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Читать книгу: «Relationalität in der Gestalttherapie», страница 8

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Geller, Greenberg und Watson konnten belegen, dass »eine wichtige Beziehung zwischen dem Erleben der Klienten von der Präsenz ihrer Therapeutinnen und dem Eindruck besteht, eine gute therapeutische Sitzung und eine gute therapeutische Beziehung zu haben« (2010, 607). Dabei ist natürlich nicht nur eine einzelne Sitzung, eine konkrete Technik oder ein aktuelles Therapeutenverhalten von Bedeutung. Es geht vielmehr im umfassenderen Sinne darum, welche Auswirkung auf die therapeutische Beziehung die Art und Weise hat, wie die Therapeutin sich zeigt bzw. nicht zeigt. Ich denke, die langfristige Haltung ist entscheidend, die dauerhafte Bereitschaft, emotional erreichbar und antwortbereit zu sein, sowie die Anerkennung der Tatsache, dass eine dialogische Form der Psychotherapie auch für die Therapeutin heißt, menschlich berührbar zu sein – egal, ob die dabei entstehenden Gefühle angenehm sind oder nicht.

Bacal spricht in diesem Zusammenhang von »optimaler53 Responsivität«, womit er eine Antwortbereitschaft des Therapeuten meint,

die zu einem bestimmten Moment im Kontext eines bestimmten Patienten und seines Problems therapeutisch möglichst relevant ist, und aus der heraus der Therapeut mit seinem Klienten auf eine Weise kommuniziert, die dieser bestimmte Patient als nützlich für die Kohäsion, die Stärkung und das Wachstum seines Selbst empfindet. (1998b, 142)

Theoretische Ergänzung 12

Zur Frage nach der Antwortbereitschaft von Therapeutinnen gehört – ganz wörtlich gemeint – die Frage, ob bzw. in welcher Weise sie bereit sind, auf Fragen ihrer Klienten zu antworten. Traditionell sind Psychotherapeutinnen hier eher zurückhaltend; Perls stellte fest: »Die Idee, Patientenfragen zu frustrieren, ist schon so alt wie die Psychotherapie. Schon eine so einfache Reaktion wie ›Warum stellst du diese Frage?‹ ist dazu angetan, den Patienten zurückzuwerfen auf seine eigenen Möglichkeiten« (1976, 97).54

Die von Perls formulierte Programmatik, Klienten »auf ihre eigenen Möglichkeiten zurückzuwerfen«, wirkt auf mich zwar etwas unfreundlich, aber ich halte es durchaus für sinnvoll, Fragen (wie andere Verhaltensweisen auch) nicht automatisch zu bedienen. Damit meine ich ein Vorgehen, das auf Routinen verzichtet – sowohl auf die Routine, Fragen grundsätzlich nicht zu beantworten oder zu hinterfragen, wie auf die Routine, alle Fragen inhaltlich ernst zu nehmen und auf sie in der Sache einzugehen.

Einerseits halte ich es für wichtig, wenn Buber sagt:

Wenn ein echtes Gespräch entstehen soll, [muß] jeder, der daran teilnimmt, sich selber einbringen. Und das bedeutet, daß er willens sein muß, jeweils zu sagen, was er zu dem besprochenen Gegenstand im Sinn hat. Und das wieder bedeutet, daß er jeweils den Beitrag seines Geistes ohne Verkürzung und Verschiebung hergebe. (1984, 293 f.)55

Andererseits ist es sinnvoll, zu Fragen keine sachliche Stellung zu nehmen, wenn man den konkreten Eindruck hat, dass ein Klient auf diese Weise vermeidet, eigene Ressourcen zu mobilisieren. Wichtig ist mir dabei aber immer, meinen subjektiven Eindruck von der Vermeidungsqualität einer Verhaltensweise des Klienten nicht mit irgendeiner ›objektiven‹ Wahrheit zu verwechseln, sondern diesen Eindruck zum Anlass für eine gemeinsame Exploration zu nehmen, falls mir das wichtig genug und zur Situation zu passen scheint.

