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Der Wächter der Tür

„Wenn Sie es nicht glauben, können Sie es selber lesen“, sagte Allen Clinton, während er die Sprossen einer Leiter emporkletterte und unter den Büchern im obersten Regal suchte.

Ich lehnte mich in meinem Sessel zurück. Die Strahlen der untergehenden Sonne schienen durch das bunte Glas der Fenster in die alte Bibliothek und warfen gelbe und rote Bänder auf die Reihen von in schwarzes Leder gebundenen Ausgaben.

„Hier, Bell!“

Ich nahm Allen Clinton die modrige Ausgabe ab, die er zu Tage gefördert hatte.

„Es ist ungefähr in der Mitte des Buches“, fuhr er eifrig fort. „Sie werden es sehen, in großen schwarzen altenglischen Buchstaben.“

Ich blätterte durch die Seiten, die den Familienstammbaum und andere Aufzeichnungen der Clintons enthielten, bis ich zu derjenigen kam, die ich suchte. Auf ihr stand der Fluch geschrieben, der seit dem Jahre 1400 auf der Familie lastete. Langsam und mit Schwierigkeiten entzifferte ich dessen schreckliche Worte:

„Und in dieser Kammer liegt sein Sarg, ein Sarg von nichtmenschlicher Form, den kein heiliger Boden aufgenommen hat. Hier soll es ruhen und die Familie der Clintons verfluchen von Generation zu Generation. Und aus diesem Grunde soll die Seele eines jeden Erstgeborenen, der Erbe ist, sobald sie dessen Körper verlässt, der Wächter der Türe werden bei Tage und bei Nacht. Tag und Nacht soll seine Seele bei der Türe stehen, die Türe geschlossen halten, bis der Sohn die Seele des Vaters ablöst von der Wache und seinen Platz einnimmt, bis auch dessen Sohn stirbt. Und wer die Kammer betritt, soll der Gefangene der Seele sein, die bewachet die Türe, bis sie ihn gehen lässt.“

„Was für ein grässlicher Gedanke!“, rief ich mit einem Blick auf den jungen Mann, der mich während des Lesens beobachtet hatte. „Aber Sie sagen, diese Kammer sei nie gefunden worden. Ich würde sagen, ihre Existenz ist ein Mythos und der Fluch, dass die Seele des Erstgeborenen die verschlossene Tür bewachen muss, ist natürlich absurd. Materie gehorcht keiner Hexerei.“

„Der merkwürdige Teil der Geschichte ist“, antwortete Allen, „dass jedes andere Detail der Abtei, auf welche diese Aufzeichnungen Bezug nehmen, identifiziert worden ist. Aber diese Kammer mit ihrem gruseligen Inhalt wurde nie gefunden.“

Es war auf jeden Fall eine eigenartige Legende und ich gebe zu, dass sie mich beeindruckte. Ich war auch der Meinung, dass ich irgendwo schon einmal etwas Ähnliches gehört hatte, aber meine Erinnerung ließ mich im Stich.

Ich war drei Tage zuvor nach Clinton Abbey zur Fasanenjagd gekommen.

Jetzt war es Sonntag Nachmittag. Die Familie, abgesehen von dem alten Sir Henry, Allen und mir, war beim Gottesdienst. Sir Henry, mittlerweile fast achtzig Jahre alt und ein chronischer Kranker, hatte sich zu einem Nachmittagsschläfchen auf sein Zimmer zurückgezogen. Der jüngere Clinton und ich hatten einen Spaziergang über das Anwesen gemacht und seit wir zurückgekehrt waren, drehte sich unsere Unterhaltung um die Familiengeschichte. Schließlich gelangten wir zu dem Punkt mit dem Familienfluch. Beinahe im selben Moment wurde die Tür der Bibliothek langsam geöffnet und Sir Henry trat herein, gekleidet in einen schwarzen Samtmantel, der einen bemerkenswerten Kontrast zu seinem schneeweißen Haar und Bart bildete. Ich erhob mich aus meinem Sessel und reichte ihm den Arm, um ihn zu seinem Lieblingssofa zu geleiten. Mit einem Seufzen ließ er sich tief in die luxuriösen Kissen sinken, doch währenddessen fiel sein Blick auf das alte Buch, dass ich auf den Tisch daneben gelegt hatte. Er beugte sich hastig vor, nahm das Buch in die Hand und schaute zu seinem Sohn hinüber.

