Читать книгу: «Feine Damen. Kriminalroman», страница 4

Шрифт:

4

Coco staunte gebührend, als Pat sie anrief und erzählte, dass Claudias Exliebhaber ermordet worden sei.

„Und woher weißt du das? Die Polizei hat dich doch garantiert aus dem Zimmer geworfen!“

„Ohr an Tür, was glaubst du denn! Alles, was mir hilft, Mama mundtot zu machen, wenn sie wieder die geborene Lady gibt, muss ich haben. Reiner Selbsterhaltungstrieb.“

Coco lachte. „Kann ich verstehen. Warum ziehst du nicht aus? Papa würde es doch finanzieren, da bin ich sicher. Und ich könnte dir auch ein bisschen was dazugeben, schließlich verdiene ich deutlich mehr, als es einer Dame zukommt. Frag Papa doch mal!“

„Mach ich vielleicht wirklich. Andererseits ist Claudia ja schon so was wie ein Hobby. Ich kenne echt niemanden, der so leicht auf die Palme zu bringen ist. Da waren unsere Lehrerinnen deutlich härter im Nehmen.“

Coco fand, das sei kein Wunder: „Eure Lehrerinnen sind besser trainiert und haben wohl auch eine weniger abstruse Weltsicht. Aber mir ist nicht ganz klar, wie du Claudia mit diesem Exliebhaber ärgern willst. Hast du gedacht, sie war noch Jungfrau, als sie Papa geheiratet hast? Mit fünfundzwanzig? Ich bitte dich!“

„Nein, das doch nicht! Aber sie hat furchtbar herumgezickt, als die Bu-Polizisten sie in die Mangel genommen haben, sie muss praktisch etwas zu verbergen haben!“

„Was sollte das denn sein? Claudia ist sowas von ehrbar, das ist doch schon langweilig. Diese ehrpusselige Person…“

Pat gackerte. „Ehrpusselig? Das ist aber ein schönes Wort! Voll das vorige Jahrhundert, was?“

„Solange ist das vorige Jahrhundert auch noch gar nicht vorbei“, schulmeisterte Coco.

„Mal was anderes, kannst du dich noch an das letzte Eisessen erinnern?“

„Pat, ich gehe zwar stramm auf die Vierzig zu, aber ich bin noch nicht senil. Klar kann ich mich erinnern, warum?“

„Da haben doch Hel und Jack beide so verkniffen gewirkt, weißt du noch?“

„Als dieser Schnuckelputz vorbei gekommen ist? Stimmt. Hast du das Sahneschnittchen identifiziert?“

„Identifiziert nicht direkt, aber ich hab ihn gesehen. Mit Hel!“

„Aha… ich dachte, der liebe Ralf ist ihr ein und alles?“

„Sie hat zumindest so getan, nicht? Aber warum hat wohl Jack genauso komisch auf den Knaben reagiert? Ob die echt beide was mit dem haben?“

„Kühne Theorie. Pat, hier kommt gleich ein Kunde, leider kann ich nicht länger spekulieren.“

Sie überlegte kurz, nachdem sie aufgelegt hatte, was das alles wohl zu bedeuten hatte, aber dann kam tatsächlich ein Ehepaar, das sich ernsthaft für dieses fürchterliche Penthouse in der Stuttgarter Straße interessierte. Neubau, gute Substanz, entsetzlicher Schnitt…

Sie studierten gemeinsam den Grundriss, der den beiden seltsamerweise zu gefallen schien, dann fuhren sie nach Zolling und Coco führte die beiden ganz besonders fürsorglich durch das Penthouse – sieben Zimmer, Luxusküche, drei Bäder, Privatsauna. Ihm gefielen die Böden und die Smart-Home-Elemente, ihr die Küche (Klischee?) und der Ausblick, was Coco dazu brachte, ihre Gesichtszüge eisern in ein zustimmendes Lächeln zu zwingen: Ausblick auf drei andere Hochhäuser und in der Ferne die MiniCity? Na gut, und ganz hinten das Leiß-Hochufer, natürlich ohne den Blick auf das ganz tief unten dahinplätschernde Wasser. Also lobte sie die Weite, den Himmel und das futuristische Ambiente, was mit eifrigem Nicken belohnt wurde.

„Und was soll die Wohnung kosten?“, fragte der Mann dann, während seine Frau immer noch von der Aufsicht ganz fasziniert schien.

