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Der Traum vom Glück

Wenn Sie gern Lotto spielen, sind Sie in guter Gesellschaft. Das tun mit Ihnen in Deutschland jede Woche etwa 20 Millionen Menschen. In anderen Ländern dürfte das Interesse ähnlich hoch liegen. Die Chancen auf einen echten Lottogewinn in nennenswerter Höhe sind allerdings tatsächlich sehr gering. Sie liegen etwa bei 1:140 Millionen (6 aus 49 mit Superzahl). Das bedeutet, dass es ungefähr 140 Millionen verschiedene Kombinationen dieser Zahlen gibt und Sie theoretisch 140 Millionen verschiedene Tipps abgeben müssten, um mit Sicherheit die gezogenen Zahlen dabei zu haben. Oder anders ausgedrückt: Sie spielen mit Ihrer Tipp-Kombination gegen etwa 140 Millionen andere Tipp-Kombinationen, die mit gleicher Wahrscheinlichkeit gezogen werden könnten.

»Nicht ausgeschlossen«, werden Sie jetzt vielleicht sagen, »schließlich trifft es ja fast jede Woche irgendeinen Glücklichen in diesem Land.« Stimmt auch. Allerdings gewinnt dieser Glückliche ja auch nur das Geld, was andere vorher eingesetzt und verloren haben. Haben Sie gewusst, dass nur etwa 50 Prozent der Lottoeinnahmen auch tatsächlich wieder an die Gewinner verteilt werden? Die andere Hälfte versickert schon vorher in der Staatskasse und bei den Betreibergesellschaften. Als zusätzliche Raffinesse kommt hinzu, dass Sie auch bei einem Hauptgewinn nicht wissen, wie hoch Ihr Gewinn tatsächlich ausfallen wird. Dies hängt nämlich zunächst einmal davon ab, wie viele Menschen überhaupt mitgespielt und in den Glückstopf eingezahlt haben. Und dann kommt es noch darauf an, ob es neben Ihnen auch andere Glückliche gibt, die dieselben Zahlen getippt haben. Wenn Sie das Pech haben, dass neben Ihnen auch noch fünf andere den Jackpot geknackt haben, dann wird die Gewinnsumme letztlich unter Ihnen allen aufgeteilt. Sie sehen schon, das Risiko ist vollkommen auf Ihrer Seite.

Da stellt sich doch die Frage, warum überhaupt so viele Menschen jede Woche wieder einen Lottoschein ausfüllen. Zumal viele von ihnen auf Nachfrage angeben, ohnehin nicht ernsthaft mit einem großen Gewinn zu rechnen. Es scheint also nicht wirklich um die reale Gewinnchance zu gehen, sondern es geht um den Glauben an das persönliche Glück. Genau genommen kaufen wir uns mit dem Lotterielos eine Baugenehmigung für unsere Luftschlösser. Es gibt uns die Gelegenheit, mit relativ geringem Einsatz über die eigenen Grenzen und Beschränkungen des Alltags sowie unserer Lebensrealität hinaus zu träumen. Schnell wird da der eigentlich wertneutrale Zufall auf die eigene Person bezogen und je nach seiner positiven oder negativen Ausrichtung als Glück oder Pech wahrgenommen. Fragen Sie einmal die Menschen in Ihrem Umfeld, was sie mit einem Lottogewinn anfangen würden. Und dann beobachten Sie dabei deren Reaktion. Selbst eingefleischte Realisten und erklärte Lottogegner, die überhaupt nicht Lotto spielen, fangen plötzlich an, Wunschträume zu formulieren und sich auszumalen, wie ihr Leben mit viel Geld in einer besseren Welt aussehen könnte.

