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An Christian Gottfried Körner, Mannheim 10. Februar 1785

Unterdessen, daß die halbe Stadt Mannheim sich im Schauspielhaus zusammendrängt, einem Auto da Fé über Natur und Dichtkunst – einer großen Opera – beizuwohnen, und sich an den Verzuckungen dieser armen Delinquentinnen zu weiden, fliege ich zu Ihnen, meine Teuersten, und weiß, daß ich in diesem Augenblick der Glücklichere bin. Jetzt erst fange ich an, meine Phantasie, die unruhige Vagabundin, wieder lieb zu gewinnen, die mich aus dem traurigen Einerlei meines hiesigen Aufenthalts so freundschaftlich weg, und zu Ihnen führt. Es ist kein Opfer, das ich Ihnen bringe, wenn die Erinnerung an Sie meinen ganzen Horizont um mich her zernichtet – es ist wirklicher Eigennutz, meine süßeste Erholung von meiner jetzigen freudenlosen Existenz, daß meine Seele um Sie schweben darf. Augenblicke, wie der gegenwärtige, wo alle meine Empfindungen in wollüstiges Trauern dahinschmelzen, wo ich in mich selbst zurücktrete, und von meiner eigenen Armut schwelge; solche Augenblicke, wo meine Seele aus ihrer Hülle schwebt und mit freierem Fluge durch ihre Heimat Elisium wandert, sollen den Freunden meines Herzens geheiligt sein. Wenn Sie zuweilen, mitten unter den berauschenden Zerstreuungen Ihres Lebens von einer plötzlichen Wehmut überrascht werden, die Sie nicht gleich erklären können, so wissen Sie von jetzt an, daß in der Minute Schiller an Sie gedacht hat – dann hat sich mein Geist bei Ihnen gemeldet.

Dieser Eingang, fürchte ich, wird einer Schwärmerei gleicher sehen als meiner wahren Empfindung, und doch ist er ganz, ganz Stimmung meines Gefühls. Für Sie, meine besten, kann ich schlechterdings keine Schminke auftragen, diese armselige Zuflucht eines kalten Herzens kenne ich nicht. Seit Ihren letzten Briefen hat mich der Gedanke nicht mehr verlassen wollen: „Diese Menschen gehören Dir, diesen Menschen gehörest Du.“ – Urteilen Sie deswegen von meiner Freundschaft nicht zweideutiger, weil sie vielleicht die Miene der Übereilung trägt. – Gewissen Menschen hat die Natur die langweilige Umzäunung der Mode niedergerissen. Edlere Seelen hängen an zarteren Seilen zusammen, die nicht selten unzertrennlich und ewig halten. Große Tonkünstler kennen sich oft an den ersten Akkorden, große Maler an dem nachlässigsten Pinselstrich – edle Menschen sehr oft an einer einzigen Aufwallung. Doch vernünfteln möchte ich über meine Empfindungen nicht gern.

An Ferdinand Huber, Mannheim 25. März 1785

Das ist also vermutlich der letzte Brief, den ich Ihnen von Mannheim aus schreibe. [...]

