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Kompetenzen für Kantone und Bund

Ab 1884 fördert der Bund die Berufsbildung, siehe hier. Über eine Steuerungsmöglichkeit verfügt er mangels einer Grundlage in der Verfassung aber nicht, ausser indem er die Ausrichtung von Beiträgen an Bedingungen knüpft. In die Lücke springen einerseits die Kantone und anderseits die damals neu entstandenen Verbände der Unternehmer und der Arbeiter. [Verbände]


Abbildung 5 An der landwirtschaftlichen Meisterprüfung 1945 wird auch das Wissen über die Zugleistungen der Kühe geprüft, denn sie hatten einen hohen Stellenwert als Arbeitstiere in der Landwirtschaft (Archiv für Agrargeschichte, Bern)

Der Schweizerische Gewebeverband, gegründet 1879, fördert die berufliche Ausbildung durch Studien zu einschlägigen Fragen, durch die Entwicklung von Musterverträgen und die Propagierung der Lehrabschlussprüfung. [1879b] Gewerkschaften und der Schweizerische Gewerkschaftsbund, gegründet 1880, [1858a] versuchen in den Verhandlungen zum Abschluss von Tarifverträgen auf die Berufsbildung einzuwirken, insbesondere bezüglich des Schutzes der Lernenden.

Kantonale Gesetzgebung: Kapitel 04

Beginnend 1890 mit dem Kanton Neuenburg erlassen die meisten Kantone Gesetze zum Schutz der jugendlichen Arbeitnehmer − und damit der Lehrlinge − und nach und nach auch Bestimmungen zur Gestaltung der Berufslehren. Sie regeln Ausbildungsinhalt und -dauer und führen Obligatorien bezüglich des Besuchs des beruflichen Unterrichts während der Arbeitszeit und zur Durchführung der Lehrabschlussprüfungen ein.

Mit der Revision des Obligationenrechts 1912 treten erste Bestimmungen auf Bundesebene in Kraft: Das Obligationenrecht (Teil des Zivilgesetzbuches) enthält seither Bestimmungen zum Lehrvertrag im Rahmen der Regelungen verschiedener Arbeitsverträge.

Bereits 1908 erhielt der Bund auch die Kompetenz, «über das Gewerbewesen einheitliche Vorschriften aufzustellen». Das Volk stimmte einer diesbezüglichen Ergänzung der Bundesverfassung zu und entsprach damit einer langjährigen Forderung des Gewerbeverbands. [1908a] Aber erst 1930 erlässt er – als erster (weil vergleichsweise am wenigsten umstrittener) Teil der Gewerbegesetzgebung – das «Bundesgesetz über die berufliche Ausbildung» (BbA). Es legt fest, dass ein schriftlicher Lehrvertrag zu unterzeichnen ist, dass die Lernenden neben der Ausbildung in Betrieben fachlichen Unterricht besuchen und gegen Schluss der Lehre die Lehrabschlussprüfung ablegen müssen. Es sieht neben der beruflichen Grundbildung bereits die Meisterprüfung vor, erste Angebote der höheren Berufsbildung. Der Gültigkeitskreis des Gesetzes bleibt aber auf das Gewerbe beschränkt, weil es auf dem Gewerbeartikel der Verfassung fusst. Immerhin bekommt es dank einer breiten Auslegung des Begriffs «Gewerbe» auch Gültigkeit für Industrie, Handel und später zusätzlich für einen Teil des Dienstleistungssektors.

Entstehung und Inhalt des ersten Bundesgesetzes zur Berufsbildung: Kapitel 05

Die land- und milchwirtschaftliche Berufsbildung wird, wie oben dargelegt, ab 1951 in einem Gesetz zur Förderung der Landwirtschaft geregelt. Die Kompetenz zur Regelung der Ausbildung von Berufen des Sozial- und Gesundheitswesens sowie der Kunst erhält der Bund erst bei einer weiteren Revision der Bundesverfassung 1999, siehe hier.

