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Читать книгу: «Unter Palmen und Buchen. Dritter Band.», страница 13

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Siebentes Capitel.
Die Dreiberger Kirmeß

Der Herbst rückte heran und die Zeit der Kirmeß, und die erste sollte in Dreiberg abgehalten werden. Am nächsten Sonntag wurde sie »angetrunken«, und Hans durfte deshalb nicht so lange als gewöhnlich in Wetzlau bleiben. Aber er kehrte heute mit fröhlichem Herzen heim, denn Lieschen hatte geweint, als er ihr von seinem Verdacht erzählte, daß sie ihn nicht mehr so lieb habe, und war ihm dann um den Hals gefallen, und ihre Küsse brannten ihm noch auf den Lippen.

Der »Mosje aus der Stadt« wohnte freilich noch immer in der goldenen Traube und hatte mit ihnen an einem Tisch gegessen – was er alle Tage mit Lieschen und ihren Eltern that, da er sich bei ihnen in Kost gegeben. Der Herr war auch sehr aufmerksam gegen seine Braut gewesen, und eigentlich gefiel das Hans nicht recht, aber es ließ sich auch nicht gut etwas dagegen sagen. Das Zusammenlegen der Felder, besonders bei den verwickelten Eigenthumsverhältnissen in Wetzlau, war keine Arbeit, die sich eben in vierzehn Tagen abthun ließ, und das andere Wirthshaus im Dorf dabei so schlecht, daß ein anständiger Mensch dort nicht gut wohnen konnte. Jener Fremde – Herr von Secklaub hieß er – mußte also wohl oder übel in der Traube wohnen und essen, und daß er sich artig gegen die Tochter vom Haus betrug, konnte Hans ebenfalls nicht gut übelnehmen. Weit eher hätte er Grund dafür gehabt, wenn das Gegentheil der Fall gewesen. Lieschen sprach aber auch in der Zeit, da Hans in Wetzlau war, keine zehn Worte mit jenem Herrn, und als sie ihm auch noch zusagte, daß sie seine Platzjungfer auf der Kirmeß zu Dreiberg sein wollte, hatte er alles Andere darüber vergessen – selbst den Heimathschein und das hohe Consistorium – und galoppirte so fröhlich und guter Dinge, wie er lange nicht gewesen war, nach Hause zurück.

Und heute Abend wurde die Kirmeß wirklich in Dreiberg angetrunken, wie man diese Feierlichkeit dort nennt; d. h. die jungen Burschen aus dem Orte kamen im Wirthshaus zusammen und behandelten die sehr wichtige Angelegenheit, wer die Kirmeß eigentlich von ihnen halten, d. h. bezahlen sollte. Zu dem Zweck mußten sich drei von ihnen zu sogenannten Platzburschen erbieten, die es übernahmen die sämmtlichen Kosten zu tragen, oder wenigstens dafür gut zu sagen. Erreichte die Einnahme nachher die Kosten nicht, so hatten sie aus ihrer Casse darauf zu legen, was daran fehlte.

Es versteht sich von selbst, daß sich immer die wohlhabendsten Burschen im Dorfe dazu erboten, und Hans war heute der Erste, der sich zu einem derselben meldete. Nach einigem Herüber- und Hinüberreden, denn die Sache kostete manchmal viel Geld, fanden sich auch noch die beiden Anderen, und jetzt mußte Jeder seine Platzjungfer nennen.

Das ging ebenfalls rasch genug: Hans nahm natürlich seine Braut, ein anderer Bauerssohn aus Dreiberg erklärte, seine Platzjungfer solle Barthold's Katharine sein, und der dritte hatte sich des Schulmeisters Tochter ausgesucht.

Nun kamen noch einige geschäftliche Angelegenheiten, denn die Platzburschen hatten auch für die Musik, die ganze Kirmeß durch, zu sorgen, wie sie ebenfalls während der Zeit Freibier halten mußten. Auf morgen Abend aber wurde, wie das jedes Mal so geschieht, das Ständchen angesetzt, das die Platzburschen ihren gewählten Mädchen geben, und ein Abgesandter der Stadtmusikanten, die gewöhnlich auf den Kirchweihen spielen, war schon zu dem Zweck herausgekommen, um die nöthigen Anordnungen zu hören und die Stärke des Orchesters mit den Platzburschen zu besprechen.