„Eins komma zwei Millionen plus Courtage. Da das Gebäude noch ein Neubau ist, gibt es die üblichen fünf Jahre Gewährleistung; eine Instandhaltungsrücklage existiert natürlich noch nicht, sie wird aus dem Hausgeld angespart.“

Die Frau drehte sich um und erkundigte sich nach den übrigen Bewohnern. Coco gab brav Auskunft über ein Hotel in den ersten drei Etagen – mit eigenem Eingang und eigenem Lift, Wohnungen in verschiedenen Größen in den Etagen vier bis sechs – und eben das Penthouse in Etage sieben. „Sieben soll ja auch eine Glückszahl sein…“

Beide lächelten sie an, dann nickten sie sich zu. „Organisieren Sie einen Notartermin?“

„Aber gerne. In der nächsten Woche? Möchten Sie auch Finanzierungsangebote oder regeln Sie diese Dinge selbst?“

„Das machen wir selbst, vielen Dank. Nächsten Montag wäre schön.“

Coco versprach dies nur zu bereitwillig, denn ihre Provision betrug fast ein Drittel der Courtage, also ein Prozent des Kaufpreises. Zwölftausend Euro, die nahm man doch gerne mit? Wahrscheinlich war das mal wieder undamenhaft…

Himmel, warum drängte sich diese Zicke Claudia dauernd in ihre Gedanken?

Sie verabschiedete die Kunden, schloss die Wohnung wieder ab (sie hätte sie nicht haben wollen, viel zu groß und zu affig) und fuhr ins Büro zurück, wo sie ihrem Chef Bericht erstattete und sich auf die Schulter klopfen ließ, bevor sie sich wieder dem Papierkram auf ihrem Schreibtisch widmete.

5

Claudia hatte sich auf die Terrasse verzogen und zog dort nervös an einer ihrer seltenen Zigaretten, natürlich einer schicken weißen mit Goldrand um den Filter. Wieso war Olli bloß wieder aufgetaucht? Sogar als Leiche war er noch lästig – und was, bitte, sollte sie denn Michael erzählen? Diese beiden Kripo-Beamten hatten nicht so gewirkt, als glaubten sie ihr.

Aber Oliver hatte ihr doch angeboten, die Scheidung in Hamburg durchzuziehen? Daran konnte sie sich ganz genau erinnern. Ja, ganz sicher, Olli hatte sie deshalb doch extra damals angerufen… oder? Doch, sie wusste es noch.

„Was tust du denn hier draußen, Claudia?“

Sie schrak zusammen und drückte die Zigarette fahrig in dem kleinen Aschenbecher aus.

„Wolltest du das nicht lassen?“, fragte ihr Mann im Ton mühsamer Geduld.

„Ich rauche doch nur, wenn ich nervös bin“, verteidigte sie sich. „Warum bist du denn schon da – oh, schon halb eins?“

„Ja. Und ich habe Hunger. Warum bist du denn so nervös, dass du hier draußen stehen und den Kindern ein schlechtes Beispiel geben musst?“

„Die Polizei war vorhin da – nein, nicht wegen der Kinder. Es scheint, mein Ex ist wieder aufgetaucht.“

„Dieser Oliver von damals? Nun gut, aber was hat die Polizei damit zu tun?“

„Er ist tot. Ich glaube, sie haben gesagt, er ist ermordet worden.“

„Du glaubst??“

„Ich war doch so abgelenkt! Sie haben gemeint, ich sei immer noch mit ihm verheiratet, weil sie keine Scheidungspapiere gefunden haben! Ist das nicht eine schreckliche Situation?“

„Warum? Zeig ihnen halt deine Unterlagen, wenn dieser Oliver so unordentlich war.“

„Aber ich habe doch nichts! Oliver hat das alles in die Hand genommen, oben in Hamburg!“

Martens setzte sich schwer auf einen der zierlichen Terrassenstühle. „Du warst gar nicht dabei? Claudia!!“

„Ich wollte doch nicht vor Gericht erscheinen wie eine Verbrecherin! Und schließlich hatte Oliver doch mich verlassen, also war es allein seine Schuld! Dann sollte er auch die Folgen tragen. Und das hat er damals auch eingesehen und gesagt, er kümmert sich um alles.“

„Und das hat er auch getan?“

„Ja, bestimmt. Oliver war sehr zuverlässig. Ich verstehe auch nicht, warum er keine Unterlagen hat.“

„Claudia, das ist naiv! Erstens kann man doch nicht einfach so in Abwesenheit geschieden werden und zweitens hätte dieser Oliver dir ja wohl ein Exemplar der Papiere schicken können, oder?“

„Er wusste doch nicht, wohin! Ich glaube nicht, dass er meine Adresse kannte oder wusste, dass ich jetzt Martens heiße!“

Da konnte er ja nur noch den Kopf schütteln!

