Читать книгу: «Feine Damen. Kriminalroman», страница 3

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„Darauf kannst du aber wetten!“ Er nahm den Hörer ab und Liz diktierte brav.

Dann wartete er und hob schließlich triumphierend die Augenbrauen. „Mein Name ist Andreas Reuchlin von der Kriminalpolizei Leisenberg. Mit wem spreche ich, bitte?“

„Aha. Mit c oder z? Danke. In Ihrer Familie gibt es eine Claudia?“

„Ihre Mutter, soso… ist sie im Haus?“

„Dann schauen wir gegen zwei bei Ihnen vorbei… sagen Sie mir noch die Adresse?“

Er notierte murmelnd etwas und bedankte sich dann. Sobald er aufgelegt hatte, sah er sich triumphierend um: „Jetzt ratet!“

„Das war der Totengräber“, vermutete Ben sofort.

„Und diese Claudia ist seine Mutter. Ben, du Vollpfosten! Ich sage, sie ist die Schickimickifrau.“

Maggie hielt dagegen: „Grundschullehrerin. Das hätte sie in ein paar Jahren nach Perflers Verschwinden leicht hinkriegen können. Wetten?“

„Liz hat gewonnen. Kampenwandstraße vier, in – Waldstetten.“

„Wie hat die das geschafft? Scheidung im Ausland?“

„Müsste man hier eigentlich auch zu den Akten geben… hat sie vielleicht vergessen. Wir fragen sie einfach. Um zwei sollen wir dort sein. Wer will mit?“ Liz gewann, vielleicht weil sie richtig getippt hatte.

„Und mit wem hast du gesprochen?“, versuchte Ben sich wieder aus der Vollpfostenecke hervorzuarbeiten.

„Mit einer Tochter namens Patricia.“

„JetSet-Name“, murrte Ben.

„Vorsicht! Die Älteste von Thomas Waldmann heißt genauso – aber mit z. Also hüte deine Zunge…“

„Mit z ist der Name auch nicht mehr so affig“, sekundierte Maggie.

„Leute!“, tadelte Andi mit langer Routine, „Haben wir nichts Wichtigeres zu tun?“

Alle verzogen sich an ihre Schreibtische und versuchten, die bisherigen eher dünnen Fakten in wunderbar aussagekräftige Kästchen an der Tafel zu verwandeln. Die Ergebnisse waren allerdings nicht allzu überzeugend und sich dafür recht ähnlich.

Andi spottete über den fruchtlosen Eifer. „Vielleicht brauchen wir doch noch das eine oder andere Faktum? Ich fahre jetzt mit Liz nach Waldstetten – und ihr hört euch bei Perflers Nachbarn um. Die wissen doch garantiert was!“

„Waren wahrscheinlich alle bei der Arbeit“, brummte Ben, der anscheinend noch nicht lange genug in Leisenberg arbeitete, jedenfalls kannte er die örtlichen Slums wohl noch nicht.

Liz grinste im Hinausgehen über die Schulter. „Am Kreuz West? Die haben Zeit. Die reinste Hartz-4-Community. Und die schauen aus dem Fenster, wenn auf RTL 2 noch nichts kommt, was doof genug wäre.“

„Welche differenzierte Aussage“, lobte Andi. „Ab jetzt!“

3

Ihnen öffnete in Waldstetten eine sehr junge Frau, die nach einem verdutzten Moment ein breites Lächeln aufsetzte. „Sie sind bestimmt die B-Polizei?“

„Gut erkannt“, lobte Andi. „Und Sie sind Patricia Martens?“

„Pat genügt. Das bringt Mama immer sehr nett auf die Palme. Sie ist übrigens da, aber ich habe sie nicht vorgewarnt. Durch die Tür ins Kaminzimmer und dann links die zwei Stufen runter. Wenn Sie mich brauchen sollten, einfach rechts in den Gang rufen.“

Sie hüpfte davon, offenbar sehr erfreut bei dem Gedanken an den Schrecken, den der Besuch der Polizei ihrer Mutter gleich einjagen würde.

„Ein echtes Herzchen“, murmelte Liz.

„Aber erfrischend“, kommentierte Andi, der sich an die Familie seiner Freundin Katja erinnert fühlte.

