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2. Geschäftsführer und vertretungsberechtigte Gesellschafter

51

Außer dem Schuldner kommen gem. § 14 StGB als taugliche Täter bei der GmbH der Geschäftsführer[79], bei der Aktiengesellschaft, der Genossenschaft, dem rechtsfähigen Verein und der rechtsfähigen Stiftung der Vorstand bzw. jedes Vorstandsmitglied[80] und bei der offenen Handelsgesellschaft sowie der Vorgesellschaft einer GmbH[81] jeder vertretungsberechtigte Gesellschafter[82] in Betracht. Im Zusammenhang mit einer Kommanditgesellschaft und einer Kommanditgesellschaft auf Aktien können als Täter nur die persönlich haftenden Gesellschafter, nicht hingegen die Kommanditisten strafbar sein. Bei der GmbH & Co. KG wird der GmbH-Geschäftsführer als tauglicher Täter angesehen, sofern er auch die Geschäfte der KG führt.[83] Bei den Buchführungs- und Bilanzdelikten (§§ 283 Abs. 1 Nrn. 5–7, 283b StGB) kommen als Täter auch rechtsgeschäftlich bestellte Vertreter und Beauftragte in Frage,[84] so z. B. Steuerberater bei der Übernahme der Buchführung oder Angestellte von Kreditinstituten bei der Übernahme des Zahlungsverkehrs des Schuldners.

Letztlich muss nach der Abkehr der Rechtsprechung von der Interessentheorie[85] darauf abgestellt werden, dass alle Handlungen eines Organs oder Vertreters, die dem Schuldner zuzurechnen sind, auch als Handlungen für den Schuldner anzusehen sind. Dies gilt erst recht, wenn der Vertreter gesetzlich vorgesehenen Pflichten des Schuldners, die er für diesen zu erfüllen hat, nicht nachkommt.

3. Faktischer Geschäftsführer

52

Die Rechtsprechung[86] erfasst unter Berufung auf das Reichsgericht[87] auch Fälle der faktischen Organschaft und rechnet das Krisenmerkmal und die objektive Strafbarkeitsbedingung dem Hintermann zu, der den formell vertretungsberechtigten Gesellschafter oder Inhaber in eine Strohmannrolle versetzt.[88] Eine faktische Geschäftsführung liegt in aller Regel vor, wenn eine Person die Geschicke der Gesellschaft allein bestimmt, eine überragende Stellung in der Geschäftsleitung einnimmt oder die Geschäfte in weitergehendem Umfang als der formell festgelegte Geschäftsführer vornimmt und bestimmenden Einfluss auf alle Geschäftsvorgänge hat.[89] Er muss nach dem Gesamterscheinungsbild die Geschäfte „wie ein Geschäftsführer“ führen.[90] Seine Tätigkeit muss von einer gewissen Dauer gewesen sein, er muss betriebsinternen und/oder extern nach außen[91] verantwortlich aufgetreten sein und auf wichtige Geschäftsvorfälle bestimmenden Einfluss genommen haben.[92] Weiterhin muss ihm das Amt durch die Zuständigen anvertraut worden sein; hierfür reicht das Einverständnis der Gesellschafter oder des zuständigen Gesellschaftsorgans aus. Weiterhin muss der faktische Geschäftsführer tatsächliche Verfügungsmacht haben.[93] Auf den faktischen Liquidator finden die Grundsätze der faktischen Geschäftsführung entsprechend Anwendung.[94]

4. Teilnahme

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Die Zurechnung der Strafbarkeit auf handelnde Organe und Beauftragte nach § 14 StGB bedeutet nicht, dass andere Personen stets straflos bleiben. Bei ihnen ist nur eine Täterschaft, nicht jedoch eine Verantwortung als Gehilfe oder Anstifter ausgeschlossen.

Anmerkungen

[1]

MüKo-StGB-Radtke/Petermann Vor §§ 283 ff. Rn. 11; Schönke/Schröder-Heine/Schuster Vor §§ 283 ff. Rn. 2.