„Du hast keinen Kontakt gehalten, obwohl du noch nicht wusstest, ob die Scheidung schon durch war?“

„Natürlich war sie durch! Ich konnte mich auf Oliver immer verlassen!“

„So wie bei seinem Plan, dich nach Hamburg nachzuholen?“

„Das ist schäbig, Michael!“

„Nein, das ist vernünftig. Du hast dich sehr blauäugig verhalten. Sind wir überhaupt rechtmäßig verheiratet?“

Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Natürlich! Ich liebe doch nur dich!“

„Claudia, bitte! Das hat doch damit gar nichts zu tun. Warst du nun rechtmäßig geschieden – vor unserer Heirat? Und kannst du das belegen?“

Nun flossen die Tränen stärker.

„Ach, komm essen, wir klären das später. Aber wie eine erwachsene Frau hast du dich wirklich nicht verhalten, Claudia!“

Ihre Augen betupfend, folgte Claudia ihrem Mann ins Esszimmer, wo immerhin schon der Tisch gedeckt war und Leander am Tisch saß.

„Du bist schon da?“, fragte Michael misstrauisch.

„Mathe fällt aus, die Wintrich ist schon wieder krank. Aber um zwei muss ich wieder hin.“

„Aha. Sie scheint aber oft krank zu sein, ich glaube, da muss ich mich gleich mal beschweren…“

Er verließ das Esszimmer wieder und ging in sein Arbeitszimmer um zu telefonieren.

„Krank? Nein, Frau Wintrich ist nicht krank, sie ist im Haus und ihr Unterricht findet wie gewöhnlich statt“, klärte ihn die Sekretärin auf. „Frau Wintrich ist nie krank, sie ist nur ab und zu dienstlich abwesend, weil sie ja zur Schulleitung gehört.“

Michael bedankte sich und suchte die Liste heraus, die die Oberstufenbetreuerin ihm geschickt hatte. Mit einem Textmarker kennzeichnete er, wie oft Leander den Matheunterricht geschwänzt hatte. Wie konnte ein Sohn von ihm ein solcher Idiot sein? Pat war da viel eher sein Kind… Kam Leander etwa nur nach Claudia? Die Sache mit der angeblichen Scheidung war doch auch so ein Rohrkrepierer!

Mit der Liste in der Hand kehrte er an den Esstisch zurück und nahm seinen Sohn ins Gebet, während Frau Mohr eine Schüssel mit eher undefinierbarem Gemüse auf den Tisch stellte und ihm neugierige Blicke zuwarf.

„Du schwänzt ja schon wieder, mein Sohn. Und ich wüsste nicht, dass du dir so etwas leisten könntest! Ausgerechnet Mathematik… das ist doch ein Abiturfach?“

„Michael, doch nicht vor dem Personal“, mahnte Claudia, was ihr einen gereizten Blick eintrug.

„Ich mag Mathe nicht“, murrte Leander, „was soll ich dann dort?“

„Dann magst du auch kein Abitur? Leander, dann sag es und mach was anderes, aber du kannst doch nicht bis kurz vor dem Abitur dort herumhängen und dich in den Fächern, die dich nicht interessieren, totstellen. Das ist Zeitverschwendung, für die betroffenen Lehrer und vor allem für dich.“

„Die Lehrer werden doch dafür bezahlt“, wandte Claudia ein, eine Kelle mit diesem Gemüsebrei auffordernd erhoben. Leander hielt mechanisch seinen Teller hin und maulte dann: „Ih, was ist das denn?“

„Gemüse.“

„Das ist Pampe! Gibt´s sonst nichts?“

Frau Mohr kam mit einer Platte kleiner Putenschnitzelchen au naturel herein. „Wenigstens etwas!“, seufzte Leander.

„Also, was willst du tun?“, fragte Michael ungeduldig.

„Na, Abi haben“, antwortete Leander abgelenkt und angelte nach den beiden größten Schnitzeln.

„Wer soll es dir nachtragen?“

„Er braucht Nachhilfe“, beschloss Claudia.

„Nein“, antwortete Michael. „Ich zahle jedenfalls nicht dafür, solange der junge Tunichtgut nicht einmal in den Unterricht geht und seine Aufgaben macht. Erst selbst probieren, dann gezielt Hilfe suchen. Ich trage ihm nicht den Arsch hinterher.“

„Michael!!“

„Ja, ich weiß, du schätzt deutliche Worte nicht.“

Pat kam herein. „Frau Mohr hat gesagt, es gibt schon was zu essen?“ Sie warf einen Blick auf die Schüsseln. „Hm – zu essen? Ich weiß ja nicht… Was soll das denn sein?“

„Gemüse-Allerlei mit Putenschnitzel“, erläuterte Claudia gereizt.