In diesem Zusammenhang ist übrigens interessant, sich einmal mit realen Lottogewinnern zu beschäftigen. So hat man Menschen, die tatsächlich mit einem größeren Millionengewinn gesegnet waren, nach einigen Jahren wieder besucht. Man wollte wissen, was aus ihnen und ihrem Gewinn geworden ist. Das Ergebnis ist ebenso verblüffend wie ernüchternd. Man traf im Wesentlichen zwei verschiedene Gewinnertypen an: Die einen lebten in einem gewissen, wenn auch nicht übertriebenen Wohlstand, während die anderen pleite waren oder sogar noch mehr Schulden als vorher hatten. Bei näherer Betrachtung stellte sich heraus, dass die Menschen der einen Gruppe auch schon vor dem Lottogewinn mit ihren früheren, bescheideneren Mitteln ein durchaus zufriedenstellendes Leben geführt hatten. Bei der anderen Gruppe zeigte sich, dass diese Menschen auch schon vorher erhebliche Schwierigkeiten hatten, mit Geld wirtschaftlich umzugehen. Daran hatte auch der unerwartete Geldsegen nichts geändert. Vielmehr wurde das Geld innerhalb kurzer Zeit für allerlei spontane Konsumträume wie Reisen, Autos, Kleidung, Luxusartikel und Partys ausgegeben. Unterm Strich könnten wir sagen, dass auch ein unerwarteter Gewinn nur dann langfristige Vorteile hat, wenn es gelingt, verantwortungsbewusst und mit Weitblick damit umzugehen. Und damit schließt sich der Kreis zu den Kompetenzen, die Sie auch als Führungskraft für einen langfristigen Erfolg benötigen.

Die Macht der Gewohnheit

Am Beispiel statistischer Wahrscheinlichkeiten ist gut zu erkennen, wie sehr uns unsere subjektive Wahrnehmung und Einschätzung der Realität einen Streich spielt. Gefühlt wird ein Ereignis umso unwahrscheinlicher, je länger es nicht eingetreten ist. Je häufiger wir mit einem Ereignis konfrontiert werden, desto schneller wird es für uns zur Normalität. Wenn Sie beispielsweise 20 Jahre lang unfallfrei Auto gefahren sind, ist das nichts Besonderes mehr für Sie. Sie gehen dann fast wie selbstverständlich davon aus, dass Sie auch bei Ihrer nächsten Fahrt unfallfrei an Ihr Ziel gelangen werden. Schließlich ist es ja schon lange gut gegangen. Sie sind ein erfahrener, guter Autofahrer, und der Erfolg gibt Ihnen irgendwie recht. Statistisch gesehen steigt jedoch die Wahrscheinlichkeit eines Unfalls mit jedem Tag, an dem Sie keinen Unfall hatten, gerade weil es ja schon so lange gut gegangen ist. Irgendwann ist das Unfallereignis jedoch statistisch fällig. Dennoch suggeriert uns die unfallfreie Realität eine trügerische Sicherheit, sie vermittelt uns den Eindruck der eigenen Unverletzlichkeit. Trotzdem würden Sie vermutlich nicht aufhören, sich beim Autofahren anzuschnallen, nur weil Sie den Sicherheitsgurt in der Vergangenheit nicht gebraucht haben.

In unserer Lebensrealität werden wir immer wieder mit Ereignissen konfrontiert, die zwar statistisch gesehen ähnlich selten wie ein Lottogewinn eintreten, die uns aber dennoch mit großer Sorge erfüllen. Dazu gehören so unliebsame Ereignisse wie vom Blitz getroffen zu werden oder von einem herabfallenden Ziegelstein oder einem umfallenden Baum. Vielleicht befürchten wir auch, einem Terroranschlag oder dem Angriff eines Haifischs zum Opfer zu fallen. Auch ein Flugzeugabsturz dürfte auf der Skala der Dinge, auf die wir gern verzichten können, ganz oben stehen. Wie Sie vielleicht wissen, besteht jedoch die größte Gefahr, während einer Flugreise zu Schaden zu kommen, darin, auf dem Weg zum Flughafen einen Autounfall zu erleiden. Trotzdem schätzen wir die gefühlte Gefahr viel höher ein, als es ihrer statistischen Wahrscheinlichkeit tatsächlich angemessen wäre. Dies liegt sicher auch an der Berichterstattung durch die Medien, wenn es dann doch einmal zu einem solch seltenen Ereignis gekommen ist. Ein Flugzeugabsturz erhält in der medialen Berichterstattung eine übermäßige Präsenz und Bedeutung, während die vielen unauffälligen, planmäßigen und sicheren Flüge vorher keine einzige Meldung wert sind. Da, wo nichts passiert, gibt es halt auch nichts zu berichten.

