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Navimag

Das Frachtschiff der Navimag wurde für Passagiere umgebaut.Das Einchecken erfolgt an einem Schalter in der Busstation. Es ist den ganzen Tag möglich. Boarding auf die Fähre findet dann abends um 23 Uhr statt. Das gewährleistet, dass das Schiff morgens abfahren kann, wenn das Wetter am günstigsten ist und nicht noch auf einzelne Gäste gewartet werden muss. In der ersten Nacht liegt das Schiff noch im Hafen. Den habe ich mir schon mittags angesehen. Alles wirkt irgendwie sehr abenteuerlich. Das Schiff ist nicht mehr ganz neu. Es wird wie auch immer eine spannende Reise werden. Man ist die ganze Zeit auf dem Schiff. Aussteigen ist nicht vorgesehen. Aber oben gibt es ein riesiges Deck mit Bänken.

Die Fähre transportiert Reisende, die sich keine Kreuzfahrt leisten können – aber diese Reise ist tausendmal besser als jede Kreuzfahrt und mit einem sehr netten, etwas alternativen Publikum.

Die Fahrt dauert fünf Tage. Vier Nächte an Bord durch den Süden Chiles, durch diese spektakuläre rauhe Landschaft, vorbei am Nationalpark Torres del Paine, den patagonischen Kanälen und unberührten Inseln des Pazifik, vorbei an den Gletschern und schneebedeckten Bergen, an alten Schiffswracks, die niemand mehr aus dem Meer räumt, mit Sonnenauf- und -untergängen, wie ich sie noch nie gesehen habe. Himmelsformationen, Wolken, Nebel und strahlendes Blau. Ein Blau über den Inselchen, das man mit Worten gar nicht beschreiben kann, so tief und intensiv scheint es. Und mit interessanten Menschen an Bord, die bald wie eine Familie sind. Sie kommen aus aller Herren Länder, jeder mit einer eigenen außergewöhnlichen Reisegeschichte. Es sind fast nur Langzeitreisende, Menschen im jungen und mittleren Alter. Sie machen Musik, sie haben Gitarren dabei und singen, und sie machen Yoga auf dem Deck des Schiffes, zweimal am Tag. Das gehört zum Angebot der Crew. Außerdem werden täglich Vorträge über Flora und Fauna Patagoniens angeboten.

Eine Traumreise durch die Fjordlandschaft des Pazifik, im chilenischen Teil von Patagonien.

Bevor wir unsere Kabinen beziehen gibt es Instruktionen für die fünf Tage. Vollverpflegung, eine Bar, kein Wifi – wunderbar. Die Mitreisenden scheinen nett, es gibt auch ein paar ältere Leute. Sogleich habe ich guten Kontakt zu einer Österreicherin und einem Schweizer.

Ich habe eine Vier-Bett-Kabine ganz für mich allein. Traumhaft, viel Platz und ich kann die Tür schließen. Durch eine Schiffsluke kann ich hinaussehen. Die Gemeinschaftsduschen und Bäder sind sauber und funktionieren. Das Essen ist nach meinem Geschmack sehr gut und vor allem sehr reichhaltig. Das Ganze funktioniert ein bisschen wie in einer Jugendherberge und man holt sich das Essen selbst an der Essensausgabe. Das Geschirr bringt man dann zurück. Tee, Kaffee, Saft und Obst gibt es immer.

Den ersten Morgen um 6 Uhr, oder je nach Wetter eventuell auch früher, legt das Schiff ab. Ich habe gut geschlafen und werde wach durch Hafen- und Motorengeräusche. Als ich aus dem Kabinenfenster schaue, fahren wir schon. Nichts wie an Deck, das muss ich mitbekommen.

Als Erstes durchqueren wir den Union-Sund und nehmen Kurs auf die engste Stelle der gesamten Strecke. Sie ist nur 80 Meter breit. Es ist kalt, der Himmel blau, die Sonne schon lange aufgegangen und schon fahren wir durch diese filmreife Landschaft vorbei an kleinen Inselchen. Die Robben grüßen und begleiten das Schiff und die schneebedeckten Berge sind eine Pracht.

Ich stehe da und bin so glücklich, dass ich das noch erleben darf. Da von meinen Freunden niemand da ist, mit dem ich es teilen kann, teile ich es mit den anderen, mir noch fremden Mitreisenden, die genau wie ich dastehen und staunen. Dieses Teilen eines Naturwunders verbindet und macht warm ums Herz, es ist so, als ob diese Natur in der Lage ist, Liebe und Frieden auszulösen. Mir kommen ein paar Tränen, so gerührt bin ich von dem Anblick und auch von der Stille um uns herum. Das Schiff gleitet und macht kein Geräusch. Den anderen geht es genauso. Delfine schwimmen neben dem Schiff.