„Schaut fies aus, der Brei. Ich hol mir lieber einen Apfel.“

Bevor Claudia erzieherisch tätig werden konnte, hatte Pat das Esszimmer schon wieder verlassen und beim Hinausgehen einen Apfel aus der Schale auf dem Sideboard genommen.

„Deine Tochter!“, sagte sie nur anklagend zu Michael.

Der grinste böse. „Besser Pat als Leander.“

„Was?“ Leander sah beleidigt auf, das zweite Schnitzel noch in der Hand.

„Pat kriegt ihre Sachen auf die Reihe – du nicht. Also kommt Pat eher nach mir“, erklärte Michael. „Und dieses Gemüsezeugs ist wirklich ungenießbar. Was hat Frau Mohr bloß damit angestellt?“

Claudia sah ihn nur waidwund an.

6

Hamburg hatte bedauert – von einer Scheidung war nichts bekannt. Ein Oliver Perfler hatte in Hamburg gelebt, richtig, erst in einem bescheidenen Stadtviertel, dann einige Jahre hinter Gittern und dann wieder in diesem bescheidenen Stadtviertel. Ja, und dann hatte er sich 2008 brav abgemeldet und war - wohl mit verschiedenen Zwischenstationen - nach Bayern zurückgekehrt.

Ja, natürlich hatte man die Gerichtsakten überprüft – außer dem Prozess wegen Betrugs und Unterschlagung gab es wirklich gar nichts. Und nein, die Prozessergebnisse wurden automatisch weitergeleitet, die Vermutung, man habe das Scheidungsurteil zu dokumentieren vergessen, sei leider völlig abwegig.

„Das ist vielleicht eine blöde Kuh“, fasste Liz wertschätzend zusammen. „Die ist überhaupt nicht geschieden! Entweder hat sie es unglaublich dämlich angestellt oder sie weiß ganz genau, dass sie Bigamistin ist, und glaubt, sie kann uns verarschen, indem sie sich dumm stellt.“

„Das wäre eigentlich ein erstklassiges Motiv“, überlegte Andi. „Der Mann ist in Leisenberg recht angesehen, Chef einer der größten Hausverwaltungen überhaupt. So einer ist bestimmt nicht scharf darauf, dass man in der Presse breittritt, er habe eine Bigamistin geheiratet, die einfach zu dämlich oder zu faul war, sich um die Scheidung ihrer ersten Ehe zu kümmern.“

„Stimmt, von einem solchen Mann erwartet man etwas mehr Klugheit – und man würde sich fragen, warum er überhaupt so ein dummes Huhn geheiratet hat. War die schwanger oder was?“, fragte Maggie.

Ben hatte die Familiendaten schon eruiert: „Eher nicht. Diese Patricia ist ein Jahr nach der Hochzeit auf die Welt gekommen.“

„Ob sie ihrem Mann mittlerweile gestanden hat, dass sie immer noch mit Perfler verheiratet war? Dann hätte sie ja doch kein besonderes Motiv“, überlegte Liz.

„Nur wenn sie es ihm vorher gestanden hätte. Und warum hätte sie dann uns gegenüber eine so alberne Show abziehen sollen?“, wandte Andi ein. „Liz, haben wir schon was von der Pathologie?“

„Nur was Vorläufiges. Eine kurze Mail. Schuss ins Herz, Kaliber 0.22, keine Schmauchspuren an den Händen, sagt die KT. Genaueres morgen.“

„Immerhin. Eine Schusswaffe schränkt den Täterkreis dann doch etwas ein, wir sind schließlich nicht in den USA.“

„Leute wie dieser Martens könnten doch eine Waffe im Haus haben? Die halten sich doch gerne für superwichtig, Leistungsträger und so?“ Das war Maggie.

„Aber nicht prominent“, wandte Liz ein. „Der hat eine Hausverwaltung, die auch nicht seinen Namen trägt. Ich hab´s nachgesehen, LHV heißen die, L wohl für Leisenberg. Und irgendwelche fiesen Briefe wegen Generalsanierung und Mieterhöhung schreiben doch die Angestellten, oder? Also warum sollte der so viele Feinde haben?“

„Hat was für sich“, lobte Andi nachdenklich. „Wir sollten mit diesem Martens reden. Er steht ja höchstens ganz klein unten auf dem Briefpapier.“

„War Perfler eigentlich immer noch solo? Ihr wart doch nochmal in der Wohnung, wegen der nichtexistenten Scheidungspapiere? Keine zweite Zahnbürste, keine Reizwäsche?“ Ben wurde immer frecher, fand Andi. Aber der Ansatz taugte durchaus etwas…