Sie folgten der Anweisung und betrachteten sich beeindruckt das gewaltige Wohnzimmer, in dem eine sehr gepflegte Dame auf einem der ausladenden Sofas saß und in einer Zeitschrift blätterte, ohne die Besucher zu bemerken. Vielleicht tat sie auch nur so?

Andi räusperte sich und die Dame hob den Kopf, dann erhob sie sich langsam. Liz erhaschte noch einen Blick auf die Zeitschrift: Ambiente. Aha, gehobener Wohnstil? Wir sind jetzt wohl etwas Besseres?

„W-wer sind Sie? Ich rufe die Polizei!“

Andi zückte seinen Ausweis und Liz tat es ihm gleich: „Nicht mehr nötig – Kripo Leisenberg. Ihre Tochter hat uns hereingelassen.“

„Patricia? Also, was fällt ihr bloß immer ein…“

„Hätte sie uns die Tür vor der Nase zuknallen sollen? Das hat die Staatsmacht nicht gar so gerne, Frau Martens.“

Sie schien zu resignieren, setzte sich wieder und wies mit müder Geste auf das Sofa gegenüber. Liz zog ihr Tablet heraus, sobald sie saß, und rief ein neues Dokument auf. Dann musterte sie Claudia Martens aufmerksam. Ein makellos gepflegtes Gesicht, diskret geschminkt, ein Kaschmir-Twinset in zartem Rosa, dazu ein schmaler dunkelgrauer Rock, feinste Strümpfe und halbhohe dunkelgraue Pumps. Liz überlegte, dass sie beim Lesen auf ihrem Sofa garantiert keine Schuhe anhätte. Schon gar nicht solche! Übertriebene Damenhaftigkeit oder bewusste Inszenierung? Sie schrieb sich das etwas verklausuliert auf.

Andreas setzte ein mitfühlendes Gesicht auf. „Frau Martens, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass wir Oliver Perfler tot aufgefunden haben.“

Frau Martens runzelte kurz die Stirn, entfaltete sie aber schnell wieder. Angst vor Falten? Botox?, überlegte Liz boshafterweise sofort. „Oliver Perfler?“

„Ihr Ex-Mann“, half Andi nach.

„Danke, ich weiß, wer Oliver Perfler ist – war. Das ist nur alles schon so weit weg… zwanzig Jahre, wenn ich mich recht erinnere. Ja, Patricia ist ja auch schon achtzehn – und Leander sechzehn… zwanzig Jahre dürfte stimmen.“

Liz nahm ihr auch das mütterliche Lächeln nicht so recht ab, jedenfalls nicht, wenn sie an die recht rotzige Patricia, „Pat“, dachte.

„Wann haben Sie denn Herrn Perfler zum letzten Mal gesehen?“

„Oh! Lassen Sie mich nachdenken… das muss auch gut zwanzig Jahre her sein, fast noch länger. Er sagte damals, er habe einen Job in Hamburg in Aussicht und er werde mich anrufen, wenn ich nachkommen könnte. Aber dieser Anruf kam nie… ich dachte, er hätte vielleicht jemand anderen gefunden. Glücklicherweise hatte ich ja meinen Beruf, so dass ich nicht auf seinen Verdienst angewiesen war. Ja, und ein halbes Jahr später kam Michael in die Firma, bei der ich arbeitete, und wir haben uns auf der Stelle ineinander verliebt.“ Schwaches Lächeln.

Sonntagsfilm im Zweiten… Liz unterdrückte mit Mühe ein hämisches Schnauben.

„Sie waren mit Herrn Perfler nur liiert?“

„J-ja, das stimmt. Ich dachte, es sei etwas Ernsteres, aber Olli dachte das ganz offensichtlich nicht…“

„Eigenartig“, überlegte Andi mit unschuldiger Miene, „in unseren Akten steht, dass er mit einer Frau namens Claudia verheiratet ist – war. Eine Heirat spricht ja nun doch eher dafür, dass man es ernst meint, denken Sie nicht?“

„Verheiratet… nun, dann sind Ihre Akten wohl nicht ganz auf dem neuesten Stand, nicht wahr?“

Claudia Martens warf Andi einen tadelnden Blick zu und wurde mit einem entsprechend frommen Blick bedacht. „Das halte ich zwar für sehr unwahrscheinlich, aber natürlich kann es immer einmal Pannen geben… Sie haben doch Ihre Scheidungsurkunde? Meine Kollegin, Kommissarin Zimmerl, würde sich dann einfach das Datum Ihrer Scheidung notieren und unsere Informationen entsprechend updaten.“

„Ap – was?“

„Auf den neuesten Stand bringen“, erläuterte Liz nachsichtig. Hatte diese Society-Zicke nicht mal ein Smartphone?