Vollzug der neuen Gesetzgebung

Wegen der Wirtschaftskrise kann das 1930 beschlossene Berufsbildungsgesetz erst 1933 in Kraft treten. 1929 ist das Bundesamt für Industrie, Gewerbe und Arbeit (BIGA) geschaffen worden, dessen Sektion Berufsbildung für den Vollzug des Gesetzes zuständig ist. Es hat seine Kräfte aufzuteilen: Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit hat in den 1930er-Jahren hohe Priorität, denn die Wirtschaft leidet unter der grössten Depression des Jahrhunderts. Erstmals versucht man, sie auch mit Aus- und Weiterbildung von Stellenlosen zu bekämpfen. Umschulungsmassnahmen, z. B. zur Ausbildung von Konfektionsschneiderinnen und Maurern, bewähren sich nicht. [1932b] Viel Erfolg haben die sog. Berufslager, Ausbildungsstätten in Verbindung mit Unterkunftsmöglichkeiten, z. B. das Berufslager für arbeitslose Metallarbeiter in der Hard bei Winterthur, eröffnet 1935. Ihr Ziel ist der Erhalt und der Ausbau erworbener Kompetenzen. 1936 finden über 200 Kurse mit gegen 7000 Teilnehmenden statt. [1935f; 1936d]

Der Depression folgt schon bald der Zweite Weltkrieg. Wieder muss der Vollzug des Berufsbildungsgesetzes im BIGA gegenüber anderen Prioritäten zurückstehen. Immerhin – bis Kriegsende sind Ausbildungs- und Prüfungsreglemente für 154 Berufe genehmigt, womit etwa 90 Prozent aller Lehrverhältnisse erfasst werden [1953a]. 475 gewerbliche, kaufmännische und Handelsschulen bieten beruflichen Unterricht an, hauswirtschaftliche Bildung findet an 1100 Schulen statt.

Bis 1950 erlassen 24 Kantone Einführungsgesetze, Basis für den Aufbau der nötigen Behörden bei den Kantonen. Ihre Koordinationsorgane, die DBK und die CRFP, werden nach und nach von Erfahrungsaustauschgruppen der Amtschefs zu aktiven Koordinationsorganen. Nachdem anfänglich vor allem der Schweizer Gewerbeverband den Bund bei Vollzugsaufgaben wie der Gestaltung von Lehrverträgen und der Organisation von Abschlussprüfungen unterstützte, übernehmen nun die kantonalen Behörden und ihre Koordinationsorgane viele dieser Aufgaben.

Trotzdem − es dauert bis in die 1950er-Jahre, bis genehmigte Ausbildungs- und Prüfungsreglemente für 98 Prozent der Ausbildungsverhältnisse bestehen. Auch die Entwicklung von Normallehrplänen für die Berufsschulen verzögert sich bis weit in die 1940er-Jahre hinein.

Mehr zum Vollzug und zur Finanzierung in Kapitel 10

Berufliche Grundbildung als einer von mehreren Qualifizierungswegen

Hat sich die Zahl der Lehrverhältnisse seit 1933 nur wenig entwickelt, so beginnt sie ab 1942 zu steigen und verdoppelt sich innert 20 Jahren siehe Grafik 1. Von den rund 350 000 Jugendlichen zwischen 15 und 19 Jahren besuchen 1935 57 000 eine Berufslehre, 15 300 eine der sechs Jahre dauernden Oberen Mittelschulen (Gymnasien) oder ein Lehrerseminar und 11 000 eine «berufliche Bildungsanstalt» (Handelsschule, Technikum, gewerbl. Fachschule). Knapp 2 000 erwerben eine Maturität (2,8 Prozent des Jahrgangs), 18 000 (26 Prozent) schliessen die Berufslehre erfolgreich ab und schätzungsweise 3 500 eine berufliche Vollzeitschule (5 Prozent). Zwei Drittel aller Jugendlichen treten somit ohne erfolgreich absolvierte Ausbildung ins Erwerbsleben über. (Stat. JB 1936, Betriebszählung, eigene Berechnungen)[1]


