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Читать книгу: «Der Wagehals», страница 12

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23. Kapitel

Mit verheißungsvollem Lächeln empfing Fedora den eintretenden Stanislaw. »Oh, Herr Graf, ich muß um Verzeihung bitten. Wenn ich das geahnt hätte . . .«

»Sie irren sich auch diesmal wieder, mein Fräulein. Ich bin kein Graf und ebensowenig adlig wie Sie. Das ist mein Spitzname.«

Fedoras Lächeln erstarb. »Ach so . . . Das war allerdings ein Irrtum. Es ist gut, Sie können gehen, ich habe jetzt nichts für Sie. Gegen Abend müssen Sie mit einem Telegramm nach Lasdehnen gehen.«

Sie nickte ihm herablassend zu und wandte sich zum Tisch, um eine Papyros anzuzünden, Stanislaw trat neben sie und griff auch in die Schachtel. Sie maß ihn mit einem erstaunten Blick von oben bis unten . . .

»Was soll das heißen?«

»Daß Sie sich wieder geirrt haben.« Er faßte in die Brusttasche seiner Jacke, zog eine elegante Brieftasche hervor und entnahm ihr ein Papier, das er ihr mit zwei Fingern überreichte. »Kennen Sie das?«

Unwillkürlich war Fedora einen Schritt zurückgetreten. »Verzeihen Sie, das habe ich nicht vermuten können. Sie haben bisher immer in meinem Auftrage gehandelt.«

»Nur soweit ich es für richtig und nötig hielt. Den Ausweis erhielt ich nur für solch einen Fall, wie er jetzt eingetreten ist.«

»Und was bestimmen Sie jetzt?«

»Sie fahren heute nachmittag ab. Das Ziel steht Ihnen frei. Ich bleibe hier, um das Lager irgendwohin wegzuschaffen, sobald aus Rußland Order kommt. Hier hat es keinen Zweck mehr.«

Fedora nickte zustimmend. »Was ist mit der Dogge geschehen?«

»Die habe ich freigelassen. Sie ist ihm nachgelaufen.«

»Werden wir nicht bei der Abfahrt von den Bauern Schwierigkeiten haben?«

»Das überlassen Sie mir.«

Eine Viertelstunde später ging »der Graf« ins Dorf. Er sah jetzt nicht wie ein Knecht aus, sondern wie ein Herr. Er ging von einem Bauern zum anderen und bezahlte, was sie noch an Fuhrlohn zu fordern hatten, »im Auftrage des Herrn von Zaleski.« Zuletzt sprach er beim Dorfschulzen vor, der ihn etwas erstaunt, aber sehr freundlich empfing.

Bis jetzt hatte er ihn immer geduzt. Jetzt sagte er: »Herr Stanislaw . . . was bringen Sie Gutes? Der Herr Baron schickt wohl die Jagdpacht? . . . Darf ich Ihnen ein Schnäpschen anbieten?«

»Ich danke sehr. Ich komme bloß, um Ihnen mitzuteilen, daß der Baron, wie Sie ihn nennen, vor einer Stunde mit einem kleinen Koffer weggegangen ist und, soviel ich weiß, nicht wieder zurückkommen wird.«

»Was, der Baron ist ausgerückt? Da soll doch gleich . . .« Er riß die Tür nach der Gesindestube auf: »Lauf mal gleich einer zum Gendarm, er soll gleich nachreiten nach der Bahn.«

»Bemühen Sie sich nicht, Herr Gemeindevorsteher. Der Herr von Zaleski ist über die grüne Grenze nach Rußland.«

»0h, ich Esel, ich Esel. Das schöne Geld. Weshalb habe ich nicht Kaution stellen lassen? Jetzt werde ich das den Bauern bezahlen können.«

Stanislaw stand auf und zuckte die Achseln.

»Das geht mich nichts an. Der Baron hat mir bloß das Geld für die Fuhren hiergelassen. Sie haben noch für zehn Fuhren sechzig Mark zu bekommen. Hier sind sie. Bitte mir die Quittung zu unterschreiben . . . Ich bleibe vorläufig noch hier. Es ist nicht unmöglich, daß ich noch Fuhrwerk brauche, um die Kisten wieder wegzuschaffen.«

»Aber gern, Herr Stanislaw, sehr gern.«

Am Nachmittag brachte der »Graf« Fedora zur Bahn. Spät abends kam er zurück. Am nächsten Tage kam eine vierspännige Fuhre und holte die Möbel ab, die nur gemietet waren. Für das kleine Stübchen hatte sich Stanislaw die nötigsten Stücke gekauft. Nun hauste er mutterseelenallein in dem verlassenen Anwesen. Jeden Tag fuhr er ein paar Kisten zur Bahn. Eines Abends kam er nicht wieder.