Ich bin Willens, bei meinem neuen Etablissement in Leipzig einem Fehler zuvorzukommen, der mir in Mannheim bisher sehr viel Unannehmlichkeit machte. Es ist dieser, meine eigne Ökonomie nicht mehr zu führen, und auch nicht mehr allein zu wohnen. Das erste ist schlechterdings meine Sache nicht – es kostet mich weniger Mühe, eine ganze Verschwörung und Staatsaktion durchzuführen, als meine Wirtschaft; und Poesie, wissen Sie selbst, ist nirgends gefährlicher, als bei ökonomischen Rechnungen. Meine Seele wird geteilt, beunruhigt; ich stürze aus meinen idealistischen Welten, sobald mich ein zerrissner Strumpf an die wirkliche mahnt. Fürs andere brauch ich zu meiner geheimern Glückseligkeit einen rechten wahren Herzensfreund, der mir stets an der Hand ist, wie ein Engel, dem ich meine aufkeimenden Ideen und Empfindungen in der Geburt mitteilen kann, nicht aber durch Briefe, oder lange Besuche erst zutragen muß. Schon der nichtsbedeutende Umstand, daß ich, wenn dieser Freund außer meinen 4 Pfählen wohnt, die Straße passieren muß, ihn zu erreichen, daß ich mich umkleiden muß und dergleichen, tödet den Genuß des Augenblicks, und die Gedankenreihe kann zerrissen sein, bis ich ihn habe. Sehen Sie mein Bester, das sind nur Kleinigkeiten, aber Kleinigkeiten tragen oft die schwerste Gewichte im Verlauf unsers Lebens. Ich kenne mich besser, als vielleicht tausend andrer Mütter Söhne sich kennen, ich weiß wie viel, und oft wie wenig ich brauche, um ganz glücklich zu sein.

Untertänigstes Promemoria an die Konsistorial- Rat Körnersche weibliche Waschdeputation
Eingereicht von Einem niedergeschlagenen Trauerspieldichter in Loschwitz

Dumm ist mein Kopf, und schwer wie Blei,

Die Tabaksdose ledig,

Mein Magen leer, der Himmel sei

Dem Trauerspiel gnädig!

Ich kratze mit dem Federkiel

Auf den gewalkten Lumpen;

Wer kann Empfindung, wer Gefühl

Aus hohlem Herzen pumpen.

Feu’r soll ich gießen auf’s Papier

Mit angefrornem Finger –

O Phöbus, hassest Du Geschmier,

So wärm’ auch Deinen Jünger.

Die Wäsche klatscht vor meiner Tür,

Es plärrt die Küchenzofe,

Und mich – mich ruft das Flügeltier

Nach König Philipps Hofe.

Ich steige mutig auf das Roß,

In wenigen Sekunden

Seh’ ich Madrid; am Königsschloß

Hab’ ich es angebunden.

Ich eile durch die Galerie,

Und siehe da – belausche

Die junge Fürstin Eboli

Im süßen Liebesrausche.

Jetzt sinkt sie an des Prinzen Brust

Mit wonnevollem Schauer,

In ihren Augen Götterlust,

Doch in den seinen Trauer.

Schon ruft das schöne Weib Triumph,

Schön hör’ ich – – Tod und Hölle!

Was hör’ ich? – einen nassen Strumpf

Geworfen in die Welle.

Und weg ist Traum und Feerei!

Prinzessin, Gott befohlen!

Der Teufel soll die Dichterei

Beim Hemdenwaschen holen.

Gegeben in unserer jammervollen Lage,

unweit dem Keller.

Friedrich Schiller,

Haus- und Wirtschaftsdichter.

DAS UNIVERSUM IST EIN
GEDANKE GOTTES
An die Freude

Freude, schöner Götterfunken,

Tochter aus Elysium,

Wir betreten feuertrunken

Himmlische, dein Heiligtum.

Deine Zauber binden wieder,

Was der Mode Schwert geteilt;

Bettler werden Fürstenbrüder,

Wo dein sanfter Flügel weilt.

CHOR

Seid umschlungen, Millionen!

Diesen Kuß der ganzen Welt!

Brüder – überm Sternenzelt

Muß ein lieber Vater wohnen.

Wem der große Wurf gelungen,

Eines Freundes Freund zu sein;

Wer ein holdes Weib errungen,

Mische seinen Jubel ein!

Ja – wer auch nur eine Seele

Sein nennt auf dem Erdenrund!

Und wers nie gekonnt, der stehle

Weinend sich aus diesem Bund!

CHOR

Was den großen Ring bewohnet,

Huldige der Sympathie!

Zu den Sternen leitet sie,

Wo der Unbekannte thronet.

Freude trinken alle Wesen

An den Brüsten der Natur,

Alle Guten, alle Bösen

Folgen ihrer Rosenspur.