In jedem Fall bedeutet eine Frage des Klienten an die Therapeutin nicht in jedem Fall, dass er eigene Möglichkeiten ungenutzt lässt; Perls’ Verallgemeinerung – »Jedesmal, wenn du es ablehnst, eine Frage zu beantworten, hilfst du dem anderen, seine eigenen Kräfte zu entfalten« (1974, 44 – H.d.V.) – entspricht nicht meiner Erfahrung. Es gibt Informationslücken, die sich nur durch Fragen füllen lassen, und das gilt in besonderer Weise für das Erleben der Therapeutin, auf das der Klient vielleicht nonverbale Hinweise hat, von dem er aber nicht genau wissen kann, worum es sich handelt – es sei denn, er begnügt sich mit Vermutungen, Projektionen oder Übertragungen.

Daher muss er die Therapeutin in diesem Fall fragen, wenn er der intersubjektiven Wirklichkeit zwischen ihnen beiden auf die Spur kommen will. Eine solche Frage unbeantwortet zu lassen, entspricht nicht meinem Verständnis von einem relational verstandenen therapeutischen Vorgehen. Genau genommen kann es sich in einer solchen Situation auch gar nicht darum handeln, dass der Klient eigene Möglichkeiten ungenutzt lässt, denn die Antwort auf seine Frage liegt nicht in ihm selbst, sondern auf Seiten der Therapeutin.

Klienten mit der von Perls erwähnten Gegenfrage an die Klientin (»Warum stellst du diese Frage?«) regelhaft ›auf sich selbst zurückzuwerfen‹ ist leicht als eine Strategie zu erkennen, der eine Eine-Person-Psychologie zugrunde liegt, und die im Übrigen in vielen Fällen wahrscheinlich nicht von der Absicht motiviert ist, die Klientin bei der Aktivierung eigener Ressourcen zu unterstützen, sondern vielmehr von einer Scheu des Therapeuten – sei sie persönlich begründet oder Folge der Anonymitätsideologie –, sich persönlich zu zeigen.

Das kann unter bestimmten Bedingungen durchaus zu Irritationen in der therapeutischen Beziehung führen, wie Natasha Prenn erfahren hat:

Beispiel aus der Praxis 7

Ich hängte meine Handtasche über meine Schulter und stand auf. »Fahren Sie an einen schönen Ort?« fragte ich beiläufig. Ich war noch recht neu in Therapie. Mark, mein Therapeut, hatte seinen Urlaub angekündigt. Er erstarrte, steckte die Hände in die Hosentaschen und wandte den Blick von mir ab. »Warum fragen Sie das?« »Äh …, ich weiß nicht,« stotterte ich.56

Das war der Anfang meines vorsichtigen, zögerlichen Prozesses, weil ich mich bemühte, diese Art Fehler nicht noch einmal zu machen, und mich dafür schämte, mich daneben benommen zu haben. Ich verlor meine Spontaneität durch diesen Austausch und viele andere Interaktionen ähnlicher Art. Ich fragte Mark nie mehr nach irgendwelchen Details aus seinem Leben und auch nicht nach seinen Gefühlen. Aber ich beobachtete ihn genau, stellte mir vor, was er fühlen und denken mochte, und die Übertragung blühte auf. Aber ich veränderte mich nicht, und in mancher Hinsicht fühlte ich mich gehemmter als zuvor. Ich erinnere mich daran, wie er, als ich weinte und ihn ansah, wegschaute und schwieg. Ich glaube, ich habe mich nie einsamer gefühlt und so geschämt.

Später begann ich eine sehr andere Art von Therapie. Meine neue Therapeutin, Claudia, hatte mich über ihren Zeitplan informiert, und ich wusste, dass sie weg sein würde. Sie lächelte: »Wir sehen uns dann in zwei Wochen wieder.« Ich brach den Blickkontakt ab und senkte den Blick. »Was ist denn gerade passiert?« fragte sie, »Sie haben weggeschaut.« Ich zögerte, fasste dann aber Mut: »Darf ich Sie fragen, wohin Sie reisen?« »Selbstverständlich,« antwortete sie und erzählte mir, wo sie die nächsten 14 Tage verbringen würde. Tränen stiegen in meine Augen, und ich spürte, wie ich mich erleichtert entspannte: Ich würde mich in dieser Beziehung nicht gehemmt fühlen müssen! Sie sagte: »Ich sehe Tränen in Ihren Augen.« »Ja, es ist so erleichternd zu wissen, dass Sie mir antworten,« erläuterte ich ihr. (Prenn 2009, 86)

Die Schilderung von Claudias Verhalten illustriert, wie wichtig es für die Klientin sein kann, von ihrer Therapeutin eine Antwort zu bekommen (und nicht auf sich selbst zurückgeworfen zu werden), denn »für ein menschliches Wesen gibt es nichts Schrecklicheres als das Fehlen einer Antwort. … Gehört zu werden ist an sich schon eine dialogische Beziehung. Das Wort will gehört, verstanden und beantwortet werden« (Bakhtin 1986, 127 – H.i.O.).