In einem ähnlichen Zusammenhang können Sie die psychologischen Tricks und Manipulationen in unserem Alltag sehen, denn sie begegnen uns an allen Ecken und Enden. Genau genommen arbeitet jeder Supermarkt mit Psychotricks, um mehr Umsatz zu machen. Das Ziel ist, Sie als Kunden möglichst lange im Laden zu halten, in eine angenehme Gefühlslage zu versetzen und Ihnen dann auch noch ein besonderes Kauferlebnis zu verschaffen.

Es wird viel dafür getan, damit Sie sich wohlfühlen und bereit sind, Ihr Geld auszugeben. Der übergroße Einkaufswagen suggeriert Ihnen: »Hier ist noch fast gar nichts drin. Bist du sicher, dass du schon alles hast?« Großpackungen sind günstiger als kleinere Mengen und laden Sie zum Vorratskauf ein. Beschwingte Musik schafft positive Emotionen. Selbst die Bodenfliesen sind in einigen Märkten so ausgewählt, dass sie aufgrund ihrer Beschaffenheit den Eindruck eines nassen Bodens vermitteln. Warum das? Ganz einfach. Die Hoffnung ist, dass Sie sich über einen vermeintlich nassen Boden vorsichtiger bewegen, weil Sie die Sorge haben, auszurutschen. Sie gehen also langsamer und halten sich dadurch länger im Supermarkt auf. Das bedeutet mehr Zeit, die zum Einkaufen und zum Geldausgeben zur Verfügung steht. Jetzt sagen Sie vermutlich: »Auf diese Bauernfängertricks falle ich doch nicht herein. Ich habe eine Einkaufsliste und kaufe auch nicht spontan ein, wenn ich Hunger habe.« Darum: Prüfen Sie doch einmal nach Ihrem nächsten Einkauf kritisch, ob Sie wirklich ausschließlich die Dinge gekauft haben, die Sie vorher auch einkaufen wollten.

Vielleicht haben Sie ja schon gelegentlich das eine oder andere Schnäppchen mitgenommen, von dem Sie vorher noch gar nicht gewusst haben, dass Sie es überhaupt brauchen könnten. Oder vielleicht haben Sie nur in einer größeren Menge als ursprünglich beabsichtigt eingekauft, weil die viel günstigere Vorratspackung oder der reduzierte Preis bei Sonderangeboten (»Nimm drei, bezahle zwei«) Sie doch noch überzeugt hat.

Viele solcher Schummeleien sind inzwischen weit verbreitet und zu einer gesellschaftlichen Normalität geworden. Hinter vielen Anfragen und Angeboten vermuten, ja erwarten wir schon gar nichts anderes als eine Mogelpackung. So wie bei den allseits beliebten, aber oftmals illegalen Werbeanrufen von Marketingfirmen. Da lassen uns doch die honigsüße Säuselstimme und der aufgekratzte Überschwang der Anruferin allein schon in die innere Habachtstellung gehen. Sofort liegen wir auf der Lauer und warten auf den großen Moment, in dem sie die Katze aus dem Sack lässt und uns endlich verrät, was sie uns denn nun eigentlich wirklich verkaufen will.

Oder denken Sie einmal an die vielen Versprechen, die Politiker vor einer Wahl abgeben. Kaum jemand von uns glaubt doch wirklich, dass diese vollmundigen Verheißungen später tatsächlich 1:1 in der Realität umgesetzt werden können oder umgesetzt werden sollen. Und jeder kennt das Ritual, wenn dann am Wahlabend das Ergebnis vorliegt und sich die Spitzenpolitiker der beteiligten Parteien nach den ersten Hochrechnungen im Fernsehstudio zusammenfinden, um das voraussichtliche Wahlergebnis zu interpretieren. Da gibt es eigentlich immer nur Gewinner. Und selbst der Kandidat mit den höchsten Verlusten holt aus dem letzten Winkel seines Argumentationsarchivs immer noch irgendeinen fadenscheinigen Vergleich hervor, mit dem er der peinlichen Schlappe etwas Positives abgewinnen kann.