„Vielleicht hatte der Perfler auch Kumpels, die etwas wissen könnten?“

„Ja, in Hamburg!“, spottete Liz. „Aber vielleicht Familie?“

„Okay“, legte Andi fest. „Ich gehe mit Liz zu Martens in seine Firma. Und ihr zwei googelt euch einen Wolf, was Perflers Freundin, Kumpels, Eltern und sonstige Kontakte betrifft. Er hat, bevor er nach Hamburg gegangen ist, bei Immomax als Buchhalter gearbeitet. Vielleicht gibt´s dort ja noch eine uralte Angestellte, die schon über zwanzig Jahre dort ist?“

„Irgendwie ist das alles die gleiche Branche, oder? Hausverwaltung, Immobilienmakler… ob das Zufall ist?“

„Gut, Ben. Verfolg das weiter – dann mal bis später!“

Michael Martens saß tatsächlich noch an seinem Schreibtisch, auf dem sich neben diversen Akten und Unterlagen auch noch die Reste einer Pizza befanden. Er grinste die Besucher schief an. „Ich war mittags zu Hause, aber das Essen war furchtbar. Unsere neue Köchin ist kein Glücksgriff… Übrigens hat mir meine Frau schon erzählt, dass an ihrer Scheidung von diesem – wie war der Name? Zweifel zu bestehen scheinen. Ich habe sie schon getadelt, weil sie sich selbst gar nicht gekümmert hat.“ Er lächelte etwas resigniert. „Claudia pflegt ein etwas antiquiertes Welt- und Frauenbild. Alles, was ihr zu lästig ist, ist einfach Männersache. Kein Wunder, dass meine Töchter – alle vier! – nichts mit ihr anfangen können, sie sind eben deutlich moderner und amüsieren sich häufig damit, Claudia auf den Arm zu nehmen.“

„Wie äußert sich das?“

Martens lächelte flüchtig. „Wenn sie zum Essen kommen, wählen sie gerne eine Aufmachung, die Claudia unangemessen findet. Was sagte Leander beim letzten Familiendinner? Die vier sähen aus wie beim Bad-Taste-Day in seiner Schule. Sehr bunt und etwas hippieartig. Claudia hat in dieser Hinsicht keinerlei Humor.“ Er seufzte. „Vielleicht war sie auch ein wenig überfordert. Als wir geheiratet haben – das ist nun gut zwanzig Jahre her – bekam sie auf einen Schlag drei Stieftöchter – sechzehn, vierzehn und zwölf Jahre alt -, die sich sofort gegen sie verbündeten. Das Verhältnis war nie besonders gut, wohl auch, weil Claudia die drei zu jungen Damen erziehen wollte. Daran hatten die Mädchen absolut kein Interesse, und sobald es möglich war, zogen sie dann auch noch Pat auf ihre Seite. Claudia bleibt so eigentlich nur noch Leander, den sie meiner Meinung nach heillos verzieht. Der Sohn und Erbe, Sie verstehen?“

Andi und Liz nickten mitfühlend – keine glückliche Familie.

„Wie würden Sie reagieren, wenn Ihre Frau wirklich nie von ihrem ersten Mann geschieden wurde?“

„Schwierig. Diese Ehe – wenn sie denn jemals eine war, vor dem Gesetz, meine ich – ist nicht so glücklich, wie sie sein sollte. Und dann stellt sich noch die Frage, ob Claudia gegebenenfalls juristische Konsequenzen zu befürchten hätte.“

„Dann hätte Ihre – äh – Frau möglicherweise ein Motiv gehabt, Oliver Perfler zu töten?“, fragte Liz.

Martens starrte sie konsterniert an, dann schüttelte er heftig den Kopf. „Keinesfalls! So etwas täte Claudia nie. Dazu ist sie viel zu passiv. Nein, das trifft es nicht so ganz, aber mit ihrer Auffassung vom rechten Benehmen einer Dame der Gesellschaft ließe sich so etwas keinesfalls verbinden. Sie würde wohl eher erwarten, dass sich jemand zu ihrem Ritter aufwirft. Aber solche Ritter finden sich heutzutage wohl nicht mehr so leicht.“ Er grinste schief. „Ich habe sie jedenfalls auch nur heruntergeputzt, weil sie sich um nichts gekümmert hatte.“

Liz nickte.

