen Theologen hoben besonders die Einheit der menschlichen und göttlichen NaturNatur Jesu Christi hervor. Die antiochenischen Gelehrten unterstrichen dagegen den Unterschied der beiden Naturen.

Ein elementarer Aspekt der christologischenChristologie Fragen ist die soteriologische Implikation: Wie kann Jesus ChristusJesus Christus als ein Mensch, dessen Göttlichkeit nicht präsent ist, die Menschheit erretten? Oder welchen „Wert“ hat die Errettung durch einen Gott, der nicht auch ganz und gar Mensch war?

Die schließlich vom KonzilKonzil / Konziliarismus in Chalcedon 451 verabschiedeten Beschlüsse, die von dem römischen Papst Leo I.$Leo I., Pontifikat 440–461, römischer Bischof, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 440–461) vorbereitet worden waren, gingen von zwei Naturen in einer Person aus. Das Verhältnis der beiden Naturen wurde dogmatisch in der Zwei-Naturen-LehreZwei-Naturen-Lehre festgeschrieben: Christus war vollkommener Gott und gleichermaßen vollkommener Mensch, weder miteinander vermischt noch voneinander getrennt. Die Schlagworte dazu lauteten: unvermischt, unverwandelt, ungeschieden, ungetrennt.

Mono- bzw. miaphysitische AuseinandersetzungenObwohl mit der Charakterisierung unvermischt die Anliegen der Antiochener und mit ungetrennt die Position der Alexandriner aufgenommen wurden, erfuhren die Streitigkeiten in den sogenannten mono-ChristologieMonophysitische oder miaphysitischenChristologieMiaphysitische Auseinandersetzungen nach dem KonzilKonzil / Konziliarismus ihre Fortführung.

Eine theologische Haltung, die sich wiederum in diverse Richtungen ausdifferenzierte, war die, in Christus eine gottmenschliche NaturNatur und nicht zwei Naturen am Wirken zu sehen. Diese miaphysitischeChristologieMiaphysitische (griech.: mia physis = ‚eine Natur‘) Vorstellung setzte sich bei mehreren orientalischen Kirchen durch, und wird bis heute von der Armenischen, Koptischen, Äthiopischen, Eritreischen, Syrischen und Malankara Orthodoxen Kirche vertreten. Diese Kirchen kritisierten am Chalcedonense, dass die Einheit Christi zerstört würde. Die Äthiopischen und Eritreischen Kirchen tragen in ihren Selbstbezeichnungen bekenntnishaft den Begriff TewahedoTewahedo (= ‚Einheit‘). Mit dieser „Einheit“ ist nicht die Kircheneinheit o.ä. gemeint, sondern die Einheit der beiden Naturen Christi gemäß der miaphysitischenChristologieMiaphysitische Vorstellung.

Politische DifferenzenZu den theologischen Auseinandersetzungen kamen spezifisch politische und kirchenpolitische Schwierigkeiten. Für die Auseinandersetzungen zwischen Antiochien und Alexandrien waren die kirchenpolitischen Rivalitäten der Patriarchate gegenüber Konstantinopel relevant. Die Kirchen in Ägypten und Syrien widersetzten sich der Byzanz-Zentrierung. Kirchen auf Gebieten, die politisch nicht zum oströmischen Reich gehörten, z.B. Armenien und Äthiopien, strebten nach Erhalt der Unabhängigkeit, in enger Verflechtung mit ihren regionalen Königtümern. So begannen sich schon in der frühen Zeit des Christentums einzelne Kirchen vom Hauptstrom der Kirche im (ost)römischen Reich zu distanzieren.