Die Lichtverhältnisse erinnern mich an Bilder aus Island, ein wechselhaftes Farbenspiel am Himmel.

Wir steuern auf die kleine Siedlung Puerto Eden zu, die sich auf der Insel Wellington befindet. Sie ist eine der größten Inseln Chiles und gehört zum Nationalpark Bernardo O’Higgins. Hier leben nur wenig Menschen. Zwei Personen kommen mit einem kleinen Boot und steigen zu und ein Postsack wird abgeladen.

Inzwischen haben wir eine kleine Gruppe gebildet, die bei den Mahlzeiten an einem Tisch sitzt. Wir treffen uns immer wieder und kennen bald unsere ganzen Lebensgeschichten. Abends spielen wir und machen auch das Yoga zusammen.

Da ist Roberto, der Italiener, mittelalt, Fahrradfahrer, durch ganz Argentinien geradelt, durch Patagonien. Bergauf, bergab, tagelang niemanden gesehen, alle Wetterlagen erlebt und durchlitten, besonders Sturm und Hitze. Er zeigt Fotos. Wie ist es, wenn man tagelang niemanden sieht? Angst, wenn etwas passiert, die nicht enden wollenden Straßen immer geradeaus, ab und zu mit Kollegen radeln. Die große Einsamkeit genießen. Diese Art des Unterwegsseins ist seine große Liebe. Entsprechend drahtig, muskulös und braungebrannt kommt er daher.

Der Schweizer Erich, Bergsteiger nicht nur in der Schweiz, Bergliebhaber, seine Frau gar nicht, besteigt hier die Berge und vergleicht sie immer mit denen in der Schweiz. Er ist begeistert von Patagonien. Wer als Bergsteiger nicht in Südamerika war, muss auf die schönsten Berge verzichten. Jeder Berg ist ein ganz besonderes Individuum. Bergsteiger sprechen von ihren Bergen wie von ihren Kindern.

Ich habe viele Bergsteiger unterwegs getroffen, die meisten aus der Schweiz und Österreich, aber auch aus Deutschland oder aus südamerikanischen Ländern. Sie wirken auf mich wie eine eigene Spezies.

Die Österreicherin Elli, frisch geschieden, Sozialarbeiterin, Mitte 40, statt einer Pilgerreise auf dem Jakobsweg hat sie sich für Patagonien entschieden, ihre erste Reise alleine. Nachdem sie Familie, Mann, Kinder, Haus und das Übliche durch hat, ist sie nun, wie sie sagt, in der Alterspubertät und in der Lebensphase der Befreiung. Solche Leute sind immer spontan, begeisterungsfähig und erproben gerne Neues. Deswegen mag ich sie besonders. Wenn man die nämlich fragt, hast Du Lust auf irgendwelche verrückten neuen Ideen, für die ich immer zu haben bin, dann sagen sie fast immer spontan „ja“.

Bei den anderen höre ich nur: Ja gerne, aber ... tolle Idee, aber ... so gibt es viele Menschen, auch gute Freunde von mir, die in ihrem Leben niemals irgendetwas mit mir anstellen würden. Ich habe wohl Verständnis dafür, aber diese Freiheits-Emanzipationskämpfer wie Elli, zu denen zieht es mich dann doch eher hin, wenn ich etwas vorhabe und eine Begleitung suche.

Und dann ist da noch ein älterer Herr, der ab und zu auch in unserer Runde dabeisitzt. Bob aus USA. Er fiel mir schon beim Einsteigen auf, weil er weder Funktionskleidung noch Rucksack trägt, sondern Anzug, Hemd und Krawatte, einen eleganten Mantel und einen Koffer. Er sieht so aus, als ob er gesundheitlich nicht so ganz auf der Höhe ist; berichtet, er würde in die ganze Welt reisen, prahlt etwas nervig damit, wo er überall schon war. Es gibt wohl keinen Ort, den er noch nicht gesehen hat. Er habe viel Geld und wolle das jetzt ausgeben. Wobei man sich fragt, warum er kein Kreuzfahrtschiff besteigt. Er macht sich damit nicht ganz so beliebt, da er aber sehr allein zu sein scheint und auch nicht so Anschluss findet, landet er schließlich an unserem Tisch. Er sitzt meist nur dabei und redet sonst nicht viel.

