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Читать книгу: «Die stählerne Mauer», страница 5

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Dann kommen zehn Sekunden brennender Erregung. Ein feindlicher Flieger gleitet quer über die Straße hin, kaum vierhundert Meter hoch, vierhundertfünfzig höchstens! »Herrgott, Herrgott, hätt' ich nur meine Fernrohrbüchse, der Kerl müßte herunter!« Von der Munitionskolonne, die an uns vorüberrasselt, springen die Feldgrauen zu den Alleebäumen und legen an; aber bis sie mit ihren Karabinern zu knallen beginnen, ist der Flieger schon außer Schußweite und steigt wieder. – (Noch am Abend erfuhr ich, daß die beiden englischen Flugzeuge vor Sonnenuntergang bei Illies heruntergeschossen wurden. Und – die »reene Mänschlichgeid«, die der brave Sachse gepredigt hatte, verließ mich vollständig – ich jubelte!) –

Kaum noch vernehmbar murrt hinter uns das eiserne Grollen des Kampfes. Der Himmel klärt sich, und eine rotglühende Sonne, die aus zerfließenden Dünsten rein heraustritt, überflutet die Erde mit gleißendem Gold und verwandelt jedes Bild der Vernichtung in etwas leuchtend Schönes!

Wir fahren durch die leeren Straßen von Lille zur Zitadelle. Der Engländer hat sich erholt und sagt in seiner Sprache: »Ich danke Ihnen!« Das Tor öffnet sich, eine Wache empfängt den Gefangenen, dann klirrt der Riegel.

Mein Mantel ist blutig, ich muß ihn waschen lassen. –

– Arbeiten konnte ich nimmer an diesem Abend. Während der ganzen Nacht vernahm ich den fernen Kanonendonner. In der Morgenfrühe kam die Nachricht: Der englische Durchbruch ist zum Stehen gebracht, trotz vierfacher Übermacht auf feindlicher Seite.

7

17. März 1915.

Die Fahrt geht an Roubaix und Tourcoing vorüber und durch das nette, von Feldgrauen wimmelnde Meenen. Über die freundliche, sanft geglättete Landschaft streckt sich eine nach der Schnur gezogene Alleestraße hin und erinnert mich an die ersten perspektivischen Zeichnungen, die ich einst in der Schule machte: vorne die zwei Bäume, die in den Himmel wachsen, hinten zwei winzige Besenblümchen und dazwischen eine immer kleiner werdende Leiter; vorne eine Durchfahrt so breit wie der Weg des Lasters, und in der Ferne eine enge Baumschlucht, die dem Pfade der Tugend gleicht.

Weil wir damals in der Schule freihändig zeichnen mußten, ohne Lineal, drum waren alle Linien krumm, die gerade sein sollten.

Genau so ist es auch hier.

Es gibt da keinen Strauch, der aufrecht steht, keinen Baum, der senkrecht zum lieben Herrgott trachtet. Alle Kinder der Natur, Halme und Stauden und Bäume sind vom ewig über das Land her blasenden Meerwind nach Osten gebogen. Sogar die Telegraphenstangen haben was lustig Schiefes.

Dadurch bekommt die Landschaft, in der sich die großen Flügel vieler Windmühlen wie in ehrgeizigem Wettrennen durch den Nebel drehen, einen ganz wunderlich fidelen Charakter, einen Zug von liebenswürdiger Beschwipstheit.

Freut sich diese Gegend, weil die Schrecken des Krieges barmherzig und schonungsvoll an ihr vorüberschritten?

Manchmal sieht man auf den Feldern die Erdwälle von kurzen Schützengräben, die hastig geschaufelt und schnell wieder verlassen wurden.

Aber keine verwüstete Kirche ist zu gewahren, kein zerschossenes Haus, keine Brandstätte, kein Mauerschutt und kein Trümmerhaufen.

Ruhig stehen die hübschen Dörfer mit den farbigen Häuschen inmitten sprossender Saaten.

Die erwachsenen Leute sind bei der Arbeit, und vor den Haustüren stehen kleine blondhaarige Mädelchen in großen Holzschuhen.

Das Bild dieser Menschen und die ganze Landschaft mutet germanisch an, und überall an der Straße reden die Wirtshausschilder eine Sprache, die ein Deutscher versteht, auch ohne daß er Flämisch lernte: »In 't wite Kruis« (Zum weißen Kreuz), »De dree Linden«, »De niuwe meiboom«, »Vlaamsh bierhuis«, »De Zomerbloem« (das Sommerblümchen), und ganz besonders freundlich grüßt mich ein Schild: »De landgenoot« – der Landsmann!