[2]

Vgl. dazu Achenbach/Ransiek/Rönnau-Wegner VII 1 Rn. 3 und die einschlägigen Kommentare zum StGB und zur InsO.

[3]

Vgl. dazu MüKo-StGB-Radtke/Petermann Vor §§ 283 ff. Rn. 19; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 6.

[4]

S. dazu LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 45.

[5]

BGHSt 9, 84; 28, 373; BGH NStZ 1987, 23; BGH NJW 2001, 1874; OLG Frankfurt NStZ 1997, 552; Fischer Vor § 283 Rn. 3; NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 19, 29 m.w.N.; Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 3; Lackner/Kühl-Heger § 283 Rn. 1; SK-StGB-Hoyer Vor § 283 Rn. 3 m.w.N.; Joecks Vor § 283 Rn. 1; MüKo-StGB-Radtke/Petermann Vor §§ 283 ff. Rn. 1 m.w.N. bzw. Rn. 11 m.w.N.; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 2 bzw. Rn. 45; vgl. auch Krüger wistra 2002, 52; Trüg/Habetha wistra 2007, 365, 366.

[6]

Vgl. RGSt 39, 326; 41, 314; BGH NStZ 2001, 485 mit Anm. Krause NStZ 2002, 42; Schönke/Schröder-Heine/Schuster Vor §§ 283 ff. Rn. 2; MüKo-StGB-Radtke/Petermann Vor §§ 283 ff. Rn. 11; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 45 (Fn. 32).

[7]

Vgl. RGSt 68, 109; BGHSt 28, 371, 373; Schönke/Schröder-Heine/Schuster Vor §§ 283 ff. Rn. 2; MüKo-StGB-Radtke/Petermann Vor §§ 283 ff. Rn. 11; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 45.

[8]

Vgl. Rn. 980 ff.

[9]

Dazu und zu der Frage, ob der Schuldner durch den Missbrauch von Vertrauen dabei ein unerwartet und ungewöhnliches Risiko gesetzt haben muss, NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 20 ff.

[10]

So NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 23 ff.

[11]

Maurach/Schröder/Maiwald StrafR BT I, § 48 I 3.

[12]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 47.

[13]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 46.

[14]

So Fischer Vor § 283 Rn. 3; Gallandi wistra 1992, 10; Krause NStZ 1999, 161, 162; a.A. Müller-Gugenberger-Richter § 76 Rn. 48; NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 30; vgl. dazu auch Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht Rn. 1107.

[15]

NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 30; MüKo-StGB-Radtke/Petermann Vor §§ 283 ff. Rn. 13; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 46.

[16]

MüKo-StGB-Radtke/Petermann Vor §§ 283 ff. Rn. 13; a.A. Bittmann-Brand § 12 Rn. 6.

[17]

NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 30.

[18]

So NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 18, 26; Krause S. 159 ff.

[19]

Vgl. MüKo-StGB-Radtke/Petermann Vor §§ 283 ff. Rn. 15 m.w.N.

[20]

So NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 18; ausdrücklich a.A. MüKo-StGB-Radtke/Petermann Vor §§ 283 ff. Rn. 16 mit dem Hinweis, nicht der Gestaltungsspielraum bzw. die Gestaltungsmacht werde unmittelbar tangiert, sondern das Substrat in Form der Insolvenzmasse.

[21]

NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 26.

[22]

MüKo-StGB-Radtke/Petermann Vor §§ 283 ff. Rn. 15 m.w.N.

[23]

BT-Drucks. 12/2443, S. 93; SK-StGB-Hoyer Vor § 283 Rn. 4; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 3, 48, 88; Lackner/Kühl-Heger § 283 Rn. 1; Schönke/Schröder-Heine/Schuster Vor §§ 283 ff. Rn. 2.

[24]

Eingehend dazu SK-StGB-Hoyer Vor § 283 Rn. 4.