Am nächsten Tag fahren wir durch den Golfo de Penas. Das Schiff schwankt, die Wellen sind 3 – 6 Meter hoch. Hoffentlich wird mir nicht schlecht. Die Crew hat Reisepillen verteilt, weil wir hier durch die offene See fahren. Das dauert etwa zehn Stunden. Aber es geht gut. Einige werden allerdings tatsächlich seekrank und sehen sehr leidend aus.

Das Essen ist fantastisch, abends gibt es Lachs und mittags Hähnchen, zweimal warm am Tag, zweimal Menü. Man bewegt sich ja kaum, trotzdem habe ich viel Hunger. Vielleicht weil ich die meiste Zeit draußen auf dem Deck bin. Das macht die Seeluft, hätte meine Mutter gesagt.

Als das Meer sich beruhigt hat, passiert das Unfassbare: ein Blauwal, so lang wie das Schiff. Das glaubt mir keiner, ein unvergesslicher Anblick. Ich kann mich gar nicht satt sehen und vor Staunen vergesse ich ein Foto zu machen. Hinterher bin ich darüber sehr zufrieden und damit sehr einverstanden.

Abends hören wir einen Vortrag über die Tiere, die sich hier tummeln und über den Blauwal: Er kommt in allen Weltmeeren vor und kann bis zu 33 Meter lang werden und bis zu 200 Tonnen schwer. Auch kann er sehr alt werden, mindestens 100 Jahre, wenn nicht älter.

Mein Fotoapparat macht schlapp. Das Objektiv lässt sich nicht mehr einfahren. Das gibt es ja gar nicht, dasselbe ist mir mit demselben Fotoapparat beim Eintritt in Machu Picchu vor vier Jahren passiert.

Dieser Fotoapparat hält diese Schönheit nicht aus. Er streikt und vielleicht hat er Recht. Jedes Mal macht das etwas mit mir und jedes Mal stellt sich mir die Frage: Warum machst du diese Fotos, warum reist du nicht ohne Kamera? Das wäre eigentlich für mich reizvoller. Ich würde dann ganz anders nochmal in die Welt schauen. Aber ich traue mich das nicht, weil ich weiß, dass ich inzwischen auch vergesslich geworden bin und mich beim Betrachten alter Fotos erinnern und riesig freuen kann über vergangene Ereignisse, die ich so möglicherweise nicht in mein Gedächtnis hätte zurückholen können. Also eben doch ein paar Erinnerungsfotos nur für mich. Anderen Menschen zeige ich die Fotos fast gar nicht, weil ich weiß, dass viele sich emotional nicht wirklich für die Fotos und Reisen anderer interessieren, es sei denn, es gibt da irgendetwas, mit dem man sich selber identifizieren kann.

Ich frage einige Männer an Bord, die Fotoapparate bei sich tragen, die richtig gut und teuer aussehen, und die ständig fotografieren, in der Annahme, dass sie sich auskennen und meinen Apparat wieder in die Gänge kriegen können. Sie bas­teln ein bisschen dran herum und wissen auch keinen Rat.

Nach zwei Tagen hat er sich wieder selbst repariert, wie damals auch.

Mein Freund Siegfried, genannt SAGA, ist Künstler und hat eine ganz eigene Art, Erinnerungen herzustellen. Wenn er und seine Frau reisen, benutzen sie die Technik der Frottage.

Er sagt dazu: „Die Kunst und die Welt des Reisens als Openair-Atelier zu nutzen, war unser Ziel. Aber wie? Ausgangspunkt waren zunächst die herzlichen und aufschlussreichen Begegnungen mit blinden Menschen. Sie lenkten unsere Aufmerksamkeit mehr denn je hin zum

bewussteren Sehen und Begreifen. Um dies bildhaft zum Ausdruck zu bringen, spezialisierten wir uns auf die so genannte Frottagetechnik. D.h., wer als Kind das Profil (Relief) einer Münze mit Bleistift auf ein Blatt Papier durchgerieben (franz. frotter)hat, kennt dieses 2000 Jahre alte Druckprinzip.