Aber nicht nur, dass Claudia antwortet, sondern auch was sie sagt, ist bemerkenswert. Ich meine hier die schlichte Aussage, »Ich sehe Tränen in Ihren Augen.« Die einfache Benennung dessen, was Claudia im Kontakt mit ihrer Klientin wahrnimmt, vermittelt dieser, dass Claudia sie sieht – sowohl im engeren wie im weiteren Sinn. Claudias Reaktion ist damit ein Beispiel für eine »Antwort-« und »Resonanzbeziehung« (Rosa 2016). Die Emotion der Klientin, die in den Tränen zum Ausdruck kommt, affiziert die Therapeutin, deren Antwort dann wiederum die Klientin berührt; zwischen beiden Personen schwingt etwas hin und her, wodurch eine unmittelbare Verbindung zwischen ihnen entsteht – im Unterschied zu dem entfremdenden Mangel an Resonanz im Kontakt der Klientin mit ihrem ersten Therapeuten, Mark.

An beiden Erlebnissen der Klientin zeigt sich – in positiver wie negativer Variante –, dass »Menschen existentiell vom Verlangen nach Resonanzbeziehungen geprägt« sind (Rosa 2016, 293 f.), die ihnen die Erfahrung der Verbundenheit mit anderen möglich machen:

Resonanz ist zunächst als ein menschliches Grundbedürfnis und eine Grundfähigkeit zu verstehen. Daraus ergeben sich zwei deskriptive Konsequenzen zugleich: Erstens bilden sich menschliche Subjektivität und soziale Intersubjektivität grundsätzlich über die Etablierung von basalen Resonanzbeziehungen heraus.… Zweitens aber sind Menschen existenziell vom Verlangen nach Resonanzbeziehungen geprägt. Menschliches Begehren lässt sich deshalb schlechthin als Resonanzbegehren interpretieren. (a.a.O., 293 – H.i.O.)

Diesen Tatsachen trägt eine der wichtigsten gestalttherapeutischen Techniken Rechnung, für die Claudias Beschreibung dessen, was sie von ihrer Klientin wahrnimmt, ein typisches Beispiel darstellt. Es handelt sich dabei allerdings, wie hier deutlich wird, eben nicht nur um eine Technik, sondern zugleich um eine relationale Handlung – ich hatte Norcross und Lambert oben schon zitiert: »Techniken und Interventionen sind relationale Handlungen« (2011b, 5). Mit anderen Worten: Jede Technik kann nur eine Form sein, in der die authentische, persönliche Antwort der Therapeutin auf die momentane Situation, in der sie sich mit ihrer Klientin befindet, ihren Ausdruck findet (vgl. Staemmler 1995, 19 ff.; 1999b).

Die zentralen relationalen Handlungen in der Gestalttherapie haben wir als »Angebote persönlichen Kontakts« charakterisiert (Staemmler 1993, 50 ff.; Staemmler & Bock 1998, 135), mittels derer die Therapeutin dem Klienten mitteilt, was sie von ihm wahrnimmt, sowie eventuell darüber hinaus noch zum Ausdruck bringt, welche Resonanz das bei ihr hervorruft – etwa: »Ich sehe Tränen in Ihren Augen; das überrascht mich.« Ein »Angebot persönlichen Kontakts« besteht demnach hauptsächlich in der (nicht nur verbalen!) Mitteilung dessen, was die Therapeutin im Zusammensein mit ihrem Klienten von diesem sinnlich wahrnimmt und was sie dabei erlebt.