Wie ein Lauffeuer ging die Nachricht von dem Verschwinden des Barons und seiner schönen Cousine durch die ganze Gegend. Bauschus brachte sie zuerst nach der Oberförstern und sprach die Überzeugung aus, daß nun die Wilddieberei aufhören würde. Trotz der Entrüstung, die der Baron zur Schau getragen hatte, hielt er ihn für denjenigen, der auf Schnabel geschossen hatte.

Der Assessor dachte zuerst an die Jagd. Die Anzeige gegen Herrn von Zaleski war schon abgegangen und würde unzweifelhaft zur Folge haben, daß ihm der Jagdschein entzogen würde, wenn er überhaupt schon einen besaß. Jetzt war die Sache mit der Flucht des Barons schneller und besser erledigt.

»Der Gemeindevorsteher wird wohl in den nächsten Tagen bei Ihnen antanzen, Herr Assessor«, meinte Bauschus lachend. »Der schwitzt jetzt Angst, denn die Bauern wollen ihn für den Ausfall verantwortlich machen. Sie sind nicht mehr an Ihr Gebot gebunden und brauchen keinen Pfennig mehr zu bieten, als bisher gezahlt worden ist« . . .

In tödlicher Spannung hatte Herr von Sperling auf Weschkalenes Rückkehr gewartet. Sie konnte ihn doch nicht ohne Nachricht lassen? Er nahm ein Buch, setzte sich ans Fenster und ließ sich etwas zu trinken bringen . . . Endlich kam der Hegemeister angegangen. Er sah so vergnügt aus. Sollte der alte Herr ihm persönlich die gute Nachricht, die er erhoffte, bringen?

Durch das offene Fenster streckte er ihm die Hand entgegen. »Kommen Sie 'rein, Herr Hegemeister. Was bringen Sie mir? So, bitte, nehmen Sie Platz. Wollen Sie ein Glas Mosel mittrinken? Ich langweile mich gräßlich . . . nein, ich sterbe vor Ungeduld. Bringen Sie mir etwas Gutes? Sie sehen so vergnügt aus.«

»Ja, ich habe alle Ursache, vergnügt zu sein. Mir ist etwas passiert, was ich Ihnen heute noch nicht sagen kann.«

»Ist denn die Weschkalene bei Ihnen?«

»Ja, sie hat mich hergeschickt, Ihnen Gesellschaft zu leisten. Sie hat sich jetzt die Wera vorgeknöpft. Ich werde aus dem Kind nicht klug . . . Es war wohl für sie ein bißchen zuviel auf einmal. Ich habe mich manchmal im stillen amüsiert, wenn Sie drei Mann hoch bei mir saßen.«

»Wollen Sie mir eine Frage gestatten, Herr Hegemeister?«

»Bitte.«

»Glauben Sie, daß Ihre Frau Enkeltochter einem der beiden Forstaufseher ein wärmeres Gefühl entgegenbringt?«

Krummhaar zog die Schultern hoch. »Herr Assessor, aus den Weibsleuten bin ich mein Lebtag nie recht klug geworden, und im Alter verliert man das Interesse daran. Der Nante kommt meines Erachtens gar nicht in Betracht. Der hat das Rennen aufgegeben und sich getröstet. Der führt jetzt ein Leben wie im Lehm, seitdem er allein mit der Katinta haust . . .«

»Na, und der Mooslehner?«

»Der hat sich nun schon zwei Jahre um sie bemüht.«

»Kann man daraus nicht schließen, daß Frau Wera keine Veranlassung empfindet, seine Bewerbung zu ermutigen?«

»Da fragen Sie mich zu viel, Herr Assessor, aber Sie können recht haben. Wie sie plötzlich ihre Witwenschaft aufgab und den gefangenen Mann aufmarschieren ließ, da wollte sie sich bloß den Mooslehner vom Halse halten. Das weiß ich bestimmt.«

»Das ist ja sehr erfreulich . . . Sie glauben also auch nicht an die Existenz ihres Gatten?«

»Offen gestanden, nein, Herr Assessor. Sonst hätte sie doch die Gelegenheit ergreifen müssen, sich über das Schicksal ihres Mannes Gewißheit zu verschaffen.«

»Das meine ich auch, Herr Hegemeister. Trinken Sie aus . . . ich verspüre Lust, etwas Besseres zu trinken . . . etwas ganz Exquisites, was nur zu feierlichen Anlässen bestimmt ist.«

»Na, na, nicht zu früh, Herr Assessor . . . noch sind Sie nicht über den Berg.«

»Ich meinte bloß den Vorfall, der Sie so freudig gestimmt hat.«

»Sie wollen wohl auf den Busch klopfen? Das hilft bei mir nichts. Aber sagen Sie mal, ist das wahr, was ich von Ihnen gehört habe? Sie wollen der grünen Farbe untreu werden?«