Küsse gab sie uns und Reben,

Einen Freund, geprüft im Tod.

Wollust ward dem Wurm gegeben,

Und der Cherub steht vor Gott.

CHOR

Ihr stürzt nieder, Millionen?

Ahndest du den Schöpfer, Welt?

Such ihn überm Sternenzelt,

Über Sternen muß er wohnen.

Freude heißt die starke Feder

In der ewigen Natur.

Freude, Freude treibt die Räder

In der großen Weltenuhr.

Blumen lockt sie aus den Keimen,

Sonnen aus dem Firmament,

Sphären rollt sie in den Räumen,

Die des Sehers Rohr nicht kennt.

CHOR

Froh, wie seine Sonnen fliegen,

Durch des Himmels prächtgen Plan,

Laufet, Brüder, eure Bahn,

Freudig wie ein Held zum Siegen.

Aus der Wahrheit Feuerspiegel

Lächelt sie den Forscher an.

Zu der Tugend steilem Hügel

Leitet sie des Dulders Bahn.

Auf des Glaubens Sonnenberge

Sieht man ihre Fahnen wehn,

Durch den Riß gesprengter Särge

Sie im Chor der Engel stehn.

CHOR

Duldet mutig, Millionen!

Duldet für die beßre Welt!

Droben überm Sternenzelt

Wird ein großer Gott belohnen.

Göttern kann man nicht vergelten,

Schön ists, ihnen gleich zu sein.

Gram und Armut soll sich melden,

Mit den Frohen sich erfreun.

Groll und Rache sei vergessen,

Unserm Todfeind sei verziehn,

Keine Träne soll ihn pressen,

Keine Reue nage ihn.

CHOR

Unser Schuldbuch sei vernichtet!

Ausgesöhnt die ganze Welt!

Brüder – überm Sternenzelt

Richtet Gott, wie wir gerichtet.

Freude sprudelt in Pokalen,

In der Traube goldnem Blut

Trinken Sanftmut Kannibalen,

Die Verzweiflung Heldenmut – –

Brüder, fliegt von euren Sitzen,

Wenn der volle Römer kreist,

Laßt den Schaum zum Himmel sprützen:

Dieses Glas dem guten Geist.

CHOR

Den der Sterne Wirbel loben,

Den des Seraphs Hymne preist,

Dieses Glas dem guten Geist

Überm Sternenzelt dort oben!

Festen Mut in schwerem Leiden,

Hülfe, wo die Unschuld weint,

Ewigkeit geschwornen Eiden,

Wahrheit gegen Freund und Feind,

Männerstolz vor Königsthronen –

Brüder, gält es Gut und Blut, –

Dem Verdienste seine Kronen,

Untergang der Lügenbrut!

CHOR

Schließt den heilgen Zirkel dichter,

Schwört bei diesem goldnen Wein:

Dem Gelübde treu zu sein,

Schwört es bei dem Sternenrichter!

Rettung von Tyrannenketten,

Großmut auch dem Bösewicht,

Hoffnung auf den Sterbebetten,

Gnade auf dem Hochgericht!

Auch die Toten sollen leben!

Brüder trinkt und stimmet ein,

Allen Sündern soll vergeben,

Und die Hölle nicht mehr sein.

CHOR

Eine heitre Abschiedsstunde!

Süßen Schlaf im Leichentuch!

Brüder – einen sanften Spruch

Aus des Totenrichters Munde!

Philosophische Briefe

Wir haben Begriffe von der Weisheit des höchsten Wesens, von seiner Güte, von seiner Gerechtigkeit – aber keinen von seiner Allmacht. Seine Allmacht zu bezeichnen, helfen wir uns mit der stückweisen Vorstellung dreier Sukzessionen: Nichts, sein Wille und Etwas. Es ist wüste und finster – Gott ruft: Licht – und es wird Licht. Hätten wir eine Real-Idee seiner wirkenden Allmacht, so wären wir Schöpfer, wie Er.