Die so geförderte persönliche Begegnung mit seiner Klientin ist der Kontext, die »gemeinsame Situation« (Staemmler 2009a, 199 ff.), innerhalb dessen bzw. derer die Person der Klientin für den Therapeuten zugänglich wird:

Die Ganzheit der Person und durch sie die Ganzheit des Menschen erkennen kann er erst dann, wenn er seine Subjektivität nicht draußen läßt und nicht unberührter Betrachter bleibt. Sondern er muß in den Akt der Selbstbesinnung in Wirklichkeit ganz eingehen, um der menschlichen Ganzheit inne werden zu können. Mit anderen Worten: er muß diesen Akt des Hineingehens in jene einzigartige Dimension als Lebensakt vollziehen, ohne vorbereitete philosophische Sicherung, er muß sich also alledem aussetzen, was einem widerfahren kann, wenn man wirklich lebt. (Buber 1982, 20 – H.i.O.)

Persönliches und Privates

Wenn der Therapeut sich über sein eigenes Erleben äußert, trägt er nicht nur zum gemeinsamen Verständnis seiner aktuellen Situation mit der Klientin sowie zur Klärung und Bearbeitung der anstehenden Thematik bei, sondern auch dazu, »eine egalitärere Beziehung dadurch zu fördern, dass die Klientin den Austausch mit ihm als balancierter empfindet und den Therapeuten menschlicher erlebt« (Audet & Everall 2010, 333). Das wird in vielen Fällen eine positive Wirkung auf die therapeutische Beziehung nach sich ziehen und die Klientin überdies in ihrem Selbstwertgefühl stützen; das ergibt z. B. eine Untersuchung von Hanson (vgl. 2005, 102).

Aber wie jede erfahrene Therapeutin weiß, kann man die Wirkungen der eigenen Handlungen auf Klienten nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit einschätzen und ist manchmal überrascht davon, wie sie eine Mitteilung verstanden und verarbeitet haben. »Wenn der Andere wirklich ein Anderer sein soll, dann muß es dahin kommen, daß ich in einem bestimmten Augenblick überrascht, desorientiert werde und wir uns nicht mehr in dem treffen, was wir an Ähnlichem, sondern in dem, was wir an Verschiedenem haben« (Merlau-Ponty 1984, 157).

Ich hatte oben schon die wichtige Beobachtung von Maturana und Varela erwähnt, dass eine Kommunikation ihre Effekte nicht festlegt, sondern nur auslöst. Da diese Regel keine Ausnahmen zulässt, kann man als Therapeutin nie mit Sicherheit

im Vorhinein wissen, wie eine persönliche Mitteilung sich auf den Patienten, die therapeutische Beziehung und den Verlauf der Behandlung auswirken wird. Oft braucht es Zeit und weitere Gespräche, damit Therapeutin und Klient gemeinsam die vielfältigen Bedeutungen und Nachwirkungen einer solchen Mitteilung entdecken können. (Bridges 2001, 25)

Für mich hat sich aus dieser Erfahrung ergeben, dass ich jede meiner Mitteilungen oder Vorschläge, die ich an meine Klientinnen richte, grundsätzlich als etwas verstehe, das aus zwei Schritten besteht: Der erste Schritt besteht in der ›eigentlichen‹ Mitteilung und der zweite Schritt darin, die Hinweise darauf genau zu beachten, wie diese Mitteilung von den Klientinnen aufgefasst wird. Manchmal genügt es mir, ihre nonverbalen Reaktionen aufmerksam zu betrachten, manchmal scheint es mir erforderlich, explizit nachzufragen. Der erste Schritt stellt somit die intendierte therapeutische Maßnahme dar (ein Vorschlag, eine Prozessinstruktion, eine persönliche Mitteilung etc.), der zweite Schritt dient der Überprüfung dessen, wie der erste auf die Klientin gewirkt hat.57 Während der Therapeut sich mit dem ersten Schritt in den Vordergrund des Dialogs bringt, lädt er mit dem zweiten die Klientin ein, wieder in den Mittelpunkt der gemeinsamen Aufmerksamkeit zu treten.