»Das habe ich wohl in meiner ersten Stimmung hier so hingeworfen. Ich habe diese Karriere ohne eine bestimmte Neigung dafür eingeschlagen. Ich wollte bloß nicht durch einen Beruf dauernd gefesselt werden, wie als Arzt oder Jurist. Hauptsächlich reizten mich die Reisen als Feldjäger . . . Ich habe ja so viel Vermögen, daß ich jederzeit meiner Neigung folgen kann. Wenn mir das Leben als Grünrock nicht zusagte, wollte ich den Dienst quittieren und auf Reisen gehen, um mir die Welt anzusehen. Und schließlich wollte ich mir ein Fleckchen Erde aussuchen, wo es mir sehr gut gefällt.«

»Na und jetzt?«

»Jetzt fordere ich Sie auf, lieber Herr Hegemeister, mit mir auf die grüne Farbe anzustoßen: es lebe, was auf Erden stolziert in grüner Pracht . . . die Felder und die Wälder, die Jäger und die Jagd.«

»Dazu ist der Tropfen gerade gut genug, Herr Assessor«, rief Krummhaar, als er das Glas geleert hatte, und reichte ihm die Hand. »Das war ein schönes Wort, Herr Assessor. Ja, der schöne, deutsche Wald, der hat es uns allen angetan. Und nun werde ich Ihnen einen Vorschlag machen, Herr Assessor. Wir wollen einen Pakt schließen, von dem kein Mensch etwas zu erfahren braucht. Ich bilde Sie in diesem Herbst zum perfekten Jäger aus. Sie müssen noch ein bißchen fleißig auf dem Schießstand üben, wobei ich Ihnen Gesellschaft leisten werde. Ich denke, wir werden schon in den nächsten Tagen etwas Pfuhlschnepfen auf den Wiesen finden. Dann kommen Hühner und Fasanen an die Reihe, dann die Krummen . . . Dann graben wir ein paar Dachse, und sobald der erste Schnee fällt, treiben wir auf Sauen.«

»Ich nehme den Vorschlag mit Dank an«, rief der Assessor vergnügt. »Darauf wollen wir trinken.«

»Sehen Sie unseren Forstmeister, der ist wirklich ein Meister in jeder Beziehung. Wie er den verflossenen Herrn von Zaleski ausstach, das war doch eine Glanzleistung ersten Ranges . . . Im Notfall hätte ich es ja auch geschafft.«

»Na, na, Herr Hegemeister . . . das läßt sich nachher sehr leicht sagen.« Krummhaar lachte still vergnügt in sich hinein. »Herr Assessor, ich spreche lateinisch nur da, wo es angebracht ist. Sonst bin ich ein ehrlicher Kerl, dem man glauben kann. Ich sage Ihnen, das war hier vor zwanzig, dreißig Jahren ein Betrieb. Da waren wir fünf, sechs Mann, die nie aus dem Schwarzen 'rauskamen. Zwanzigmal haben wir uns stechen müssen, bis der erste mal in die Elf 'rauswankte.«

»Das ist ja ganz was Außerordentliches, Herr Hegemeister . . .«

»Nur ein gutes Auge, feste Hand und ruhig Blut und viel Übung. Wenn Sie mal nächster Tage zu mir kommen, erinnern Sie mich daran, daß ich Ihnen meinen Schützenrock zeige. Von den Schultern bis zu den Schößen dicht bei dicht mit silbernen und goldenen Medaillen besteckt. Nicht eine einzige hat mehr Platz . . . Da muß ich Ihnen doch ein Stückchen erzählen aus jener Zeit. Wir hatten hier einen richtigen Verein gebildet mit dem Forstmeister, damals hieß er noch Oberförster, an der Spitze. Eines Tages bekommen wir eine Einladung nach Tilsit zum Prämienschießen. Ich suche mir also fünf Mann aus, und wir fahren hin. Wir kommen an . . . Eine Scheibe mit zwanzig Ringen und hundertfünfzig Meter.

Gleich zu Anfang gab es Streit. Die Kerle wollten uns keinen Probeschuß gestatten und einen freihändigen Schuß nicht mit zwei Ringen höher bewerten. Wir mußten uns fügen. Ich komme zuerst 'ran, ich gehe ein bißchen hoch in das Schwarze hinein und lasse fahren. Der Anzeiger springt vor und salutiert . . . Was soll ich Ihnen sagen? Wir nahmen ihnen alle Preise ab und auch noch diverses Kleingeld beim Parieren . . . Gegen Abend wurde die Stimmung so ungemütlich, daß wir uns schleunigst empfahlen. Sonst hätten wir noch fechten müssen.«