Die spätpubertäre Tochter kam herein und fiel, natürlich mit einem Smartphone in der Hand, auf das dritte Sofa.

„Patricia, bitte! Würdest du uns wohl alleine lassen?“

„Warum? Ist etwas Peinliches über deine Vergangenheit herausgekommen? Sowas ist doch spannend!“

Sie warf einen schlauen Blick in die Runde und scrollte dann weiter durch ihre Nachrichten.

„Frau Martens, es ist leider nicht üblich, Gruppenbefragungen vorzunehmen.“

„Poirot macht das schon. Kennen Sie diese Serie?“

„Klar“, sagte Liz, „aber wie bei allen Fernsehkrimis gilt: In echt ist alles ziemlich anders. Wir werden Sie nachher auch noch befragen, Sie haben uns ja den Weg schon beschrieben.“

Pat rappelte sich gehorsam auf und verschwand.

Andi sah Frau Martens nachdenklich an. „Ihre Familie ist über Ihre erste Ehe informiert? Wenn nicht, sollten Sie das umgehend nachholen, bevor wir das übernehmen.“

„Also bitte, das hat doch mit meiner Familie gar nichts zu tun! Das müssen Sie hier doch nicht herumposaunen!“

„Ob Ihre Ehe mit Oliver Perfler nichts mit Ihrer jetzigen Familie zu tun hat, wissen wir doch noch gar nicht. Immerhin ist Herr Perfler tot aufgefunden worden.“

„Ach ja, der Arme…“

Ohne eine Miene zu verziehen! Das mit dem Trauervortäuschen sollte die Alte aber noch üben…

„Können wir dann jetzt ihre Scheidungsurkunde bitte einmal sehen?“ Andi klang mittlerweile ausgesprochen amtlich.

„Ich fürchte, da müsste ich erst einmal suchen… ich überlege gerade…“ Sie sah angestrengt an die Decke, als sei dort ein Hinweis auf diese Urkunde zu finden.

„Ich weiß gar nicht, ob ich dieses Dokument überhaupt noch habe… als ich Michael geheiratet habe und hierher gezogen bin, habe ich recht gnadenlos aussortiert.“ Sie lächelte mädchenhafter, als es ihren Jahren zukam. „Gewissermaßen habe ich das wohl als Neuanfang gesehen. Es ist durchaus möglich, dass ich dabei auch diese Urkunde… ins Altpapier, Sie verstehen?“

„Leichtsinnig“, urteilte Andi streng. „Sie können also nicht nachweisen, dass Sie von Oliver Perfler überhaupt jemals geschieden wurden? Bedenklich!“

„Warum? Oliver müsste doch seine Urkunde noch haben, oder?“

„Ich wüsste nicht, dass in seiner Wohnung etwas dergleichen gefunden worden wäre.“

„Oh!“ Sie dachte eine Zeitlang nach, von Andi und Liz mit wachsender Ungeduld beobachtet, und strahlte plötzlich auf. „Aber bei Gericht müsste doch eine Kopie liegen? Bewahren die nicht Akten – oder wie man das nennt – von allen Verhandlungen auf?“

„Natürlich tun sie das. Wo hat denn die Verhandlung stattgefunden?“

„Das weiß ich doch nicht! Schließlich hat Oliver das alles erledigt. In Hamburg vermutlich.“

„Wollen Sie uns auf den Arm nehmen?“, erkundigte sich Andi, nicht nur leicht verärgert. „Haben Sie sich denn um gar nichts gekümmert? Und sind Sie überhaupt sicher, dass Sie rechtskräftig geschieden wurden? Hatten Sie denn keinen Anwalt?“