Eine doppelte Freude ist in mir: die Freude, auf germanischem Boden zu sein, und die Freude, nach Bildern des Krieges, die ich sah, nun wieder – wenn auch nur für ein kurzes Aufatmen – friedliche Bilder des Lebens schauen zu dürfen.

Nun geht die Fahrt den schönen, gut gepflegten Wäldern entgegen, hinter denen Brügge liegt, die matt gewordene Perle einer großen flandrischen Vergangenheit.

Wie wird sich auf diesem historischen Boden die Zukunft gestalten? Wird unter kraftvoller Führung wieder aufblühen, was Jahrhunderte politischer Zerrissenheit versinken ließen und in wehrloser Ohnmacht der fortschreitenden Versandung preisgaben? Ist der Krieg nur Vernichtung? Regen sich in ihm nicht auch Kräfte, die beleben, erneuern und frisch erschaffen?

Ich schließe die Augen; alle die mächtigen, Herz und Nerven erschütternden Gesichte der letzten Tage gleiten wieder an meiner Seele vorüber, und inmitten dieses huschenden Panoramas von Zerstörung und Vernichtung klingt mir, gleich einer wegweisenden Glocke, das Verheißungswort einer klaren und ruhigen Mannsstimme:

»Der Krieg ist hart, aber er wird auch Großes bringen. Alles Starke, wenn es gerecht ist, muß sich belohnen. Wir haben noch immer schwere Arbeit zu leisten, doch ich glaube, daß das Schwerste bereits getan ist.«

Diese Worte hörte ich von jenem deutschen Heerführer, dem wir seit der Erlösungsschlacht in den Vogesen begeisterte Dankbarkeit und ein erhöhtes Maß von Verehrung entgegenbringen, und der auch in den schmerzvollen Stunden schwerster menschlicher Prüfung ein aufrechter Held blieb und das stählerne Wort von der Zeit sprach, in der man handeln muß und nicht trauern darf.

Die Bilderflucht meines Erinnerns zeigt mir das Quartier des jungen siegreichen Heerführers, des Kronprinzen Rupprecht von Bayern.

Still die Straße, still der Garten, auch still das Haus.

Die mahnende Stimme eines unsichtbaren Hüters scheint da immer zu flüstern: »Nicht laut sein, nicht stören!«

Ein Doppelposten steht vor dem Gartentor, und im Hause sieht man zwei Diener.

Der Tag unter diesem Dache ist militärische Arbeit, Vortrag und Beratung, nur unterbrochen durch den Ausritt zu den Stellungen an der Front.

Mittags speisen die Generale des Stabes mit dem Prinzen, am Abend sind im Wechsel die höheren Offiziere des Kommandos zu einer Tafel von acht oder zehn Gedecken geladen.

Der Salon des abgereisten Besitzers dient als Empfangsraum. Inmitten einer typisch französischen, dem Empirestil nachempfundenen Einrichtung gewahrt man mit Vergnügen zwei Dinge, die gut münchnerisch sind: Adolf Hengelers »Tagebuch von 1914«, jene entzückende, aus vaterländischem Zorn und spielender Ironie geborene Künstlergabe – und auf dem Marmorgesimse des prunkvollen Kamins, zwischen kostbaren Bronzen, liegt neben einer kleinen Spielmarkenschachtel ein heimatliches Remedium für müde Abendstunden, in denen der Kopf sich ausruhen möchte – ein nicht mehr ganz neues Päckchen bayerischer Tarockkarten. – Heimat ist Heimat; bei allem, was in der feindlichen Fremde die Erinnerung an das Heimatliche wachruft, schätzt man das Wertvolle und das Bescheidene mit einander ebenbürtigen Ziffern ein.

Das köstliche Werk Meister Hengelers und diese sechsunddreißig Kartenblättchen hatten für mich, wenn auch nicht die gleiche kunstgeschichtliche Bedeutung, so doch den gleichen Gefühlswert des Augenblickes. Ich empfand so was Ähnliches, wie es unsere Feldgrauen in ihren feuchten und dunklen Lehmhöhlen fühlen, wenn sie ein kleines, zerknittertes, von daheim gekommenes Zettelchen zärtlich streicheln und glätten, um dann leise und inbrünstig zu singen:

 
»In der Heimat, in der Heimat,
Da gibt's ein Wiedersehn!«
 

– Während im Empiresalon die paar Gäste sich versammeln, klingt durch die Glaswand des anstoßenden Raumes die Stimme eines vortragenden Offiziers, und manchmal hört man eine rasche und knappe Zwischenfrage des Kronprinzen. Auch diese Worte, wie streng und ernst ihr Klang ist, haben heimatliche Wärme.