Auf unseren Reisen z. B. durch alle 28 Hauptstädte der Europäischen Union, durch deutsche Universitätsstädte oder entlang der Eisenbahnstrecke von Berlin über Moskau bis Vladivostok, galt es, markante landes- und städtetypische Reliefoberflächen an Gebäuden, an Denkmälern, auf Straßen und Plätzen und in Parkanlagen zu finden und als geeignet zu erfassen. Diese Reliefentdeckungen wurden sodann mittels farbigen Ölkreiden auf passend vorbemalte Stoffbahnen vor Ort original frottiert. Dabei verwiesen die vielfältigen Symbole, Ornamente, Texte, Zahlen, Namen und Strukturen auf die teils tragischen, aber auch fortschrittlichen Vergangenheitsereignisse in historischer, kultureller, gesellschaftlicher, ökonomischer und religiöser Hinsicht. Auf diese Weise entstanden sich verdichtende kaleidoskopartige Kompositionen.

In der Quintessenz führte diese künstlerische Vorgehensweise in der Welt des Reisens, nicht nur vor Ort, sondern auch bei nachfolgenden Kunstausstellungen, zu bereichernden Begegnungen von und mit international aufgeschlossenen Menschen.“

Am dritten Tag fallen die Schwächen der Fähre auf. Sie ist veraltet und vergammelt, aber daran stört sich niemand. Diese Reise ist so einzigartig, dass ich sie wohl mit jedem Schiff machen würde, sofern es sauber ist, und das ist es.

Es ist ein neues Erlebnis für mich, in einer Gruppe fünf Tage auf einem Schiff zu sein ohne Landgang. Es ist eine wunderbare Erfahrung mit netten Menschen, die auf dieser Fahrt wie eine Familie sind. Wenn man Frühaufsteher ist, so wie ich, dann trifft man jeden Morgen noch vor dem Frühstück zum Sonnenaufgang dieselben Menschen, dieselben ­Frühaufsteher. Auf so einer Tour kann man recht vertraut miteinander werden und erzählt sich viele private Dinge. Das tut gut und man ist geschützt, weil man sich nach Ende der Fahrt wahrscheinlich nie im Leben wiedersehen wird. Gleichzeitig kann man sich auf diesem Schiff aber auch sehr gut aus dem Wege gehen und es entsteht nicht so eine Gruppendynamik wie zum Beispiel bei einer Busreise. Ich freue mich sehr, dass ich diese Fahrt gemacht habe.

Langsam erreichen wir den Golf von Ancud. Hier sind die Fahrwasser ruhig. Der Golf wird von den Inseln des Chiloe- Archipels geschützt, mein nächstes Ziel.

Chiloe ist eine grüne, hügelige Insel.

Auf der gegenüberliegenden Seite auf dem Festland ragen zum Schluss der Reise noch zwei gewaltige schneebedeckte Vulkane in den blauen Himmel.

Dann ändert sich das Wetter. Es ändert sich ständig und rasch, erst Regen und Wolken, kurze Zeit danach, nach einem heftigen Wind, wieder strahlend blauer Himmel und gespens­tische Ruhe. Das Schiff gleitet vorbei an Seelöwen, Pinguinen und Delfinen.

Um 8.30 Uhr morgens erreichen wir Puerto Montt.

Chiloe,

Puerto Varas,

Valdivia

Puerto Montt ist eine wichtige Hafenstadt. Auch Kreuzfahrtschiffe legen hier regelmäßig an. Die Lage ist fantastisch, mit Blick auf den Vulkan Osorno, ein guter Ausgangspunkt für Expeditionen. Vor allem kann man hier hervorragend Fisch essen. Ich will aber am gleichen Tag weiter auf die vorgelagerte Insel Chiloe, an der wir mit der Navimag schon vorbeigefahren sind. Allerdings, einen Fisch esse ich vorher noch.

Im Norden Chiles regnet es weiter. Es regnet immer mehr – Überschwemmungen, Regen in der Atacama-Wüste, Regen in San Pedro de Atacama – Klimawandel. Die Straßen sind nicht ausgerichtet auf Regen und schwimmen weg.

Busfahrten sind nicht mehr möglich. Ich habe Bilder von Touristen in Nordchile gesehen, wie sie bis zu den Hüften im Wasser, das Gepäck über den Kopf haltend, vom Bus in ein Haus waten. In Arica ganz oben im Norden sind ganze Gehwege weggebrochen.

Die Bewohner sind ja Wetterkapriolen gewohnt, aber dies ist auch für sie sehr ungewöhnlich. Klimawandel ist nicht so im Bewusstsein der Südamerikaner. Vieles, was für uns eine Naturkatastrophe ist, nehmen sie hier deutlich gelassener. Sie haben weniger die Illusion, man müsse die Natur beherrschen und kontrollieren können. Sie sind es gewohnt, mit Erdbeben und Vulkanausbrüchen zu leben.