Gewöhnlich hatten diese nun immer zwölf »Musikanten« zu ihrem Tanz und Vergnügen gehalten, Hans aber bestand auf zwanzig, ohne den Kapellmeister, weil er die Sache glänzend durchgeführt haben wollte, und als die Anderen, der Kosten wegen, darauf nicht eingingen, erbot er sich die Ueberzähligen aus seiner eigenen Tasche zu bezahlen. Der »Stadtmusikant« bekam dann gleich Befehl, morgen Abend um sieben Uhr mit seiner »Bande« an Ort und Stelle zu sein, und die beiden anderen Platzburschen – Lieschen wußte ja schon, daß sie gewählt sei, und kannte den dabei beobachteten Gebrauch – brachen jetzt auf, um ihren Platzjungfern die zugedachte Ehre anzuzeigen.

Katharine sträubte sich erst. Sie war bis jetzt nur dann zu Tanz gewesen, wenn Hans mit ihr ging, aber Hans redete ihr selber zu und bat sie, es seinet- und Lieschens wegen anzunehmen, das sich gewiß freuen würde, mit ihr da zusammen zu sein. Außerdem konnte sie es nicht einmal gut ausschlagen, ohne den jungen Burschen gröblich zu beleidigen. Er wäre gewiß nicht wenig von den Cameraden ausgelacht worden. So nahm sie es denn an, und die Mutter, die stolz darauf war, daß sie ihre Katharine zur Platzjungfer gewählt, hatte alle Hände voll zu thun, um den gehörigen Putz für sie herzurichten, denn Katharine sollte dem Barthold'schen Haus wahrhaftig keine Schande machen.

Die eigentliche Kirmeß fing erst in vier Wochen an, am nächsten Abend aber mußte den Platzjungfern, mit dem vollen Musikcorps, das Ständchen gebracht werden, und es ist dann Sitte, daß die Mädchen die Burschen sowohl, als die Musikanten mit Kaffee, Kuchen, Wurst und Brod tractiren. Da sie aber doch nicht gut bei allen dreien essen und trinken konnten, suchten sich die Burschen gewöhnlich zum Halteplatz den Ort aus, wo sie auf ein gutes »Tractament« rechnen konnten, und das war hier im Ort natürlich sicherer bei Barthold, als beim Schulmeister zu finden. Des Schulmeisters Tochter wurde deshalb, sowie die Musik eingetroffen war, zuerst heimgesucht, und das ganze Dorf lief zusammen, als das mächtige Musikcorps mit Pauken und Trompeten in die stille Nacht hineinwirbelte und einen ganz heillosen Lärm machte. Dann nahm der Tänzer Bärbel's, denn so hieß das junge Mädchen, diese an den Arm, und nun zog der Trupp zu Barthold's hinüber, um dort den musikalischen Spectakel von neuem zu beginnen.

Der alte Barthold ließ sich aber nicht »lumpen«. Aufgetragen war in der großen unteren Stube, was Küche und Keller nur liefern konnten, und wie sie sich dort ganz gehörig »gestärkt« ging der Zug – ohne die Mädchen natürlich – in einem Strich nach Wetzlau hinüber, denn der Traubenwirth war auch nicht zu verachten.

Das galt aber, wie gesagt, nur als das Vorspiel des Ganzen, denn vier Wochen später begann am Dienstag die wirkliche Kirmeß, die drei Tage dauerte, Freitag und Sonnabend war Ruhe, und am Sonntag wurde dann die sogenannte Nachkirmeß gehalten.