Jede Vollkommenheit also, die ich wahrnehme, wird mein eigen, sie gibt mir Freude, weil sie mein eigen ist, ich begehre sie, weil ich mich selbst liebe. Vollkommenheit in der Natur ist keine Eigenschaft der Materie, sondern der Geister. Alle Geister sind glücklich durch ihre Vollkommenheit. Ich begehre das Glück aller Geister, weil ich mich selbst liebe. Die Glückseligkeit, die ich mir vorstelle, wird meine Glückseligkeit, also liegt mir daran, diese Vorstellungen zu erwecken, zu vervielfältigen, zu erhöhen – also liegt mir daran, Glückseligkeit um mich her zu verbreiten. Welche Schönheit, welche Vortrefflichkeit, welchen Genuß ich außer mir hervorbringe, bringe ich mir hervor, welchen ich vernachlässige, zerstöre, zerstöre ich mir, vernachlässige ich mir – Ich begehre fremde Glückseligkeit, weil ich meine eigne begehre. Begierde nach fremder Glückseligkeit nennen wir Wohlwollen, Liebe.

Liebe also – das schönste Phänomen in der beseelten Schöpfung, der allmächtige Magnet in der Geisterwelt, die Quelle der Andacht und der erhabensten Tugend – Liebe ist nur der Widerschein dieser einzigen Urkraft, eine Anziehung des Vortrefflichen, gegründet auf einen augenblicklichen Tausch der Persönlichkeit, eine Verwechslung der Wesen.

Wenn ich hasse, so nehme ich mir etwas, wenn ich liebe, so werde ich um das reicher, was ich liebe. Verzeihung ist das Wiederfinden eines veräußerten Eigentums – Menschenhaß ein verlängerter Selbstmord; Egoismus die höchste Armut eines erschaffenen Wesens.

Die Philosophie unsrer Zeiten – ich fürchte es – widerspricht dieser Lehre. Viele unsrer denkenden Köpfe haben es sich angelegen sein lassen, diesen himmlischen Trieb aus der menschlichen Seele hinwegzuspotten, das Gepräge der Gottheit zu verwischen und diese Energie, diesen edeln Enthusiasmus im kalten, tötenden Hauch einer kleinmütigen Indifferenz aufzulösen. Im Knechtsgefühle ihrer eignen Entwürdigung haben sie sich mit dem gefährlichen Feinde des Wohlwollens, dem Eigennutz, abgefunden, ein Phänomen zu erklären, das ihrem begrenzten Herzen zu göttlich war. Aus einem dürftigen Egoismus haben sie ihre trostlose Lehre gesponnen und ihre eigene Beschränkung zum Maßstab des Schöpfers gemacht – Entartete Sklaven, die unter dem Klang ihrer Ketten die Freiheit verschreien.

Das Universum ist ein Gedanke Gottes. Nachdem dieses idealische Geistesbild in die Wirklichkeit hinübertrat und die geborene Welt den Riß ihres Schöpfers erfüllte – erlaube mir diese menschliche Vorstellung – so ist der Beruf aller denkenden Wesen, in diesem vorhandenen Ganzen die erste Zeichnung wiederzufinden, die Regel in der Maschine, die Einheit in der Zusammensetzung, das Gesetz in dem Phänomen aufzusuchen und das Gebäude rückwärts auf seinen Grundriß zu übertragen. Also gibt es für mich nur eine einzige Erscheinung in der Natur, das denkende Wesen. Die große Zusammensetzung, die wir Welt nennen, bleibt mir jetzo nur merkwürdig, weil sie vorhanden ist, mir die mannigfaltigen Äußerungen jenes Wesens symbolisch zu bezeichnen. Alles in mir und außer mir ist nur Hieroglyphe einer Kraft, die mir ähnlich ist. Die Gesetze der Natur sind die Chiffern, welche das denkende Wesen zusammenfügt, sich dem denkenden Wesen verständlich zu machen – das Alphabet, vermittelst dessen alle Geister mit dem vollkommensten Geist und mit sich selbst unterhandeln. Harmonie, Wahrheit, Ordnung, Schönheit, Vortrefflichkeit geben mir Freude, weil sie mich in den tätigen Zustand ihres Erfinders, ihres Besitzers versetzen, weil sie mir die Gegenwart eines vernünftig empfindenden Wesens verraten und meine Verwandtschaft mit diesem Wesen mich ahnden lassen. Eine neue Erfahrung in diesem Reiche der Wahrheit, die Gravitation, der entdeckte Umlauf des Blutes, das Natursystem des Linnäus, heißen mir ursprünglich eben das, was eine Antike, in Herkulanum hervorgegraben – beides nur Widerschein eines Geistes, neue Bekanntschaft mit einem mir ähnlichen Wesen. Ich bespreche mich mit dem Unendlichen durch das Instrument der Natur, durch die Weltgeschichte – ich lese die Seele des Künstlers in seinem Apollo.