[25]

MüKo-StGB-Radtke/Petermann Vor §§ 283 ff. Rn. 16.

[26]

MüKo-StGB-Radtke/Petermann Vor §§ 283 ff. Rn. 13.

[27]

S. § 113 InsO.

[28]

Vgl. LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 51.

[29]

MüKo-StGB-Radtke/Petermann Vor §§ 283 ff. Rn. 12 m.w.N.; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 51.

[30]

BGHSt 28, 371; 34, 221, 225; Schönke/Schröder-Heine/Schuster Vor §§ 283 ff. Rn. 2; NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 19, 31 m.w.N.; MüKo-StGB-Radtke/Petermann Vor §§ 283 ff. Rn. 12 m.w.N.; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 49 ff.

[31]

Dieser soll sich nach LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 50 in einen Anspruch aus § 615 BGB wandeln, wenn infolge der Krise die Beschäftigung verweigert oder unmöglich wird.

[32]

Vgl. dazu auch die Auflistung von LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 50.

[33]

MüKo-StGB-Radtke/Petermann Vor §§ 283 ff. Rn. 12; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 51 f.; vgl. auch Hiltenkamp-Wisgalle S. 61 f. zur früheren Rechtslage unter der Geltung der KO.

[34]

Ausführlich dazu NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 60 ff.

[35]

MüKo-StGB-Radtke/Petermann Vor §§ 283 ff. Rn. 12 m.w.N.; so auch LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 51 f.

[36]

BGHSt 48, 307 ff.

[37]

Radtke NStZ 2003, 154, 156.

[38]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 51; zum Recht am Arbeitsplatz unter Geltung der KO vgl. Hiltenkamp-Wisgalle S. 61 f.

[39]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 51.

[40]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 51.

[41]

S. dazu Wabnitz/Janovsky-Dannecker/Bülte 1. Kap. Rn. 106; Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht, Rn. 172 m.w.N.

[42]

So etwa Weigend FS Triffterer, S. 695, 699; Hassemer JuS 1990, 850; vgl. auch Dohmen/Sinn KTS 2003, 205 ff.; Penzlin S. 29 ff., 34 ff.

[43]

So die Empfehlung des XIII. Internationalen Strafrechtskongresses der AIDP, ZStW 97 (1985), 731, 735 f.; Wabnitz/Janovsky-Dannecker/Bülte 1. Kap. Rn. 106 f.; Tiedemann JZ 1986, 865, 868.

[44]

NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 34; Lackner/Kühl-Heger § 283 Rn. 1; Joecks Vor § 283 Rn. 2; MüKo-StGB-Radtke/Petermann Vor §§ 283 ff. Rn. 20 m.w.N.

[45]

BT-Drucks. 7/3441, S. 3.

[46]

BGHSt 28, 231 ff. mit Anm. Schlüchter JR 1979, 513.

[47]

Hierzu Steinberg/Valerius/Popp-Hagemeier S. 129, 134 ff.

[48]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 88.

[49]

So etwa Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 3 m.w.N.; NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 19; MüKo-StGB-Radtke/Petermann Vor §§ 283 ff. Rn. 17 ff.; Hartwig FS Bemmann, S. 311, 314; Krause S. 171 ff., 451.

[50]

NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 32 f. m.w.N.; Volk JZ 1982, 85, 87 f.

[51]

NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 32.

[52]

So Hammerl S. 110.

[53]

NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 33.

[54]

NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 33.

[55]

Vgl. dazu LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 53.

[56]

Bejahend Stapelfeld S. 261; krit. Mohr S. 153.

[57]

BGH NJW 2001, 1874; BGH NJW 2003, 974; Fischer Vor § 283 Rn. 3; SK-StGB-Hoyer Vor § 283 Rn. 5; Schönke/Schröder-Heine/Schuster Vor §§ 283 ff. Rn. 2; Lackner/Kühl-Heger § 283 Rn. 1; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 54; Hiltenkamp-Wisgalle S. 50 ff.; Röhm S. 63 ff.; Schlüchter JR 1979, 513.