Am ersten Kirmeßtag aber ist es Sitte, daß die Platzburschen ihre Mädchen mit Musik abholen, und Hans natürlich hatte es sich etwas kosten lassen, um das seiner würdig in's Werk zu setzen. Er selber, mit dem üblichen Strauß im Knopfloch und einem anderen kleineren mit einem wehenden rothen Band daran am Hut, eröffnete an dem Morgen den Reigen, da Wetzlau am weitesten entfernt lag und er also sein Mädchen zuerst herüberbringen mußte. Er ritt seinen Braunen, ein prächtiges munteres Pferd, und dahinter kam ein mit Guirlanden und Büschen geschmückter Leiterwagen, auf den die ganze Musik gepackt war. Hinter dem Leiterwagen aber fuhr der Großknecht den kleinen steierischen Wagen leer hinüber, um darin die Platzjungfer, seine Braut, mit ihren Eltern abzuholen. Früh um sechs Uhr brachen sie auf. Lieschen war auch schon gerüstet und prangte im prachtvollen Schmuck der Platzjungfer, mit Blumen am Mieder und im Haar und einem carmoisinrothen Seidenband in den dunklen Locken, genau dieselbe Farbe wie es ihr Platzbursche, der Hans, trug, was ihr gar so reizend stand.

Die Eltern wollten auch, und zwar nur für heute mitfahren, denn drei Tage, so lange wie die Kirmeß dauerte, konnten sie nicht gut von Hause wegbleiben. Der alte Erlau zog es aber doch vor mit seiner Tochter den eigenen kleinen Wagen zu benutzen und sich nicht dem »Räderwerk« des Dreiberger Bauern anzuvertrauen. Er hatte jetzt Federn an seinem Wagen.

Dem Zug, dem sich noch ein Dutzend junge Burschen von Wetzlau anschlossen, folgte auch Herr von Secklaub, auf einem prachtvollen Rappen, seinem eigenen Pferd. Er schien sich ebenfalls einmal die Dreiberger Kirmeß mit ansehen zu wollen, und eingeladen war ja Jeder, der kommen wollte.

Die Gäste, d. h. der Traubenwirth mit seiner Familie, stiegen natürlich bei Barthold's ab, wo auch schon die anderen Platzburschen warteten, um Katharine abzuholen.

Und wie lieb Katharine heut aussah! Sie war in die Bauerntracht ihres Ortes gekleidet, und unwillkürlich flog Hansens Blick von ihr zu Lieschen, um zum ersten Mal die Beiden mit einander zu vergleichen. Lieschen war städtisch gekleidet, wie sie immer ging, heut aber wär' es Hansen fast lieber gewesen, sie hätte auch die Bauerntracht getragen. Es hätte mehr zu dem Ganzen gepaßt, so aber sah sie aus, als ob sie nicht recht dazu gehöre und nur zum Besuch herausgekommen wäre, und das war sie doch nicht. Er hatte sie auch wirklich darum bitten wollen, es aber wieder vergessen; was kam denn überhaupt auf die Tracht an? Woraus das Kleid nur gewebt war, das sie trug? dachte er dabei; es sah prächtig aus, mit hineingewirkten Blumen und Zierrathen, und die Blumen – künstlich gemachte, ihr Strauß und Kopfputz – die waren wirklich herrlich und so natürlich, daß man hätte daran riechen mögen – Moosrosen und Nelken stellten sie vor, weil sie, zu dem Band passend, roth sein mußten. Wo hatte sie nur so rasch die kostbaren Blumen herbekommen? – Lieschen war unbestritten das schönste Mädchen im Dorfe, und während des ganzen Festes, und obgleich sie mit Allen auf das Herzlichste und Unbefangenste sprach, hatten die beiden anderen Platzburschen doch einen ordentlichen Respect vor ihr, was jedenfalls die städtische kostbare Kleidung bewirkte, und doch war sie ja auch nur eines Bauern Tochter.

Viel heimischer wurde es ihnen dagegen bei Katharine zu Muthe, die mit ihrem kleidsamen kurzen Rock, den bunten Zwickelstrümpfen, dem geputzten Mieder und ihrem einfachen Kornblumenkranz im Haar, der zu dem blauen Band paßte, ganz wie die Kornblume gegen die Moosrose abstach, aber doch auch wieder in ihrer Art gar wunderhübsch und lieblich aussah.

