Читать книгу: «Der Verfall der Ordnung», страница 3

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„Somit sind wir nicht im Besitz der Elfensteine!“, empörte sich Azazel. Er schlug mit einem Huf auf eine Steinplatte, die gleich Metall schrill sang.

„Ich kann sie für Euch suchen, großer Herrscher“, schlug Balintus just aufopfernd vor.

„Macht Euch nicht lächerlich“, empfahl Azazel, „welche Vorzüge besitzt Ihr denn, die es für mich interessant machen könnten, Euch auszusenden, Bote der sterbenden Rasse?“

„Beziehungen, großer Herrscher, Beziehungen.“

„Eure Beziehungen sind mir hier von größerem Nutzen. Die Steine dienen ohnehin lediglich der Absicherung meines Vorhabens.“ Der Erzdämon stapfte auf den Trümmern des Thronsaales auf und ab. Plötzlich schoben sich zwei schwarze Umrisse in die Sicht von Balintus und flankierten Azazel. „Ich werde meine beiden Schattensucher aussenden. Nichts bleibt vor ihnen verborgen.“ Nun bedeutete er dem Rädelsführer sich zu erheben. „Für Euch jedoch, Bote der sterbenden Rasse, habe ich eine wichtigere Aufgabe.“

Während er mit einer fächernden Bewegung seiner Klauen die beiden dunklen Geister hinfortwedelte, trat er mit scheppernden Schritten an die Aussicht heran. Balintus, der ihm geradeso bis zum Bauch reichte, stellte sich neben ihn und wandte sich auch wieder Sterlingholme zu. „Tragt mit Euren Untertanen alle Kadaver zusammen. Die Serpenti werden Euch helfen. Und bringt sie auf den Marktplatz. Die Entseelung muss beginnen, bevor die Schutzbarrieren des Zauberwaldes noch stärker werden.“

Kapitel 8

Nachdem die Grenze, die Zentura von Yugotan trennte, überschritten war, wurde das sanfte Hügelland in kargeres Gefilde verwandelt. Tannen, Fichten, Kiefern und Lärchen bildeten kleine Baumgrüppchen, manchmal sogar nadelige Wälder, die sich bis an die Füße von aufstrebenden Felsen erstreckten.

Aus der Ferne konnten die Gefährten von Shjen auf diesen kantigen Gesteinsplattformen kleine Burgen sehen, die aufmerksam über das Land zu wachen schienen. Neben ihrem Weg wucherte gelbes Gras, gleich Weizenfeldern. Der Wind strich lieblich über die Spitzen der Weide.

Schwärme von weißen und dunklen Vögeln hoben sich in das Firmament, beschrieben sanfte Bögen und verschwanden oftmals rasch wieder hinter den Tannenwipfeln. Der Himmel war bewölkt. Nur andeutungsweise konnte man feststellen, wo sich die Sonne gerade verbergen mochte.

„Wir sind die Nacht fast durchgeritten, Lady Shjen“, trat Hauptmann Kalef an die schwarze Führerin heran, „meint Ihr wir könnten dann, den nicht so Geübten unter uns zuliebe, eine Rast einlegen?“

Shjen hatte wahrhaftig das Tempo der Reise erhöht. Da die ungenaue Zeitangabe über die Dauer der Entseelung Sterlingholmes ihr scheinbar doch zu vage war, wollte sie nichts mehr dem Zufall überlassen. Es könnte Wochen oder Monate dauern, doch es bestünde auch die Möglichkeit, dass es nur Tage in Anspruch nehmen würde.

„Nein“, schnauzte sie kalt zurück, und schritt unentwegt vorn weg. „Aus Liebe schon gar nicht...“

Erschrocken zuckte Kalef innerlich zusammen. Mit einer derartigen Antwort hatte er, trotz der bekannten Barschheit der Anführerin, dann doch nicht gerechnet. „Einer meiner Soldaten und der graue Tanrel werden bald vom Reittier fallen...“, unterstrich er nochmals die Wichtigkeit einer baldigen Verschnaufpause.