„Wozu denn? Finanziell gab es gar nichts zu regeln, jeder hatte gerade mal sein Gehalt, da musste man doch nicht auch noch Anwälte finanzieren! Oliver hat das alles erledigt und mir diese Urkunde geschickt – aber so etwas muss man doch wohl nicht jahrzehntelang aufbewahren?“

„Eigentlich schon“, merkte Liz sanft an. „Genau genommen könnte es gut sein, dass Sie überhaupt nie geschieden worden sind.“

„Was? Also, das ist doch -! Es ist doch wohl Ihre Aufgabe, das herauszufinden!“

„Möchten Sie eigentlich nicht wissen, woran Ihr Mann – oder Exmann – gestorben ist?“

„Exmann natürlich! Ein Unfall? Für eine Krankheit war er doch wohl noch zu jung, noch keine fünfzig Jahre alt…“

„Er hatte eine Kugel in der Brust, die sein Herz getroffen hat“, erklärte Andi ohne großes Zartgefühl.

„S-selbstmord? Das kann ich mir nicht so recht vorstellen, er war eigentlich immer recht optimistisch und zuversichtlich.“

„Nun, nach dem Gefängnisaufenthalt hatte er dazu wohl nicht mehr allzu viel Grund“, merkte Liz an und tippte hastig ihre Beobachtungen: War das Erstaunen auf dem makellosen Gesicht echt?

„G-gefängnis? Nein… das ist unmöglich! Nicht Oliver, er war immer so brav, er hätte nie etwas Verbotenes getan. Ist er in Hamburg derartig auf die schiefe Bahn geraten?“

„Möglich. Offenbar war er finanziell am Ende.“

„Aber er hat eigentlich immer recht ordentlich verdient“, beteuerte Claudia Martens, „jedenfalls sehr viel mehr als ich im Büro. Sonst hätte er mir doch nicht immerzu so schöne Dinge mitgebracht!“

„Ach ja? Was denn, zum Beispiel?“

„Nun, Kleidung, Blumen, Parfum, manchmal auch Schmuck, einmal sogar eine Nerzstola… damals durfte man so etwas ja noch tragen.“

Blödsinn. Und ein teures Frauenzimmer!

„Oder er hat mich nett zum Essen ausgeführt, ins Médoc oder in die Casa Romantica. Er war immer so reizend zu mir, ich habe damals nicht verstanden, warum er sich aus Hamburg nie mehr gemeldet hat.“

„Sie haben auch nicht nachgefragt?“

„Das tut eine Dame nicht, man drängt sich einem Mann doch nicht auf!“

„Ich bitte Sie – wenn der eigene Ehemann spurlos verschwindet, kümmert man sich doch? Das ist doch nicht das Gleiche, als würde ein jemand nach einem Rendezvous nicht anrufen! Sie sind doch eine souveräne Frau?“

Claudia Martens verzog den Mund ganz leicht unwillig. „Ich bin eine Dame!“

„Und deshalb haken Sie einen so netten Ehemann einfach ab?“ Liz konnte es nicht glauben.

Schulterzucken war die einzige Reaktion – und dann kam noch ein Seufzen.

„Können Sie denn jetzt irgendwie nachweisen, dass Sie von Perfler geschieden sind?“

„Nein, wie denn! Schauen Sie bei Oliver nach.“

„Wie gesagt, da war nichts Einschlägiges zu finden. Vielleicht sind Sie ja Bigamistin…“

„Was fällt Ihnen ein? Das ist ja eine Frechheit!“

„Warum? Zwei Ehen, keine Scheidung, kein fristgerechter Todesfall – da könnte man schon von Bigamie sprechen. Ich kann Ihnen nur raten, Ihrem Mann – ihrem verbliebenen Mann – zügig reinen Wein einzuschenken“, sagte Andi mit ernster Stimme. „Sie kommen dann bitte morgen bei uns vorbei, um das Protokoll zu unterschreiben.“

Er erhob sich und wäre beinahe wieder auf das Sofa zurückgeplumpst, als die Dame nölte: „Morgen kann ich nicht, da habe ich keine Zeit.“

„Dann nehmen Sie sich eben die Zeit. Das war kein unverbindlicher Vorschlag“, fuhr Liz sie an. „Für so etwas bekommt man jederzeit ein paar Stunden Urlaub.“