Ob sie sich in Lieschens Nähe gedrückt fühlte? sie schien heute lange nicht so heiter und fröhlich als sonst, während in Lieschens Augen das Vergnügen über das zu erwartende Fest ordentlich funkelte und sie in einem fort lachte und Hans über sein ehrbar steifes Wesen als Platzbursche neckte.

Jetzt war auch des Schulmeisters Tochter abgeholt, ein einfaches, doch auch gar liebes Mädchen, das einen weißen Strauß in den dunklen Haaren und am Mieder, und ein weißes Band in den Locken trug, und der Zug ging nun zur Kirmeßstange vor der Kirche. Hier tanzten erst die drei »Platzpaare« drei Tänze im Freien, welches Recht ihnen allein zustand, dann zog die ganze fröhliche Schaar auf den festlich geschmückten Tanzboden in das Wirthshaus.

Achtes Capitel.
Wie die Kirmeßburschen ihr Recht ausüben

Und das ging jetzt lustig da oben zu, denn ein solches Musikcorps war noch nicht im Ort gewesen, so lange Dreiberg stand. Das schmetterte durch den Saal, daß die Tanzlust sich aller Gäste bemächtigte. Die ersten drei »Reihen,« wie man es dort nennt, gehörten aber wiederum den Platzpaaren, die damit gewissermaßen die Kirmeß eröffneten; aber als die erst getanzt waren, hatte Jeder freien Zutritt, d. h. er mußte sich vorher bei den Platzburschen um fünf Groschen ein Band lösen, das er dann, wie eine Eintrittsmarke, im Knopfloch trug. Das berechtigte ihn zu freiem Tanz und freiem Bier bis zum Abendbrod.

Nach den drei ersten »Reihen« oder Tänzen hatten die Platzjungfern, für die ganze Kirmeßzeit, das Recht, sich ihre Tänzer selber auszusuchen, wenn sie eben Extratouren tanzen wollten. Nur der Platzbursche, der sich die Maid gewählt, konnte einspringen wann er wollte und einen Tanz verlangen – und das verstand sich auch von selbst und war ganz in der Ordnung.

Hans tanzte aber vor der Hand nur die ersten Reihen mit Lieschen, denn als erster Platzbursche bekam er zu viel zu thun, um neu Hinzukommende, die sich dem Tanz anschließen wollten, mit Bändern zu versehen, und Lieschen hatte sich nach ihm Herrn von Secklaub, der sich auch ein Band gelöst, ausgesucht, und zwar für zwei Tänze hintereinander. Dann forderte sie die beiden anderen Platzburschen auf, und darauf wieder Herrn von Secklaub. Aber auch aus der Stadt waren ein paar Bekannte herausgekommen, denen sie diese Gunst gewährte, und sie versäumte keinen einzigen Reihen bis zum Abendbrod.

Katharine hielt sich mehr zurück, obgleich sie es auch nicht gut vermeiden konnte, den und jenen aufzufordern. Mit den anderen Platzburschen mußte sie natürlich auch einmal tanzen, und Hans, der heut ganz wild und ausgelassen war, schwang sich mit ihr lustig im Kreise.

»Mach' kein so traurig Gesicht, Kathrin,« sagte er dabei zu seiner Tänzerin, »die Leute glauben Dir's ja sonst gar nicht, daß Du fidel bist, und warum sollten wir heute nicht alle fidel sein; es ist ja Kirmeß!«

»Ich bin ja lustig Hans,« sagte sie leise, ganz glücklich jetzt. »Hab' ich denn wirklich so ernst ausgesehen?«

»Wie der Herr Pfarrer auf der Kanzel,« lachte der junge Bursche, »aber sieh nur, wie der Mosje da drüben, der mit von Wetzlau gekommen ist, die langen Beine herumwirft. Er will uns hier auf dem Dorfe zeigen wie man tanzen muß, aber wir wollen einmal sehen ob er aushält, wenn's erst einmal in die dritte Nacht hineingeht. Da wird er wohl auf dem Rücken liegen und alle Viere strecken. Das weiß der liebe Gott, die Stadtleute haben gar kein Mark in den Knochen.«

»Wie hübsch Lieschen tanzt!« sagte Katharine.