Vier Elemente sind es, woraus alle Geister schöpfen, ihr Ich, die Natur, Gott und die Zukunft. Alle mischen sie millionenfach anders, geben sie millionenfach anders wieder, aber eine Wahrheit ist es, die, gleich einer festen Achse, gemeinschaftlich durch alle Religionen und alle Systeme geht – „Nähert euch dem Gott, den ihr meinet.“

Don Karlos
III 10

MARQUIS: [...] Geben Sie

Gedankenfreiheit. –

Sich ihm zu Füßen werfend.

KÖNIG überrascht, das Gesicht weggewandt und dann wieder auf den Marquis geheftet.

Sonderbarer Schwärmer!

Doch – stehet auf – ich –

MARQUIS: Sehen Sie sich um

In seiner herrlichen Natur! Auf Freiheit

Ist sie gegründet – und wie reich ist sie

Durch Freiheit! Er, der große Schöpfer, wirft

In einen Tropfen Tau den Wurm, und läßt

Noch in den toten Räumen der Verwesung

Die Willkür sich ergetzen – Ihre Schöpfung,

Wie eng und arm! Das Rauschen eines Blattes

Erschreckt den Herrn der Christenheit – Sie müssen

Vor jeder Tugend zittern. Er – der Freiheit

Entzückende Erscheinung nicht zu stören –

Er läßt des Übels grauenvolles Heer

In seinem Weltall lieber toben – ihn,

Den Künstler, wird man nicht gewahr, bescheiden

Verhüllt er sich in ewige Gesetze;

Die sieht der Freigeist, doch nicht ihn. Wozu

Ein Gott? sagt er; die Welt ist sich genug.

Und keines Christen Andacht hat ihn mehr

Als dieses Freigeists Lästerung gepriesen.

KÖNIG: Und wollet Ihr es unternehmen, dies

Erhabne Muster in der Sterblichkeit

In meinen Staaten nachzubilden?

MARQUIS: Sie,

Sie können es. Wer anders? Weihen Sie

Dem Glück der Völker die Regentenkraft,

Die – ach so lang – des Thrones Größe nur

Gewuchert hatte – stellen Sie der Menschheit

Verlornen Adel wieder her. Der Bürger

Sei wiederum, was er zuvor gewesen,

Der Krone Zweck – ihn binde keine Pflicht

Als seiner Brüder gleich ehrwürdge Rechte.

An Ferdinand Huber, Weimar 28. August 1787

Glaube mir, es steht unendlich vielen unserer Gewalt, wir haben unser Vermögen nicht gekannt – dieses Vermögen ist die Zeit. Eine gewissenhafte sorgfältige Anwendung dieser kann erstaunlich viel aus uns machen. Und wie schön wie beruhigend ist der Gedanke, durch den bloßen richtigen Gebrauch der Zeit, die unser Eigentum ist, sich selbst, ohne fremde Hilfe ohne Abhängigkeit von Außendingen, sich selbst alle Güter des Lebens erwerben zu können. Mit welchem Rechte können wir das Schicksal oder den Himmel darüber belangen, das uns weniger als andere begünstigte – Er gab uns Zeit und wir haben alles sobald wir Verstand und ernstlichen Willen haben mit diesem Kapitale zu wuchern.

