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Читать книгу: «Der Wagehals», страница 11

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21. Kapitel

Die Vertretung des Forstmeisters war dem Assessor übertragen worden. Seine Tätigkeit war nicht sehr anstrengend, denn sie bestand im wesentlichen darin, daß Herr von Sperling seinen Namen unter die fertigen Schriftstücke setzte. In zweifelhaften Fällen holte Nante sich bei Mooslehner oder Krummhaar Rat.

Eines Tages las er im Kreisblatt, daß die Serpenter Feldjagd neu verpachtet werden sollte, die der Forstmeister schon lange Jahre in seinem Besitz hatte. Sie war an und für sich nichts wert, aber da ein paar Wiesen in die königliche Forst hineinsprangen, konnte ein gewissenloser Jagdpächter durch Abschuß von Rehen viel Schaden anrichten.

Sofort ging Nante zu Krummhaar hinüber. Der alte Herr fluchte wie ein Türke, da sei eine große Schweinerei im Gange, ließ seinen Wagen anspannen und fuhr nach Serpenten zum Gemeindevorsteher. Es war das eingetreten, was er befürchtet hatte. Der Baron steckte dahinter. Er hatte die Bauern aufgehetzt, daß die Jagd viel zu billig verpachtet sei, und die Bauern hatten ihren Schulzen gezwungen, die Jagd öffentlich auszubieten. Der Baron würde das Fünffache bieten, und sie wären ihm zu Dank verpflichtet wegen des hohen Verdienstes, den er ihnen zukommen ließe . . .

»Wie lange die Herrlichkeit mit dem Baron hier dauern wird, ist mir zweifelhaft«, erwiderte Krummhaar. »Aber das kann ich euch sagen: Holz rücken, Streu machen, Wiesen pachten, das wird aufhören. Darauf gebe ich euch mein Wort.« Auf dem Rückweg sprach er beim Assessor an. Der befahl sofort sein Auto und fuhr zu Herrn von Zaleski.

Der Baron begrüßte ihn sehr herzlich, aber als der Assessor mit dem Zweck seines Besuches herausrückte, erwiderte er kühl: »Bedaure sehr, der Herr Forstmeister hat mir die Bitte, einige Böcke abschießen zu dürfen, rundweg abgeschlagen. Er hat sich also selbst zuzuschreiben, wenn ich auf ihn keine Rücksicht nehme, sondern mir eine Jagd zu pachten suche. Dagegen ist vom rechtlichen Standpunkt nichts einzuwenden, und gesellschaftliche Rücksichten brauche ich gegen den Herrn Forstmeister nicht zu nehmen.«

Der Assessor verbeugte sich kurz. »Das bedaure ich sehr, Herr von Zaleski, denn das zwingt mich, den Verkehr mit Ihnen abzubrechen.«

Der Baron zuckte die Achseln. »Das würde mir sehr leid tun, aber das hat auf meinen Entschluß keinen Einfluß« . . .

Am Bietungstermin war der Assessor mit Krummhaar erschienen. Der Baron grüßte sie mit einer abgemessenen Verbeugung und gab sofort sein Gebot ab. Der Assessor überstürzte ihn um hundert Mark.

»Noch hundert«, sagte der Baron kalt lächelnd. »Noch zweihundert« . . . »noch hundert.«

Als es ins zweite Tausend ging, merkte man Herrn von Zaleski schon sehr deutlich die Aufregung an, während der Assessor eisig kalt blieb und seinen Gegner jedesmal mit zweihundert Mark überstürzte. Die Bauern, die sich sämtlich eingefunden hatten, grinsten schadenfroh. Beim dritten Tausend bog sich Krummhaar zu dem Assessor. »Hören Sie auf, Herr Assessor. Ich werde Ihnen nachher sagen, warum.«

»Zweitausendvierhundert habe ich geboten, Herr von Sperling«, rief der Baron höhnisch.

Ohne ihn einer Antwort zu würdigen, drehte der Assessor sich um und ging, von dem Hegemeister gefolgt, ohne Gruß zur Tür . . .

Der Baron blieb . . . Eine Viertelstunde später ging er mit den Bauern ins Wirtshaus. Er hatte den Zuschlag erhalten, nachdem er den Bauern Erlaubnisscheine zur Anstandsjagd erteilt hatte. Außerdem sollte der Vertrag noch gründlich begossen werden.