„Urlaub? Wie meinen Sie das?“

„Von Ihrem Arbeitgeber?“

„Arbeitgeber? Also bitte, ich bin mit der Führung dieses Haushalts ja wohl hinreichend beschäftigt!“

„Verständlich.“ Andi lächelte schon wieder böse. „was haben Sie denn vor Ihrer Ehe – also, der zweiten – beruflich gemacht?“

„Ich habe in einem großen Büro gearbeitet, als Assistentin, so nannte man das damals wohl.“

„Und das reizt Sie heute natürlich nicht mehr“, nickte Andi. „Jaja, die Digitalisierung…“

„Wie bitte?“

„Nicht so wichtig. Ohne Beruf können Sie sich Ihre Zeit doch frei einteilen, also sagen wir: morgen um neun? Danach ist für private Termine doch immer noch Zeit.“

„Die Läden in der Altstadt machen sowieso erst um zehn auf“, ergänzte Liz boshaft, verwahrte ihr Tablet und erhob sich auf Andis Nicken hin.

Patricia öffnete ihnen bereitwillig und wies lässig auf ein verblüffend edles Sofa, bevor sie sich in einen Sitzsack fallen ließ. „Das Designerteil hat meine Mutter hier reingestellt. Sie hofft immer noch, dass sie mich zu Stilbewusstsein erziehen kann, wenn schon die anderen drei da nicht mitspielen wollen.“

„Welche anderen drei?“

„Na, Papas Töchter aus seiner ersten Ehe. Die sind ziemlich cool, und wenn Mama zum Dinner lädt, tauchen sie gerne in abenteuerlichen Verkleidungen auf. Leander hatte ganz Recht, als er gesagt hat, wie der Bad-Taste-Day in der Schule.“

„Leander?“

„Mein Bruder. Der geht eben noch zur Schule.“ Das wurde nicht ohne Verachtung gesagt.

„Und Sie?“

„Ich überlege noch, was ich studieren könnte. Einen doofen Beruf, nur um Mama auf die Palme zu bringen, brauche ich auch nicht. Vielleicht Tiermedizin… oder Jura… aber wie kann ich Ihnen denn nun helfen?“

„Wahrscheinlich gar nicht“, seufzte Liz. „Ein früherer Bekannter Ihrer Mutter ist tot aufgefunden worden und wir dachten, sie hätte vielleicht kürzlich Kontakt zu ihm gehabt und wüsste etwas, das uns nützen könnte.“

„Sie wusste aber nichts, stimmt´s? Mama weiß nie etwas, was irgendwie Ärger machen könnte. Eine Dame stellt sich im Zweifelsfall tot.“

Scharfzüngiges Mädchen, fand Andi. Hatte aber wohl nicht so ganz Unrecht. Er bat um die Kontaktdaten der drei Halbschwestern, die ihm bereitwillig gegeben wurden, und verabschiedete sich dann.

Auf dem Weg von Waldstetten zum Präsidium ließen sie das unbefriedigende Gespräch mit Claudia Martens noch einmal Revue passieren. „Aus welcher Zeit stammt diese Schnepfe eigentlich?“, fragte Liz sich laut und Andi schnaubte. „Ich würde eher sagen, sie hat ein Buch gelesen So werde ich zur Dame – und das arbeitet sie jetzt mit sklavischer Genauigkeit ab. Ohne zu erkennen, dass sie damit tatsächlich aus der Zeit gefallen ist.“

„Nichts arbeiten, obwohl die Kinder schon erwachsen sind. Den ersten Mann ziehen lassen, weil die Dame dem Herrn nicht nachläuft… so ein Blödsinn!“ Liz musste aber doch lachen. „Und die Töchter verarschen sie doch bloß, sogar ihre eigene. Diese Patricia ist schon eine Rotzgöre, aber ziemlich gescheit, findest du nicht?“

„Doch. Scharfsichtig. Aber es kann absolut nicht sein, dass diese Claudia sich überhaupt nicht um die Scheidung gekümmert hat! Wir schauen noch einmal in die Perfler-Wohnung, ob es da Scheidungspapiere gibt.“