„Hast du das Buch heruntergeholt?“, fragte er scharf.

„Ja, Vater. Ich nahm es heraus, um es Bell zu zeigen. Er ist sehr interessiert an der Geschichte der Abtei, und ...“

„Dann stell es sofort zurück“, unterbrach ihn der alte Mann, seine schwarzen Augen blitzten vor plötzlichem Zorn. „Du weißt, wie sehr ich es verabscheue, wenn meine Bücher umgestellt werden, und vor allem dieses. Warte, gib es mir.“

Er kämpfte sich von dem Sofa hoch, nahm das Buch und schloss es in einer der Schubladen seines Schreibtisches ein. Dann setzte er sich zurück aufs Sofa. Seine Hände zitterten, als ob ihn eine plötzliche Angst überkommen hätte.

„Hattest du gesagt, dass Phyllis Curzon morgen ankommt?“, fragte der alte Mann kurz darauf seinen Sohn mit gereizter Stimme.

„Ja, Vater, natürlich. Erinnerst du dich nicht? Mrs. Curzon und Phyllis möchten für vierzehn Tage bleiben, und übrigens“, er starrte auf seine Füße, als er hinzufügte: „Das erinnert mich daran, dass ich gehen muss und Grace erzählen ...“

Der Rest des Satzes verlor sich im Schließen der Tür. Sobald wir alleine waren, schaute Sir Henry für einige Minuten schweigend zu mir herüber. Dann sagte er: „Es tut mir leid, dass ich gerade so kurz angebunden war. Ich bin nicht ich selbst. Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Ich fühle mich wie in Stücke zerbrochen. Ich kann nicht schlafen. Ich glaube, meine Zeit ist gekommen, und ich sorge mich um Allen. Die Sache ist die, ich würde alles geben, diese Verlobung aufzulösen. Ich wünschte, er würde nicht heiraten.“

„Es tut mir leid, das von Ihnen zu hören, Sir“, antwortete ich. „Ich hätte gedacht, Sie könnten es kaum abwarten, Ihren Sohn glücklich verheiratet zu sehen.“

„Den meisten Vätern würde es so gehen“, war die Antwort, „aber ich habe meine Gründe, dass ich mir die Dinge anders wünsche.“

„Was meinen Sie?“ Ich konnte nicht widerstehen zu fragen.

„Ich kann es Ihnen nicht erklären. Ich wünschte, ich könnte. Es wäre das Beste für Allen, die Familie aussterben zu lassen. Das ist vielleicht töricht und natürlich kann ich die Hochzeit nicht wirklich verhindern, aber ich bin beunruhigt und besorgt wegen vieler Dinge.“

„Ich wünschte, ich könnte Ihnen helfen, Sir“, sagte ich spontan. „Wenn es mir irgendwie möglich sein sollte, etwas zu tun, wissen Sie, dass Sie mich nur bitten müssen.“

„Ich danke Ihnen, Bell, ich weiß, dass Sie das würden. Aber ich kann es Ihnen nicht sagen. Vielleicht eines Tages. Aber, verstehen Sie, ich habe Angst – furchtbare Angst.“

Das Zittern überkam ihn wieder und er deckte die Hände über die Augen, als ob er sie vor einem furchtbaren Anblick schützen wollte.

„Sagen Sie nichts von dem, was ich Ihnen erzählte habe, Allen oder irgendjemand anderem weiter“, sagte er plötzlich. „Es ist möglich, dass ich Sie eines Tages um Hilfe bitte. Und denken Sie daran, Bell, ich vertraue Ihnen.“

Er streckte seine Hand aus, die ich annahm. Im nächsten Moment kam der Butler mit Lampen herein und ich nutzte die Unterbrechung, um mich auf den Weg zum Salon zu machen.