Ich werde meine Pläne ändern müssen. Nach San ­Pedro de Atacama fährt jetzt kein Bus. Deswegen werde ich von ­Santiago de Chile oder Valparaiso erst nach Nordargentinien gehen, nach Mendoza. Dort regnet es nicht.

Chiloe ist eine entspannte Insel, geprägt von bunten Holzhäusern und Holzkirchen.

Die farbigen Häuser, Pfahlbauten, die über dem Wasser errichtet wurden, heißen Palafitos und die ebenfalls farbigen Holzkirchen gehören teilweise zum UNESCO-Weltkulturerbe.

Die Kirchen wurden von den Jesuiten gebaut, die bis zu ihrer Vertreibung 1767 die Ureinwohner missionierten und dann von den Franziskanern abgelöst wurden.

Auch hier genieße ich den frischen Fisch und esse fast jeden Tag Merluza a la Plancha, Muscheln oder andere Meeresfrüchte.

Der Bus von Puerto Montt nach Ancud auf Chiloe braucht zwei Stunden und fährt alle 30 Minuten. Ein kleines Stück setzt er dann mit der Fähre über.

Das Hostel in Ancud sagt mir nicht so zu. Es ist laut und es ist weit bis ins Zentrum.

Ich besichtige diese Holzkirchen und bestaune nachmittags Seelöwen und Kormorane auf einer kleinen vorgelagerten Insel, die ich mit dem Boot erreiche. Hier kann man sehr gut die Tiere beobachten, die sich über die ganze Insel verteilen.

Abends gibt es im Mercado Municipal eine Paella Marinara, eine köstliche, reichhaltige Fisch- und Muschelsuppe.

Aus den Nachrichten erfahre ich, dass der Norden Chiles jetzt sogar gesperrt wurde wegen der Überschwemmung.

So gemütlich, wie die Insel ist, schlendere ich zum Fort und begegne wieder vielen Tieren. Am letzten Tag in Ancud geht es mit einer geführten Tour, zusammen mit zwei chilenischen Familien zu einigen kleinen Inseln und Holzkirchen. Manchmal ist es gut, wenn man eine Führung hat. Da erfährt man dann doch eine Menge mehr über die Kultur. Im Bus und auch beim gemeinsamen Mittagessen unterhalte ich mich mit einer chilenischen Familie. Der Mann ist bei der Armada, bei der Marine, und die Frau ist Krankenschwester. Sie wohnen in Santiago und machen Urlaub auf Chiloe. Sie erzählen von ihrem Alltag und ihren Berufen. Eine ganz normale Mittelstandsfamilie. Nicht so viel anders als bei uns.

Ich komme erst abends um 20 Uhr zurück und bin schockiert. Der Hostelbesitzer hat mein Zimmer geräumt und alle meine Sachen durcheinander in Plastiktüten in eine Ecke verfrachtet. Ich denke, ich sehe nicht recht. Er hat die Verlängerungsnacht, die ich gebucht hatte, nicht eingetragen und jetzt das Zimmer anderweitig belegt. Ich kann ihm eine Bestätigung über die Verlängerung in seiner Email zeigen. Ich bin sehr wütend und finde das einfach übergriffig. Ich bekomme dann ein Bett in einem Doppelzimmer für die letzte Nacht, das andere Bett ist von einer US-Amerikanerin belegt, und ein Frühstück. Beides habe ich nicht bezahlt. Er hat sich dann aber noch entschuldigt.

Castro ist die Hauptstadt der Insel. Nach Ankunft am Busbahnhof suche ich die Casa Amelia und finde sie nicht. An der angegebenen Adresse stehen keine Namen. Es gibt zwar eine Klingel, aber darauf reagiert niemand. Hintendran im Hof sitzt eine ältere Dame mit zwei Katzen. Ich erkläre ihr, dass ich in dem Haus ein Zimmer gemietet habe. Sie sagt, da würde nichts vermietet. Eine Wohnung sei leer und in der anderen lebe ein junger Mann, der aber bei der Arbeit sei. Ich komme so nicht weiter und frage noch in einem Laden nach. Ich habe kein Telefon für Chile, aber den Ladenbesitzer kann ich dann sehr freundlich zweimal bitten, die angegebene Telefonnummer anzurufen. Schließlich tut er es. Es ist etwas schwierig herauszufinden, was denn die Person am anderen Ende der Leitung gesagt hat. Dieser Ladenbesitzer scheint mir gegenüber misstrauisch. Kein Wunder, Frauen reisen hier nicht allein.