»Ja,« meinte Hans, »aber man sieht's gar nicht vor den langen Kleidern. Ich weiß nicht, die Stadtmoden gefallen mir doch lange nicht so gut wie unsere Tracht. Du siehst viel hübscher aus, Kathrine, mit Deinen kurzen Röcken.«

Katharine war blutroth geworden, doch der Tanz auch gerade aus und Hans wurde zu einer neuen Bändervertheilung abgerufen, da er vor dem Abendbrod dies Geschäft übernommen hatte, und bis um neun Uhr, wo es zum Essen ging, kam er nur noch ein einziges Mal zum Tanzen, dann wurde er ja aber auch von seinem Amte abgelöst und konnte sich ganz seinem Vergnügen überlassen.

Natürlich führte jeder Bursche sein Mädchen zu Tische, und die Platzpaare saßen obenan, Hans mit Lieschen in der Mitte, und die anderen Beiden rechts und links, und wenn auch eben nicht viel gegessen ward, getrunken wurde desto mehr. Der Tisch brach aber trotzdem fast unter den verschiedenen Speisen, und Kalbsbraten, Schweinebraten, Truthahn, Gans, Enten, Hühner und Schinken, deckten mit einer Menge von Zuspeisen und süßen und sauern Sachen die Tafel wirklich von einem Ende bis zum anderen. Der Bauer, so mäßig er sonst lebt, hält etwas darauf, daß bei solchen Gelegenheiten die Speisen gut und hauptsächlich in Masse da sein müssen. Und hier war es noch besondere Ehrensache, daß es auf ihrer Kirmeß an nichts fehle, damit die Burschen, die von anderen Dörfern herüber gekommen waren, sich nicht am Ende später über die Festgeber lustig machten.

Es war überhaupt eine eigene Sache mit dem Besuch von anderen Dörfern, und dieser, wenn auch gestattet, doch immer nur mehr geduldet als gern gesehen. Mit dem größten Vergnügen konnten die Burschen kommen, mit trinken und mit tanzen, aber sie durften kein Mädchen »aus unserem Dorfe« besonders auszeichnen, oder gar Abends heimführen wollen. Nachher gab es böses Blut. Die Burschen wurden dann, zwar nicht gerade von den Platzburschen, aber von den Uebrigen, geneckt und gehänselt. Man spielte ihnen jeden Schabernack, den man nur gelegentlich anbringen konnte, und setzten sie sich zur Wehr oder nahmen sie nicht Alles gutmüthig hin, dann kam es auch wohl zu Thätlichkeiten, und der Tanzboden verwandelte sich plötzlich aus einem Lust- in einen Kampfplatz. Es geschah aber doch verhältnißmäßig selten, denn die fremden Burschen wußten schon, wie sie sich zu benehmen hatten, und die »hiesigen« hielten ebenfalls soviel als möglich mit solchen »letzten Hülfen« zurück, weil sie ja doch auch manchmal die Nachbardörfer besuchten, wo ihnen alsdann hätte Aehnliches widerfahren können.

Vor Tische fiel überhaupt nie eine derartige Scene vor, und der erste Tag verging fast jedes Mal in Ruhe und Frieden.

So auch hier. Heute tanzte das junge Volk bis zwei Uhr des andern Morgens. Jeder im Ort wohnende Tänzer geleitete dann sein Mädchen heim, und am andern Morgen fing die Musik schon wieder um zehn Uhr an zu spielen. Auch an diesem Tage fiel nichts Bemerkenswerthes vor, und Jeder stimmte damit überein, daß eine so prachtvolle und reiche Kirmeß noch gar nicht in Dreiberg gefeiert worden wäre und eine so friedliche ebenfalls nicht.