Grafik 1 Lernende in Berufslehren und in Mittelschulen (Quellen: BfS, BIGA)

Diese Zahlen zeigen: Die Berufslehre ist keineswegs der einzige Weg, sich für die Erwerbstätigkeit zu qualifizieren. Viel üblicher − vor allem in Landwirtschaft, Industrie und Hausdienst − ist die informelle Einführung in die aktuell anfallende Arbeit, als «Anlernung» bezeichnet. Das neue Gesetz enthält deshalb auch eine Bestimmung, wonach Angelernte sich zur Lehrabschlussprüfung melden können, ohne eine Berufslehre besucht zu haben, vgl. hier.

Die Berufsschulen entwickeln sich

Nachdem der Bund 1884 mit der Subventionierung der gewerblichen, kaufmännischen, land- und hauswirtschaftlichen Fortbildungsschulen beginnt, wächst ihre Zahl massiv. Zeitweise wurde an über 600 Orten landwirtschaftliche Berufsbildung betrieben, an über 1000 Hauswirtschaft vermittelt. Mit dem Ziel, berufsreine Klassen bilden zu können, sind die Behörden im ganzen 20. Jh. bestrebt, die vielen Schulen zu grösseren Einheiten zusammenzulegen. Die Zahl der gewerblich-industriellen Berufsschulen sinkt deshalb von 1930 bis 2000 von rund 360 auf 130, die kaufmännischen innert sechzig Jahren von 200 auf 60. (BdBR, BfS, eigene Berechnungen)

Während viele Berufsschulen in kleinen und mittleren Städten bis nach dem Zweiten Weltkrieg noch im Untergeschoss oder in einem Nebengebäude einer Volksschule untergebracht sind, haben grössere Städte, z. B. Basel, Bern und Zürich grosse repräsentative Bauten geschaffen, denen oft Werkstätten angegliedert wurden.


Abbildung 6 In den 1930er-Jahren erhält die Berufsschule Zürich am Sihlquai ihr erstes eigenes Schulhaus, in das auch die Kunstgewerbeschule mit ihrem Museum einzieht [1893l]. Die Orientierung am Bauhausstil trägt dazu bei, dass es einem modernen Fabrik- oder Bürohaus gleicht. Die Jahrzehnte früher gebauten Gymnasien orientierten sich eher an Palastbauten (e-pics. ETHZ/BAZ)

Die Schulleitungen verstehen in den 1920er- und 1930er-Jahren ihre Aufgabe nicht nur in der Vermittlung der Theorie, sondern auch im Schliessen von Lücken in der praktischen Ausbildung. Der Bund sieht dies anders, nicht zuletzt wegen den hohen Kosten dieser Werkstätten. Mit den neuen Kompetenzen ausgestattet, weist er ab 1933 die Schulen an, sich auf die Theorie zu konzentrieren und statt Praxisübungen Unterricht zu berufsübergreifenden Themen wie Rechnen, Korrespondenz und Buchführung anzubieten. So setzt sich die seither übliche Arbeitsteilung durch, wonach der Lehrbetrieb für die praktische Ausbildung und die Berufsschule für den berufskundlichen und geschäftskundlichen bzw. (ab den 1960er-Jahren) allgemeinbildenden Unterricht zuständig ist.

Berufsschulen sind auch Thema der Kapitel 21 bis 23

Berufliche Grundbildung in der Industrie

Im 19. Jahrhundert wächst die Zahl der Erwerbstätigen, die in der Industrie tätig sind, von 1000 auf 277 000. 1960 wird der Höhepunkt mit 830 000 erreicht, mit 33 Prozent aller Erwerbstätigen, siehe Grafik 2.