Und da liegt der Trick: Sie müssen nur ein noch schlechteres Ergebnis finden, das Sie dann für den Vergleich bemühen. Voilà! So ähnlich verhält es sich auch in anderen Bereichen, etwa wenn sich das im Makler-Exposé hochtrabend angepriesene »charmante Single-Appartement für unkonventionellen Start-up« als Wohnklo mit Kochgelegenheit oder als Besenkammer mit Hofblick entpuppt.

»Das tun doch alle!« ist dabei ein gern angeführtes Argument für die zahlreichen Beispiele unethischen Handelns in Wirtschaft, Sport und Politik. Manchmal rechtfertigen wir damit auch unser eigenes Handeln vor uns selbst oder anderen, weil es für uns offenbar nicht so moralisch und ethisch verwerflich ist, wenn wir etwas tun, was andere ebenfalls praktizieren.


Diese Macht der Gewohnheit sorgt allerdings dann auch dafür, dass die kleineren und größeren Betrügereien in unserem Alltagsleben und unseren Werthaltungen eine bedauerliche Salonfähigkeit bekommen.

2.Alle Mann an Deck: Der Wunsch nach schnellen Lösungen ohne Widerstand

Darum geht es jetzt!

In welchen Zusammenhängen Psychotricks in Unternehmen zum Einsatz kommen und welche geheimen Hoffnungen wir damit verbinden. Was Sie als Chef beim Umgang mit Konflikten bedenken sollten.

Die Bedürfnisse hinter dem (versteckten) Wunsch nach psychologischen Tricks

Oft erreichen mich Anfragen von Menschen in Unternehmen, die sich Unterstützung für schwierige Situationen wünschen. Dabei geht es häufig um Konflikte, die Führungskräfte mit sich selbst oder anderen Personen haben. Es geht in diesen Anfragen jedoch kaum um Sachfragen oder die Organisation von Vertriebswegen, sondern meistens um menschliche und zwischenmenschliche Themen. Kein Wunder, denn schließlich bin ich ja Psychologe. Bei der Feuerwehr ruft man ja auch nur an, wenn’s brennt, und nicht, wenn der Kopierer defekt ist. Bei diesen Anfragen werde ich dann manchmal ganz offen – und manchmal auch ein bisschen hinten herum durch die Blume – nach psychologischen Tricks gefragt (»Können Sie uns mit Ihrem Hintergrundwissen und Ihrer Erfahrung vielleicht ein paar ›hilfreiche Werkzeuge‹ an die Hand geben, mit denen wir das Problem schnell wieder in den Griff bekommen?«). So, als gäbe es ein geheimes, psychologisches Wundermittel, das man sich nur verschaffen und anwenden müsste, um die aktuellen Konflikte fortzuzaubern. Ich kann diesen Wunsch sehr gut nachvollziehen. Da gibt es ein Problem, das einen zur Verzweiflung treibt, das man mit den eigenen Bordmitteln nicht so richtig in den Griff bekommt und das jetzt einfach mal verschwinden soll.

Am Ende kommt dann allerdings meistens etwas ganz anderes zustande als das, was sich der Anfragende ursprünglich vorgestellt hat. Aus der Anfrage nach einem Kommunikationstraining wird dann vielleicht eine Konfliktklärung mit der gesamten Abteilung oder ein Einzelcoaching für die Führungskraft. Was es tatsächlich braucht, um das Problem zu lösen, stellt sich nämlich erst im Prozess des gemeinsamen genaueren Hinsehens heraus.