Nun kommt er – eine schlanke, straffe Soldatengestalt, lebhaft und elastisch. In der Art, wie er die Gäste begrüßt und mit ihnen plaudert, ist heitere Freundlichkeit.

Sieben Kriegsmonate, die Fülle des Geschehens und der militärischen Verantwortung, wie auch persönliches Erleben und Überwinden haben diesen charakteristischen Fürstenkopf noch schärfer gemeißelt, noch herber geformt. Die blaugrauen Augen sind von einer Ruhe, die wie ein Schleier ist. Doch immer wieder leuchten sie bei raschem Gespräche blitzartig auf, und dann hört man auch immer ein Wort, das man sich merken muß, weil etwas Starkes und Aufrichtendes aus ihm redet.

Bei der Tafel, deren paar Gänge die heimatliche Küche durch gefüllte Kalbsbrust und echt Münchnerischen Kartoffelsalat angenehm in Erinnerung bringen, herrscht der gleiche, aus Ruhe und Heiterkeit gemischte Ton. Flattert ein munteres Wort auf, ein kleiner Scherz, so schmunzelt man. Dann wird wieder ernst von den militärischen Dingen des Tages gesprochen.

Nach der Mahlzeit, bei der Zigarre, ist alles Soldatische vom Gespräche ausgeschieden. Das berührt wie eine unausgesprochene Verabredung: man will aufatmen, will Gehirn und Nerven rasten lassen, will sich erfrischen an einem herzlichen und wohltuenden Lachen. Man plaudert von daheim, von freundlichen Vergangenheiten. Eine Wendung im Gespräch bringt es, daß der Kronprinz mit Humor und voll wirksamer Anschaulichkeit von allerlei tollem Übermut zu plaudern beginnt, von manchem lustigen Streich seiner Jugendjahre. Doch immer bleibt in dieser sprudelnden Heiterkeit etwas ernst Verschleiertes, eine verhüllte Sehnsucht, die man empfindet, obwohl sie sich nie mit einem Worte äußert. Und manchmal, nach lebhaftem Erzählen, wird er plötzlich stumm, und die blaugrauen Augen blicken ernst, als möchten sie die Schrift einer weiten Ferne lesen. –

Zwei Offiziere kommen. Der Kronprinz erhebt sich.

»Ich habe noch zu tun!«

Mit herzlichem Händedruck verabschiedet er sich von jedem seiner Gäste.

Mehrere Tage später. Ich kam in die Villa, um mich vor meiner weiteren Fahrt für das freundliche Entgegenkommen zu bedanken, das mir so viel gegeben, mir eine fast unbeschreibliche Fülle von Bildern dieses großen Ringens um Leben und freie Zukunft des Deutschtums gezeigt hatte.

Ein Schimmer linder Frühlingssonne glänzte um die hohen Fenster des Empiresalons, während der Kronprinz mit mir sprach. Den Inhalt dieser Stunde will ich fest bewahren. Vieles, was ich hörte, muß ich in mir verschließen; manches darf ich sagen und muß es sagen, weil es für das Leben in der Heimat wegweisend, aufklärend und hilfreich ist.

Ein stolzes Aufleuchten in den blaugrauen Augen des Kronprinzen.

»Unser Heer! Das ist ein Menschenmaterial, mit dem man alles, auch das fast unmöglich Scheinende leisten kann, wenn man es richtig macht und die rechte Stunde wählt. Die wird kommen. Man darf nur in der Heimat den Erscheinungen gegenüber, welche durch die Lage der Dinge hier verursacht werden, nicht allzu kritisch sein. Die Situation ist für uns eine ganz verläßliche. Daheim beurteilt man das nicht immer in zutreffender Weise. Wenn wir von der Heimat Geduld und gläubiges Ausharren erwarten, dann verlangen wir weniger, als wir selbst im Felde hier zu leisten haben. Glauben Sie mir, wir im Felde hier, besonders wir Führer, liefern Geduldproben, mit denen die doch wesentlich ungefährlichere Geduld, die man in der Heimat beizusteuern hat, den Vergleich nicht aushält.«

Ich kam auf die Skrupellosigkeit unserer Feinde in der Wahl ihrer Kampfmittel und ihrer politischen Schachzüge zu sprechen.