Grafik 2 Erwerbstätige in der Industrie, absolut und relativ zur Wohnbevölkerung. (Elsasser 1975, 5, eigene Darstellung)

In den ersten Jahrzehnten der Industrialisierung sind es Handwerker und Bauern, die den Schritt wagen, in Fabriken zu arbeiten bzw. infolge mangelnder oder schlecht bezahlter Arbeit dazu gezwungen werden. [1819a] Sie müssen nicht nur neue Fertigkeiten erwerben, sondern sich an eine neue Kultur anpassen: feste Arbeitszeiten, klare Trennung zwischen Freizeit und Arbeit (ein Schwatz oder eine Rauchpause sind nicht mehr erlaubt), Akkordarbeit etc.

Für anspruchsvollere Arbeiten werden bewährte Handwerker geholt, denen aber die veränderte Kultur oft Probleme bereitet, alle übrigen werden «angelernt». Das heisst, sie werden für einige wenige Verrichtungen qualifiziert, wobei in den 1920er-Jahren Psychologen beigezogen werden, um die Anlernung so zu gestalten, dass die Angelernten möglichst rasch eine möglichst hohe Produktivität erreichen.

Aber nicht alle Angelernten führen «Primitiv- und Repetitivarbeiten» aus. (Jeangros 1955, 23) Im 20. Jh. entwickeln sich manche zu erfahrenen Spezialarbeitern, die «von Weniger viel Mehr wissen und können» als gelernte und erfahrene Handwerker (ebd.) und die zu Unrecht als «Arbeiter zweiter Klasse» betrachtet werden. Es wird sogar diskutiert, ob nicht die Anlernung für die Industrie eine sinnvolle Alternative zur Berufslehre sein könnte, die sich eher an den Bedürfnissen des Gewerbes orientiert.

Es kommt anders: Nachdem einzelne Grossfirmen wie Sulzer bereits Mitte des 19. Jh. begonnen haben, jungen Männern eine Berufslehre zu vermitteln, wird diese Form der Vorbereitung auf die Industriearbeit bis Ende des 20. Jh. zum Normalfall. Allerdings: Dies geschieht anders als im Gewerbe. Angesichts der streng getakteten, arbeitsteilig organisierten Industriearbeit «stören» Anfänger die Abläufe, und niemand hat Zeit, sie einzuführen. Ab 1870 richten Industriefirmen «Lehrwerkstätten» ein, in denen die Lehrlinge die ersten Monate, ja oft sogar zwei Jahre verbringen, bevor sie in die Produktion wechseln. [Betriebl. Lehrwerkstätten] Dies gilt besonders für die Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie, später aber auch für die chemische Industrie (Lehrlabors, Pilotwerke) und für den Handel (Übungsbüros).


Abbildung 7 In der industriellen Schuhproduktion arbeiten in erster Linie angelernte Arbeiterinnen und Arbeiter. Manche von ihnen erwerben sich ein grosses, hochspezialisiertes Erfahrungswissen. Sie werden zu Spezialarbeiterinnen und Spezialarbeitern mit allen Vor- und Nachteilen einer spezialisierten Ausbildung (Vamus, Industriekultur)

Nicht nur der Lernort ändert, auch die Zielsetzung der beruflichen Grundbildung ändert sich, denn neue Arbeitsformen verlangen andere Qualifikationen. Zum Beispiel die Fähigkeit, zu planen und die eigene Arbeit zu kontrollieren, in Teams zu arbeiten, sich den dynamisch ändernden Fertigungsverfahren anzupassen. Und vor allem: Je mehr industrielle Arbeit automatisiert wird, umso mehr ändert sich die Zielsetzung der Berufslehre. Sie bereitet nicht mehr auf eine Berufsarbeit vor, sondern auf ein Studium in der Tertiärstufe. Denn gesucht sind nicht mehr Arbeiter, sondern es wird auf Tertiärniveau technisch und betriebswirtschaftlich geschultes Personal gesucht, das aber auch eine praktische Ausbildung vorweisen kann.