»Nun sagen Sie mir bloß, Herr Hegemeister, weshalb ich nicht weiterbieten sollte«, fragte der Assessor, als sie im Auto saßen. »Mir wäre es doch nicht darauf angekommen, so weit zu bieten, bis dem edlen Polen die Luft und der Draht ausgegangen wäre.«

»Das weiß ich, Herr Assessor«, gab Krummhaar vergnügt zur Antwort. »Sie müssen aber noch etwas mehr tun, Sie müssen dafür sorgen, daß der Baron den Zuschlag bestätigt bekommt, damit wir ihm das Vergnügen gründlich versalzen können. Die fünfhundert Meter Grenze werden wir jetzt so energisch bewachen und beunruhigen, daß nicht ein Reh mehr dort austritt . . . Wie ich den Baron taxiere, wird er die Bauern auch mit Erlaubnisscheinen geködert haben, denen wollen wir bald das Handwerk legen.«

»Ich wüßte etwas Besseres, Herr Hegemeister. Ich hole mir sofort die Erlaubnis ein und lasse das Stück Grenze mit dichtem Draht einzäunen.«

»Das kann später geschehen, wenn es nötig sein sollte. Herr Assessor. Erst wollen wir doch unsern Spaß haben, den Baron und die Bauern auf dem Anstand sitzen zu sehen.«

Schon am nächsten Tage begann's im Forst zu krachen, meistens auf den Wiesen der Aschwöne, wo sonst kein Schuß fallen durfte . . . Aus einem Gewehr konnten diese Böllerschüsse nicht stammen, dazu waren sie zu stark . . . Gleich am ersten Abend knallte es ein dutzendmal, bald hier, bald dort. Am nächsten Morgen wieder . . . Die Grünröcke gerieten in Aufregung, denn sie konnten den oder die Täter nicht erwischen.

Mooslehner gelang es, festzustellen, daß es sich nur um Feuerwerkskörper, sogenannte Kanonenschläge, handeln konnte. Nicht weit von ihm war so ein Böllerschuß losgegangen, und er hatte mit Hilfe seines Hundes verbrannte Papierfetzen gefunden . . . Der Wald wimmelte von Beerenlesern, Weibern und Kindern. Aber sie wußten von nichts, hatten niemand gesehen, auf den sie Verdacht haben konnten . . . Der Zweck dieser Böllerei war klar: das Wild sollte beunruhigt und vergrämt werden . . . und er wurde nur zu gut erreicht . . . das Wild verschwand von den Wiesen, verzog sich nach anderen Revieren und trat abends früher als sonst auf die Felder aus.

Es war leicht zu erraten, von wem diese Maßregel ausgehen konnte . . . aber es fehlte der Beweis. Die Forstbeamten waren früh und spät auf den Beinen. Was würde bloß der »Alte« sagen, wenn er zurückkam und die Bescherung fand.

Endlich gelang es Krummhaar, dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Er hatte sich vor Tagesgrauen aufgestellt. Als es hell wurde, kam ein Junge von etwa zehn Jahren angetrollt, sah sich vorsichtig um und verschwand in einem Fichtenhorst.

Als er wieder herauskam, blieb er vergnügt grinsend stehen. Nach zwei Minuten krachte es in dem Horst . . . Jetzt lief der Junge davon. Er kam nicht weit, denn plötzlich war ein großer Hund hinter ihm her und packte ihn am Hosenboden. Gemächlich kam der Hegemeister heran und schnitt sich vor den Augen des kleinen Sünders einen fingerdicken Haselstock ab.

Ohne eine Frage zu tun, nahm er den Schlingel aufs Knie und rieb ihn sehr gründlich mit ungebrannter Asche ein.

»Ich werde ja alles erzählen, ich werde alles sagen . . . Ach Gott, trautester, liebster, goldener Herr Förster, das tut ja weh . . .«

»Das soll es auch, mein Sohn. Ich will dir bloß ein bißchen das Gewissen schärfen und die Zunge locker machen. So. Nun, wie heißt du?«

»Ich heiß' Max Kaprelat, aber der Gustav Krause und der Karl Grinda haben das auch gemacht. Wir kriegen jedesmal fünf Dittchen dafür.«

»Von wem denn?«

»Von dem Knecht, der bei dem Herrn Baron dient.«

Der Hegemeister nahm den Stock, den er unter den linken Arm gesteckt hatte, zur Hand. »Dein Gewissen ist noch nicht genug geschärft, mein lieber Max.«

Der Schlingel hob bittend und beteuernd die Hände. »Ich werde die reine Wahrheit sagen. Der Herr Baron gibt uns immer das Geld dafür.« –

Herr von Zaleski wechselte die Farbe, als gegen Mittag der Herr Assessor mit dem Hegemeister und einem Gendarmen zu ihm ins Zimmer trat.

»Was verschafft mir die Ehre?«

»'ne Ehre ist es gerade nicht für Sie, weshalb wir hier sind«, erwiderte der Hegemeister.