[58]

Vgl. dazu MüKo-StGB-Radtke/Petermann Vor §§ 283 ff. Rn. 14 ff.

[59]

SK-StGB-Hoyer Vor § 283 Rn. 5 m.w.N.; Lackner/Kühl-Heger § 283 Rn. 1; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 54.

[60]

SK-StGB-Hoyer Vor § 283 Rn. 5 m.w.N.; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 54; Schlüchter JR 1979, 513, 515.

[61]

Vgl. Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht und Wirtschaftskriminalität Bd. 1 S. 25 ff.

[62]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 54 ff.; Geerds S. 5 ff.; Hefendehl Kollektive Rechtsgüter S. 252 ff.; Otto ZStW 96 (1984), 339, 343.

[63]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 54 ff.; MüKo-StGB-Radtke/Petermann Vor §§ 283 ff. Rn. 17 m.w.N.; Hefendehl Kollektive Rechtsgüter S. 272.

[64]

Tiedemann Wirtschaftsstrafrecht AT, Rn. 63 m.w.N.

[65]

Vgl. schon die Motive zur KO 1874; NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 23 (spricht von einem „Schutzreflex“); Schönke/Schröder-Heine/Schuster Vor §§ 283 ff. Rn. 2 m.w.N.; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 55 ff.; ders. ZRP 1975, 129, 133; ders. ZIP 1983, 513, 520; Bretzke S. 16; Hammerl S. 116; Weyand/Diversy Rn. 12; s. auch BVerfGE 48, 48, 61.

[66]

BGH NJW 2003, 974.

[67]

Vgl. dazu NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 37.

[68]

NK-StGB-Kindhäuser Vor §§ 283–283d Rn. 33.

[69]

Vgl. dazu LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 54.

[70]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 54.

[71]

RGSt 68, 108, 109.

[72]

Leitner/Rosenau-Pfordte/Sering Vorbemerkungen §§ 283 ff. Rn. 29.

[73]

BGH NStZ 2001, 485, 486 mit Anm. Krause NStZ 2002, 42 f.; Bieneck StV 1999, 43; Moosmeyer S. 63 ff., 172 f.; zur Problematik der Geltung der InsO für Privatpersonen Uhlenbruck NZI 2000, 15 ff.; Schramm wistra 2002, 55 f.; Röhm ZInsO 2003, 535 ff.; Rechtsprechungsübersicht bei Sternal NZI 2009, 537 ff. und NZI 2010, 457 ff.; zu Reformvorhaben Pape ZInsO 2011, 1 ff.; Schmerbach NZI 2011, 131 ff.

[74]

Vgl. Schönke/Schröder-Perron § 14 Rn. 34.

[75]

Vgl. etwa BGH NJW 2001, 1874.

[76]

So auch Leitner/Rosenau-Pfordte/Sering Vorbemerkungen §§ 283 ff Rn. 30; Lackner/Kühl-Heger § 283 Rn. 2 m.w.N.

[77]

Hierzu Rn. 54 ff.

[78]

Vgl. Rn. 881 ff.

[79]

BGH NJW 1969, 1494.

[80]

LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 61 f.

[81]

BGHSt 3, 23 ff.

[82]

Streitig bei der OHG; LK-StGB-Tiedemann Vor § 283 Rn. 62.

[83]

BGHSt 19, 174 ff.

[84]

Zu den möglichen Verletzungen von Berufspflichten in diesem Kontext Rn. 1057 ff.

[85]

Im Einzelnen hierzu unten Rn. 887 ff.

[86]

BGHSt 3, 37; 6, 240; zuletzt in BGH wistra 2015, 151.

[87]

RGSt 16, 269; 43, 407; 64, 81.

[88]

BGHSt 34, 37; 34, 221.