Mit der Einrichtung von Lehrwerkstätten und vergleichbaren Lernorten wurde im 19. Jahrhunderts die Einführung in die Praxis aus der Produktion hinaus verlagert. Im Rahmen der Bemühungen um die Konzentration auf Kernfunktionen («Outsourcing») verlagern viele Unternehmen seit Ende des 20. Jahrhunderts Organisation und Management der Lehrlingsausbildung aus den Unternehmen hinaus in spezielle Organisationen. Es entstehen «Ausbildungsverbünde», die diese Funktionen für eine Gruppe von Betrieben in deren Auftrag und zu deren Lasten übernehmen.[2] Den Beginn machten 1993 die Firmen SIG und Georg Fischer Schaffhausen [1993b]. Ihnen sind seither die meisten grossen Unternehmen der MEM-Industrie und der Chemie sowie Verkehrsbetriebe gefolgt. [Ausbildungsverbund]

Berufsbildung in industriellen Betrieben: siehe Kapitel 14

Weiterbildung wird zum Thema

Für die Nachkriegszeit wurde eine grosse Arbeitslosigkeit befürchtet. Es kommt anders, die Wirtschaft entwickelt sich dynamisch, bald schon klagt sie über einen Mangel an qualifizierten Arbeitskräften. Die in den 1930er-Jahren aufgebauten Berufslager werden mit der «beruflichen Förderung von Arbeitslosen und Heranbildung von Qualitäts- und Spezialarbeitern» beauftragt. Erstmals lanciert also der Bund Weiterbildungsmassnahmen zur Nachqualifizierung von Erwachsenen ohne oder mit einer veralteten Berufsausbildung. Manche Berufsschulen beginnen, Weiterbildungskurse anzubieten, und Berufsverbände gründen Fachschulen als Träger von beruflicher Weiterbildung und zur Vorbereitung auf die Höheren Fachprüfungen (Meisterprüfungen). 1953 wird bereits auf 75 Titel vorbereitet.

Schwerpunkte zur Weiterbildung und höherer Berufsbildung finden sich in den Kapiteln 31, 19, 29


Abbildung 8 In den 1930er-Jahren wurde viel in die berufliche Nachholbildung investiert. Dazu wurden Lehrwerkstätten eingerichtet und diese mit Unterkunftsmöglichkeiten kombiniert, die sogenannten Berufslager. Nach dem zweiten Weltkrieg wurden einige von ihnen in Fachschulen umgewandelt, so z. B. das Berufslager Hard in die Schweizerische Technische Fachschule Winterthur (Bilddatenbank W'thur)

Fehlt es an Arbeitskräften, liegt es nahe, sie im Ausland zu suchen, zumal die Schweiz im ganzen 20. Jh. ein vergleichsweise attraktiver Arbeitsort darstellt. Nach dem Zweiten Weltkrieg sind es in erster Linie Italienerinnen und Italiener, die angeworben werden. Die meisten sind ungelernt, viele haben die Volksschule – wenn überhaupt – nur fünf Jahre besucht. Italienische Emigrationsorganisationen entwickeln in der Schweiz ein eigenes, für italienische Arbeiterinnen und Arbeiter bestimmtes Weiterbildungsprogramm, umfassend berufsorientierte und allgemeinbildende Kurse, später auch Programme zur Integration der zweiten Generation – erste Massnahmen im Rahmen der interkulturellen Pädagogik.

Vergleiche dazu Kapitel 32, Berufsbildung für Migrant/-innen

Die Förderung der Weiterbildung durch den Bund begann aber nicht erst nach dem Zweiten Weltkrieg, sondern wie diejenige der Grundbildung 1884. Gefördert wurde damals die Weiterbildung durch «Wandervorträge», in denen Neuerungen wie die Anwendung von elektrischem Strom oder neue Düngemethoden vorgestellt wurden. Gefördert wurden zudem Periodika mit berufskundlichen Beiträgen und die «Modell- und Mustersammlungen», in denen Handwerker anhand von «Mustern» aus dem Ausland Anregungen für die Verbesserung der eigenen Produkte finden konnten. Diese Sammlungen entwickeln sich zu Gewerbemuseen weiter, einige später zu Kunstgewerbemuseen und dann zu Museen für Gestaltung.