An Christian Gottfried Körner, Weimar 7. Januar 1788

Ohngeachtet ich lange Zeit eines Freundes nicht so bedürftig gewesen bin, kann ich es doch immer noch nicht erlangen, Dir, mein Lieber, etwas vollständiges und klares über mich selbst und meine gegenwärtigen Empfindungen zu schreiben. Fürs erste gehe ich wirklich seltener mit mir selbst um, ich bin mir ein fremdes Wesen geworden, weil mir meine Arbeiten wenig Zeit lassen, meinem inneren Ideengange zu folgen; und dann bin ich meiner Gedanken und der Erfahrungen über mich selbst noch nicht so Meister, um sie darstellen zu können. Kannst Du wohl aus einer Folge meiner Briefe an Dich die gegenwärtige Stellung meines Gemüts erraten? Ich glaube, kaum.

[...]

Aber ich muß eine Frau dabei ernähren können, denn noch einmal, mein Lieber, dabei bleibt es, daß ich heirate. Könntest Du in meiner Seele so lesen, wie ich selbst, Du würdest keine Minute darüber unentschieden sein. Alle meine Triebe zu Leben und Tätigkeit sind in mir abgenützt; diesen einzigen habe ich noch nicht versucht. Ich führe eine elende Existenz, elend durch den inneren Zustand meines Wesens. Ich muß ein Geschöpf um mich haben, das mir gehört, das ich glücklich machen kann und muß, an dessen Dasein mein eigenes sich erfrischen kann. [...] Ich bin bis jetzt, ein isolierter fremder Mensch in der Natur herumgeirrt, und habe nichts als Eigentum besessen. Alle Wesen, an die ich mich fesselte, haben etwas gehabt, das ihnen teurer war als ich, und damit kann sich mein Herz nicht behelfen. Ich sehne mich nach einer bürgerlichen und häuslichen Existenz, und das ist das Einzige, was ich jetzt noch hoffe.

AUCH ICH WAR IN
ARKADIEN GEBOREN
Die Götter Griechenlandes

Da ihr noch die schöne Welt regiertet,

An der Freude leichtem Gängelband

Glücklichere Menschalter führtet,

Schöne Wesen aus dem Fabelland!

Ach! da euer Wonnedienst noch glänzte,

Wie ganz anders, anders war es da!

Da man deine Tempel noch bekränzte,

Venus Amathusia!

Da der Dichtkunst malerische Hülle

Sich noch lieblich um die Wahrheit wand! –

Durch die Schöpfung floß da Lebensfülle,

Und, was nie empfinden wird, empfand.

An der Liebe Busen sie zu drücken,

Gab man höhern Adel der Natur.

Alles wies den eingeweihten Blicken,

Alles eines Gottes Spur.

Wo jetzt nur, wie unsre Weisen sagen,

Seelenlos ein Feuerball sich dreht,

Lenkte damals seinen goldnen Wagen

Helios in stiller Majestät.

Diese Höhen füllten Oreaden,

Eine Dryas starb mit jenem Baum,

Aus den Urnen lieblicher Najaden

Sprang der Ströme Silberschaum.

Jener Lorbeer wand sich einst um Hilfe,

Tantals Tochter schweigt in diesem Stein,

Syrinx’ Klage tönt’ aus jenem Schilfe,

Philomelens Schmerz in diesem Hain.

Jener Bach empfing Demeters Zähre,

Die sie um Persephonen geweint,

Und von diesem Hügel rief Cythere,

Ach, vergebens! ihrem schönen Freund.

Zu Deukalions Geschlechte stiegen

Damals noch die Himmlischen herab,

Pyrrhas schöne Töchter zu besiegen,

Nahm Hyperion den Hirtenstab.