[89]

Michalski-Dannecker § 82 GmbHG Rn. 44 ff.

[90]

BGH NJW 2002, 1803, 1805.

[91]

BGH NJW 2002, 1803, 1805; OLG Brandenburg NJW 2001, 76, 78.

[92]

BGHSt 31, 118, 122.

[93]

Michalski-Dannecker § 82 GmbHG Rn. 46.

[94]

BGH wistra 1999, 459, 462 f.; Bittmann-Meyer § 6 Rn. 141.

Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts › D. Grundbegriffe der Insolvenz

D. Grundbegriffe der Insolvenz

Teil 1 Grundfragen des Insolvenz- und Insolvenzstrafrechts › D. Grundbegriffe der Insolvenz › I. Strafrechtlich relevante Begriffe und ihre Definition

I. Strafrechtlich relevante Begriffe und ihre Definition

1. Krise als Oberbegriff

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Die Insolvenzdelikte im engeren Sinn[1] weisen die charakteristische Gemeinsamkeit auf, dass ein strafbares Verhalten stets das Handeln im Kontext einer wirtschaftlichen Krise des Schuldners voraussetzt.[2] Die Rede ist von krisenbezogenen Delikten[3]. So knüpft die Strafbarkeit in diesem Deliktsfeld – mit Ausnahme der Verletzung der Buchführungspflicht in § 283b StGB – stets an ein wirtschaftlich verantwortungsloses oder insolvenzträchtiges und in diesem Sinne pflichtwidriges Verhalten in einer Krisensituation des Unternehmens oder an die pflichtwidrige Herbeiführung einer solchen Schieflage an.[4] Aus der Kombination einer wirtschaftlichen Krise mit dem nicht mehr ordnungsgemäßen Wirtschaften ergibt sich das tatbestandliche Unrecht.[5] Unter dem Begriff der Krise versteht man die (drohende) Zahlungsunfähigkeit und die Überschuldung.[6] Im Bereich der §§ 283 ff. StGB setzt die Strafbarkeit zudem die Zahlungseinstellung, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens oder die Abweisung des Eröffnungsantrages mangels Masse nach § 283 Abs. 6 StGB als objektive Bedingung der Strafbarkeit voraus.[7]

55

Die Krisenmerkmale der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), der drohenden Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) und der Überschuldung (§ 19 InsO) sind Insolvenzeröffnungsgründe. Ihre Funktion liegt darin, einen Ausgleich zwischen den Gläubigerinteressen und den Gesellschaftsinteressen zu schaffen: Die Antragspflicht soll nicht zu weit nach vorne verlegt werden, damit Erfolg versprechende Sanierungschancen wahrgenommen werden können. Sie darf aber auch nicht zu weit nach hinten verlagert werden, weil dann Gläubiger auf Kosten der übrigen Gläubiger befriedigt werden können, so dass eine geringere Insolvenzmasse verbleibt.[8] Diese Interessen sind bei der Auslegung der einzelnen Insolvenzantragsgründe zu berücksichtigen.[9]

Die Krisenmerkmale bezeichnen einen Zustand für die geschützten Rechtsgüter, der als besonders bedrohlich einzuschätzen ist.[10] In der Praxis können sich Schwierigkeiten hinsichtlich der Beantwortung der Frage ergeben, ob eine Krise im insolvenzstrafrechtlichen Sinne vorliegt.[11] Zunächst ist oftmals die Aufarbeitung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens in tatsächlicher Hinsicht nicht unproblematisch, wobei diese Analyse unumgänglich für die daran anschließende rechtliche Bewertung ist. Zudem ist der Einfluss der insolvenzrechtlichen Legaldefinitionen der §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 2, 19 Abs. 2 InsO auf die Auslegung der §§ 283 ff. StGB streitig.[12] Eine vollständige Übertragung der dort geregelten Legaldefinitionen wird oftmals unter dem Gesichtspunkt der Einheit der Rechtsordnung befürwortet.[13] Insgesamt gestaltet sich die Handhabung der Krisenbegriffe schwierig, da zum einen bereits ihre insolvenzrechtliche Auslegung Probleme bereitet und zum anderen darüber hinaus die Möglichkeit einer Übertragbarkeit der insolvenzrechtlichen Krisenbegriffe der §§ 17 ff. InsO auf § 283 StGB nicht unumstritten ist.[14]