»Das sind schöne Erinnerungen, Herr Hegemeister.«

»Ja, ja, und je älter man wird, desto lieber werden einem solche Erinnerungen.«

»Sagen Sie mal, weshalb ist von Ihren Söhnen keiner ein Grünrock geworden?« In demselben Augenblick war es ihm peinlich, daß er die Frage getan hatte. Er sah deutlich, wie unangenehm sie dem alten Herrn war. »Entschuldigen Sie, Herr Hegemeister, ich wußte nicht . . .«

Mit einer Handbewegung schnitt ihm der alte Grünrock das Wort ab. »Weil ich zu schwach war gegen meine Frau. Der Älteste hat mich auf den Knien gebeten, ihn Förster werden zu lassen. Mit vierzehn Jahren war er auf der Sekunda, obwohl er nie ein Buch in die Hand genommen hat. Und im Walde wußte er Bescheid, und eine Flinte schoß der Bengel! Ich war zu schwach, meine Frau wollte nicht . . . die wollte mit ihren Jungen höher hinaus. Studieren sollten sie . . . Sie hat es ja auch durchgesetzt . . . Na, reden wir nicht darüber. Es ist ja zum Guten ausgeschlagen. Einer von meinen siebzehn Enkeln wird mir jetzt die Freude machen. Er ist schon auf der Akademie in Eberswalde.«

Er trank sein Glas aus und erhob sich. »Es ist Zeit, daß ich nach Hause gehe . . . Wo bloß die Weschkalene bleibt?«

»Ja, ich denke auch daran . . . Wollen Sie sich nicht mehr halten lassen, lieber alter Herr? Mir ist die Zeit wie im Fluge vergangen.« »Nein!« »Na, dann vielen herzlichen Dank für Ihren Besuch. Würden Sie mir vielleicht Nachricht schicken, ob Weschkalene noch bei Ihnen ist?«

Der Hegemeister war kaum hundert Schritt gegangen, als Weschkalenes Wagen ihm begegnete. Sie ließ halten und streckte ihm die Hand entgegen. »Komm morgen zu mir, ich fahre noch zum Assessor 'ran.«

»Was bringst du ihm für Nachricht?«

»Sehr schlechte, er hat nichts zu hoffen.«

»Schade, ich habe den kleinen Kerl ganz gern.«

Der Assessor stand noch vor der Tür und hörte den Wagen kommen. Er trat an den Schlag. »Guten Abend, Weschkalene. Sagen Sie mir nur ein Wort: ja oder nein.«

»Solche Dinge werden nicht auf der Straße abgemacht, Herr Assessor. Bitte, geben Sie mir Ihren Arm. So, danke . . . Die Sache ist nicht mit einem Wort abzumachen«, fuhr sie fort, als sie ihm in der Stube gegenübersaß. »Wera hat uns ein Märchen erzählt, der Mann lebt nicht mehr, er ist im Aufstand gefallen. Es ist aber trotzdem noch ein Hindernis vorhanden.«

»Was kann das sein? Das muß sich doch beseitigen lassen.«

»Nicht so hitzig, junger Freund! Ja, jetzt fehlen mir alten Frau die Worte . . . Sagen Sie mal, Herr Assessor, muß es denn durchaus die Wera sein? Sie passen beide nicht zueinander. Sie sind ein leichtlebiger junger Herr. Sie brauchen eine junge, lebenslustige Frau, jung und schmiegsam, die alles mit Ihnen mitmacht. Die Wera ist schwerfällig, und sie hat in ihrem Leben soviel Schweres durchgemacht, mehr als ich Ihnen sagen kann.«

»Sie wollen mich möglichst schonend vorbereiten, Weschkalene.«

»Ich will Sie gar nicht vorbereiten. Es wäre gar nicht unmöglich . . . Aber das sage ich Ihnen gleich . . . vor ein, zwei Jahren entscheidet sich Wera nicht. Sie hat noch nicht überwunden, und wir müssen sie völlig in Ruhe lassen, sonst kommt sie uns ganz aus Rand und Band. Lassen Sie sich von mir alten Frau mal beraten.«

»Es geht alles vorüber im menschlichen Leben; auch das Leben geht vorüber. Und deshalb soll man es sich möglichst so einrichten, daß man am Ende nicht zuviel Neue zu empfinden braucht . . . Wir Landleute denken in solchen Fragen ruhiger . . . Wir wissen, daß man zwei Pferde von verschiedenem Temperament nicht zusammenspannen soll. Die machen sich gegenseitig zuschanden. Und bei den Menschen ist das ebenso. Da gibt es immer ein Unglück, wenn sich zwei so verschiedene Menschen für ein ganzes, langes Leben zusammenspannen.«