Am nächsten Tag kamen die Curzons an und ich sah auf den ersten Blick, dass Phyllis ein ganz charmantes Mädchen war. Sie war groß und schlank, ihre Figur sowohl aufrecht als auch anmutig und ihr Gesicht hübsch und auf eine gewisse Weise stolz. Waren ihre Züge entspannt, wirkte sie ein wenig hochmütig. Aber in dem Moment, in dem sie sprach, wurde ihr Gesicht äußerst lebhaft, freundlich und liebenswert. Sie hatte ein fröhliches Lachen, ein süßes Lächeln und eine sympathische Art. Ich war sicher, sie hatte ein gutes Herz, und auch, dass Allen eine vorzügliche Wahl getroffen hatte.

Es vergingen ein paar Tage und es kam der letzte Abend vor meiner Rückreise nach London. Phyllis‘ Mutter war kurz zuvor zu Bett gegangen, da sie an Kopfschmerzen litt, und Allen schlug plötzlich vor, dass wir vor die Tür gehen und einen Spaziergang im Mondlicht machen sollten, die Nacht sei perfekt dafür.

Phyllis lachte bei dem Vorschlag vor Vergnügen auf und rannte sogleich in die Eingangshalle, um einen Umhang vom Haken zu nehmen.

„Allen“, sagte sie zu ihrem Liebsten, der ihr folgte, „du und ich, wir werden vorangehen.“

„Nein, junge Lady, in diesem Fall werden Sie und ich dieses Privileg haben“, sagte Sir Henry. Er war ebenso in die Eingangshalle gekommen und kündigte zu unserem Erstaunen seine Absicht an, uns auf unserem Spaziergang zu begleiten.

Phyllis bedachte ihn mit einem überraschten Blick, dann legte sie ihre Hand sanft auf seinen Arm, nickte Allen mit einem Lächeln zu und ging recht zügig voraus. Allen und ich folgten nach.

„Nun, was bezweckt mein Vater damit?“, fragte mich Allen. „Er verlässt niemals bei Nacht das Haus. Aber in letzter Zeit ging es ihm nicht gut. Ich denke manchmal, er wird jeden Tag komischer.“

„Ich bin sicher, er ist weit entfernt von Wohlbefinden“, antwortete ich.

Wir waren etwa eine halbe Stunde unterwegs und kehrten auf einem Pfad zurück, der durch einen Nebeneingang ins Haus führte. Phyllis erwartete uns in der Eingangshalle.

„Wo ist mein Vater?“, fragte Allen, als er zu ihr ging.

„Er war müde und ist zu Bett gegangen“, antwortete sie „Gute Nacht, Allen.“

„Möchtest du nicht mit in den Salon kommen?“, fragte er mit einigem Erstaunen.

„Nein, ich bin müde.“

Sie nickte ihm zu, ohne seine Hand zu berühren. Ich kam nicht umhin zu bemerken, dass ihre Augen einen seltsamen Ausdruck hatten. Sie rannte nach oben.

Ich sah, dass Allen verwundert über ihr Verhalten war. Aber da er nichts sagte, schwieg auch ich.

Am nächsten Tag beim Frühstück wurde mir mitgeteilt, dass die Curzons schon die Abtei verlassen hätten. Allen war völlig erstaunt und auch, das konnte ich sehen, zu einem guten Teil verärgert. Er und ich frühstückten alleine in der alten Bibliothek. Sein Vater fühlte sich zu krank, um herunterzukommen.

Eine Stunde später befand ich mich auf meinem Weg zurück nach London. Einige Dinge dort erforderten meine unverzügliche Aufmerksamkeit und Allen, seine Verlobung, Sir Henry und der alte Familienfluch verdrängte ich in meinem Hinterkopf.

Drei Monate später, am siebten Januar, sah ich zu meinem Bedauern in der Times die Todesanzeige von Sir Henry Clinton.