»Was erlauben Sie sich, Herr Förster?«

»Nichts mehr, als ich verantworten kann. Und mein Titel lautet Hegemeister.«

Ehe der Baron etwas antworten konnte, tat sich die Tür auf. Fedora trat ins Zimmer. In heftigem Tone rief sie auf polnisch dem Baron etwas zu und wandte sich wieder zum Gehen. Der Gendarm vertrat ihr die Tür. »Sie müssen hierbleiben, Fräulein.« Durch die andere Tür trat der Forstaufseher Bauschus ein. Er hatte den Knecht, der sich heftig sträubte, am Kragen. Hinter ihm kam der Gemeindevorsteher . . .«

»So, nun können wir wohl mit der Haussuchung beginnen, meine Herren«, sagte der Assessor ruhig.

»Ich protestiere dagegen«, rief der Baron heftig.

Fedora hatte sich, als wenn sie die Sache gar nichts anginge, eine Zigarette angezündet. »Du bist ein Trottel, Roman, ein ausgemachter Trottel«, sagte sie in eisigem Ton.

Der Hegemeister blieb in der Tür zum Nebenzimmer stehen und nickte ihr lächelnd zu . . .

Die Haussuchung dauerte nicht lange. Im Nebenzimmer lag ganz offen auf dem Tisch ein großes Paket mit Kanonenschlägen. In stummer Wut ließ der Baron alles über sich ergehen. Ein Protokoll wurde aufgenommen. Scharf und kurz gab er Antwort. Er leugnete nichts. Mit fester Hand unterschrieb er das Protokoll.

»Haben die Herren noch ein Anliegen?«

»Sie scheinen die Situation noch nicht richtig erfaßt zu haben«, erwiderte Krummhaar ruhig. »Wenn ich jetzt Ihre Verhaftung wegen Fluchtverdachts beantrage, nimmt Sie der Herr Gendarm unweigerlich mit. Was meinen Sie, Herr Assessor? Der Herr hat hier keinen festen Wohnsitz. Das Geschäft, das er betreibt . . .«

Der Baron knirschte mit den Zähnen . . . seine Augen sprühten. Fedora legte ihm die Hand auf den Arm und flüsterte ihm etwas auf polnisch zu.

»Ich bitte, Herr Assessor, mich gegen Ihre Untergebenen zu schützen, Sie wissen doch, wer ich bin.«

»Wenn der Herr Hegemeister nichts dagegen hat, will ich darauf Rücksicht nehmen. Kommen Sie, meine Herren, die Sache ist hier vorläufig erledigt.« Mit einer kurzen Verbeugung gegen Fedora verließ er das Zimmer.

»Hat der Baron schon die Jagd bezahlt?« fragte Krummhaar auf dem Hof den Gemeindevorsteher. »Die war doch gestern fällig.«

»Ich wollte heute deswegen zu ihm gehen.«

»Na, dann seht euch vor, daß der Baron euch nicht ausrückt. Der Betrieb scheint hier schon seit ein paar Wochen eingestellt zu sein. Ich traue dem Frieden nicht; der rückt bei Nacht und Nebel aus.«

»Dem Deuwel trau'! Wir haben auch noch ein paar hundert Mark für Fuhrlohn zu bekommen.«

Roman von Zaleski hatte sich in einen Stuhl geworfen und die Hände gegen die Stirn gedrückt. Fedora ging stark rauchend vor ihm auf und ab. »Das habe ich dir alles vorausgesagt . . . eine Dummheit nach der anderen. Der Besuch in der Oberförsterei, der Verkehr mit dem Assessor . . . das Scheibenschießen . . . die Jagdpacht. Jetzt habe ich genug davon. Ich mache Schluß.«

»Die Ratten verlassen das Schiff«, erwiderte Roman leise.

»Ein geschmackloser Vergleich, aber du bist sehr im Irrtum. Du scheinst zu glauben, daß ich nur zu meinem und deinem Vergnügen mit dir in dies gottverlassene Nest gegangen wäre. O nein . . . ich bin die Vertrauensperson des Londoner Komitees. Ohne meinen Willen erhältst du nicht mehr einen Pfennig. Und nach meiner Ansicht ist unser Aufenthalt hier völlig überflüssig geworden. Durch den doppelten Kordon kommt keine Katze mehr hindurch.«

Der Baron erhob sich. »Das ist ja äußerst interessant . . . nicht eine Geliebte, sondern eine Aufpasserin habe ich mir mitgenommen. Da diese beiden Rollen sich sehr schlecht miteinander vertragen, so wollen wir sie beide beendigen. Das gnädige Fräulein werden sich in ihr Zimmer verfügen und dort abwarten, was mit Hochdemselben weiter geschehen soll.«

»Das werden wir gleich wissen.« Sie riß die Tür auf. »Stanislaw!«

Der Knecht trat ein . . . eine mittelgroße, breitschultrige Gestalt. Mit dem Finger wies Fedora auf den Baron. »Was machen wir jetzt mit diesem Trottel?«

»Was gnädiges Fräulein befehlen.«

Fedora ging lächelnd auf ihn zu.