Am dritten Tage kam, etwa um drei Uhr Nachmittags, Herr von Secklaub wieder nach Dreiberg, der in der That einen Zwischentag gebraucht hatte, um sich ordentlich auszuruhen, und die Burschen zischelten und lachten über ihn, als er den Saal betrat. Er ließ sich aber dadurch wenig stören, und Lieschen entschädigte ihn auch bald dafür, da sie ihn, von ihrem Recht Gebrauch machend, gleich zu dem nächsten Tanz abholte.

Mit Dunkelwerden hatte Katharinens Tänzer, der Soldat gewesen war und in der Stadt eine Menge neue Tänze gelernt zu haben schien, von denen man auf dem Lande eben keinen Gebrauch machte, eine Française oder einen Contre-Tanz vorgeschlagen. Erst wollten die Mädchen nicht darauf eingehen, zuletzt aber, unter Kichern und Lachen, stellten sie sich an, die drei Platzpaare und noch ein anderes. Der arme Teufel, der den Tanz vorgeschlagen, bereute es jedoch bald bitter, denn sie machten ihm das Leben dabei sauer genug. Die Mädchen begriffen trotzdem ziemlich rasch, wie sie sich dabei zu verhalten hätten, und von Lieschen unterstützt ging es schon gar nicht so schlecht. Die Burschen ließen sich aber desto ungeschickter an, und Hans besonders konnte das Ding nicht in den Kopf, oder vielmehr nicht in die Füße kriegen.

Herr von Secklaub, der zum vierten Paar gehörte, war dagegen in diesem Tanz vollkommen zu Hause, und daß er sich so geschickt dabei benahm und Hans so hölzern, ärgerte diesen ganz besonders. Das dauerte aber nicht lange. Hans sowohl, wie die andern Platzburschen, bekamen das »Durcheinanderdrehen« bald satt. Mitten drin ließen sie abbrechen, und wieder wirbelten die Paare in einem rasenden Rutscher dahin und umeinander herum.

Jetzt wurde zum Essen trompetet und Lieschen stand einen Augenblick allein, da Hans nach dem anderen Ende des Saales gerufen wurde, wo ein Streit entstanden war, ob ein Fremder sein Band gelöst habe oder nicht. Secklaub, der den letzten Tanz frei geblieben, trat auf Lieschen zu und bot ihr seinen Arm, um sie zu Tische zu führen.

»Ich weiß nicht ob ich darf,« flüsterte sie, »Hans könnte es übelnehmen.«

»Aber wenn er Sie so vernachlässigt, mein Fräulein,« sagte der junge Mann, »so darf er sich doch darüber nicht beklagen. Kommen Sie, ich will Sie ja nur begleiten und stehe dann gern von näheren Anrechten zurück.« Er ließ auch keinen Widerspruch zu, zog Lieschens Arm in den seinen und führte sie zu Tische.

»Na?« sagte Katharinens Platzbursche, den Fremden erstaunt ansehend, als dieser mit seiner Dame an den oberen Theil des Tisches trat, »blöde sind Sie gerade nicht. Ist das etwa der Stellvertreter für den Bräutigam, Jungfer Braut?«

Lieschen wurde feuerroth, ehe sich aber Secklaub zurückziehen konnte, stand Hans neben ihm und seinen Arm ergreifend, daß die blauen Flecke daran noch acht Tage sichtbar blieben, sagte er eben nicht höflich: »Will der Herr wohl so gut sein und die Hand davon lassen? Das ist meine Platzjungfer, und die hat Niemand anders zu Tisch zu führen, als ich selber!«

»Hans, fang' keinen Streit an,« bat Katharine leise flüsternd, indem sie seinen Arm ergriff. »Er hat es ja auch nicht so bös gemeint. Er weiß ja nicht was hier Sitte ist.«

»Sie entschuldigen,« sagte Secklaub, dem es nicht unangenehm war, daß ihn Hans wieder losließ, »ich wußte nicht, daß ich dabei einen Eingriff in Ihre Rechte beging, aber Fräulein Erlau –«

»Komm, Lieschen,« sagte Hans, vor den Fremden tretend und ihm den Rücken kehrend, während er seine Braut auf ihren Stuhl niederzog, »setz' Dich und mach' Dir's bequem. Und nun wollen wir einmal tüchtig einhauen, denn ich bin nicht schlecht hungrig geworden.« Den Stadtherrn beachtete er gar nicht mehr, und Herr von Secklaub zog sich, eben nicht erfreut von der Behandlung, an das andere Ende der Tafel zurück. Mit den Bauerburschen konnte er doch nicht gut Streit anfangen.