»Ja, Weschkalene, das sagen Sie so, aber wenn das Herz schreit . . .«

»Dann nimmt man es in beide Hände und hält es fest. Nachher ergibt es sich schon . . . Sie haben mich aber falsch verstanden. Der Weg ist ja frei bei Wera, für Sie wie für jeden andern. Also gar kein Grund, Trübsal zu blasen. Und nun will ich Ihnen einen Vorschlag machen. Kommen Sie mit mir und leisten Sie einer alten Frau ein paar Stunden Gesellschaft. Ihr Auto kann Sie nachher abholen.«

»Gern, Weschkalene, ich bin Ihnen ja so viel Dank schuldig.«

Als sie in Weschkallen vorfuhren, kam ihnen ein Wagen von der Rampe her entgegen. Das Ehepaar Steputat war zu Besuch gekommen mit Adusche . . . ganz zufällig . . .

24. Kapitel

Der Forstmeister war mit seiner jungen Frau von der Hochzeitsreise zurückgekehrt. Beide von der Sonne des Südens tief verbrannt . . . Telegraphisch hatte er sich jeden feierlichen Empfang verbeten. Aber Weschkalene kehrte sich nicht daran.

Auf der Bahnstation stand der Assessor. Freudestrahlend nahm er das Paar in Empfang. Vor der Oberförsterei standen die Grünröcke in Galauniform. Sechs junge Heideläufer bliesen den Fürstengruß . . . Die Tafel stand gedeckt.

»Ja, ja, man muß sich daran gewöhnen, daß man eine Schwiegermutter hat, die ihre eigenen Wege wandelt«, sagte Schrader neckend zu seiner Frau.

Im nächsten Augenblick fiel er Georginne um den Hals. »Du altes, treues Frauenzimmer, wieviel Hochzeiten hast du inzwischen schon zustande gebracht?« Er ging von einem zum andern. Bei dem jüngsten Grünrock fing er mit dem Händeschütteln an. Bei Krummhaar war es damit nicht abgetan. Einen Augenblicke sahen sich die beiden alten Grünröcke mit feuchten Augen an. Dann fielen sie sich in die Arme.

In der Haustür stand Abromeitene, jetzige Frau Kallweit, den Kochlöffel in der Hand. Sie hatte es sich nicht nehmen lassen, ihrem alten Herrn das Festmahl zu bereiten. In seiner Herzensfreude faßte Schrader sie um. »Kallweit, Sie gestatten doch«, und küßte sie auf die roten Backen. Schelmisch zog ihn Madeline am Rock. »Ottomar, man muß als junger Ehemann nicht in alte Gewohnheiten verfallen.« Schnell fing er ihren Kopf und Mund ein. »Du bist ja ein Racker . . . Hast du mir das wirklich zugetraut?«

Nach der Tafel verkrümelten sich die Grünröcke. Der Assessor hatte sie zu sich eingeladen. Nur Krummhaar blieb neben Weschkalene sitzen . . .

»Nun müssen wir mal wieder die Beine auf die Erde stellen, mein lieber Forstmeister«, begann Georginne. »Ich habe genug gearbeitet in meinem Leben. Jetzt will ich die Hände in den Schoß legen. Ich habe euch beiden Weschkallen verschrieben. Zum ersten April gehst du in Pension und übernimmst das Gut.«

Der Forstmeister lachte laut auf: »Verehrte Schwiegermutter! Nachträglich lasse ich mir keine Bedingungen stellen. Ich bin mit meiner Frau einig, daß ich noch so lange, wie mir Gott die Kraft gibt, im Amte bleibe.«

»Wie ihr wollt . . . Dann kann der Berger weiterwirtschaften. Ich gehe ja nicht aus der Welt, ich kann ab und zu noch ein Auge hinwerfen.«

»Weshalb willst du nicht in Weschkallen bleiben?«

»Weil ich mir in Lasdehnen ein Haus bauen lasse . . . Und da die Wera doch über lang oder kurz wieder heiraten wird, so habe ich mir das so ausgedacht, den Krummhaar zu mir zu nehmen, und damit die Menschen uns nichts nachsagen können, sind wir übereingekommen, uns trauen zu lassen.«

Lots Weib muß, als sie zur Salzsäule erstarrte, ein ähnliches Gesicht gemacht haben wie Madeline in diesem Augenblick . . . Der Forstmeister lachte laut auf: »Mensch, Adam, daß Sie noch einmal mein Schwiegervater werden sollen, das ist mir in sieben kalten Wintern nicht eingefallen . . . Aber nun stehe ich glänzend gerechtfertigt da . . . Georginne, das ist die beste Heirat, die du je zustande gebracht hast.«

Weschkalene zuckte die Achseln. »Ich bin ganz unschuldig daran. Der Adam hat mir auf eurer Hochzeit eine Liebeserklärung gemacht.«