Enttäuscht warf Shjen einige Blicke über die neun Köpfe ihrer Gefolgschaft. Als Schlusslicht, ganz hinten, konnte sie die schwarzen Elfen auf ihren Bullen reiten sehen. Doch sie musste sich schwermütig eingestehen, dass der Hauptmann wohl nicht unrecht hatte. Außerdem würde es ihrem Vorankommen eher schaden, wenn sie mit zwei Leuten weniger unterwegs wären. Somit gab sie, unerwarteterweise und ohne lange überredet werden zu müssen, klein bei: „Da vorne sehe ich zwei morsche Baumstämme neben dem Weg liegen. Wir werden dort Halt machen. Aber nicht lange.“

„Habt Dank, Lady Shjen“, nickte Kalef und zog sich mit seinem Schimmel nun wieder in die Reihen der Reisenden zurück. In gewisser Form beeindruckte sie ihn. Er konnte nicht sagen woher es rührte, doch ihre unanfechtbare Fixierung auf die Mission, ihr trockenes, fast schon eingebildetes Auftreten und ihre vollkommene Ignoranz jeglichen Gefühlen der Mitreisenden gegenüber, faszinierte ihn.

Noch niemals hatte er Befehle von einer solch präzisen und zugleich doch anmutigen Person erhalten und wahrhaftig, er hatte unter vielen eiskalten Admirälen und Hauptmännern gedient. Außerdem sieht sie nicht schlecht aus... gestand er sich selbst ein, wurde dann aber prompt aus seinen Gedanken gerissen.

„Und? Werden wir kurz rasten können?“, informierte sich Tanrel, von seinem Pony aus.

Kalef deutete den Schotterweg entlang. „Ja. Gleich dort“, gab er bekannt.

„Den Bergen sei Dank“, pries der Zwerg, wischte sich perlenden Schweiß von der Stirn und klemmte den Zinnhumpen unter seine Achseln.

Schnell erreichten sie die Lagerstätte. Die beiden Elfen des Blutes waren es, die sofort damit begannen, die Umgebung zu inspizieren. Den meisten Reisenden war das nur recht, denn die Nähe dieser beiden Wesen erschien ihnen immer noch beängstigend.

Das morsche Gehölz bot ihnen einige gute Sitzflecken, wo sie sich entspannen und unterhalten konnten. Vael quatschte mit dem alten Tak, Tanrel mit einem Milizionär und während Kalef mit Lizsan sprach, saß Shjen am vordersten Ende des Baumstammes, fernab von jeglicher Unterredung.

Für sie gab es nichts zu besprechen, das Ziel ihrer Reise war klar, der Weg dorthin eindeutig ersichtlich und auf Mutmaßungen und Hirngespinste über die Zukunft oder gar die Vergangenheit hatte sie keine Lust. Das Herbstlüftchen fuhr zögerlich, als hätte es Respekt vor Shjen, unter ihren Umhang, und ließ die Fetzen kaum merklich tänzeln.

„Sagt...“, flüsterte Kalef geheimnistuerisch zu Herrn Rûrden, „Ihr kennt doch Lady Shjen schon sehr lange?“

Verwirrt, wegen dem unerwarteten Interesse an der finsteren Diebin, nickte Lizsan.

„Gab es Augenblicke, in denen Ihr Euch mit ihr unterhalten habt?“, bohrte der Hauptmann weiter nach.

„Worauf wollt Ihr hinaus?“ Der Lehrer wirkte immer noch konfus. „Ich unterhielt mich oft mit ihr.“

„Ich meine über etwas Anderes als das Ziel einer Mission.“

„Nein...“, antwortete Lizsan ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, doch auf einmal richtete er sich auf. Er schaute zu Shjen hinüber, starrte auf ihren Rücken und den fächernden Umhang, gerade so, als würde er kontrollieren, ob sie ihnen lauschte. „Doch. Ein einziges Mal sprach ich mit ihr eingehender“, fiel ihm nun ein.

„Mich interessiert einfach, was für ein Mensch sie ist. Woher sie kommt, wohin sie geht, was sie so tut und... ob sie Gefühle hat“, erklärte Kalef.