»Herr von Zaleski, jetzt wollen wir Ihre Rolle beendigen. Ich bitte, mir Rechnung zu legen. Ich habe hier aufgeschrieben, was Sie bekommen haben . . . und was Sie zu fordern haben. Sie müssen noch tausend Mark in Ihrem Besitz haben, die dem Komitee gehören. Die werden Sie mir gleich übergeben . . .«

Der Baron hatte die Farbe gewechselt, als der Knecht eintrat. Er hatte seine Lage begriffen. Das Blut stieg ihm zu Kopf . . . seine Hände zitterten und zuckten . . . Er biß die Zähne zusammen und zwang sich zur Ruhe. Es hatte keinen Zweck, sich auf den Kerl zu stürzen, der ohne Mühe die schwersten Kisten, an denen drei Mann sich abmühten, wie ein Kinderspielzeug vom Wagen hob. Und es hatte auch keinen Zweck, das Weib zu bitten. Es gab nur einen Ausweg . . . ins Nebenzimmer zu seinen Waffen zu gelangen.

Stanislaw schien ihm diesen Gedanken vom Gesicht abgelesen zu haben, denn er tat ein paar Schritte und stellte sich vor die Tür.

»Nun, Herr von Zalefki, ich warte auf Ihre Antwort . . .«

Roman griff in die Brusttasche und nahm seine Brieftasche heraus.

»Ich habe nur noch hundert Mark bei mir.«

»Das ist herzlich wenig. Aber wenn Sie sparsam damit umgehen und bescheiden dritter Klasse fahren, können Sie damit bis Galizien kommen. Ich werde Ihnen den Koffer packen. Ein Anzug und etwas Wäsche wird genügen. Sobald Sie uns die fälligen tausend Mark einschicken, senden wir Ihnen Ihr persönliches Eigentum zu . . . Einen Augenblick, ich bin gleich fertig.«

Sie verschwand im Nebenzimmer . . . Nach wenigen Minuten kam sie mit einem kleinen Koffer zurück. »Und nun glückliche Reise, Herr von Zaleski . . . Sie haben so einen merkwürdigen Ausdruck im Gesicht. Tun Sie das nicht, gehen Sie nicht nach Rußland. Die Leute sind dort sehr ungemütlich . . . und sie wissen leider schon, daß Ihr amerikanischer Paß gefälscht ist . . .«

Ohne eine Miene zu verziehen, nahm der Baron den Koffer. Er hatte noch eine Hoffnung . . . seine Dogge. Vor der Tür steckte er zwei Finger in den Mund und tat einen gellenden Pfiff. »Nora!«

Ein Heulen, das aus einem Stall zu kommen schien, antwortete ihm. »Sie müssen uns nicht für so dumm halten, Herr von Zaleski«, sagte Stanislaw mit höhnischem Lachen. »Darauf war ich vorbereitet.«

»Nicht durchs Dorf, hier geht es in den Wald. Ich werde mir erlauben, Sie ein Stück zu begleiten.«

»Du Hundeblut, du verdammter Knecht.«

Stanislaw maß ihn mit einem kalten Blick. »Die Rolle habe ich ausgespielt. Mein Name lautet ganz anders . . . Aber ich werde meine Hand mir nicht an Ihnen beschmutzen.«

Der Baron sah ihn mit einem fassungslosen Blick an. »Um Himmels willen, doch nicht der Graf . . .?«

»Keinen Namen, wenn ich bitten darf. Sie werden jetzt auch wissen, weshalb wir heute mit Ihnen abgerechnet haben.«

»Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort«, rief der Baron heftig.

»Was man nicht hat, kann man nicht geben«, erwiderte Stanislaw eisig. »Wir haben die Beweise in Händen, daß Sie das Lager in Wilna den russischen Behörden verraten haben. Der Judaslohn ist durch einen glücklichen Zufall in meine Hände gelangt.«

Wie ein geprügelter Hund schlich der Baron mit seinem Köfferchen davon in den Wald . . .

22. Kapitel

Im litauischen Zimmer saß der Assessor der Weschkalene gegenüber. Er hatte ihr einen Besuch gemacht, um bei ihr zu frühstücken und ein bißchen mit ihr zu plaudern. Im geheimen trieb ihn der Wunsch, der alten Dame sein Herzeleid zu klagen und sie um Rat zu bitten. Der Alkohol, den er als Betäubungsmittel angewandt hatte, half nichts mehr.