Gewerbemuseen sind Thema von Kapitel 20

Erste Revision des Berufsbildungsgesetzes

Mitte der 1950er-Jahre wird von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen, dass das 1930 erlassene Gesetz veraltet sei. Es regle nur die berufliche Ausbildung, von Weiterbildung sei nur am Rande die Rede.

1958 wird eine Kommission eingesetzt, die das 1930 erlassene Gesetz revidieren soll. Sie wird von Fürsprecher Hans Dellsperger geleitet, der im gleichen Jahr die Leitung der Abteilung Berufsbildung im BIGA übernommen hat. Der 1962 vorgelegte Entwurf enthält gemäss allgemeiner Meinung nicht allzu viel Neues. Immerhin ermöglicht die 1963 verabschiedete Version eine stärkere Förderung der Weiterbildung und bringt die Umbenennung der Techniken in «Höhere Technische Lehranstalten», deren Absolventen sich nun «Ingenieur-Techniker HTL» nennen können. Weitere wichtige Neuerungen sind gemäss Bundesrat die Regelung der Berufsberatung und die Aufwertung der Berufsschule.

Mehr zum BBG 1963 in Kapitel 06, zur Berufsberatung in Kapitel 33, zu den Berufsschulen in Kapitel 22

Lehrerbildung

Die Notwendigkeit des Ausbaus und der Systematisierung der Vorbereitung von Lehrpersonen an Berufsschulen wird seit den 1880er-Jahren diskutiert. Immer wieder finden einzelne Kurse für Lehrpersonen statt.

1972 geht es nun einen grossen Schritt weiter: Im Frühjahr beschliesst der Bundesrat die Gründung des «Schweizerischen Instituts für Berufspädagogik» (SIBP) als Sitz und verantwortliche Stelle für die Aus- und Weiterbildung dieser Lehrpersonen, für die Führung einer Dokumentationsstelle und für die Forschung zum beruflichen Unterricht. Im Oktober beginnen bereits die ersten Studiengänge für Lehrpersonen von Berufsschulen, vorerst in gemieteten Räumen und einem «hölzernen Pavillon» (d. h. einer Baracke!) in Bern-Wankdorf. Im Jahr darauf wird eine französischsprachige Abteilung in Lausanne gegründet, und ab 1979 finden im Tessin italienischsprachige Kurse statt.


Abbildung 9 Der Hautpsitz des Schweizerischen Instituts für Berufspädagogik, dem heutigen Eidgenössischen Hochschulinstitut für Berufsbildung, konnte 1986 einen repräsentativen Neubau in Zollikofen (BE) beziehen (G. Herzog und EHB)

1986 kann der Hauptsitz von Bern in einen repräsentativen Neubau in Zollikofen zügeln. 2007 wird aus dem SIBP das «Eidgenössische Hochschulinstitut für Berufsbildung» (EHB). Inzwischen ist das Arbeitsfeld auf alle Bereiche der Berufsbildung ausgeweitet worden, sowohl bezüglich der Ausbildung als auch der Forschung. (Lustenberger 2010)

Die Qualifizierung der Lehrpersonen ist auch Thema des Kapitels 24

Das EHB hat aber auch Konkurrenz bekommen: Verschiedene Pädagogische Hochschulen bilden ebenfalls Lehrpersonen für die Berufsschulen aus, ergänzend zur Ausbildung von Handelslehrerinnen und -lehrern an mehreren Universitäten.