In der Zwischenzeit hatte ich dann und wann von seinem Sohn gehört, dass sein Vater stark abbaute. Er erwähnte weiterhin, dass seine eigene Vermählung für den einundzwanzigsten diesen Monats angesetzt wäre. Jetzt musste sie natürlich verschoben werden. Es tat mir wirklich leid für Allen und ich schrieb sogleich einen langen Kondolenzbrief.

Am folgenden Tag erhielt ich ein Telegramm von ihm, in dem er mich inständig bat, so schnell wie möglich nach Clinton Abbey zu kommen, denn er wäre in großen Schwierigkeiten. Ich packte rasch ein paar Dinge zusammen und kam um sechs Uhr am Abend in Clinton Abbey an. Das Haus wirkte still und bedrückt – die Beisetzung sollte am nächsten Tag stattfinden. Clinton kam in die Eingangshalle und ergriff mich innig bei den Händen. Ich bemerkte sofort, wie abgespannt und besorgt er aussah.

„Das ist sehr nett von Ihnen, Bell“, sagte er. „Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie dankbar ich bin, dass Sie gekommen sind. Sie sind der Einzige, der mir helfen kann, denn ich weiß, dass Sie viel Erfahrung in solchen Dingen haben. Kommen Sie in die Bibliothek und ich werde Ihnen alles erzählen. Wir werden diesen Abend alleine speisen, da meine Mutter und die Mädchen diese Nacht in ihren eigenen Wohnungen bleiben.“

Sobald wir uns gesetzt hatten, begann er ohne Umschweife mit seiner Geschichte.

„Ich muss Ihnen eine kleine Einführung geben zu dem, was gerade passiert ist. Sie erinnern sich, als Sie das letzte Mal hier waren, wie plötzlich Phyllis und ihre Mutter die Abtei verlassen haben?“

Ich nickte. Ich erinnerte mich gut.

„Am Morgen, nachdem Sie uns abgereist waren, erhielt ich einen langen Brief von Phyllis“, fuhr Allen fort. „Darin erzählte sie mir von einer außergewöhnlichen Bitte, die mein Vater während dieses Spaziergangs im Mondschein an sie gerichtet hatte – nicht mehr und nicht weniger als den ernsthaften Wunsch, dass sie unsere Verlobung von sich aus beenden würde. Sie sprach sehr offen, wie sie es immer tut, versicherte mir ihre unveränderte Liebe und Ergebenheit, sagte aber, dass unter diesen Umständen eine Erklärung absolut unabdingbar wäre. Rasend vor Wut suchte ich meinen Vater in seinem Arbeitszimmer auf. Er sah mich mit einem unbeschreiblichen Ausdruck von Erschöpfung und Pathos an.

‚Ja, mein Junge, das habe ich getan‘, sagte er. ‚Phyllis hat recht. Ich bat sie, so eindringlich ein alter Mann bitten kann, dass sie die Verlobung auflöst.‘

‚Aber warum?‘, fragte ich. ‚Warum?‘

‚Das kann ich dir nicht sagen‘, antwortete er.

Ich verlor die Beherrschung und sagte Dinge zu ihm, die ich jetzt bereue. Er gab keinerlei Antwort. Als ich fertig war, sagte er langsam:

‚Ich gestehe dir all deine Wut zu, Allen. Deine Gefühle sind nur natürlich.‘

‚Du hast mich sehr tief verletzt‘, erwiderte ich. ‚Was soll Phyllis davon halten? Sie wird nie wieder dieselbe sein. Ich werde sie heute noch treffen.‘

Er sagte kein Wort und ich ging. Ich war etwa eine Woche von zu Hause weg. Ich brauchte fast diese ganze Zeit, Phyllis zu überzeugen, diese außergewöhnliche Bitte meines Vaters zu übergehen und alles wieder so werden zu lassen, wie es vorher gewesen war. Nachdem ich unsere Verlobung gefestigt, wenn das möglich ist, fester als je zuvor, und auch das Datum für die Vermählung arrangiert hatte, kehrte ich nach Hause zurück. Danach erzählte ich meinem Vater, was ich getan hatte.