Zwischen Menschen, Göttern und Heroen

Knüpfte Amor einen schönen Bund.

Sterbliche mit Göttern und Heroen

Huldigten in Amathunt.

Betend an der Grazien Altären

Kniete da die holde Priesterin,

Sandte stille Wünsche an Cytheren

Und Gelübde an die Charitin.

Hoher Stolz, auch droben zu gebieten,

Lehrte sie den göttergleichen Rang,

Und des Reizes heilgen Gürtel hüten,

Der den Donnrer selbst bezwang.

Himmlisch und unsterblich war das Feuer,

Das in Pindars stolzen Hymnen floß,

Niederströmte in Arions Leier,

In den Stein des Phidias sich goß.

Beßre Wesen, edlere Gestalten

Kündigten die hohe Abkunft an.

Götter, die vom Himmel niederwallten,

Sahen hier ihn wieder aufgetan.

Werter war von eines Gottes Güte,

Teurer jede Gabe der Natur.

Unter Iris’ schönem Bogen blühte

Reizender die perlenvolle Flur.

Prangender erschien die Morgenröte

In Himerens rosigtem Gewand,

Schmelzender erklang die Flöte

In des Hirtengottes Hand.

Liebenswerter malte sich die Jugend,

Blühender in Ganymeda’s Bild,

Heldenkühner, göttlicher die Tugend

Mit Tritoniens Medusenschild.

Sanfter war, da Hymen es noch knüpfte,

Heiliger der Herzen ewges Band.

Selbst des Lebens zarter Faden schlüpfte

Weicher durch der Parzen Hand.

Das Evoë muntrer Thyrsusschwinger

Und der Panther prächtiges Gespann

Meldeten den großen Freudebringer.

Faun und Satyr taumeln ihm voran,

Um ihn springen rasende Mänaden,

Ihre Tänze loben seinen Wein,

Und die Wangen des Bewirters laden

Lustig zu dem Becher ein.

Höher war der Gabe Wert gestiegen,

Die der Geber freundlich mit genoß,

Näher war der Schöpfer dem Vergnügen,

Das im Busen des Geschöpfes floß.

Nennt der meinige sich dem Verstande?

Birgt ihn etwa der Gewölke Zelt?

Mühsam späh ich im Ideenlande,

Fruchtlos in der Sinnenwelt.

Eure Tempel lachten gleich Palästen,

Euch verherrlichte das Heldenspiel

An des Isthmus kronenreichen Festen,

Und die Wagen donnerten zum Ziel.

Schön geschlungne seelenvolle Tänze

Kreisten um den prangenden Altar,

Eure Schläfe schmückten Siegeskränze,

Kronen euer duftend Haar.

Seiner Güter schenkte man das beste,

Seiner Lämmer liebstes gab der Hirt,

Und der Freudetaumel seiner Gäste

Lohnte dem erhabnen Wirt.

Wohin tret ich? Diese traurge Stille

Kündigt sie mir meinen Schöpfer an?

Finster, wie er selbst, ist seine Hülle,

Mein Entsagen – was ihn feiern kann.

Damals trat kein gräßliches Gerippe

Vor das Bett des Sterbenden. Ein Kuß

Nahm das letzte Leben von der Lippe,

Still und traurig senkt’ ein Genius

Seine Fackel. Schöne, lichte Bilder

Scherzten auch um die Notwendigkeit,

Und das ernste Schicksal blickte milder

Durch den Schleier sanfter Menschlichkeit.

Nach der Geister schrecklichen Gesetzen

Richtete kein heiliger Barbar,

Dessen Augen Tränen nie benetzen,

Zarte Wesen, die ein Weib gebar.

Selbst des Orkus strenge Richterwaage

Hielt der Enkel einer Sterblichen,

Und des Thrakers seelenvolle Klage

Rührte die Erinnyen.