Um halb elf Uhr begann der Tanz von Neuem, und es wurden jetzt blaue Bänder ausgegeben. Vor Tische waren wieder rothe getragen worden. Katharinens Platzbursche hatte die Vertheilung derselben. Das ging auch rasch und ohne Schwierigkeit vor sich, und das junge Volk warf sich der Lust wieder mit solchem Eifer in die Arme, als ob das der erste Abend gewesen wäre und sie nicht schon zwei halbe Nächte durchtanzt hätten.

»Hallo, Freund,« begann Katharinens Tänzer, der mit seiner Sparbüchse in der Hand durch die Reihen schritt und jetzt damit, dicht vor Herrn von Secklaub, klapperte. »Ihr habt noch Euer Band von vor Tisch ein; bitt' um die fünf Groschen, hier ist ein anderes.«

»Bitte um Verzeihung,« sagte Secklaub, indem er in die Westentasche griff und sein blaues Band herausholte und vorzeigte, »ich habe es mir eben von Ihnen selbst eingelöst und trage nur das rothe, weil es mir besser gefällt.«

»So? na, das ist Geschmacksache,« sagte der Bursche, »aber wenn Sie hier mittanzen wollen, müssen Sie das blaue tragen, wie's meine Platzjungfer trägt, nicht dem Hans seine, verstehen Sie mich? oder ich komme wieder mit der Büchse,« und damit wandte er sich lachend ab, und Herr von Secklaub knüpfte das blaue Band zu dem rothen.

»Tanz' nicht mehr mit dem Herrn mit dem Schnurrbart!« flüsterte Katharine leise dem Lieschen zu.

»Und warum nicht?« frug diese rasch und etwas heftig zurück.

»Die anderen Burschen haben schon darüber gesprochen,« warnte sie das junge Mädchen. »Sie haben auch heut Abend 'was im Kopf, und es könnt' sonst Streit geben. Es wär' besser wenn er ganz wegginge.«

»Sie dürfen ihm nichts thun,« sagte aber Lieschen trotzig, »er ist Gast hier in Dreiberg und hat seine Musik bezahlt, so gut wie die Andern, auch noch Niemanden beleidigt, und der Hans ist doch schon vorhin recht grob mit ihm gewesen.«

»Sei dem Hans nicht böse drüber, Lieschen,« bat Kathrine gutmüthig, »Du weißt, daß die Platzburschen ihre Rechte haben und sich nicht gern 'was davon nehmen lassen. Es kostet ihnen ja auch viel Geld. Uebrigens war's gewiß nicht so bös gemeint; Hans ist nun einmal so gradhin.«

»Er hätte mehr Lebensart haben sollen,« zürnte Lieschen noch immer. »Uebrigens hab' ich als Platzjungfer auch meine Rechte und kann tanzen mit wem ich will.«

»Das kannst Du, ja, Lieschen,« beschwichtigte sie das junge Mädchen, »aber thu's mir zu Liebe nicht mehr heut' Abend mit dem fremden Herrn. Es läuft wahrhaftig nicht gut ab.«

»Unsere Kirmeß!« jubelte da mit einem hellen Juchzer Katharinens Tänzer dicht neben ihnen, umschlang das junge Mädchen und wirbelte mit ihm zum Tanze fort; Lieschen aber, durch die Warnung nur noch mehr gereizt, ging geraden Weges auf den etwas abseits stehenden Secklaub zu, bot ihm die Hand und trat in die Reihe ein.