Andi fragte: „Haben Sie eine Waffe im Haus?“

„Wie bitte? Sie meinen einen Revolver oder so etwas? Natürlich nicht, wozu denn?“

„Sie könnten Angst vor Einbrechern oder geschäftlichen Gegnern haben“, erläuterte Liz und schämte sich ein wenig für diesen Vorschlag. Entsprechend herablassend fiel auch Martens´ Reaktion aus: „Nein, da muss ich Sie leider enttäuschen. Ich habe eine ausgezeichnete Alarmanlage und keine geschäftlichen Gegner.“

„Könnte in Ihrem Bekanntenkreis jemand über eine solche Waffe verfügen?“, versuchte Andi es. „Vielleicht ein Sportschütze oder jemand, der tatsächlich Feinde hat?“

Achselzucken. „Das hat mir nie jemand erzählt. Ich will´s nicht ausschließen, aber ich weiß es wirklich nicht.“

Auf dem Weg nach draußen trafen sie auf einen blonden Teenager, dessen Outfit etwas poppermäßig wirkte und der sie sofort ansprach: „Sind Sie von der Polizei? Was ist denn los?“

„Fragen Sie Ihren Vater. Sie sind wohl Leander?“

„Klar. Hat Papa Mist gebaut?“

„Kaum.“

„Hauptsache, Sie haben ihn nicht sauer gemacht, ich brauche nämlich Geld von ihm.“

„Die Frau hat ein erstklassiges Motiv“, beharrte Liz draußen. „Die kann doch nicht sicher sein, dass der Mann sie nochmal heiratet.“

„Ja, er schien die Ehe etwas zu bereuen…“

„Vielleicht hat er damals jemanden gesucht, der sich auch um die Mädels kümmert, aber die waren da gar nicht so froh drüber… Jetzt sind die wohl alt genug – Mitte dreißig oder so, wozu also eine humorlose Tussi mit merkwürdigen Vorstellungen von feinem Benehmen nochmal heiraten?“

„Interessantes Problem: Müsste er ihr Unterhalt zahlen, wenn er sie nicht nochmal heiratet?“

„Höchstens für die Kinder, glaube ich. Aber sie ist ja ganz schön lange raus aus dem Berufsleben, kann die überhaupt noch was finden?“

„Sie muss doch gewusst haben, dass sie nicht geschieden ist! Also hat sie ihn belogen, sich strafbar gemacht – erlischt dadurch nicht der Anspruch?“

„Bin ich Juristin? Frag doch den Dr. Schade!“

„Sein Spezialgebiet ist das wohl auch nicht“, grübelte Andi.

„Ich denke, der weiß überhaupt alles? Jedenfalls tut er doch immer so. Also, wenn ich so doof gewesen wäre wie die Martens und dann taucht dieser doch-nicht-Ex wieder auf – ich würde den schleunigst beseitigen.“

„Liz, das ist nachvollziehbar – aber erstens war keine Waffe im Haus und zweitens ist diese Frau doch mit bemerkenswert wenig Realitätssinn geschlagen. Ist der überhaupt klar, dass Martens sie nicht einfach nochmal heiraten würde? Dass er nicht heilfroh wäre, so billig aus der Ehe rauszukommen?“

„Ja, verdammt, du hast ja Recht – aber sie kann sich die Waffe ja auch anderweitig beschafft haben. Gekauft, bei Freunden geklaut… soll ich mich da mal schlau machen?“

„Unbedingt! Ich nehme mir diese Claudia noch mal vor. Etwas strenger allerdings.“

„Wahrscheinlich gibt sie dann die pikierte Dame.“

„Mir wurscht, soll sie ruhig schmollen. Aber du hast schon Recht, das Motiv ist nicht von der Hand zu weisen und da hat sie uns einiges zu erklären!“

 Liz kehrte ins Büro zurück und ließ sich die Kontaktdaten der drei Töchter aus der ersten – einzigen – Ehe geben. Martens zog die Augenbrauen hoch, aber er notierte Adressen samt Mobilnummern auf einem Post-it mit dem Logo seiner Hausverwaltung und reichte den Zettel dann Liz. „Sie sollten nur bedenken, die die drei Claudia nicht so ganz objektiv gegenüber stehen könnten.“

 „Das rechnen wir schon automatisch heraus“, tröstete Liz.

Andi ließ sie am Präsidium heraus, wo sie sich einen neuen Wagen nahm, und fuhr dann weiter nach Waldstetten.

Liz studierte den Zettel: Okay, die älteste Tochter hieß Caroline Martens, war sechsunddreißig und wohnte in Mönchberg. Die mittlere war Helene Schönlein, 34, in Leiching, und die jüngste hieß Jacoba Martens und hatte eine Wohnung in einem der Durchhäuser am Markt. Schick, aber wahrscheinlich winzig. Fotografin, 32.

Also fuhr sie erst einmal nach Mönchberg. Mittlerweile war es fast sechs Uhr, da war diese Caroline doch wohl zu Hause? Franziskanerstraße 4 war ein Neubauensemble, das ein vergammeltes Mehrfamilienhaus aus den Siebzigern ersetzt hatte.