‚Wie du willst‘, antwortete er und dann versank er in tiefe Trübseligkeit. Von diesem Moment an, obwohl ich Tag und Nacht über ihm wachte und alles tat, was Liebe und Zärtlichkeit bieten können, schien er sich nicht zu erholen. Er sprach kaum und verharrte, wann immer wir zusammen waren, in tiefer und schmerzvoller Zurückgezogenheit. Vor einer Woche schlief er für immer ein.“

Hier machte Allen eine Pause.

„Ich komme jetzt zu den neuesten Vorkommnissen“, sagte er. „Natürlich war ich, wie Sie annehmen werden, bis zuletzt bei meinem Vater. Wenige Stunden, bevor er verstarb, rief er mich an sein Bett und zu meiner Verwunderung begann er nochmal über meine Verlobung zu sprechen. Selbst jetzt, zur elften Stunde, flehte er mich mit größter Eindringlichkeit an, sie aufzulösen. Es wäre nicht zu spät, sagte er, und fügte dann hinzu, dass nichts in der Welt ihm das Sterben mehr erleichtern würde als das Wissen, dass ich ihm versprechen würde, unverheiratet zu bleiben. Natürlich versuchte ich, ihm das Herz nicht unnötig schwer zu machen.

Er nahm meine Hand und sah mir mit einem Ausdruck in die Augen, den ich niemals vergessen werde. Dann sagte er: ‚Allen, mach mir das feierliche Versprechen, dass du niemals heiraten wirst.‘ Dies musste ich natürlich ablehnen und dann erzählte er mir, dass er mir in Erwartung meiner Widerspenstigkeit einen Brief geschrieben habe, den ich in seinem Tresor finden würde, aber ich dürfe ihn nicht vor seinem Tode öffnen. Ich fand ihn heute Morgen. Bell, es ist das außergewöhnlichste Schreiben, das ich je gelesen habe. Entweder es ist ein reines Gebilde seiner Einbildung, denn seine geistigen Kräfte ließen zuletzt stark nach, oder es ist die furchtbarste Sache, von der ich je gehört habe.

Ich nahm ihm das Blatt aus der Hand und las Folgendes in zitternder, fast unleserlicher Schrift:

‚Mein lieber Junge,

wenn du diese Zeilen liest, werde ich endgültig tot sein. Die letzten sechs Monate meines Lebens waren bereits ein lebendiger Tod. Der Schrecken begann folgendermaßen. Du weißt, wie sehr ich immer an der Familiengeschichte unseres Hauses interessiert war. Ich habe die letzten Jahre meines Lebens damit verbracht, jedes Detail nachzuprüfen, und meine Absicht war es, wenn es mir die Gesundheit ermöglicht hätte, einen Großteil davon in angemessenen Bänden zu veröffentlichen.

In dieser speziellen Nacht, auf die ich mich beziehe, saß ich noch spät in meinem Arbeitszimmer und las in jenem Buch, das du vor Kurzem Bell gezeigt hattest. Genauer gesagt, ich war sehr vertieft in den schrecklichen Fluch, mit dem der alte Abt im vierzehnten Jahrhundert die Familie belegt hatte. Ich las die furchtbaren Worte wieder und wieder. Ich wusste, dass alle anderen Angaben in dem Band schon belegt worden waren, aber dass das Gewölbe mit dem Sarg niemals gefunden worden war. Während ich las, wurde ich schläfrig und döste ein. In meinem Schlaf hatte ich einen Traum. Ich hatte das Gefühl, jemand käme in den Raum, berührte mich bei der Schulter und sagte: ‚Komm.‘ Ich schaute auf. Eine hochgewachsene Gestalt beugte sich über mich. Die Stimme und die Figur gehörten meinem verstorbenen Vater. In meinem Traum stand ich augenblicklich auf, obwohl ich nicht wusste, warum oder wohin ich ging. Die Gestalt schritt voran in die Eingangshalle. Ich nahm eine der Kerzen vom Tisch und den Schlüssel zur Kapelle, entriegelte die Tür und ging hinaus. Die Stimme sagte immer noch: ‚Komm, Komm!‘, und die Gestalt meines Vaters ging vor mir her. Ich durchquerte den quadratischen Innenhof, schloss die Tür zur Kapelle auf und ging hinein.