2. Überschuldung

a) Der insolvenzrechtliche Überschuldungsbegriff

56

Die Überschuldung nach § 19 Abs. 2 InsO bezeichnet zunächst einen Zustand, in dem bei einer juristischen Person oder einer Personengesellschaft das Vermögen des Schuldners die Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Der Zustand der Überschuldung ist von der Unterbilanz[15] und der Unterkapitalisierung[16] abzugrenzen. Für die Feststellung einer Überschuldung nach § 19 InsO ist allerdings keine bilanzielle Überschuldung im Sinne einer Handelsbilanz maßgeblich, sondern eine an rechtlichen Erwägungen ausgerichtete Gegenüberstellung von Aktiva und Passiva, die Erstellung einer/-s so genannten „Überschuldungsbilanz/-status“.[17] Bei der Bewertung offenbaren sich regelmäßig Schwierigkeiten. Zwar können handelsrechtliche Form- und Inhaltsvorschriften uneingeschränkt auf die Erstellung einer Überschuldungsbilanz übertragen werden.[18] Die Frage nach der Überschuldung eines Unternehmens lässt sich aber nur über die lückenlose Erfassung des kompletten Vermögens als inneren Wert ermitteln, was eine Handelsbilanz allein nicht zu leisten vermag. Deshalb müssen die tatsächlichen Werte zum jeweiligen Bilanzstichtag und für alle unternehmerischen Vermögenspositionen die wahren objektiven Werte ermittelt werden.[19]

57

Der Überschuldungsstatus dient der Festsetzung des stichtagsbezogenen Vermögensstandes des Unternehmens. Es soll im Interesse des Schutzes der Gläubiger die ihnen als Haftungsgrundlage zur Verfügung stehende Vermögensmasse festgestellt werden. Man unterscheidet zwischen der rein rechnerischen (formellen) Überschuldung und der rechtlichen (materiellen) Überschuldung:[20] Während erstere das Ergebnis der aufgestellten Überschuldungsbilanz ist, liegt eine rechtliche Überschuldung nur dann vor, wenn nach der rechtlichen Wertung des § 19 Abs. 2 InsO unter Einbeziehung des Prognoseelements eine Überschuldung anzunehmen ist.[21]

58

Probleme bereitet bereits die Berechnungsgrundlage der Überschuldungsbilanz. So war vor dem Inkrafttreten der InsO streitig, ob in der Überschuldungsbilanz Liquidations- oder Fortführungswerte[22] anzusetzen waren. Die h.M. im Schrifttum,[23] der sich der BGH angeschlossen hat,[24] vertrat hierbei den so genannten modifizierten zweistufigen Überschuldungsbegriff, bei dem unter Zugrundelegung von Liquidationswerten zunächst festzustellen war, ob eine rechnerische Überschuldung vorlag. Diese allein war allerdings noch nicht ausreichend für eine rechtliche Überschuldung, vielmehr musste kumulativ zur rechnerischen Überschuldung eine negative Fortführungsprognose treten.[25] Entsprechend genügte eine positive Fortführungsprognose zur Verneinung der rechtlichen Überschuldung.