»Da hört sich die Weltgeschichte auf. Adam, Mensch, zukünftiger Schwiegervater . . . das muß die Abromeitene hören.« Er sprang auf. Weschkalene vertrat ihm den Weg. »Nein, Forstmeister, das bleibt vorläufig ganz unter uns.«

»Ja, ihr seid klug . . . Von mir wußte die ganze Welt schon alles, noch ehe ich mich verlobt hatte. Ich will jetzt auch mein Vergnügen haben. Am nächsten Sonntag wird großartig Verlobung gefeiert.«

»Was meinst du, Adam?« rief Weschkalene dem Hegemeister zu, der still vor sich hinlachte. »Sollen wir ihnen das Vergnügen machen?«

»Ich habe nichts dagegen . . . Wie du willst, ich halte still.«

»Adam, wissen Sie auch, wie der Vers weitergeht? Nur keine Alte«, rief der Forstmeister.

»Mein lieber Schwiegersohn, du wirst dich mit mir erzürnen. Ich bin noch zehn Jahre jünger als du . . .«

»Entschuldige, Georginne, daran habe ich nicht gedacht. Und du hast uns voreilig deine Wiege geschenkt und das Gut verschrieben?«

Weschkalene lachte aus vollem Halse. »Du kannst sie uns ja borgen, Ottomar, wenn es nötig sein sollte . . . Aber nun in allem Ernst. Was sagt ihr dazu?«

Der Forstmeister stand auf und faßte sie um. »Ich denke, das haben wir euch auch schon im Spaß gezeigt. Wir freuen uns von Herzen . . . Meinen herzlichsten Glückwunsch dem jungen Brautpaar. Und nun laß Knallkümmel kommen, Madeline, wenn ihn der Nante nicht in meiner Abwesenheit vernutzt hat. Ein paar Flaschen werden noch auf Eis liegen.«

Gegen Abend ging der Forstmeister mit Krummhaar in den Feenpalast. Die Stimmung unter den Grünröcken war auf der Höhe angelangt. Nante hatte zur zweiten Vesper eine gebratene Gans, die für das Abendbrot bestimmt war, zu sich genommen.

»Nun können Sie sich vorstellen, Herr Forstmeister,« rief der Assessor, »was er in Ihrer Abwesenheit unter der liebevollen Fürsorge der Katinka zu sich genommen hat!«

Die Grünröcke hatten sich um ihren »Alten« geschart. Mit Stolz hörten sie, daß er sich mit Krummhaar duzte . . . Sie sollten bald die Erklärung dafür erfahren. Denn Schrader nahm Krummhaar bei der Hand: »Hier erlaube ich mir, Ihnen den jüngsten Bräutigam, meinen zukünftigen Schwiegervater, vorzustellen. Er hat sich heute mit Georginne Weschkalnies verlobt.«

Da war auch nicht einer, der sich darüber einen schlechten Scherz erlaubt hätte. Bloß Schwarzkopf meinte, der Krummhaar wäre der schlaueste Hund, der ihm je in seinem Leben begegnet wäre.

»Adam,« rief er in die aufgeregte Gesellschaft hinein, »ich muß dein Trauzeuge sein, denn ich bin aus Zufall schon der Augen- und Ohrenzeuge deiner Verlobung gewesen.«

»Das ist mir ja sehr interessant«, erwiderte Krummhaar lachend. »Dann werde ich doch endlich etwas Näheres darüber erfahren. Aber nachher, Gustav, unter vier Augen, damit die jungen Leute sich nicht ein schlechtes Beispiel daran nehmen.«

Die Aufregung hatte sich gelegt. Der Forstmeister ließ sich alles, was in seiner Abwesenheit vorgefallen war, erzählen . . . Das Gespenst auf der Schonung, die Völlerei an der Aschwöne, die Entlarvung und die Flucht des »Barons«, die Geschichte der Jagdverpachtung . . . Die Bauern hatten es richtig durchgesetzt, daß der Schulze ihnen für ein Jahr den Pachtvertrag nach dem Gebot des Barons bezahlen mußte. »Das schadet ihm gar nichts«, meinte der Forstmeister lachend. »Das wird ihm eine heilsame Lehre sein.«

In Dietrichswalde war Aufregung und Sorge eingekehrt . . . Daumlehner war abgestürzt . . . Reichenbach hatte ein langes Telegramm geschickt. Er hatte mit Daumlehner eine Überlandfahrt von Königsberg nach der Schweizer Grenze gemacht. Alle deutschen Rekorde waren geschlagen. Beim Landen war die Taube, kaum fünf Meter über dem Erdboden, zur Seite abgerutscht. Reichenbach hatte sich durch einen Sprung gerettet und war mit einer kleinen Verletzung davongekommen. Daumlehner war unter die Maschine geraten, die ihm beide Beine gebrochen hatte. Viel bedenklicher war die Gehirnerschütterung, die er davongetragen hatte . . . Er lag im Krankenhaus in Lindau am Bodensee. Der alte Graf Zeppelin war zufällig bei der Landung dazugekommen und hatte ihn selbst in seinem Auto dorthin gebracht . . .