Dieses grundsätzlich zweischrittige Vorgehen ist für mich eine ganz praktische Konsequenz aus einem relationalen Therapieverständnis, das von einer Zwei-Personen-Psychologie ausgeht. Ich betrachte dabei den zweiten Schritt nicht nur als eine Würdigung der Autonomie meiner Klientinnen, die selbst darüber entscheiden, wie sie mich verstehen, sondern auch als Mahnung an mich selbst vor einer möglichen Egozentrik bzw. therapeutischem Größenwahn, aus denen heraus man der Illusion verfallen kann, die eigenen Absichten bestimmten ihre Wirkungen.

Darüber hinaus gibt es noch ein paar weitere Anhaltspunkte, die eine gewisse Orientierung bezüglich der Handhabung persönlicher Kontaktangebote bieten können. Das oben geschilderte Beispiel von Claudias Reaktion auf ihre Klientin lässt sich u. a. in dieser Hinsicht nutzen; es enthält nämlich u. a. Hinweise auf eine Unterscheidung, die in der Literatur über das self-disclosure von Therapeuten häufig diskutiert wird:

1. Das, was ich die »persönliche Präsenz« der Therapeutin genannt habe, bezieht sich auf die Kommunikation ihrer Wahrnehmungen, Eindrücke und Resonanzen, wie sie in der unmittelbaren Interaktion mit ihrer Klientin während der Sitzung entstehen. Claudia, die Therapeutin, nimmt wahr, wie ihre Klientin den Blick senkt, und später, dass sie Tränen in den Augen hat; sie bezieht sich jeweils darauf ohne zeitliche Verzögerung und signalisiert auf diese Weise ihre Zugewandtheit, ihr Interesse oder ihre Fürsorge. Sie zeigt ihrer Klientin dadurch, wie dicht sie ihrem aktuellen psychischen Prozess folgt, wie direkt sie daran teilnimmt und wie freimütig sie darauf antwortet.

2. Die Klientin fragt ihre Therapeutin danach, was diese in den kommenden zwei Wochen vorhat. Die Therapeutin gibt ihr die entsprechende Auskunft. Sie beantwortet die Frage in sachlicher Hinsicht und macht damit eine Mitteilung über ihr Privatleben. Das entspricht nicht dem, was ich unter persönlicher Präsenz verstehe; ich würde diese Mitteilung der Therapeutin über ihre Pläne daher nicht »persönlich«, sondern »privat« nennen.

Vor dem Hintergrund dessen, was die Klientin zuvor mit ihrem anderen Therapeuten, Mark, erlebt hat, macht es für sie natürlich einen Unterschied, dass sie von Claudia nun eine Antwort bekommt. Ich möchte allerdings die folgende These aufstellen: Es ist weniger die inhaltliche Beantwortung ihrer Frage, die der Klientin so gut tut, sondern die Art und Weise, wie die Therapeutin auf sie eingeht. Diese bricht nämlich – anders als Mark – den direkten Kontakt mit der Klientin nicht ab, sondern reagiert auf deren persönliches Interesse an ihren Urlaubsplänen mit ihrem eigenen persönlichen Interesse am Erleben der Klientin. Das führt zur wohltuenden Erfahrung der Klientin, von ihrer Therapeutin gesehen und respektiert zu werden – im Gegensatz zu der Beschämung, die Mark mit seiner persönlich abweisenden Reaktion hervorgerufen hatte.

Wir haben es hier natürlich wieder mit dem Unterschied zwischen dem Inhalts- und dem Beziehungsaspekt einer Kommunikation zu tun. Soweit es dem Bericht der Klientin zu entnehmen ist, geht Claudia unter beiden Aspekten auf ihre Klientin ein, Mark unter keinem der beiden. Meiner zuvor aufgestellten These folgend ist im Umkehrschluss anzunehmen, dass es für die Klientin längst nicht so negative Auswirkungen gehabt hätte, wenn Mark auf der Inhaltsebene zwar keine Antwort gegeben, sich auf der Beziehungsebene aber resonant verhalten hätte, z. B. so: »Ich verstehe Ihr Interesse, möchte Ihre Frage aber in diesem Fall nicht beantworten, weil es mir wichtig ist, meine Privatsphäre zu wahren.« Mit einer solchen Antwort wäre Mark persönlich präsent geblieben – vorausgesetzt, seine nonverbalen Botschaften hätten der Klientin seine unverminderte Zuwendung vermittelt.