59

Dieser Streit war mit dem Inkrafttreten der InsO am 1.1.1999 und dem § 19 Abs. 2 S. 2 InsO in der bis zum 17.10.2008 geltenden Fassung obsolet geworden: Der Gesetzgeber hatte sich (ausdrücklich) gegen das von der h.M. präferierte modifizierte zweistufige Überschuldungsmodell entschieden. Stattdessen war nun das herkömmliche zweistufige Überschuldungsmodell anzuwenden, nach dem in einem ersten Schritt eine Fortführungsprognose aufgestellt werden musste, bei der auf die zukünftige Ertrags- und/oder Zahlungsfähigkeit des Unternehmens abzustellen war.[26]

Der Prognosezeitraum, um den es dabei geht, ist in der InsO nicht geregelt und auch nicht eindeutig geklärt.[27] Die überwiegende Meinung in der Literatur nimmt jedoch einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren inklusive dem laufenden Geschäftsjahr an.[28] Fällt die Fortführungsprognose positiv aus, so sind in der Überschuldensbilanz Fortführungswerte anzusetzen, anderenfalls sind Liquidationswerte in Ansatz zu bringen.[29] Letztlich entscheidet damit aber allein die rechnerische Unterdeckung über das Vorliegen der Überschuldung, d. h. auch bei positiver Fortführungsprognose konnte nach alter Rechtslage eine Überschuldung angenommen werden.[30]

60

Nach Inkrafttreten der InsO im Jahr 1999 war die Überschuldung gem. § 19 Abs. 2 InsO wie folgt definiert: „Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.“[31] Diese Definition hat mit der Änderung des Gesetzeswortlauts des § 19 Abs. 2 InsO durch das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (FMStG)[32] seit dem 18.10.2008 eine Modifizierung erfahren: Demnach liegt Überschuldung nur noch dann vor, „wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich“. Diese Einschränkung des Überschuldungsbegriffs galt zunächst nur bis zum 31.12.2010; gem. Artikel 6 Abs. 3 FMStG sollte der neue Wortlaut nämlich ab dem 1.1.2011 wieder in den alten Wortlaut „zurückgeändert“ werden. Diese Befristung wurde durch das Gesetz zur Erleichterung der Sanierung von Unternehmen vom 24.9.2009[33] zunächst bis zum 31.12.2013 verlängert.[34] War bisher bei der Feststellung einer Überschuldung die Fortführungsprognose[35] lediglich bestimmend für den Wertansatz des Vermögens in der Überschuldungsbilanz,[36] so ist nunmehr eine Überschuldung nach § 19 Abs. 2 InsO bereits ausgeschlossen, wenn eine positive Fortführungsprognose vorliegt;[37] eine Überschuldungsbilanz erübrigt sich in diesem Fall also. Bei negativer Fortführungsprognose sind bei der Bewertung der einzelnen Bilanzposten im Überschuldungsstatus Liquidationswerte zugrunde zu legen.[38]

61

Mit der Neuregelung wollte der Gesetzgeber verhindern, dass Unternehmen, die durch die Finanzkrise von hohen Wertverlusten bei Aktien und Immobilien betroffen waren, wegen der dadurch eintretenden bilanziellen Überschuldung Insolvenz anmelden mussten, obwohl sie bei einer positiven Fortführungsprognose aller Wahrscheinlichkeit nach weiterhin erfolgreich am Markt operieren konnten.[39] Wie diese zunächst vorübergehende Änderung, welche die Fälle der Überschuldung deutlich reduziert haben dürfte[40] und damit naturgemäß nicht nur das Insolvenzverfahren tangierte, sondern auch die Strafbarkeit wegen eines Insolvenzdeliktes erheblich einzuschränken geeignet war, vor dem Hintergrund der im Jahr 2007 begonnenen Finanzkrise zu werten ist, soll an dieser Stelle nicht zum Gegenstand weiterer Erörterungen gemacht werden; es sei diesbezüglich auf die umfangreiche Literatur zu diesem Thema verwiesen.[41] Inzwischen hat die zunächst bis zum 31.12.2013 befristete Änderung unbefristete Geltung erlangt, so dass es sich um ein milderes Gesetz i.S.d. § 2 Abs. 3 StGB handelt.

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1010 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783811440494
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

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