Schließlich erfahre ich, dass jemand kommt. Ich warte noch eine ganze Weile bei der Frau mit den zwei Katzen im Hinterhof und dann kommt tatsächlich ein junger Mann, Felipe, mit einem Cockerspaniel. Ich erkläre ihm, dass ich ein Zimmer in seiner Wohnung gemietet habe. Er entschuldigt sich, er habe arbeiten müssen. Der junge Mann, er ist ein Mapuche, macht einen sehr sympathischen Eindruck und der Hund überzeugt mich. Ich bin in Tiere ganz vernarrt, so dass ich ihm ins Haus folge.

Eine sehr schöne Wohnung, ein schönes Haus. Das ganze Haus gehört ihm, er hat es geerbt, wie sich später herausstellt. Es ist hübsch eingerichtet und sehr sauber, auch mein Zimmer, natürlich ein Doppelzimmer, wie alle Zimmer in Südamerika.Einzelzimmer gibt es fast gar nicht, weil Einzelpersonen, außer ein paar Geschäftsleuten, nicht reisen. Es gibt für Paare und Familien und für die einzeln reisenden Geschäftsleute Hotels. So habe ich immer ein Doppelzimmer und zahle allerdings auch immer mehr als eine Person eines Paares. Das Bad teile ich mit dem Besitzer und Frühstück macht er mir auch.

Felipe erzählt von seiner Familie, von seinem Volk, den Mapuche. Felipe ist ein stolzer Mapuche. Sie haben es nicht leicht in Chile, auch hier gibt es Rassismus und Vorurteile gegenüber den Ureinwohnern. Ihr Land wurde durch die chilenische Armee nach der Unabhängigkeit enteignet und um die Rückgabe kämpfen sie noch heute. Auch wenn die Verhältnisse sich im Laufe der Jahre für die Mapuche gebessert haben, sie sind nicht wirklich integriert. Sie sehen ihr Land und ihre Kultur als die Grundlage ihres Lebens an und das Leben im Einklang mit der Natur gehört zu ihrem Glauben.

Diese Insel ist landschaftlich wunderschön. Manches erinnert mich an Neuseeland.

Felipe nimmt mich morgen mit auf ein Musikfestival, tradi­tionelle chilenische Volksmusik, traditionell gebrautes chilenisches Bier. Ein Handwerkermarkt und traditionelles Essen. Er erklärt mir alles und ich koste mich durch die vielen Speisen durch. Gegen Abend tanzen die Menschen – Volkstänze, in Trachten, viele ältere Einwohner, viele Mapuche darunter. Wir fahren mit dem örtlichen Bus spät zurück. Ein wunderschöner Tag und ich habe so viel über Chile gelernt. Die Menschen sind so freundlich und freuen sich offensichtlich, wenn ein Fremder ihre Feste besucht.

Auf Ausflügen und Bootsfahrten gibt es außer mir nur chilenische Touristen. Sie sind meist laut und lachen viel und sind sehr interessiert an Deutschland. Sie reisen immer mit Großfamilie und sie sind kontaktfreudig.

Die Familienstruktur in Südamerika ist festgelegt. Man lebt in Großfamilie und Unternehmungen finden immer mit allen statt, egal wie alt, sofern sie noch können. Auch kleine Kinder werden zu jeder Tages- und Nachtzeit überall mit hingenommen. Der Mann ist das Oberhaupt der Familie und eine Frau wird gegen den Willen ihres Mannes kaum etwas unternehmen. Die Rollen sind ziemlich festgelegt, das heißt, dass die Frauen den Haushalt machen, obwohl Männer auch oft liebevoll mit den Kindern umgehen, aber dass ein Mann Hausmann sein könnte, ist eigentlich undenkbar, obwohl die Frauen ja durchaus auch berufstätig sind. Aber trotzdem ist die ganze Familie patriarchalisch orientiert und es gibt einen starken Zusammenhalt. So wie in unserer Kultur Autonomie der Ehepartner oft von Bedeutung ist, so kann man sich das hier nicht vorstellen.

Und dass eine Frau alleine durch die Welt reist – gar nicht denkbar. Deswegen werde ich immer wieder, in jedem süd­amerikanischen Land, manchmal mehrmals am Tag gefragt: „Esta sola?“ (Sind Sie allein?) Wenn ich das bejahe, muss ich es erklären und sie wollen es genau wissen. Wo ist der Mann? Wo sind die Kinder? Warum allein reisen? Sie können es sich einfach nicht vorstellen, dass Frau auch alleine reisen kann, obwohl sie verheiratet ist.