Wo er ging und stand, sah er Wera vor sich. Ihre volle, stolze Gestalt, die verschleierten schwarzen Augen . . . das üppige Haar, das sie wie ein dicker Schleier bis zu den Füßen umwallte . . . So hatte er sie auf dem Polterabend des Forstmeisters gesehen als Zigeunerin, die dem jungen Paar aus der Hand die Zukunft prophezeite.

»Gnädige Frau, ich muß Ihnen ein Geständnis machen. Ich will Sie um Ihre Hilfe bitten.«

»Die gnädige Frau lassen Sie man ganz beiseite . . . an die neue Mode kann ich mich nicht mehr gewöhnen. Ich bin die Weschkalene. Meinen Rat sollen Sie haben, aber erst, wenn Sie sich sattgegessen haben. Ein hungriger Magen ist ein schlechter Berater . . . So, nun kommen Sie«, sagte sie, als der Assessor Messer und Gabel beiseite gelegt hatte.

»Nehmen Sie Platz. Und nun sprechen Sie zu mir, als wenn Sie zu Ihrer Mutter sprechen.«

»Weschkalene, ich bin verliebt bis über die Ohren.«

»Das ist nichts Neues für eine alte Frau . . . ich weiß schon, in wen.«

»Sie werden sich irren, nicht in die Adusche Steputat.«

»An die habe ich nie gedacht, Herr Assessor. Die Wera steckt Ihnen im Kopf.«

»Nicht bloß im Kopf, verehrte Frau Weschkalene, sondern auch im Herzen.«

»Auch im Herzen? Das habe ich nicht gewußt . . . Den Kopf kann man für eine Weile mit Alkohol zur Ruhe bringen, aber nicht das Herz.«

»Das habe ich noch nicht gewußt . . . Es ist wahr, ich habe es in den letzten Wochen ein bißchen toll getrieben. Aber Sie haben recht . . . Mitten in der Nacht bin ich mit wüstem Kopf aufgewacht, und dann fing das Herz an zu sprechen.«

»So, so? Wissen Sie denn nicht, was man in solchem Falle tut? Man geht hin, wenn der Großvater nicht zu Hause ist. Und wenn er zu Hause ist, schadet es auch nichts. Dann sagt man, lieber Herr Hegemeister, ich habe mit Ihrer Enkeltochter zu sprechen. Ich bin der und der, ein anständiger Mensch, noch nicht vorbestraft. Ich habe eine gute Stellung in der Welt, bin außerdem reich . . . würden Sie mir übelnehmen, wenn ich Sie um die Hand Ihrer Enkeltochter bitte? Dann wird der alte Herr Ihnen gerührt die Hand schütteln und wird gehen, die Wera zu holen. Was Sie der für ein Liedchen zu singen haben, werden Sie ja wohl auch schon wissen.«

Herr von Sperling seufzte tief und nickte mit dem Kopf . . . »Sind Sie denn solch ein Hasenfuß«, fuhr Weschkalene fort. »Die Sache ist doch nicht so gefährlich. Die Wera ist kein junges Mädchen mehr, sondern eine Witwe.«

Der Assessor sprang auf. »Nein, das ist sie leider nicht . . . sondern eine verheiratete Frau.«

»Da schlag' doch Gott den Deuwel tot! Das ist das Neueste, was ich höre. Wieso nicht Witwe . . . ihr Mann ist doch tot?«

»Nein, er lebt . . . oder vielleicht lebt er auch nicht mehr . . . Hören Sie zu. Eines Tages erzählt mir der Hegemeister, daß Weras Mann nicht tot ist, sondern als politischer Verbrecher in einem russischen Gefängnis schmachtet. Wie mir dabei zumute war, können Sie sich wohl denken. Ich hatte Mühe, meine Fassung zu bewahren. Ich bot aber sofort meine guten Dienste an. Ich habe sehr gute Beziehungen nach Rußland . . .«

»Das finde ich sehr nett und sehr klug von Ihnen.«

»Ach, gnädige Frau Weschkalene, ich will mich nicht besser machen, als ich bin. Wer in Rußland hinter den Gefängnismauern verschwindet, ist für die Welt tot. Aber ich hätte die amtliche Auskunft in der Hand gehabt.« Er hatte sich wieder gesetzt.