Was mögen die Bedürfnisse und geheimen Hoffnungen sein, die sich mit dem (versteckten) Wunsch nach Psychotricks verbinden? Und warum wird überhaupt nach Psychotricks gesucht? Die erste Antwort auf diese Frage ist verhältnismäßig banal: weil Psychotricks oftmals funktionieren. Zumindest einmal oder kurzfristig. Damit ist in vielen Situationen das Ziel schon erreicht, denn es geht vielfach nur darum, einen schnellen Erfolg einzufahren. Den nächsten Monatsabschluss positiv hinzubekommen. Die aktuelle Jahresbilanz erfolgreich zu präsentieren. Den Vorstand schnell mal zufriedenzustellen. Den anstrengenden Mitarbeiter erst einmal ruhig zu stellen. Die nächste Wahl zu gewinnen. Den besseren Job zu bekommen. Das drohende Fiasko erst einmal abzuwenden. Und vieles andere mehr. Und somit wäre mit einem psychologischen Trick schon einmal viel gewonnen; später können wir dann ja immer noch weitersehen. Hauptsache, die Kuh ist erst einmal vom Eis.


Die Grundmotivation für den Einsatz von Psychotricks kann allerdings sehr unterschiedlich sein.

Da gibt es Chefs, die ihre manipulativen Winkelzüge ganz bewusst einsetzen, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Sie wollen ihre eigene Machtposition durchsetzen, Umwege abkürzen oder unliebsame Hemmnisse umgehen. Sie sind davon überzeugt, dass dies ein sinnvoller und Erfolg versprechender Weg ist. Eventuelle Nachteile, die ihr Handeln mit sich bringt, werden entweder bewusst in Kauf genommen, ignoriert oder gar nicht erst wahrgenommen. Einem solchen Chef könnte eine klare Analyse der Folgekosten und Kollateralschäden helfen, das eigene Handeln zu überdenken. Nur wenn in einer glaubwürdigen Kosten- und Nutzenabwägung die Vorteile überwiegen, werden Handlungsalternativen überhaupt in Betracht gezogen. Und selbst dann stellt sich die Frage, ob derjenige mit einer anderen Überzeugung und Grundeinstellung zu einem anderen Verhalten dazu überhaupt in der Lage wäre. Dies würde nämlich voraussetzen, dass er auch andere Handlungsmuster und Werkzeuge zur Verfügung hat. Oftmals behaupten diese Chefs, dass sie zwar durchaus anders handeln könnten, es aber gar nicht wollen. Damit umgehen sie auf elegante Weise, die behaupteten Handlungsalternativen im Ernstfall unter Beweis stellen zu müssen.

Ein anderer Typus Chef handelt vielleicht ganz schlicht aus einer Überforderung heraus. Er fühlt sich zwar mit seinen manipulativen Interventionen nicht wohl, sieht aber in der momentanen Situation keine wirklichen Alternativen. Er weiß es halt nicht besser. Deshalb greift er in seiner Verzweiflung in die Psychotrickkiste. Das wirkt dann auf sein Umfeld meist etwas halbherzig und unbeholfen, weil es ihm an innerer Überzeugung, Kaltblütigkeit und häufig auch an der notwendigen Übung mangelt. Er hofft darauf, dass seine Unsicherheit und die daraus resultierenden Manipulationsversuche niemandem auffallen. Und falls doch, dann möge man bitte zumindest Verständnis für ihn und seine prekäre Lage haben. Leider tritt sowohl das eine als auch das andere auf Mitarbeiterseite nur in den seltensten Fällen ein. Fast alle Mitarbeiter haben längst bemerkt, welches Spiel hier gespielt wird, und kaum jemand hat deshalb Nachsicht mit dem Chef. Wenn sie sein Spiel mitspielen, dann ebenfalls aus der Ermangelung echter Alternativen (»Was sollen wir denn dagegen schon ausrichten? Er ist ja der Chef und sitzt doch am längeren Hebel!«) oder aus Kalkül (»Wir lassen ihm mal seine Marotten und machen es dann letzten Endes doch so, wie wir es uns vorstellen«).

Überhaupt werden Manipulationsversuche von Mitarbeitern in den meisten Fällen sehr schnell durchschaut. Selbst wenn sich der Chef für besonders listig hält, haben seine Mitarbeiter den Braten schon längst gerochen. Das liegt schlichtweg daran, dass auch die meisten Mitarbeiter mit allen Wassern gewaschen sind, über eigene Berufs- sowie Lebenserfahrung verfügen und mit einer gewissen Grundintelligenz ausgestattet sind, was in Fachkreisen auch als »gesunder Menschenverstand« bezeichnet wird. Und in vielen Fällen besitzen sie selbst auch ihre eigene Psychotrickkiste.