2.3 Die Trennung der Ost- und Westkirche

Das Große Morgenländische SchismaSchismaMorgenländischesMorgenländisches SchismaEine weitere Trennung grundsätzlicher Art vollzog sich in der Zeit des Mittelalters zwischen der östlichen und der westlichen Kirche. Diese Trennung, das Große Morgenländische SchismaSchismaMorgenländischesMorgenländisches Schisma, wird im Allgemeinen auf das Jahr 1054 datiert, bahnte sich aber mit einer schleichenden Entfremdung der östlichen und westlichen Kultursphäre, bedingt u.a. durch die sprachlichen Unterschiede, über mehrere Jahrhunderte hinweg an. Zusätzlich sorgte das wachsende kirchenpolitische Interesse des römischen Papstes an der Jurisdiktionsgewalt über die anderen Bischofssitze für Spannungen. Diese mündeten schließlich in den Ereignissen des Jahres 1054, als durch einen Legaten von Papst Leo IX.$Leo IX., Pontifikat 1049–1054, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 1049–1054) in einer Bannbulle die ExkommunikationExkommunikation über den damaligen PatriarchenPatriarch Michael I.$Michael I. (Kerularios), um 1000–1059, orthodoxer Patriarch von Konstantinopel (Kerularios; um 1000–1059) von Konstantinopel und weiterer oströmischer Kirchenführer verhängt wurde. Im Gegenzug wurde der römische Abgesandte von Michael I. exkommuniziert – bemerkenswerterweise nicht der Papst selbst – sowie der Name des römischen Papstes aus den Passagen der Fürbitte in der byzantinischen LiturgieLiturgie gestrichen. Die gegenseitige Exkommunikation wurde erst 1965 von Papst Paul VI.$Paul VI., Pontifikat 1963–1978, römisch-katholischer Papst (Pontifikat: 1963–1978) und dem Ökumenischen Patriarchen Athenagoras I.$Athenagoras I., 1886–1972, orthodoxer Patriarch von Konstantinopel (1886–1972, Patriarch: 1948–1972) offiziell zurückgenommen.

Das FilioqueFilioqueIn der päpstlichen Bulle von 1054 wurde den östlichen Kirchen u.a. unterstellt, das FilioqueFilioque (= ,und aus dem Sohn‘) aus dem GlaubensbekenntnisGlaubensbekenntnis gestrichen zu haben. Allerdings war dieses von der westlichen Kirche ohne Absprache mit der östlichen überhaupt erst in das BekenntnisBekenntnis eingefügt worden. Im griechischen Urtext des Nicäno-KonstantinopolitanumBekenntnisNicäno-Konstantinopolitanum, den das KonzilKonzil / Konziliarismus 381 festgelegt hatte, heißt es: „[Wir glauben] an den Heiligen GeistHeiliger Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater hervorgeht“. Der westkirchliche Zusatz zum Glaubensbekenntnis „[Wir glauben] an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater und dem Sohn hervorgeht“ ist von den östlichen Kirchen nie bestätigt und anerkannt worden. Das Filioque sollte die gesamte Kirchengeschichte als das trennende Symbol von Ost- und Westkirche durchziehen.

Der KreuzzugKreuzzug gegen Konstantinopel 1204Zum endgültigen Bruch zwischen Ost- und Westkirche kam es durch den 4. KreuzzugKreuzzug 1204, als ein Kreuzfahrerheer aus französischen und venezianischen Rittern und Seefahrern, deren geplante Eroberung Ägyptens zu scheitern drohte, gegen das Verbot des Papstes den Kreuzzug nach Konstantinopel umlenkte. Die Tragweite dieses Ereignisses bestand darin, dass eine christliche Stadt von christlichen Rittern, die sich eigentlich der Verteidigung des Christentums gegen den Islam verschrieben hatten, geplündert und ihre Bewohner getötet oder grausam misshandelt wurden. Auch die christlichen Kirchen wurden von den Kreuzfahrern nicht verschont, kostbare Reliquien geraubt und Kirchengut gestohlen. Der byzantinische Kaiser wurde vertrieben und für einige Jahrzehnte herrschten an seiner Stelle Vasallen des Papstes und der Stadt Venedig über das byzantinische Reich. Die byzantinische Kultur entwickelte sich in dieser Zeit in mehreren kleinasiatischen Exilreichen neu. Mit dem 4. Kreuzzug war die Trennung zwischen Ost- und Westkirche nicht mehr nur ein theologisches oder kirchliches Phänomen, sondern eine für das Volk spürbare Realität.