Dafür war Weschkalene aufgestanden und ging vor ihm hin und her . . . »Na, und was sagt die Wera dazu?«

Der Assessor zuckte die Achseln. »Von da ab wird mir ihr Benehmen unverständlich. Der Hegemeister ging zu ihr in die Küche. Es dauerte eine Ewigkeit, bis er zurückkam. Wera hätte sich zu sehr aufgeregt. Sie könne mir nicht sofort Auskunft erteilen. Seitdem warte ich auf diese Auskunft, die nur darin besteht, daß mir der Name, der Ort und die Zeit der Verhaftung mitgeteilt wird. Ich werde daraus nicht klug.«

Weschkalene blieb vor ihm stehen. »Da gibt es doch nur zwei Möglichkeiten. Entweder hat die Sache mit dem Mann einen Haken oder mit Ihnen . . . das heißt, sie will Ihnen nicht zur Dankbarkeit verpflichtet sein.«

»Sie meinen also damit, daß ich keine Hoffnung hätte? Ich habe es gestern von Mooslehner erfahren, daß der Hegemeister ihm dasselbe schon vor einem halben Jahr erzählt hat.«

»Das macht die Sache immer rätselhafter. Ich bin eine alte Frau und habe schon soviel erlebt in meinem Leben, aber das ist mir noch nicht vorgekommen. Lieber Herr Assessor, da steckt etwas dahinter . . . mir ahnt schon so was . . . und ich werde dahinter kommen, verlassen Sie sich darauf. Ich wollte sowieso heute nach Makunischken fahren. Ich habe mit dem alten Knasterbart, dem Hegemeister, ein Hühnchen zu rupfen . . . Halten Sie sich heute abend zu Hause. Ich komme zu Ihnen, wenn ich etwas erfahren habe.«

Der Hegemeister und Wera sahen gerade beim Kaffee, als der Wagen der Weschkalene vorfuhr . . . »Kind, geh 'raus, nimm Weschkalene in Empfang und sag' ihr, ich wäre nicht zu Hause.«

»Aber, Großvater, sie wird dich doch schon durch das offene Fenster gesehen haben.«

»Na, dann darfst du mich aber nicht verlassen, nicht auf eine Minute . . . verstehst du?« Er sprang auf und eilte an die Tür. »Willkommen, Georginne . . . herzlich willkommen. Was verschafft uns das Vergnügen?«

»Ich komme bloß ein bißchen nahbern und euch die Karten von den Kindern zu zeigen. Die fahren ja jetzt schon zu Schiff in das Morgenland. Für Kaffee danke ich . . . ich habe schon zu Hause getrunken.«

Die Postkarten waren besehen, die Fahrt des jungen Ehepaares war gründlich durchgesprochen, da sagte Weschkalene: »Mein Kind, ich will Sie nicht stören, wenn Sie in der Wirtschaft zu tun haben.«

»Oh, ich versäume wirklich nichts.«

»Das lobe ich mir, wenn die Wirtschaft so am Schnürchen geht. Aber Sie haben mich nicht verstanden. Sie müssen uns ein Viertelstündchen allein lassen, ich habe mit Ihrem Großvater etwas zu besprechen.«

Sie legte dem Hegemeister, der auf dem Sofa neben ihr saß, die Hand auf den Arm. »Nun, mein lieber Freund Adam, was wird denn aus uns beiden? Ich habe bis heute gewartet . . . aber wer nicht kam, das war der Adam Krummhaar . . . genau so wie vor vierzig Jahren. Jetzt bin ich ja nicht mehr so ein schüchternes junges Mädchen wie damals . . . Wissen Sie noch, Adam?«

Krummhaar nickte . . . Weschkalene fuhr fort, und ihre Stimme zitterte dabei ein wenig. »Da kam so ein junger forscher Heideläufer täglich in unser Haus . . . und eines Abends begleitete ich ihn ein Stück Weges auf seinem Heimweg. Meine Eltern hatten schon zu mir gesagt: ›In Gottes Namen, Kind, wenn du den Mann lieb hast‹ . . . und da hat der Heideläufer den Arm um mich gelegt und hat mich geküßt und hat mir närrische Dinge ins Ohr geflüstert . . . Ich müßte noch ein paar Jahre warten . . . Ich habe gewartet. Gestern abend sind es achtunddreißig Jahre geworden.«

»Und vor vierzehn Tagen hat mich derselbe Heideläufer wieder umgefaßt und hat mich geküßt und hat mir etwas ins Ohr geflüstert, was ich nicht recht verstanden habe. Ich glaube, von der alten Liebe, die nicht rostet. Ich wollte mich bloß erkundigen, ob ich mich nicht verhört habe.«

Der Hegemeister hatte seine Pfeife ausgehen lassen und beiseite gestellt. »Weschkalene, wir sind beide alt geworden, ich bin siebzig Jahre.«