Mit meiner Idee, wie Mark hätte antworten können, möchte ich auch darauf hinweisen, dass die persönliche Stellungnahme des Therapeuten nach meiner Erfahrung nicht immer inhaltlich positiv sein muss, um die therapeutische Beziehung zu stützen; der Therapeut ist gleichfalls eine Person, deren Autonomie zu respektieren ist; er muss keinesfalls alle Wünsche seiner Klientin erfüllen, gerade dann nicht, wenn sie die Grenzen seiner Privatsphäre tangieren.58 Aber seine Antwort sollte persönlich gefasst sein und angemessen taktvoll vorgetragen werden; auf die Frage des Taktes gehe ich weiter unten noch ein.

Beispiele aus der Praxis 8

David Burns berichtet von einer Situation mit einer Klientin, die ihn veranlasste, ihr das folgende, durchaus konfrontative persönliche Kontaktangebot zu machen:

Ich sagte zu Ronda, dass ich mich unzulänglich fühlte. Ich sagte, es sei für mich so, als ob jeder Satz, der aus meinem Mund kam, für sie hölzern und unbrauchbar sei. Ich sagte, dass ich, obwohl ich in der Regel das Gefühl hatte, etwas anzubieten zu haben, heute den Eindruck hätte, dass dies nicht der Fall sei. Ich teilte ihr mit, dass ich mich ausgeschlossen und abgewiesen fühlte und ärgerlich auf sie sei. Ich sagte ihr, dass ich ihr etwas Positives mitgeben wollte, und der Meinung sei, dass unsere Arbeit erfolgreich sein könne, aber dass ich mich in meinen Bemühungen ausgebremst fühlte. (1999, 655)

Wie Burns berichtet, führte seine persönliche Stellungnahme dazu, dass die Klientin ihr Verhalten änderte und kooperativer wurde.

Eine ähnliche Begebenheit schildert Basescu aus seiner Arbeit mit einer Klientin, die ständig mit ihren Erfolgen und ihrem Wissen prahlte und ihn damit einschüchterte:

Sie war eine kraftvolle, attraktive, sprachgewandte, eindrucksvoll aussehende Karriere-Frau, ungefähr 20 Jahre älter als ich, Universitäts-Professorin und landesweit bekannt als führende Kapazität auf ihrem Spezialgebiet.… Die Kombination ihres Stils mit meinen Problemen und meinem besonderen Wunsch, mich in dieser Situation zu beweisen, führte dazu, dass ich mich zunehmend wortkarg und impotent erlebte. Sitzung auf Sitzung fühlte ich mich wie ein Kind, das sich als Psychotherapeut verkleidet hatte und damit rechnete, entlarvt zu werden.… Irgendwann war ich schließlich so verzweifelt, dass ich ihr sagte, wie eingeschüchtert ich mich ihr gegenüber fühlte. Sie setzte sich abrupt auf und antwortete mir mit dem Ausdruck völliger Überraschung: »Wie können Sie sich von mir eingeschüchtert fühlen? Ich habe doch selbst so viel Angst vor Ihnen!« Das wiederum überraschte mich mindestens so sehr, wie ich sie überrascht hatte, und das war das Ende unserer langen, angstbeladenen Durststrecke. Darüber hinaus zeigte sich, dass unser Austausch eine unerwartete positive Nebenwirkung hatte: Ihr wurde bewusst, dass ein Teil der Schwierigkeiten, die sie mit ihren Kollegen an der Uni hatte, demselben Muster entsprachen. Sie hatte Angst vor ihnen, ohne zu bemerken, dass deren Verhalten ihr gegenüber Ausdruck dessen war, dass sie sich von ihr eingeschüchtert fühlten. (1977, 157 f.)