UnierteUnion / Uniert Kirchen des OstensIn den folgenden Jahrhunderten kam es zu weiteren, für die Orthodoxie schmerzlichen Eingriffen der westlichen Kirche in ihre Kirchensituation. Im grundsätzlichen Bemühen der Römisch-katholischen Kirche, die altorientalischen und griechisch-orthodoxen Kirchen in die römische Jurisdiktion zurückzuführen, entstanden vor dem Hintergrund verschiedener kirchenpolitischer Konstellationen und politischer Ereignisse im Orient und in Ost- und Südosteuropa sogenannte unierteUnion / Uniert, d.h. griechisch-katholische, mit Rom verbundene Kirchen. Kennzeichen der unierten Kirchen ist, dass sie orthodox geprägt sind, die orthodoxe LiturgieLiturgie feiern und strukturiert sind wie orthodoxe Kirchen, bis hin zu dem Umstand, dass es bei ihnen verheiratete PriesterPriester gibt [→ Orthodoxe Kirche], dass sie aber der Jurisdiktion des Papstes unterstehen und als äußeres Kennzeichen das GlaubensbekenntnisGlaubensbekenntnis mit dem FilioqueFilioque beten.

Die Entstehung der unierten Kirchen führte zu einer Verdoppelung der Hierarchien: Zu nahezu jeder altorientalischen oder byzantinisch-orthodoxen Kirche existiert ein römisch-katholisches Pendant. So ist z.B. die römisch-katholische Entsprechung der → Heiligen Apostolischen Katholischen Assyrischen Kirche des Ostens die Chaldäisch-Syrische Kirche (auch: Chaldäisch-Katholische Kirche) des Ostens. Der → Armenischen Kirche entspricht die 1742 unierteUnion / Uniert Armenisch-Katholische Kirche. Das römisch-katholische Pendant der griechisch-orthodoxen Kirche von Alexandrien [→ Patriarchat von Alexandrien] und von Antiochien [→ Patriarchat von Antiochien] ebenso wie der orthodoxen Jerusalemer Kirche [→ Patriarchat von Jerusalem] ist die Melkitische Griechisch-Katholische Kirche, die sich in einem längeren Prozess im 17. Jahrhundert herausbildete und heute eine der größten Kirchen im Libanon darstellt.

Nur wenige römisch-katholische östliche Kirchen sind nicht als Re-Unionsbemühung Roms aus einer altorientalischen oder orthodoxen Kirche hervorgegangen. Die altorientalische römisch-katholische Maronitisch-Syrische Kirche [→ Syrische Orthodoxe Kirche von Antiochien und dem ganzen Osten], die im 7. Jahrhundert entstand und sich auf den Bischofssitz in Antiochien zurückführt, ist ein Beispiel für eine solche selbstständig gediehene römisch-katholische östliche Kirche.

Im 17. Jahrhundert trieb besonders das Wirken der Societas JesuSocietas Jesu, der ,Jesuiten‘, das römisch-katholische Bestreben voran, die Orthodoxie mit dem Katholizismus zusammenzuführen, im 19. und frühen 20. Jahrhundert waren es häufig nationalpolitische Interessen, die die Gründung unierter Kirchen forcierten. In den meisten osteuropäischen Ländern unter kommunistischer Herrschaft wurden die mit Rom unierten Kirchen im 20. Jahrhundert verboten und ihre Geistlichen und Mitglieder zur Konversion zur Orthodoxie gezwungen.

Im Hinblick auf Mitgliederzahlen sind diese Kirchen eher kleine Religionsgemeinschaften. Aber sie bilden bis heute ein Spannungsfeld im Verhältnis von Orthodoxie und römischen Katholizismus.

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