»Du, Hans,« sagte da einer der Dreiberger Burschen, indem er ihn auf die Schulter klopfte, »wer ist denn hier eigentlich Platzbursch', Du oder der da?« und damit zeigte er auf den gerade vorbeitanzenden Secklaub; »einen Strauß trägt er auch schon im Knopfloch.«

»Ach laß ihn,« sagte Hans, indem er dem Paar mit einem finsteren Blick folgte, »was weiß der Laffe von unseren Gebräuchen hier!«

»Ei zum Henker,« rief ein Anderer, der daneben stand, »dann muß man ihn gescheidt machen. Von meinem Mädchen wollte er vorher einen Kuß haben, die hat ihn aber schön ablaufen lassen. Das weiß ich, wenn er mir so in die Quere käme, ich wollt' ihm bald zeigen, wo der Zimmermann das Loch gelassen hat.«

Hans, obgleich er ein bischen viel getrunken, wollte doch nicht gern Streit anfangen. Das Necken der Kameraden war ihm aber doch nicht recht, und als der Erste jetzt sogar wieder spöttisch meinte, das Heimführen würde der ihm wohl auch ersparen, da er die Jungfer gewiß gleich heute Abend nach Wetzlau hinüberbrächte, stieg ihm das Blut in den Kopf. Noch ein paar Minuten blieb er mit verschränkten Armen stehen, dann aber, als er sah, wie der Fremde seinem Mädchen eine Menge Sachen in's Ohr flüsterte, schritt er plötzlich ruhig, aber entschlossen zwischen den Tanzenden durch, gerade auf das Paar zu, und Lieschen an der Hand nehmend, zog er sie mit sich fort und sagte: »Komm, Jungfer, Du hast jetzt genug mit dem Herrn da getanzt.«

»Aber, Hans!« rief Lieschen erschreckt und zugleich beleidigt, denn die Mädchen in der Nachbarschaft lachten.

»Entschuldigen Sie,« rief aber auch Herr von Secklaub, »die Dame hat, so viel ich weiß, das Recht –«

»Hier sind keine Damen,« trat ihm ein anderer Bursche, der schon darauf gewartet hatte, gerade vor das Gesicht, »das da ist dem Hans seine Platzjungfer – verstanden?«

»Mit Ihnen habe ich gar nichts zu schaffen,« sagte der junge Mann und wollte ihn bei Seite schieben. Das war gefehlt.

»Na, das auch noch?« rief der junge kräftige Bursche und warf Secklaub's Arm zurück, daß dieser gegen einen der Kameraden anflog.

»Oho!« schrie dieser, indem er den Städter augenblicklich beim Kragen faßte, denn fast die sämmtlichen Burschen hatten viel weniger auf eine Ursache, als einen Anfang gewartet, »wissen Sie nicht, wie man sich zu benehmen hat? Treppe frei!«

»Treppe frei! Treppe frei!« schrie die jubelnde Schaar. Herr von Secklaub wollte sich zur Wehr setzen, allein, lieber Gott, in den Händen der Burschen war er wie ein kleines Kind, und während die Uebrigen lachend und schreiend beiseite wichen, wurde der arme Teufel ohne Weiteres mehr zur Treppe getragen, als geführt und dort mit einem »Kopf weg, da unten!« hinabgesandt. Er polterte auch die ziemlich steilen Stufen bis unten hin, raffte sich dann auf und schien einen Augenblick nicht übel Lust zu haben, in voller Wuth wieder nach oben zu stürmen. Das aber wäre blanker Wahnsinn gewesen, denn wenn er sich auch kräftig genug fühlte einem Einzelnen Stand zu halten, hätte er dort oben den ganzen Schwarm gegen sich gehabt. So war er denn, mit zerrissenem Rock und ohne Hut, genöthigt, sein Pferd zu bestellen, das ihm der Hausknecht bald brachte. Uebrigens nicht gewillt, im bloßen Kopf heimzureiten, nahm er unten im Haus die erste beste Kopfbedeckung, von denen dort überall genug an den Nägeln hingen, stülpte sie auf und galoppirte kaum eine Viertelstunde später, eben nicht besonders gut gelaunt, in die dunkle Nacht hinein nach Wetzlau hinüber.

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
28 сентября 2017
Объем:
250 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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