Wenn mir die vielen und häufigen Fragen auf den Geist gehen oder ich manchmal auch keine Lust auf ewige Erklärungen habe, weil man das nicht ein paar Mal am Tag machen kann, sage ich, dass mein Mann im Hotel ist und damit ist es dann zu ihrer Zufriedenheit erledigt.

In Castro herrscht ein Wahnsinnsverkehr. Es ist laut, voll, heiß – unangenehm. Ich fahre in den Parque Nacional Chiloe mit einer kleinen Gruppe. Wir besichtigen noch ein paar besonders schöne Holzkirchen, die über die Insel verteilt sind. Im Nationalpark gibt es eine längere Wanderung und dann ein gemeinsames Mittagessen; Lachs auf chilenisch mit chilenischem Wein. Der ist nicht schlecht. Wieder sind mit mir nur Chilenen unterwegs.

Bei einer Wanderung stellt sich so ein Urlaubsgefühl ein. Ja ich hatte auf meiner Reise immer wieder auch das Gefühl: ich bin urlaubsreif. Somit beschließe ich, jetzt Urlaub zu machen. Das hat wohl auch etwas mit dem Klima hier zu tun, das sich meist in angenehmer Mittellage verortet und damit nicht so anstrengend ist.

Am letzten Abend gehe ich mit Felipe nochmals auf ein anderes Folklorefest. Wir hören Mapuche-Musik. Ich lade ihn zu einem Artesanal-Bier ein und wir haben eine Menge Spaß.

Von Puerto Montt sind es nur 20 Kilometer bis Puerto Varas. Die Stadt liegt am Südufer des Llanquihue-Sees, mit rund 860 Quadratkilometern der zweitgrößte See Chiles. Von hier hat man einen traumhaften Blick auf drei schneebedeckte Vulkane – wieder eine Filmkulisse. Am faszinierendsten ist der Gipfel des schneebedeckten Osorno, wenn die Wolken ihn freigeben. Entsprechend viele Touristen laufen hier herum.

Deutsche Einwanderer haben Tradition und prägen die Stadt. Ich begegne unverwechselbarer deutscher Architektur und deutschen Straßennamen.

Bei einer Tour um den See erfahre ich Genaueres über die erste Besiedlung durch die Deutschen. Vieles zeugt noch davon – es gibt hier Kuchen – der heißt auch so, man spricht es nur etwas spanisch aus. Aber er kann unbedingt mit Großmutters Selbstgebackenem mithalten und die Argentinier lieben es – wie sie alles Süße lieben. Es kann gar nicht süß genug sein. Ich koste Apfelstrudel – und der heißt auch so – mit Vanillesoße. Mindestens so köstlich wie bei uns.

Ich habe mir ein paar alte deutsche Villen angesehen und bin dann mit dem Sessellift den Osorno-Vulkan bis zur Schneegrenze hochgefahren. Der Blick von hier oben ist dramatisch.

Manche Epoche Chiles war ein ständiger Wechsel von Erdbeben und Vulkanausbrüchen über die Jahre hinweg. Ein Hin und Her von Destruktion und Konstruktion – aber die Menschen leben damit. Sie verlieren alles und dann bauen sie alles wieder auf. Das ist Chile, das Land mit den meisten Erdbeben.

Bei einer Tour um den See besuche ich das hübsche Städtchen Frutillar. Es wurde von deutschen Einwanderern 1856 gegründet. Es gibt hier ein schönes Theater und das Museum „Museo Colonial Aleman de Frutillar“, das die Besiedlung durch die Deutschen ab Mitte des 19. Jahrhunderts dokumentiert.

Eine Schifffahrt auf dem nahe gelegenen Lago Todos los Santos führt bis an die Grenze zu Argentinien.

Im Hostel wohnt auch ein älteres Ehepaar aus Deutschland. Sie laden mich abends auf ein Glas Wein ein und erzählen von ihrer Reise. Sie sind nun auch schon drei Monate unterwegs, wohnen wie ich meistens in Hostels und organisieren auch alles selbst. Allerdings sind sie zu zweit. Sie erzählen von den Galapagosinseln und schwärmen von Kolumbien. Alle tun das, so dass es für mich schon länger klar ist, dass ich auch nach Kolumbien reisen möchte. Sie stellen alle ihre Fotos und auch ihr Tagebuch ins Internet, damit es jeder nachlesen kann. Es ist das erste Mal, dass ich Reisende in meinem Alter treffe. Sie bestätigen mir, dass Ältere solche Fernreisen auch nach ihrer Erfahrung dann doch eher organisiert machen und in der Gruppe reisen.