Was die beiden Cheftypen allerdings verbindet, ist, dass sie Psychotricks in vollem Bewusstsein einsetzen. Der eine aus Berechnung, der andere aus Ratlosigkeit.

Es gibt allerdings auch den Fall, dass Führungskräfte psychologische Tricks anwenden, ohne sich dessen bewusst zu sein. Dies ist dann immer der Moment, in dem der Mitarbeiter sich fragt: »Weiß mein Chef eigentlich, was er da anrichtet?« Hier wird in guter Absicht Chaos geschaffen. Und auch in diesen Fällen ist dann »gut gemeint« genau das Gegenteil von »gut gemacht«, denn der Zweck heiligt keinesfalls immer die Mittel. Deshalb werden wir uns im weiteren Verlauf immer wieder damit beschäftigen, woran Sie als Führungskraft solche unbewussten Mechanismen, Phänomene sowie Fallstricke erkennen und was Sie dagegen tun können.

Das weite Feld der psychologischen Tricks beinhaltet Faszination und Fluch gleichermaßen. Dem Wunsch nach einer schnellen Lösung, die der eigenen Vorstellung möglichst vollumfänglich entsprechen soll, steht der Beigeschmack von Manipulation und Gutsherrentum gegenüber. Andererseits geht es auch für Führungskräfte darum, sich vor Manipulation von anderer Seite zu schützen und sich gegen Tricksereien im Haifischbecken mit der Aufschrift »Business und Wettbewerb« zur Wehr setzen zu können. Ansonsten besteht die Gefahr, dass die wichtigen Prinzipien von Ethik und Anstand auf dem Altar des kurzfristigen Erfolgs geopfert werden.

Konflikte als Quelle für Veränderung

Psychotricks werden oft im Zusammenhang mit Konflikten angewendet. Darum ist ein Blick auf das Konfliktmanagement einer Führungskraft notwendig.

Die Reise zu neuen Ufern beginnt meistens mit einem Konflikt – Konflikte sind die Quelle für den daraus resultierenden Handlungsdruck. Konflikte entstehen zwischen Teammitgliedern, die aneinandergeraten sind oder sich gegenseitig auf die Füße getreten haben. Vielleicht tappt ein Einzelner in den Vorgarten eines Anderen hinein oder hat Stress mit dem Rest der Gruppe, weil er etwas getan oder unterlassen hat, was die Gemüter erhitzt. Manchmal gibt es systemimmanente Konflikte zwischen Chefs und Mitarbeitern, die in der Natur der Sache liegen, weil nicht alle Bedürfnisse von Mitarbeitern immer und sofort unter dem Aspekt der Gleichbehandlung berücksichtigt werden können. Mitunter braucht es auch Hilfe von außen, weil es einen aktuellen Konflikt im Unternehmen oder Team gibt, den die Betroffenen mit ihren Bordmitteln und bisherigen Lösungsversuchen nicht mehr in den Griff bekommen haben.