„Wirklichkeit und Mythos verschwimmen bei Lady Shjen. Werter Hauptmann“, wisperte Lizsan schleierhaft, sodass Kalef näher mit seinem Ohr an den Mund des Elfen rückte. „Es heißt, sie wäre ein Nachkomme der vor Tausenden von Jahren ausgerotteten Rasse der Wasserelfen. Aus einem Verhältnis zwischen einem Wasserelfen und einer Menschenfrau entsprang einmal ein Mischlingskind, ein Bastard, welcher wohl einer ihrer weit entfernten Urahnen sein könnte. Daher käme anscheinend ihr seltsames Glitzern in den Augen. Die Dunkelelfen aus der Osttraverse haben ihr das erzählt, während ich mich zu ihren Gefährten zählen durfte. Meines Wissens kannte sie ihre Eltern nicht und wurde als Findelkind vor den Toren der Garnison von Sterlingholme abgegeben. Als sie heranwuchs, erkannten die Generäle sehr schnell ihre Qualitäten und setzten sie in diversen Kriegen an vorderster Front ein. Doch sie wurde zusehends aufmüpfiger und erfüllte ihre Aufträge oftmals mit drastischen Mitteln, was sie schließlich, nach einem Massaker bei den Bauernaufständen von Indarien, vor das Kriegsgericht führte. Man erklärte sie zu einer Abtrünnigen der Garde und warf sie aus der Stadt. Seitdem verschwimmt ihre Geschichte. Es heißt, sie wäre oft von geheimen Bünden eingesetzt worden, um manchen Schlachten zu einer gewünschten Wendung zu verhelfen, doch von den Obrigkeiten der Herrscherebene wurde ihr Eingreifen anschließend stets bestritten.“ Er hielt kurz inne und schaute auf, um nochmals genau zu inspizieren, ob Shjen weit genug weg saß. Kalef klebte an seinen Lippen.

„Es hieß, es hätte einmal eine Person gegeben, die ihr näher stand. Wobei ich hier in dem Glauben schwebe, dass es sich dabei um einen Mythos handelt, den die Erzähler ihrer Geschichte erfunden hatten, um sie menschlicher wirken zu lassen. Jedenfalls hieß es, dass dieser junge Mann den Namen Mandobar trug und sich manchmal heimlich mit ihr traf. Er war ein begnadeter Bogenschütze, der immer in Begleitung einer schwarzen Katze war, die ihm auf Schritt und Tritt folgte. Ob die beiden mehr teilten, als nur manchmal ihre Zeit, ist keinesfalls bekannt. Ich für meinen Teil vermute, dass dieser Mandobar ein Spitzel des damals noch geheimen Bundes Benawen war, der sie mit Informationen versorgte und, so wie ich Shjen kenne, könnte es leicht möglich sein, dass sie, um an seine Daten zu gelangen, mehr getan hat, als ein normaler Mensch es tun würde.“

„Ihr meint sie hat sich für vertrauliches Wissen prostituiert?“, empörte sich Kalef fast schon zu laut.

„Ihm Honig ums Maul geschmiert und ihn baumeln lassen, hätte ich nun eher behauptet“, korrigierte Lizsan schnell. „Alles Andere wäre nichts als Lügenstreuung.“

„Also für mich klingt es so, als wäre sie unnahbar...“, frustrierte sich der Hauptmann nach dem Gehörten.

„Ob es einen Weg in ihr Herz gibt, weiß ich nicht...“, gestand Lizsan, der nun endlich die Hintergründe der wissbegierigen Fragen zu deuten wusste, „und vor allem weiß ich nicht, was man dort findet, sollte sich die Tür zu ihren Gefühlen offenbart haben.“

Sinnierend legte Kalef nun seinen Kopf in den Nacken und schaute zu den Wolken, die wie flauschig weiche, riesige, ungeschliffene Bergkristalle den Himmel bedeckten. „Vielleicht ist es mein Schicksal, das herauszufinden.“

„Nicht, dass ich es Euch nicht gönnen würde, werter Hauptmann“, milderte Lizsan nun etwas die rosige Zukunftsvision seines Gesprächspartners, „aber zerbrecht bloß nicht daran...“ Der Elf erinnerte sich an ihr Spiel, das sie mit Nova getrieben hatte. „Der Letzte, der es versucht hat, landete in der Nervenheilanstalt von Ostmark.“

Bestürzt wandte Kalef seinen Blick wieder zum Elfen. „Ihr meint, ich sollte es lieber lassen?“

„Ich meine, Ihr solltet gebührenden Respekt mitbringen“, schmälerte Herr Rûrden nun. Und als hätte sie auf dieses Stichwort gewartet trat Shjen plötzlich an die beiden heran. Ein rasch fließender Schauer lief über Kalefs Rücken.

„Respekt mitbringen, wohin?“, fragte sie. Die Hände des Hauptmannes begannen zu zittern.

„Auf dieser Reise ins Ungewisse“, stammelte Lizsan voller Einfallsreichtum. Er konnte ihre Augen zwar nicht sehen, doch fühlte er, wie ein misstrauischer, stechender Blick in ihn eindrang, der sich unangenehm und gleichzeitig erwärmend anfühlte, und der die Wahrheit aus seiner Seele zu saugen schien. Nur kurz jedoch, dann ließ sie von ihm ab.

„Die Rast ist zu Ende“, verkündete sie nun lautstark, sodass auch die beiden Elfen auf dem Kornfeld es hören konnten.