Der Kronprinz lächelte.

»Politische Moral ist ein Fremdwort. Es kommt nur darauf an, wie man's übersetzt. Bei uns Deutschen heißt es ›Gewissen‹, bei den Engländern heißt es ›Erfolg‹. Unter allen Völkern sind die Engländer in der Politik am brutalsten. Aber man kann nicht leugnen, daß sie mit dieser gegen alle Völker gleich rücksichtslosen Brutalität eine häufig sehr erfolgreiche Nüchternheit beim Rechnen vereinigen. Doch passiert es manchmal auch diesen gewiegten Rechnern, daß sie theoretisch das für ihren Vorteil Richtige erkennen und in der Praxis das Falsche, ihnen Schädliche ausführen. Ich glaube, so geht es ihnen jetzt. In uns Deutschen wohnen Kräfte, die für die Engländer am 4. August noch eine dunkle Ziffer waren. Darum haben sie sich verrechnet.«

Wir sprachen von der psychischen Erneuerung, die der Krieg und die Größe seiner deutschen Ziele in den Lebenskräften und im Wesen unseres Volkes hervorrufen; und sprachen auch von den materiellen Härten, durch die der Krieg eine große Zahl von Existenzen erschüttert.

»Allen schwer erträglichen Härten zum Trotz ist dieser Krieg ein Gesundbrunnen für unser Volk!« Die Stimme des Kronprinzen hob sich. »Alles Gute und Lebensfähige stärkt er, alles Schwächliche belebt er neu, alles hilflos Ungesunde bläst er fort. Richtet sich nicht viel Wertvolles jetzt wieder auf, von dem man im letzten Jahrzehnt besorgen konnte, daß es für immer lahm geworden wäre?

Alles Angekränkelte, das sich vordrängte, verschwindet. Man ist jetzt in der Heimat doch wohl erlöst von allem überreizten Ästhetentum und aller manierierten Dekadenz!

Wegen solcher Dinge hat man sich übrigens viel mehr Sorge gemacht als notwendig war. Gar so arg, wie es für manche aussah, war es nicht. Die frische, prachtvolle Jugend, die jetzt mit den Rekrutennachschüben ins Feld kommt, beweist es mir. Solche Menschheitskrankheiten sind Wellen, die kommen und vergehen. Im großen und ganzen ist es meine Überzeugung, daß der Mensch immer der gleiche bleibt, sich nur in seinen äußerlichen Lebensmodalitäten ändert, gestern zum Schlechteren, heut wieder zum Besseren.

Und dann kommt es auch darauf an, ob man solche Erscheinungen mit alten oder mit jungen Augen ansieht. Alte Augen sehen das Vergängliche schärfer, junge Augen erkennen deutlicher das neue Werden. Auch liegt es immer im Wesen der Menschen, zu hoffen, daß das Kommende besser sein wird als das Gegenwärtige ist, und zu glauben, daß das Gegenwärtige schlechter ist als das Vergangene war. Jede Entfernung verklärt. Und wie in rein menschlichen Fragen, so ist es auch in politischen Dingen.

Ich habe alte Männer oft sagen hören: Im Jahre 70/71 wäre es nicht so gewesen wie in den Befreiungskriegen, nicht so groß, einheitlich und heilig. Und jetzt sagen die Altgewordenen: So wie es 70/71 war, so ist es heute nicht, weder so heilig noch so groß.

Ich glaube, es war vor hundert Jahren und vor fünfundvierzig Jahren und im vergangenen August ganz das gleiche: deutsche Kraft, die sich aufstreckte in der Not, deutscher Wille, der zu Eisen wurde, und deutsche Energie, die sich nicht beugen läßt und beharrlich bleibt, ohne im Glück übermütig oder unter einem Rückschlag verzagt zu werden.«

Ein freies, ruhiges Auflachen des Prinzen. Dann ein kurzes, nachdenkliches Schweigen.

»Viele haben es hart daheim, ich weiß. Was man in einem so schweren Krieg zu überstehen hat, das ist kein Bett auf Rosen. Es ist auch ein zweifelhafter Trost, zu sagen: daß es unsere Feinde nach allen Niederlagen noch schlechter haben als wir, die wir nach den bereits errungenen Erfolgen bald den endgültigen Sieg erhoffen dürfen. Aber man sollte doch vergleichen: wie es hier aussieht, unter allem Kriegsschreck im Land des Feindes, und um wieviel besser es daheim in Deutschland ist, das, ein paar Grenzstriche angenommen, von allem verschont blieb, was der Feind unter dem Kriege leiden muß.