Sofort setzte sich Erna auf die Bahn und fuhr zu ihrem Verlobten. Der Mutter gegenüber, die ihr vorhielt, das habe sie schon lange kommen sehen, benahm sie sich sehr tapfer.

»Ich auch, liebe Mutter«, erwiderte sie fest. »Darauf mußte ich vom ersten Augenblick an gefaßt sein. Und ich bin es gewesen, die ihn immer aufgefordert hat, nicht zu ermüden und das Höchste zu wagen. Das habe ich für meine Pflicht gehalten, ihm nicht den Klotz ans Bein zu binden. Jetzt werde ich ihm dafür die Treue halten . . . und wenn bloß ein Schatten von meinem stolzen Walter übrig bleibt, ich heirate ihn.«

Herr von Reichenbach wurde durch ein dringendes Telegramm nach Starrischken beordert. Er kam, den linken Arm in der Binde. Der Schwiegervater empfing ihn auf dem Bahnhof.

»Ich habe die Liesbeth mit Absicht zu Hause gelassen, um dir zu sagen, daß du die Ohren steif halten sollst. Die Frauenzimmer sind ja ganz aus dem Häuschen. Aber ich halte dir den Daumen. Laß dich nicht unterkriegen . . .«

»Ohne Sorge, lieber Papa. Ich werde nicht fahnenflüchtig.«

Der Empfang in Starrischken war derart, daß Guido seine Erwartungen und Befürchtungen weit übertroffen sah. Die Frau Schwiegermama stellte ohne Umschweife nach den ersten Begrüßungsworten die Bedingung, daß er sofort seine Versetzung in die Front beantragen, und sich ehrenwörtlich verpflichten müsse, bis dahin nicht mehr zu fliegen.

»Du gestattest wohl, daß ich mich erst mit meiner Braut darüber bespreche.«

»Nein, das ist durchaus nicht nötig, meine Tochter ist mit mir vollkommen einverstanden . . . Elimar, du wirst meine Worte bestätigen.«

Eine Palastrevolution war in Starrischken ausgebrochen. Herr von Grumkow hatte, statt seiner Gattin beizupflichten, den Schwiegersohn unter den Arm genommen. »Komm, Guido . . . Wir wollen erst mal einer guten Flasche den Hals brechen, hast du ein Fahrzeug in Königsberg? Ja? Na, dann fahren wir morgen in die Stadt der reinen Vernunft und fliegen ein bißchen spazieren.«

Frau von Grumkow hatte nicht nur bei ihrem Manne, sondern auch bei ihrer Tochter die Grenzen ihrer Macht überschätzt. Denn nachdem sie eine halbe Stunde ihrer Tochter Vernunft gepredigt hatte, stand Liesbeth auf und ging zu den Männern, die vergnügt bei einer alten Flasche Rheinwein plauderten. Guido sprang nicht etwa auf, um sie freudig zu begrüßen. Nein, er blieb ruhig sitzen und erzählte weiter von der prächtigen Fahrt. Er streckte nur die linke Hand nach Liesbeth aus und zog sie an seine Seite.

»Unten auf der Erde«, sprach er ruhig weiter, »lauert die Tücke auf uns. Hoch oben in der Luft, je höher, desto besser, fahren wir wie die Könige dahin . . . Hoch erhaben über alles Menschenvolk, was auf der Erde kriecht . . . Erst beim Landen wird's gefährlich, und am meisten durch die Unvernunft der Menschen. Der Unglücksfall wäre gar nicht passiert, wenn nicht Walter im letzten Augenblick eine scharfe Wendung hätte machen müssen, um nicht drei Menschen totzufahren. Dafür muß er jetzt mit seiner Gesundheit büßen.«

»Ja, weshalb fährst du immer nur als Begleiter?« fragte Liesbeth zaghaft. »Der Walter heimst alle Ehren ein, und du wirst immer bloß so nebenbei genannt.«

»Da hast du recht . . . jeder wird nach seinem Verdienst bewertet. Aber morgen steige ich zu einem Überlandflug auf, wenn ich einen Begleiter finde, der mir die verantwortliche Aufgabe abnimmt, die ich bisher immer für Walter geleistet habe. Wenn das Wetter einigermaßen günstig ist, wiederhole ich den Flug.« Er zog sie auf seine Knie und küßte sie herzlich ab. Als die Mutter eine halbe Stunde später zu Mittag bitten ließ, mußte sie einsehen, daß sie die Schlacht verloren hatte. Reichenbach fuhr als Sieger ab. Liesbeth fand es nicht für nötig, ihrer Mutter mitzuteilen, daß ihr Verlobter schon die Bestallung als Leiter eines militärischen Flugplatzes in der Tasche hatte, wo er nicht mehr zu fliegen brauchte.