»Bloß fünf Jahre älter als der Forstmeister, der sich ein junges Weib geheiratet hat. Adam, eine Frau vergißt nie, sie vergibt alles, aber sie vergißt nichts. Ich habe deine vier Söhne und deine Tochter über die Taufe gehalten und freue mich über jeden Brief, den ich von ihnen bekomme. Da habe ich während der Hochzeit einen Brief von deinem Ältesten, dem Fritz, bekommen. Er schreibt: Tante Georginne, wir haben gehört, daß Wera wieder heiraten wird. Was soll dann aus unserem alten Herrn werden, wenn er Pension nimmt?«

»Das ist nicht richtig, die Wera wird nicht heiraten.«

»Wollen Sie Ihre Hand dafür ins Feuer legen, Adam?« Sie nahm seine Hand. »Adam, ich weiß, daß Sie in der Nacht etwas im Krönchen hatten. Wenn Sie das, was Sie damals mir sagten, jetzt als 'ne Dummheit ansehen?«

Er legte seine andere Hand auf die ihre. »Nein, Georginne, nein. Ich habe meine verstorbene Frau von Herzen lieb gehabt. Sie wissen ja, daß ich neun Jahre um sie geworben habe. Aber wie ich Sie auf der Hochzeit so sah, in der Tracht, in der ich Sie damals gesehen und geküßt habe, da wachte etwas in mir auf . . .«

»Wo? Im Kopf oder im Herzen?«

»Das wird wohl aus dem Herzen gekommen sein, denn der Kopf war ziemlich ausgeschaltet.« Georginne zog ihre Hand zurück und stand auf.

Ein schelmisches Lächeln lag auf ihrem Gesicht. »Herr Hegemeister Krummhaar, ich kann nicht mehr sagen: sprechen Sie mit meinen Eltern. Nein, schreiben Sie an Ihre Söhne, daß Sie auf Ihre alten Tage, wenn Sie Pension nehmen, mit der Tante Georginne zusammenziehen wollen. Sie müßten sich allerdings mit mir der bösen Welt wegen in aller Stille von dem Standesbeamten trauen lassen.«

Jetzt sprang der alte Herr auf und faßte sie um. »Georginne, ist das dein Ernst?«

»Ja, mein Adam . . . aber nun ganz vernünftig, wie es sich für zwei so alte Leute schickt.«

Hand in Hand saßen sie nebeneinander auf dem Sofa. »Meine Kinder wissen es schon . . . Dein Fritz auch. Er freut sich schon darauf, mich als liebe Mutter anreden zu können.«

»Ja, ja«, meinte der Hegemeister lachend. »So was kommt von so was . . . ein Urgroßvater, der sich ein junges Weib nimmt. Da ist der Forstmeister ja noch der reine Waisenknabe gegen mich. Georginne, ich bitte dich bloß um eins: den Mund halten, bis wir auf dem Standesamt sind.«

»Das will ich dir versprechen, Adam. Aber nun wollen wir uns mal darüber klar werden . . . Du nimmst zum Frühjahr Pension.«

»Einverstanden.«

»Die Wera heiratet im Winter.«

»Das stimmt nicht. Das weißt du noch nicht . . . die Wera ist nicht Witwe . . . ihr Mann lebt noch.«

»Das ist mir egal, die Wera heiratet im Winter.«

Der Hegemeister schüttelte den Kopf, aber er wagte keinen Widerspruch mehr. »Der Forstmeister nimmt auch zum Frühjahr Pension.«

»Da bist du sehr im Irrtum, den kenne ich besser.«

Georginne lachte über das ganze Gesicht . . . »Ich habe es ihm geschrieben. Er muß doch Weschkallen übernehmen. Ich habe mich genug gerackert in meinem Leben, ich will noch ein paar Jahr Ruhe haben. Ich habe gestern den Platz neben der Kirche in Lasdehnen gekauft . . . da wird uns der Krause ein hübsches Häuschen hinsetzen. Wenn wir von der Hochzeitsreise zurückkommen, ist es fertig.«

»Hochzeitsreise?«

»Jawohl . . . Du sollst es nicht schlechter haben als mein Schwiegersohn. Wir machen genau dieselbe Reise.«

Krummhaar legte den Arm um sie: »Georginne, du bist doch ein Prachtweib.«

»Ja, aber ich mußte so alt werden, um das zu hören. Aber nun sind wir ja beide im reinen, nun ruf' mir mal die Wera 'rein.«

»Mit wem willst du sie denn verheiraten?«

»Das weiß ich noch nicht . . . erst muß ich mir mal Klarheit verschaffen, was denn überhaupt mit ihr los ist. An den Mann glaube ich nicht . . . Du kannst inzwischen zum Assessor 'rübergehen, damit ihm nicht die Zeit lang wird. Aber gib dich nicht gleich als glücklichen Bräutigam zu erkennen.«