Nummer 4 a… ein halbhoher Wohnblock mit vermutlich acht Dreizimmerwohnungen in vier Stockwerken. Die Haustür stand offen und drinnen wischte eine junge Frau den Hausflur.

Als Liz eintrat, drehte sich die Frau um. „Ja? Zu wem möchten Sie denn?“

Liz zeigte ihren Ausweis vor. „Zu Frau Martens.“

„Oh – aber die hat garantiert nix angestellt, das ist eine ganz Nette!“

„Keine Sorge, wir haben nur einige Fragen zu einem Fall in ihrem weiteren Bekanntenkreis.“ Das war nicht direkt gelogen. Dass die Stieftochter die Ehe ihrer Stiefmutter schützen wollte, war ja wohl eher unwahrscheinlich.

„Sie sind eine Nachbarin?“

„Naa, die Hausmeisterin. Das sind fast alles Eigentümer, die täten sich schön bedanken, wenn sie selber putzen müssten. Ich wisch halt die drei Häuser zweimal in der Woche durch und dafür kriegen wir auch ein bissel Geld. Und mein Mann macht den Rasen und die Lampen und was halt alles notwendig ist, gell?“

„Aha. Und Sie heißen?“

„Sabine Mairsamer. Ich wohn´ nebenan in 4 b, im Erdgeschoss. Warum brauchen Sie das?“

„Na, Sie haben doch gerade sehr nett über Frau Martens gesprochen? Vielleicht wird das einmal wichtig – und wenn ich dann sagen muss Keine Ahnung, wie die Zeugin heißt und wo sie wohnt – wär doch blöd, gell?“

„Schon recht. Frau Martens ist im zweiten Stock.“ Sie schrubbte kräftig weiter.

Liz stieg hinauf und klingelte. Nach geraumer Zeit öffnete sich die Tür einen Spalt, durch eine Kette fixiert. „Ja?“

Liz stellte sich vor und wies darauf hin, dass sie nur einige harmlose Fragen habe. Daraufhin wurde die Kette gelöst und die Tür weit geöffnet.

„Sie machen mich neugierig, Frau – Zimmerl? Kommen Sie doch herein!“

Liz trat ein und sah sich schon berufsbedingt neugierig um. Weiße Wände, heller Holzboden, wenige Möbel, die vorherrschende Farbe ein mittleres Blau. Im Wohnzimmer zwei blaue Ledersofas über Eck, dazwischen ein Tischchen, das nach massiver Birke aussah, genauso wie das schlichte Regal, das erstaunlich wenige Bücher und Filme aufwies, aber einen sehr großen Flatscreen.

„Sie lesen nicht gerne?“

„Sind Sie deshalb hier?“ Frau Martens wies auf das andere Sofa und schlug die Beine in den ausgewaschenen Jeans entspannt übereinander. „Und doch, ich lese sehr gerne, aber ich bevorzuge E-Books. Kein Platzverbrauch, kein Papierverbrauch, keine Lieferkosten. Nur ein winziges bisschen Strom… Worum geht es denn?“

„Um Ihre Stiefmutter.“

„Hui! Claudia? Sie hat was angestellt? Kann ich mir nicht so recht vorstellen – doch nicht die große Dame!“

„Angestellt ist wohl nicht das richtige Wort. Wir haben Oliver Perfler tot aufgefunden. Er wurde getötet.“

„Oh.“ Caroline Martens setzte eine betroffene Miene auf, dann aber fragte sie doch: „Wer ist das, bitte?“

„Der Name sagt Ihnen wirklich nichts?“

„Vielleicht sollte er, so erstaunt, wie Sie wirken, aber ich wüsste jetzt wirklich nicht… ich muss allerdings sagen, dass ich über Claudias Bekanntenkreis nicht allzu viel weiß. Wir sind nicht gerade Herzensfreundinnen, müssen Sie wissen.“

„Ach?“

„Nein. Wir haben uns noch nie gemocht und deshalb unternehmen wir auch nichts gemeinsam. Meinen Schwestern dürfte es ähnlich gehen. Vermutlich ist dieser Perfler ein Bekannter Claudias – aber uns hat sie ihn nicht vorgestellt, wozu auch? Wir hätten zwischen Desinteresse und Spott geschwankt, mehr nicht.“

Liz betrachtete sich Martens´ Älteste – salopp gekleidet, wie es einem Frühsommerabend entsprach, relativ groß, sportliche Figur, halblange hellbraune Jahre, vergleichsweise dunkle Augen in einem schmalen Gesicht, ein lachlustiger breiter Mund. Nicht wirklich hübsch, aber sympathisch. Jedenfalls sympathischer als diese Claudia.