Eines Tages kam Mooslehner nach Weschkallen.

»Na, was führt Sie denn zu mir, Sie haben sich ja so in Wichs geschmissen?«

»Ich komme, Sie um Rat zu fragen. Soll ich, oder soll ich nicht?«

»Wollen Sie das nicht erst an den Knöpfen abzählen. Na ja, was soll das heißen? Mit mir muß man litauisch oder deutsch reden.«

»Sie wissen ja schon, was ich will, Weschkalene. Sie sollen für mich anfragen.«

»Ja, das glaube ich, das könnte Ihnen so passen. Die jungen Herren werden immer bequemer. Jetzt heißt es bloß, Georginne fahr' hin, mach' die Sache ab, und dann komme ich . . . Nein, nein, Herr Mooslehner, ich brauche keinen Kuppelpelz mehr. Ich habe mich zur Ruhe gesetzt.«

Der Grünrock machte ein ganz verzweifeltes Gesicht. »Können Sie mir nicht wenigstens sagen, ob meine Bewerbung nicht von vornherein aussichtslos ist?«

»Ja, das weiß ich nicht, lieber Mooslehner. Ich weiß ja noch gar nicht, wen Sie heiraten wollen.«

»Na, wen denn? Die Wera!«

»Die Wera . . . Die hat doch einen Mann.«

»Ach, Weschkalene, ich lasse mich doch nicht dumm machen. Daran habe ich nie geglaubt . . . Wissen Sie, was ich denke? Der kleine Junge braucht einen Vater, weil er noch keinen hat. Ich frage nicht danach, denn ich habe das Mädel lieb. Und ich habe kein Recht, ihr vorzuhalten, daß sie vor mir einen anderen liebgehabt hat . . . Ich will auch gar nichts wissen, als was sie für nötig hält, mir zu erzählen.«

»Lieber Mooslehner, so spricht man im Rausch, wenn man verliebt ist. Später kommt es anders. Das muß man sich alles vorher überlegen . . . Ich weiß nicht, wie die Männer darüber denken, aber ich würde mir das doch überlegen, wenn solch Mädel von einem Arm in den anderen geflogen ist.«

Mooslehner sprang auf, hochrot im Gesicht. »Weschkalene, das dürfen Sie von Wera nicht sagen, das ist unwahr . . . das ist ganz ausgeschlossen. Die ist nicht von einem Arm in den anderen geflogen. Die hat ein schlechter Mensch betrogen.«

Weschkalene drückte ihn auf den Stuhl nieder, legte ihren Arm um seinen Hals und küßte ihn auf den Scheitel. »Ruhig, Mooslehner, ruhig! Sie haben die Probe bestanden. Sie können der Wera ihre Hände unter die Füße legen. Sie wissen doch von dem Aufstand in Livland, wo die Bauern alle Schlösser zerstörten und niederbrannten?« Sie hatte ihre Wange auf seinen Kopf gelegt. Leise sprach sie weiter.

»In der Nacht, die ihnen allen den Tod bringen mußte, hat sie vor Gott mit dem Mann, den sie liebte, den Bund geschlossen. Er wurde gesegnet, aber der unerforschliche Ratschluß Gottes nahm den Mann hinweg. Er fiel im Kampf gegen die Aufrührer . . . Das hat ihr die Seele verstört. Sie sieht das als Strafe des Himmels an.«

Mooslehner hatte ihre beiden Hände gefaßt und geküßt. »Weschkalene, Sie sind ein Engel. Würden Sie es mir übelnehmen, wenn ich jetzt spornstreichs in die Försterei laufe?«

»Das haben Sie nicht nötig. Die Makunischker kommen heute alle zu mir. Bleiben Sie ruhig hier . . . Ich habe noch in der Wirtschaft zu tun . . . Oder kommen Sie mit, damit Ihnen die Zeit nicht lang wird. Nun seien Sie man ganz vernünftig und ruhig. Ich will es Ihnen verraten, daß Sie keinen Korb bekommen werden. Sind Sie jetzt mit Ihrer zukünftigen Großmutter zufrieden?« . . .

»Wo ist denn der Mooslehner geblieben und die Wera?« fragte der Forstmeister, als es zum Abendbrot ging.

»Ach, die haben keinen Appetit und haben auch keine Zeit . . . die haben sich was zu erzählen«, erwiderte Weschkalene mit einer Stimme, der man die Aufregung anmerkte. »Wir wollen man ruhig essen. Dabei können wir auch auf das jüngste Brautpaar anstoßen.«

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Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
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Public Domain

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