Meine Unterscheidung zwischen persönlichen und privaten Mitteilungen wird, allerdings z. T. mit anderen Begriffen, von vielen Autoren ähnlich getroffen und häufig mit der Einschätzung versehen, persönliche Kontaktangebote seien häufig hilfreich, während private Mitteilungen seltener diese Wirkung hätten oder oft einfach überflüssig seien. So schreibt Karen Moroda:

Dem Klienten das benötigte emotionale Feedback zur Verfügung zu stellen und ihm Bewusstheit davon zu ermöglichen, wie die Therapeutin ihn sieht und erlebt, ist bei Weitem therapeutischer als irgendwelche Geschichten aus dem Leben der Therapeutin. Deshalb betone ich, dass persönliche Mitteilungen nur als Reaktion auf die direkten oder indirekten Fragen des Klienten nach einer affektiven Antwort gemacht werden sollten. (2009, 20)

In ähnlicher Weise verstehen Focusing-Therapeutinnen das von ihnen so genannte »Responding«; damit meinen sie,

dem Klienten etwas ganz Echtes, jetzt real Erlebtes zu zeigen. Der Therapeut ist ganz Therapeut und ganz Mensch, der er ist. Er geht mit seinem Response, seinem Selbstausdruck, immer auch das Risiko ein, dass dieser vom Klienten abgelehnt wird. Genau dieses Risiko gibt dem Response eine gewisse ›Beziehungswucht‹, die es dem Klienten ermöglicht, eigenes Erleben zu berühren. (Renn 2016, 242 – vgl. auch Gendlin 2002)

Das Mitteilen eigener Lebenserfahrungen kann natürlich in manchen Fällen hilfreich sein und sogar die Qualität der therapeutischen Beziehung fördern, z. B. wenn sie Klienten dabei unterstützen, den Therapeuten weniger zu idealisieren und als ›normalen‹ Menschen zu sehen, der selbst Schwierigkeiten im Leben hat und dem gegenüber sie sich nicht prinzipiell minderwertig fühlen müssen. Laura Perls meinte:

Ich beschreibe einige Probleme und Erfahrungen aus meinem eigenen Leben und von anderen Fällen, wenn ich erwarte, dass dies dem Patienten Unterstützung für ein vollständigeres Erkennen seiner eigenen Positionen und Möglichkeiten gibt, – wenn es ihm helfen kann, den nächsten Schritt zu tun. (1989, 82 – H.d.V.)

Es bleibt für mich zwar relativ undeutlich, was Laura Perls meint, wenn sie vom »Erkennen eigener Positionen und Möglichkeiten« durch das Mitteilen von »Problemen und Erfahrungen« der Therapeutin spricht. Aber mir fallen dazu spontan einige Beispiele aus meiner eigenen Praxis ein, in denen ich Klienten Anregungen gegeben habe, in ihrem Alltag etwas auszuprobieren, mit dem ich selbst gute Erfahrungen gemacht hatte – natürlich nicht in dem Sinne, dass ich damit die Lösung für ihre Probleme anzubieten hätte, sondern in dem Sinne, dass ich ihnen einen Vorschlag gemacht habe, mit dem sie experimentieren und ihre eigenen Erfahrungen machen konnten. Ich bin mit solchen Vorgehensweisen aber eher sparsam; sie werden zu leicht als Vorschläge für das ›richtige‹ Verhalten verstanden, oder die Klienten fassen sie so auf, als wollte ich mich ihnen als Modell präsentieren, an dem sie sich zu orientieren hätten.

Zwei andere Varianten privater Mitteilungen sind mir mehr oder weniger unsympathisch. Die erste Variante betrifft das platte Missverständnis von Empathie, das sich darin zeigt, dass der Therapeut auf die Schilderung eines Erlebnisses der Klienten nach dem Muster reagiert, »Das habe ich auch schon erlebt,« und dann ein eigenes, äußerlich mehr oder weniger ähnliches Erlebnis breittritt. Dieses Gleichsetzen eigener Erfahrungen mit denen eines anderen Menschen empfinde ich mal als Vereinnahmung, mal als Fraternisieren, mal als Enteignungsversuch durch Pseudo-Einfühlung (vgl. Staemmler 2009a).

Die zweite Variante betrifft etwas, das man schlicht als Geschwätzigkeit und den Versuch betrachten kann, sich selbst auf Kosten der Klientinnen in den Vordergrund zu spielen:

Therapeuten …., die alle möglichen Kleinigkeiten über ihre Kinder, Familien, Probleme und Sorgen zum Besten geben, vertun zumindest wertvolle Zeit, für die sie von ihren Klienten bezahlt werden. Und damit verletzen sie deren Vertrauen, weil sie nicht bereit oder fähig sind, auf das Wohl ihrer Klienten konzentriert zu bleiben. (Bloomgarden & Mennuti 2009, 10)

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