Die klassischen Konflikte drehen sich in aller Regel um ein knappes Gut, das von mehreren Konfliktparteien begehrt wird. Zum Beispiel, wenn am Ende des Geldes noch so unangemessen viel Monat übrig ist oder Ihr Partner die mühsam angesparte Urlaubskasse jetzt völlig zweckentfremden und für Dinge ausgeben will, die Ihnen überhaupt nicht ins Programm passen. Es muss allerdings nicht immer so materiell zugehen, denn das knappe Gut kann auch der Status bzw. die Anerkennung im Unternehmen sein. In jedem Fall gehören Konflikte zu den ungern gesehenen Risiken und Nebenwirkungen unseres zwischenmenschlichen Zusammenlebens. Sie trüben die traute Harmonie und drohen, das gute Betriebsklima zu vergiften. Konflikte machen Angst, weil sie manchmal ungehemmt eskalieren, aus dem Ruder laufen und mit Aggressionen verbunden sind. Schnell überkommt uns das Gefühl, mit so einem Konflikt überfordert zu sein, unsere Souveränität zu verlieren oder hilflos dazustehen, während andere als Sieger aus dem Konflikt hervorgehen. Da ist es eigentlich nicht verwunderlich, dass wir uns Konflikte am liebsten vom Hals schaffen würden. Die Tendenz, unangenehmen Dingen aus dem Weg zu gehen, kennen Sie vielleicht aus anderen Lebensbereichen. Zahnarztbesuch, Darmspiegelung, Ehescheidung oder Elternabend. Alles Ereignisse, die sich nicht gerade einer hohen Beliebtheit erfreuen. Sicherlich kommt uns hier auch unsere Erziehung bzw. Sozialisation in die Quere, die in vielen Fällen ein harmonisches Miteinander anstrebt. In unserer Gesellschaft und insbesondere im Berufsleben stehen Friedlichkeit und Höflichkeit ganz weit oben im Kurs. Paradoxerweise erreichen wir aber gerade mit dem Wunsch nach Harmonie und Konfliktvermeidung genau das Gegenteil. Der Kommunikationsexperte Friedemann Schulz von Thun, von dem noch an anderer Stelle ausführlich die Rede sein soll, bringt es auf den Punkt, indem er betont, dass aus »friedlich« und »höflich« ganz schnell auch »friedhöflich« werden kann. Dann haben wir zwar vielleicht für den Moment keinen offenen Konflikt, aber auch unsere Lebendigkeit geht verloren, die ja erst durch die Verschiedenartigkeit von Standpunkten und Sichtweisen entsteht.


In vielen Lebensbereichen fehlt uns eine positiv besetzte Streitkultur, in der es um den respektvollen Dissens geht.

Viel zu selten geht es um einen echten Austausch von Standpunkten, in dem das interessierte Verstehenwollen Vorrang vor dem Überzeugenwollen um jeden Preis hat. Schnell geht eine abweichende Meinung mit Abwertung, Verunglimpfung, Beschimpfung oder sogar Handgreiflichkeiten einher. Wenn Sie sich einmal die »Diskussionen« in den sozialen Netzwerken anschauen, müssen Sie gar nicht erst auf so heiße Eisen wie die Flüchtlingskrise, Terrorismus oder den Fettnäpfchen-Rundkurs amerikanischer Präsidenten schauen, um eine deutliche Verrohung des Meinungsaustauschs zu erkennen.

Konflikte sind aber nicht nur eine unbeliebte Quelle für Handlungsdruck. Es steckt auch viel Energie darin, die mithilfe einer geschickten Vorgehensweise für positive Veränderungen, also Verbesserungen, genutzt werden kann. Im Grunde genommen ist der Missstand von heute der Startschuss in eine bessere Zukunft. Das wissen Sie vermutlich auch aus eigener Erfahrung, wenn Ihnen die konstruktive Lösung eines Konflikts gelungen ist und Sie am Ende eines mühsamen Klärungsprozesses feststellen, dass das erfolgreiche Ergebnis alle Anstrengungen wert gewesen ist.

Allerdings beinhalten Konflikte auch immer die Gefahr des gemeinsamen Scheiterns. Der Konfliktforscher Friedrich Glasl hat sich sehr intensiv mit der Struktur und Entstehung von Konflikten beschäftigt und beschreibt unterschiedliche Stufen von Konfliktentwicklungen. Dabei gibt es fast immer einen »Point of no return«, von dem an eine konstruktive Konfliktbewältigung unwahrscheinlich, wenn nicht sogar unmöglich wird. Tatsächlich findet sich am Ende der Eskalationsspirale oftmals die Tendenz der Konfliktparteien, unabhängig von eigenen Verlusten nur noch die Vernichtung des Gegners anzustreben. Vielleicht ist es eben diese destruktive Energie, die wir alle irgendwie als verstecken Sprengsatz in unseren Konflikten erahnen und vor der wir uns fürchten. Deshalb ist es durchaus erstrebenswert, sich Konflikten möglichst früh zuzuwenden, um noch rechtzeitig zu einer Winwin-Lösung zu gelangen. Und damit wären wir bei einem wichtigen Thema, denn: Konflikte sind Chefsache.

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243 стр. 6 иллюстраций
ISBN:
9783956236877
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