»Komm mal her, mein Kind«, sagte sie zu Wera, die mit verlegener Miene hereintrat. »Komm, setz' dich hier neben mich. So, mein Kind, ich habe etwas sehr Wichtiges mit dir zu besprechen. Du hast leider keine Mutter mehr, da mußt du schon denken, ich wäre deine Großmutter, der du dein Herz öffnen sollst.«

Mit unbewegter Miene saß Wera, hochaufgerichtet, neben ihr. »Ich wüßte nicht, was ich Ihnen anzuvertrauen hätte.«

»Ich will mich nicht in dein Vertrauen drängen, mein Kind, aber zwischen Frauen bespricht sich so etwas leichter.«

»Ach, Sie kommen wohl im Auftrage des Herrn Assessors?«

»Du hast dich wohl versprochen. Wolltest du nicht Mooslehner sagen?«

Weras Gesicht war in einem Augenblick wie mit Blut übergossen. Sie erhob sich schnell. »Weschkalene, an mir werden Sie sich keinen Kuppelpelz verdienen. Ich bin eine verheiratete Frau.«

Weschkalene stand auf und faßte sie um. »Kindchen, daran glauben bloß die Männer. Mir müssen Sie das nicht erzählen . . . ich bin schon zu alt dazu. Und ich weiß, was das heißt, einen Mann lieb haben, mehr zu lieben als das eigene Leben.«

Sie zog sie an der Hand nach dem Sofa. Wera folgte ihr willenlos. In ihr schrie es . . . »'raus aus der Lüge« . . . Schluchzend barg sie ihr Gesicht an der Schulter der alten Frau, die ihr sanft mit der Hand über den Kopf und die weißen Backen strich.

Dann kam es leise wie ein Hauch von ihren Lippen: »Tante Weschkalene . . . ich habe keinen Mann . . . mein Kind hat keinen Vater.«

Fest legten sich die Arme der alten Frau um sie . . .

»Ich habe das alles erfunden. Erst die Witwenschaft aus Angst vor dem Großvater und dann den Mann, als Mooslehner um mich warb. Ich konnte es ihm doch nicht sagen.«

»Das verstehe ich alles«, sagte Weschkalene ruhig und ein gütiges Verstehen lag in ihrer Stimme. »Du hast ihn sehr geliebt?«

»Mehr als mein Leben . . . Er war Inspektor auf dem Gut . . . gegen Abend kam die Bande vor das Schloß gezogen . . . Die Männer schossen aus den Fenstern . . . Die Bande wich zurück . . . Eine Viertelstunde später flammten die Wirtschaftsgebäude auf . . . Ich lag in meinem Zimmer auf den Knien und betete. Da kam er zu mir 'rein, einen Streifschuß an der Stirn. Ich sprang auf und wischte ihm das Blut ab . . . Wera, sagte er zu mir, das wird unsere letzte Nacht sein.«

Weschkalene bog sich zu ihr und küßte sie auf die Stirn . . . »Du armes Kind, du . . . brauchst mir nichts mehr zu sagen.« In fester Umarmung saßen die beiden Frauen lange. Dann beugte sich Weschkalene zu Veras Ohr. »Ist er gefangen oder tot?«

»Tot . . . Er hatte einen Schuß durch die Brust bekommen . . . Am Morgen kamen die Revaler Dragoner und befreiten uns.«

+++

Die Schatten der Dämmerung erfüllten das Zimmer. Georginne stand auf. »Laß die Toten ruhen, mein Kind. Das Leben hat auch sein Recht auf dich. Du bist jung und schön. Der Assessor ist in dich verliebt bis in die Fingerspitzen. Sei offen zu mir, ich stehe dir näher, als du vermutest.«

»Nein, Tante . . . der Assessor hat nichts bei mir zu hoffen.«

»Na, dann ist es der Mooslehner. Ich bin sehr mit dir einverstanden. Art paßt besser zu Art.«

»Tante, nein, ich heirate nicht . . .«

»Das überlaß du ruhig mir, mein Kind. Das Leben ist so lang . . . und du brauchst einen Vater für deinen Jungen. Nun weine nicht. Unsere Tränen müssen bloß mal laufen, wenn sie nötig sind für den Mann . . . oder still im Verborgenen. Gute Nacht, mein Kind.«

»Gute Nacht.«

Возрастное ограничение:
0+
Дата выхода на Литрес:
06 декабря 2019
Объем:
210 стр. 1 иллюстрация
Правообладатель:
Public Domain

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