Seine Freuden traf der frohe Schatten

In Elysiens Hainen wieder an;

Treue Liebe fand den treuen Gatten

Und der Wagenlenker seine Bahn;

Orpheus’ Spiel tönt die gewohnten Lieder,

In Alcestens Arme sinkt Admet,

Seinen Freund erkennt Orestes wieder,

Seine Waffen Philoktet.

Aber ohne Wiederkehr verloren

Bleibt, was ich auf dieser Welt verließ,

Jede Wonne hab ich abgeschworen,

Alle Bande, die ich selig pries.

Fremde, nie verstandene Entzücken

Schaudern mich aus jenen Welten an,

Und für Freuden, die mich jetzt beglücken,

Tausch ich neue, die ich missen kann.

Höhre Preise stärkten da den Ringer

Auf der Tugend arbeitvoller Bahn:

Großer Taten herrliche Vollbringer

Klimmten zu den Seligen hinan;

Vor dem Wiederforderer der Toten

Neigte sich der Götter stille Schar.

Durch die Fluten leuchtet dem Piloten

Vom Olymp das Zwillingspaar.

Schöne Welt, wo bist du? – Kehre wieder,

Holdes Blütenalter der Natur!

Ach! nur in dem Feenland der Lieder

Lebt noch deine goldne Spur.

Ausgestorben trauert das Gefilde,

Keine Gottheit zeigt sich meinem Blick,

Ach! von jenem lebenwarmen Bilde

Blieb nur das Gerippe mir zurück.

Alle jenen Blüten sind gefallen

Von des Nordes winterlichem Wehn.

Einen zu bereichern, unter allen,

Mußte diese Götterwelt vergehn.

Traurig such ich an dem Sternenbogen,

Dich, Selene, find ich dort nicht mehr;

Durch die Wälder ruf ich, durch die Wogen,

Ach! sie widerhallen leer!

Unbewußt der Freuden, die sie schenket,

Nie entzückt von ihrer Trefflichkeit,

Nie gewahr des Armes, der sie lenket,

Reicher nie durch meine Dankbarkeit,

Fühllos selbst für ihres Künstlers Ehre,

Gleich dem toten Schlag der Pendeluhr,

Dient sie knechtisch dem Gesetz der Schwere,

Die entgötterte Natur!

Morgen wieder neu sich zu entbinden,

Wühlt sie heute sich ihr eignes Grab,

Und an ewig gleicher Spindel winden

Sich von selbst die Monde auf und ab.

Müßig kehrten zu dem Dichterlande

Heim die Götter, unnütz einer Welt,

Die, entwachsen ihrem Gängelbande,

Sich durch eignes Schweben hält.

Freundlos, ohne Bruder, ohne Gleichen,

Keiner Göttin, keiner Irdschen Sohn,

Herrscht ein andrer in des Äthers Reichen

Auf Saturnus’ umgestürztem Thron.

Selig, eh sich Wesen um ihn freuten,

Selig im entvölkerten Gefild,

Sieht er in dem langen Strom der Zeiten

Ewig nur – sein eignes Bild.

Bürger des Olymps konnt ich erreichen,

Jenem Gotte, den sein Marmor preist,

Konnte einst der hohe Bildner gleichen;

Was ist neben dir der höchste Geist

Derer, welche Sterbliche gebaren?

Nur der Würmer Erster, Edelster.

Da die Götter menschlicher noch waren,

Waren Menschen göttlicher.

Dessen Strahlen mich darnieder schlagen,

Werk und Schöpfer des Verstandes! dir

Nachzuringen, gib mir Flügel, Waagen,

Dich zu wägen – oder nimm von mir,

Nimm die ernste, strenge Göttin wieder,

Die den Spiegel blendend vor mir hält;

Ihre sanftre Schwester sende nieder,

Spare jene für die andre Welt.

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399
528,49 ₽
Возрастное ограничение:
18+
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161 стр. 3 иллюстрации
ISBN:
9783843804141
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Издатель:
Правообладатель:
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