Für viele daheim ist's eine harte Zeit. Vieles, was man verlieren mußte, ist unersetzlich. Aber materielle Verluste kann man doch wirklich bei dem Gedanken verschmerzen und überwinden, daß eine große Zukunft den Verlust wieder ersetzen wird. Ich weiß, daß gerade unsere engere Heimat, der deutsche Süden, sehr empfindlich leidet. Es gibt da nicht viele Industrien, die auf die Arbeit für den Heeresbedarf umsatteln können. Kunst und Kunsthandwerk, Luxusgeschäfte und Fremdenindustrie haben bittere Zeiten durchzumachen. Ich hoffe, unsere Kunst und unser Kunsthandwerk werden diese Prüfungsmonate mit ungebrochenen Kräften überdauern.

Und was die Fremdenindustrie anbelangt – wer weiß, ob da der Krieg nicht gerade für uns Münchener etwas sehr Gutes und Heilsames brachte? Ein reichflutender Fremdenverkehr ist gewiß etwas Angenehmes und Nützliches. Aber wenn sich eine große Stadt und ein ganzer Landesteil fast ausschließlich auf den Fremdenverkehr einrichten würde, so ist auch immer die Gefahr dabei, daß Zeiten kommen können, in denen der Verkehr stockt und die Fremden ausbleiben. Unser liebes schönes München wird nach dieser Erfahrung ein bißchen umlernen müssen. Ich bin überzeugt, daß München auch nach dem Kriege die Kunststadt bleiben wird, die es war, und ich hoffe, daß es daneben eine Stadt der deutschen Arbeit sein wird, die in ihrer Blüte unabhängig ist von allem Fremden.«

Beim Abschied, als der Kronprinz mit festem Druck meine Hand umspannte, sagte er: »Erzählen Sie nur zu Hause, wie der Krieg aussieht: Je deutlicher Sie es sagen, um so mehr wird man daheim aufatmen. Daß unser Volk durch dick und dünn durchhalten wird, daran hab' ich noch keine Sekunde gezweifelt. Ein paar Ungeduldige und Wehleidige? Was macht das aus! Das Volk im ganzen fühlt seine deutsche Pflicht. Und Pflichtgefühl und Geduld sind immer zwei Dinge, die zusammengehören wie Schwestern. Wenn wir recht und fest unsere Pflicht erfüllen, dann ist die Geduld von selber dabei. Oder haben Sie hier bei uns im Feld schon einen Ungeduldigen gesehen?«

»Nein, Königliche Hoheit! Nur Sehnsüchtige.«

Der Kronprinz nickte:

»Das ist was andres. Wär's nicht so, dann wären wir doch keine Deutschen. Sie, Herr Doktor, werden wohl früher nach Hause kommen als ich. Grüßen Sie von mir die Heimat!« –

Als ich das Quartier des fürstlichen Heerführers verließ, war's im Osten blau, und die Mittagssonne überglänzte die dicken Meernebel, die von Westen schon wieder herquollen über die Dächer der Stadt. Dann ging die Fahrt hinein in diese ziehenden Dünste, und bevor es dämmern wollte, tauchte eine feine, schmucke, wundervoll von alten Zeiten redende Stadt vor mir auf. Keine Spur von Zerstörung, alles ein Bild des Friedens. Und überall die Heimlichkeiten einer Vergangenheit mit deutschem Gesicht! Auch die vielen vergnügten Kinder auf der Straße scheinen Deutsch zu reden, obwohl ich ihr lustiges Geschrei nicht verstehe. Und deutsche Blaujacken bewachen die Autosperre, deutsche Blaujacken hüten das alte kleine Tor; überall seh' ich sie gehen, mit den Händen in den Hosentaschen, mit ruhigen, wettergebräunten Gesichtern, mit nackten Hälsen, mit wehenden Bändern hinter den deutschen Seemannsmützen. – Und am Abend, in einem Kreise deutscher Marineoffiziere, vernahm ich Dinge, die mir das Herz froh und heiß machten, und hörte das ruhig rechnende und eben deshalb so tief erquickende Wort des Kommandierenden Admirals:

»Wir haben zu Beginn des Krieges vieles unterschätzt, aber eins haben wir überschätzt: die englische Flotte!«

Возрастное ограничение:
12+
Дата выхода на Литрес:
28 сентября 2017
Объем:
100 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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