Um mich herum herrschte eine Todesstille. Ich durchquerte das Hauptschiff zum nördlichen Seitenschiff, die Gestalt immer noch vorne weg. Sie betrat das große Kastengestühl, dem man nachsagt, dass es dort spukt und ging geradewegs zum Bildnis des alten Abts, der den Fluch ausgesprochen hatte. Dieses ist, wie du weißt, an der gegenüberliegenden Wand eingelassen. Sich vorbeugend presste die Gestalt gegen die Augen des alten Mönchs und augenblicklich rutschte ein Stein von seinem Platz und gab eine Treppe dahinter frei. Ich wollte vorwärtseilen, als ich gegen etwas gestoßen sein muss. Ich spürte einen Schmerz und plötzlich wachte ich auf. Was für eine Verblüffung, als ich mir bewusst wurde, dass ich, im Traum gehandelt, den Innenhof überquert hatte und mich in der Kapelle befand. Mehr noch, ich stand in dem alten Kastengestühl! Natürlich war dort keinerlei Gestalt sichtbar, aber das Mondlicht legte einen kühlen Schimmer über den ganzen Ort. Ich war sehr verblüfft und beeindruckt, wollte schließlich aber doch zum Haus zurückkehren, als ich meinen Blick hob und sah, dass wenigstens ein Teil dieser seltsamen Vision, die ich gehabt hatte, real gewesen sein musste. Der alte Mönch schien mich aus seinem Marmorbildnis heraus anzugrinsen und neben ihm befand sich eine Öffnung. Ich lief mit schnellen Schritten dorthin und sah eine schmale Treppenflucht. Ich kann nicht erklären, welche Emotionen mich überkamen, aber das mächtigste Gefühl in diesem Moment war eine starke und furchtbare Neugier. Die Kerze in der Hand ging ich die Stufen hinunter. Sie endeten am Anfang eines langen Ganges. Diesen durchquerte ich rasch und fand mich neben einer Eisentür wieder. Sie war nicht verschlossen, aber der Riegel ließ sich nur sehr schwer öffnen. Tatsächlich brauchte ich fast all meine Kraft. Schließlich konnte ich sie zu mir hin aufziehen, und dort in einer kleinen Kammer stand der Sarg, genau, wie ihn der Wortlaut des Fluches beschrieben hatte. Ich erstarrte vor Entsetzen. Ich wagte es nicht, einzutreten. Es war ein keilförmiger Sarg, mit riesigen Nägeln verschlossen. Aber während ich ihn betrachtete, gefror mir das Blut in den Adern, denn langsam, ganz langsam, als ob sie von einer unsichtbaren Hand bewegt würde, begann sich die riesige schwere Tür zu schließen, schneller und schneller, bis sie sich mit einem Schlag, der durch das alte Gewölbe hallte, schloss. Vom Schrecken gejagt, rannte ich nach draußen, bis ich mein Zimmer erreichte.

Nun weiß ich, dass dieser große Fluch wahr ist. Dass die Seele meines Vaters die Tür bewacht und sie schließt, denn ich sah es mit meinen eigenen Augen, und während du dies liest, wisse, dass ich dort bin.

Ich beschwöre dich, heirate nicht – bring kein Kind in diese Welt, das diesen schrecklichen Fluch weitertragen müsste. Lass diese Familie aussterben, wenn du den Mut hast. Es ist viel verlangt, ich weiß. Aber ob du es tust oder nicht, komm zu mir dorthin, und wenn ich, durch Zeichen oder Worte, mit dir kommunizieren kann, werde ich es tun, nur behalte dieses Geheimnis für dich. Triff mich dort, bevor mein Körper zu Grabe getragen wird, solange Körper und Seele noch nicht weit voneinander entfernt sind. Lebwohl,

dein dich liebender Vater,

Henry Clinton‘

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