„Oliver Perfler war mit Claudia Martens verheiratet.“

Caroline Martens zog die Augenbrauen zusammen. „Sie sagen das so komisch… er war früher mal mit ihr verheiratet, meinen Sie. Jetzt ist sie doch mit meinem Vater verheiratet!“

„Offensichtlich nicht. Sie hat es noch nicht so recht eingestanden, aber offenbar hat sie die Scheidung versäumt. Beziehungsweise geglaubt, darum werde sich dieser Perfler schon kümmern.“

„Na, das ist jetzt nicht so untypisch! Für irgendwelche Lästigkeiten sind Männer da, Claudias Aufgabe ist es, sich verwöhnen zu lassen. Papa betrachtet sich das mit einer Art gereizter Nachsicht. Außer zurzeit.“

„Was ist denn zurzeit?“

„Claudia, empört darüber, wie viel Gehalt Hauspersonal verlangt, hat eine billigere Köchin eingestellt. Was die so zusammenschustert, kann man nicht essen.“ Sie gluckste. „Beim letzten Familiendinner haben wir vier Mädels geschlossen das Dessert verschmäht und sind ins San Carlo auf ein anständiges Eis. Aber Papa muss immer dort essen, der findet das bestimmt nicht so lustig.“

Liz erinnerte sich an den Pizzakarton und grinste. „Vielleicht isst er auch anderweitig… Kennen Sie denn irgendwelche Bekannten Ihrer Stiefmutter? Jemanden, der uns vielleicht mehr sagen könnte?“

„Hm…“ Sie überlegte und sah dann etwas überrascht auf. „Claudia hätte direkt ein Motiv, nicht wahr? Ich glaube nicht, dass Papa sagen würde Macht doch nichts, Schatz, dann heiraten wir eben noch mal. Und strafbar gemacht hat sie sich doch auch?“

„Sie sind Juristin?“

„Nein, ich kenne mich nur im Immobilienrecht aus.“

„Aber Sie arbeiten nicht bei Ihrem Vater?“

„Nein, bei Immomax. Also, ein Motiv hätte sie, aber zutrauen würde ich es ihr nicht. Viel zu zimperlich. Eine Dame mordet nicht. Höchstens – wurde er vergiftet?“

„Nein. Einen Giftmord würden Sie ihr also zutrauen?“

„Ach, keinesfalls – aber immerhin könnte sie so Distanz zu ihrem Opfer wahren, nicht wahr? Mit einem Messer oder so etwas kann ich mir die zickige Claudia schon gar nicht vorstellen.“

„Und wissen Sie nun irgendetwas über ihren Bekanntenkreis?“

„Hm… sie hat schon Freundinnen, zum Shoppen und Proseccotrinken.“

„Was für ein Klischee!“

„Claudia ist ein wandelndes Klischee, haben Sie mit ihr denn noch nicht gesprochen?“

„Doch. Also, hätten Sie da auch Namen für uns?“

„Einen auf jeden Fall – Marie Thelen. Sie wohnt auch in Waldstetten, aber ich weiß nicht, wo da genau. Das kriegen Sie bestimmt heraus. Marie Thelen ist das, was Claudia gerne wäre – eine richtige Dame. Und sehr souverän, sie muss nicht dauernd auf irgendwelchen Benimmvorschriften bestehen, wie Claudia es zu tun pflegt. Diese Marie ist recht nett. Naja, war sie, als wir noch Teenies waren und wirklich unter Claudia gelitten haben. Mittlerweile sehe ich sie praktisch nicht mehr, weil ich ja nie freiwillig nach Waldstetten komme.“ Sie lächelte. „Claudia imitiert Marie schamlos, kauft ihr alles nach… Marie hat das immer mit Nachsicht akzeptiert.“

Liz hatte das notiert und sah nun auf: „Kennen Sie noch mehr Freundinnen?“

„Leider… aber ich bin sicher, Marie kann Ihnen da weiterhelfen. Die haben ja sogar zusammen Golf gespielt!“

„In Waldstetten?“

„Ja, natürlich, mit all diesen Society-Ziegen und den Ehemännern, die am siebten Loch ihre Deals ausmachen…“ Sie grinste. „Manchmal spiele ich ja auch, wenn Max, mein Chef, verlangt, dass ich mitkomme, um irgendeinen Kunden einzuwickeln.“

Бесплатный фрагмент закончился.

286,32 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
300 стр. 1 иллюстрация
ISBN:
9783748568650
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают

Новинка
Черновик
4,9
177