„Ja, gut. Aber haben wir bei den offiziellen Daten nicht gefunden, dass Perfler mit dieser Claudia verheiratet war? Dann müsste dieses Hamburger Familiengericht – oder wer auch immer – es verbaselt haben, diese Scheidung weiter zu melden. An die Meldestelle oder wer auch immer dort zuständig ist. Kann das überhaupt sein?“

„Du hast Recht, das ist ziemlich unwahrscheinlich. Vielleicht lügt die Martens sich die Wahrheit zurecht. Hofft, dass Totstellen hilft. Ist über schnöden Alltag erhaben…“

„Hat Realitätsverlust“, war Liz´ deutlichere Diagnose. „Sie merkt ja offenbar auch nicht, dass die diversen Mädels sie nicht weiter ernst nehmen. Bei Gelegenheit wäre deren Urteil vielleicht ganz interessant…“

„Hm…“ Andi musste sich auf den Verkehr auf dem Stadtring konzentrieren. „Ein bisschen weit hergeholt, meinst du nicht?“

„Hintergrundrecherche?“

„Ich weiß ja, was du meinst, aber der verheimlichte Exmann ihrer Stiefmutter ist tot, was, glaubst du, wissen die Stieftöchter darüber? Höchstens lachen sie sich halb krank und reiben der armen Martens den Perfler jedes Mal unter die Nase. Nein, einen etwas besseren Grund brauchen wir schon – obwohl mich die Töchter schon auch interessieren würden, das gebe ich zu.“ Er bog in Richtung Kreuz West ab.

„Wo könnte der Perfler eine Scheidungsurkunde verwahrt haben?“, überlegte Liz weiter. „Mir ist in dieser dürftigen Butze nichts Passendes aufgefallen.“

„Wenn wir nichts finden, fragen wir eben in Hamburg nach. Amtshilfe. Immerhin hat das Opfer da mal gewohnt… Da wären wir. Grottige Gegend.“

„Aber günstig. Für viele ist das schon ein Argument.“

Er warf ihr einen schrägen Blick zu, bevor er in einen recht kleinen Parkplatz rangierte. „Hältst du mich für so abgehoben?“

„Weiß man´s? Nein, Quatsch. Und du hast Recht, die Gegend ist grottig. Kannst du dir die Martens hier vorstellen?“

„Schon der Gedanke müsste sie in Panik versetzt haben. Da vorne ist es.“

Die Wohnung Perflers war so übersichtlich wie beim letzten Mal. Rasch und routiniert gingen sie durch alle Schränke, Schubladen, Kisten und Kasten – keine Scheidungsunterlagen. „In der Küchenzeile vielleicht?“, überlegte Liz. Die beiden Oberschränke enthielten wirklich nur etwas Geschirr, ein paar Gläser und zwei Pakete Nudeln, der eine Unterschrank einen Putzeimer und die Eingeweide des Spülbeckens und der andere den Ofen. Dann kam eine Lücke: Besen und eine Kehrmaschine aus den Achtzigern – und dann die Wand.

„In schlechten Filmen bewahren die Leute Koks und Falschgeld im Spülkasten auf“, überlegte Andi verzweifelt, als sie im Bad standen.

„Nicht in dem Spülkasten!“ Liz wies auf die bündig abschließende Abdeckplatte. „So wasserdicht kannst du gar nichts verpacken!“

Neben dem Garderobenständer stand eine Art Bank, deren Deckel man aufklappen konnte. Schuhe und Stiefel, sonst nichts. „Arge Schweißfüße hatte er“, stellte Liz naserümpfend fest.

Unter den Schuhen gab es nur einige Krümel getrockneter Erde und einen fast leeren Schnellglanzschwamm.

„Nichts. Beim besten Willen – nichts. Komm, wir fahren und zapfen die Hamburger an!“

„Wir könnten auch eine Runde Hamburger mitnehmen“, schlug Liz vor. „Proteine sind doch gesund?“

„Ihr erklärt alles für gesund, worauf ihr gerade Lust habt.“ Andi grinste schief. „Aber einen Hamburger könnte ich jetzt auch vertragen. Mit Pommes!“

„Logisch mit Pommes!“

286,32 ₽
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9783748568650
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