Begabtenförderung

Im Oktober 1957 schiesst die Sowjetunion überraschend einen Satelliten ins All und beweist damit, dass sie technisch leistungsfähiger ist, als der Westen annahm. («Sputnikschock»). Der Westen leitet eine Aufholjagd ein, an der sich auch die Schweiz beteiligt. Die MEM-Industrie verlangt eine Verdopplung der Ausbildungsplätze für Techniker und Ingenieure. Die «Begabtenförderung» wird zum Anliegen der Bildungspolitik, wobei darunter in erster Linie die Förderung des Mittel- und Hochschulbesuchs verstanden wird. In den 1960er-Jahren entstehen im Rahmen dieser Bemühungen neue Mittelschulen, aber auch neue Technika zur Weiterbildung von Berufsleuten, darunter auch Abendtechnika und ein landwirtschaftliches Technikum.

Wovon ist die Rede?

Mittelschulen sind Schulen in der Sekundarstufe II. Die bekanntesten Mittelschulen sind die Gymnasien. Weitere sind insbesondere Handelsmittelschulen, Fachmittelschulen, Berufsmittelschulen. Sie bereiten auf Hochschulen vor, weshalb sie auch als Maturitätsschulen bezeichnet werden. Sie können aber auch doppelqualifizierend sein, also sowohl auf das Erwerbsleben wie auf ein Studium vorbereiten.

Die im 19. Jh. üblichen Industrie-, Handels- und Kunstschulen umfassten oft zwei Stufen, die wir heute (wie die Langzeitgymnasien) zu Sekundarstufe I bzw. Sekundarstufe II zählen würden. Vgl. auch [Mittelschulen] im Materialienband.

Die Bestrebungen sind erfolgreich: In den 1960er-Jahren verdoppelt sich sowohl die Zahl der Maturitäten (1960 sind es 3105, 1970 bereits 5959) als auch die Zahl der Studierenden an den Schweizer Hochschulen. Der Drang an die Gymnasien stösst bei den Gymnasiallehrern nicht nur auf Begeisterung, denn ihre Schülerschaft verändert sich. Dies führt dazu, dass eine Studiengruppe von Gymnasiallehrern 1967 einen neuen, weniger anspruchsvollen Typ von Mittelschulen vorschlägt, die «Schule für mittleres Kader». [1967g; 1968c]

Auch der Anteil an Jugendlichen, die in eine Berufslehre eintreten, wächst. Von den leistungsfähigsten wandert ein Teil an die Mittelschulen ab. «Die Qualität der Lehrlinge hat sich wesentlich verschlechtert», stellt H. Dellsberger, Sektionschef BIGA, fest. [1968g]

Bereits 1968, im Anschluss an die Präsentation der Schule für mittleres Kader, gibt das BIGA grünes Licht für einen Pilotversuch mit einem Zug mit mehr Allgemeinbildung, genannt «Berufsmittelschule» (BMS). Sie soll die Berufslehre wieder attraktiv für leistungsstarke Jugendliche machen und damit die Abwanderung in die Mittelschulen bremsen. Noch im gleichen Jahr nehmen an der Gewerbeschule Aarau und der Berufsschule BBC in Baden die ersten Berufsmittelschulen ihren Betrieb auf. Ein Jahr darauf ziehen Bern und Zürich nach. Die neuen Schulen sind für die «besten 5 Prozent der Lehrlinge» bestimmt und vermitteln ihnen an einem Tag pro Woche zusätzlichen allgemeinbildenden Unterricht.

Den Initianten geht es in erster Linie um vertiefte Allgemeinbildung. In Absprache mit regionalen HTL erreichen sie aber bald, dass erfolgreiche Absolventen der Berufsmittelschulen von der Aufnahmeprüfung in die HTL befreit werden. Ersten informellen Absprachen folgt 1975 eine Vereinbarung von sechs Kantonen mit verschiedenen HTL, die den prüfungsfreien Übertritt regelt.

Zu Nachwuchsförderung siehe Kapitel 11, zu BMS und Berufsmatura Kapitel 25

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9783035516760
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