Mein nächstes Ziel ist Valdivia. Drei Busstunden entfernt, eine hübsche Studentenstadt. Es gibt eine Uni und viele sehr gemütliche Studentenkneipen. Da kann ich abends mal alleine hin. Hier habe ich mir das erste Mal ein Appartement gebucht. Darauf freue ich mich, aber es ist eine Enttäuschung. Es ist klein und dunkel und nicht besonders sauber. Ein Studentenappartement in einer Studentenstadt. Das Erste, was ich tue, ist durchputzen. Sonst würde ich mich nicht wohlfühlen. Dann richte ich mich ein. Es ist zwar alles da: Kochecke, Bad, Minihochklapptisch und Bett, aber es ist so beengt wie in einem kleinen Wohnwagen und das Bett ist ein Hochbett. Bloß weiß ich nicht, wie ich da reinkommen soll. Nicht so einfach, schließlich bin ich keine zwanzig mehr. Es gibt keine Leiter oder Ähnliches. Ich muss auf den wackeligen Hocker steigen. Da denke ich, als ich mich da hochquäle, ich bin doch alt. Früher wäre das gar kein Problem gewesen und früher wäre mir auch nie der Gedanke gekommen, dass es vielleicht gefährlich ist oder ich stürzen könnte. Also mit etwas Übung komme ich dann die Nächte ins Bett, aber es ist sehr speziell. Doch dann stellt sich dieses Jugendherbergsgefühl ein und weckt alte Erinnerungen, schöne, mit denen ich einschlafe.

Der Hausmeister hat zwei große Hunde, die sind nett, aber sie machen ihr Geschäft jeden Tag genau vor meine Tür. Ich habe mich beschwert. Er putzt es weg, nach einer Stunde liegen dort wieder zwei Haufen. Ich gebe auf.

Am zweiten Tag geht die Dusche nicht mehr. Ich beschwere mich. Eine Stunde später kommt der Hausmeister mit einem Handwerker, der eine komplett neue Dusche mit Armatur, Duschwänden und allem, was dazugehört, einbaut.

Ich putze danach dann lieber selber, dann weiß ich, dass es sauber ist. So habe ich eine nagelneue Dusche und bin zufrieden und muss doch über Südamerika schmunzeln. Das meiste funktioniert nicht, aber die Leute sind in der Regel so liebenswürdig, dass man nicht wirklich böse sein kann.

Ich gehe an die Küste, an den Hafen, die Hafenpromenade und amüsiere mich köstlich über die Seelöwen, die dort tatsächlich auf der Straße entlang watscheln, meist in Richtung Fischmarkt, um dort so lange zu warten, bis sie dann doch Fischabfälle bekommen. Auch eine Unmenge Vögel ernähren sich dort. Die Seelöwen leben im Süßwasser. Valdivia liegt am Fluss, nicht am Meer, 15 Kilometer vom Pazifik entfernt am Delta des Rio Valdivia. Seelöwen findet man sonst nicht im Süßwasser. Dies ist eine sehr seltene Anpassungsleistung.Ein besonders dicker gewaltiger Seelöwe, ein Macho, sitzt am Hafen und ein Hund kann ihn offensichtlich nicht leiden und bellt ihn recht aggressiv an. Der Seelöwe streckt die Nase in den Himmel und lässt sich in keiner Weise beeindrucken, so lange, bis der Hund den gebührlichen Abstand nicht mehr einhält und die Distanz deutlich unterschreitet. Seelöwen können sehr schnell sein. Mit einer blitzartigen Kopfdrehung hat der Löwe den Hund im Nacken gepackt und in hohem Bogen ins Hafenbecken geschleudert. Der Schreck ist groß, der Hund offensichtlich dermaßen überrascht, dass er nicht mal jault.

Er hat es überlebt, die Leute haben ihn aus dem Hafenbecken gezogen, wohl unverletzt, aber einem Seelöwen wird er wohl nie wieder zu nahe kommen.

Von Valdivia aus kann man Tagesfahrten auf dem Fluss machen. Ich habe eine gebucht. Dies ist meine erste Kaffeefahrt in Chile. Eigentlich hätte ich es mir denken können. Es sind nur Chilenen an Bord. Sie sind so laut wie die schreckliche Musik. Sie trinken einiges an Alkohol und es gibt eine Animation per Lautsprecher, Gegröle. Schwer zu ertragen, aber interessant trotzdem. Ich bin dann aber froh, als es vorbei ist. Auf dem Weg zum Appartement fängt es an zu gießen und ich werde klatschnass.

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