Hastig packten alle ihre Trinkschläuche, ihre Brotleiber, ihre Schinkenröllchen und ihre Decken wieder in die Satteltaschen ihrer Reittiere und bereiteten sich auf die Weiterreise vor, die Reise, die sie nach Brack führen sollte, der Trutzburg von Yugotan, der uneinnehmbaren Festung auf dem Fels.


Langsam zerrten der Wind und die Kraft der Sonne feine Risse in die Wolkendecke. Schräg einfallende Lichtsäulen, goldenen Lanzen gleich, strahlten vom Firmament herab und erleuchteten die Zinnen der beeindruckenden Befestigungswälle von Brack, das nun seit etwa einer halben Meile in Sicht war.

Das Fundament der Burg saß auf einem niedrigen Felsen, auf den ein schnurgerader Pflastersteinweg hoch zum Gitterfalltor führte. Überall prangten Wachtürme aus den Gemäuern hervor. Die darauf befindlichen Bogenschützen und Späher schienen in Aufruhr zu geraten, als die zehnköpfige Truppe sich auf ihren Pferden näherte. Immer wieder blinzelten silberne Helme zwischen den Gucklöchern hervor und verschwanden ähnlich schnell wieder.

„Mit unseren beiden Elfenfreunden hier werden wir wenigstens nicht lange warten müssen, bis uns die Wachen ansprechen“, gluckste der alte Tak. Grinsend musste ihm Vael recht geben.

„Glaubt Ihr sie haben schon die Sehnen ihrer Bögen gespannt?“, fürchtete Tanrel, der graue Zwerg, und zwinkerte verstohlen von einer Seite der Mauer bis zur anderen.

„Hier hat sich Vieles verändert“, erkannte Lizsan, der mit gehörigem Herzschmerz an die Zeit zurückdachte, die er hier als Lehrer verbracht hatte. „Früher gab es einen Vorort am Fuße des Felsen, wo wir nun entlang reiten. Davon ist nichts mehr zu sehen.“

„Wofür auch?“, stieg Kalef in die Unterhaltung ein. „Die Einwohnerzahl hat sich nach der Diktatur halbiert.“

„Wohl wahr“, gab der Elf zu und ließ nun auch einige misstrauische Blicke über die Mauern schweifen, die sich vor ihnen Huftritt für Huftritt weiter aufzubauen schienen.

„Vielleicht sollten wir vor der Stadt warten...“, murrte Ryvân seine Schwester an.

„Nein“, bestimmte diese, „wir haben uns angeschlossen, also werden wir an ihrer Seite stehen, komme was wolle.“

„Ehrenhaftes Schwesterchen...“, spottete der Grimmige und klopfte seinem Stier auf den Schädel, sodass dieser aus dem breiten Maul schnaubte. „Vielleicht finden wir ja einen schönen Nasenring für dich.“ Als hätte der Bulle ihn verstanden, fauchte er kehlig. „Einen mit Jadesteinchen und Herzchengravuren vielleicht, wenn du noch länger bockst; damit man dich für eine Kuh hält!“ Zurechtweisend pochte er noch einmal auf die kahle Stelle zwischen den Hornansätzen. Außer einem beleidigten Muh kam von dem wilden Tier kein Ton mehr.

Vom Gittertor kam ihnen auf halbem Weg ein berittener Wachmann entgegen, mit langer Lanze und einem grauen Pferdeschweif auf dem hohen Helm.

„Ah! Sie haben wohl schon Notiz von unseren beiden Elfen genommen“, erfreute sich Tak schon fast darüber, offenbar recht zu behalten. Zeitgleich fielen ihm einige große Holzfässer an den Eingängen der Stadt auf. Wofür die wohl sind? Sie sind riesig...

Mit raschem Galopp trommelte der Bracke an sie heran und hielt erst inne, als er vorne bei Shjen angekommen war. Sie tauschten einige Worte. Sofort fiel der Blick des Ritters in die Truppe. Scheinbar suchte er jemanden. Shjen wandte sich auch um, und bedeutete Vael, sich zu ihnen zu begeben.

Auf ihrem grauen Schecken trabte die Großkönigin langsam den leichten Hang hinauf. Es schien so, als hätte der Soldat gerade ein blaues Kamel mit rosa Adlerkopf gesehen.

„Großkönigin Vael. Ihr seid es wahrhaftig“, sprach er ehrerbietig und neigte seinen Kopf, sodass der Schweif, den er oben trug, fast das Antlitz der Herrscherin streifte.

„Ich bin mir nicht mehr sicher, ob der Titel noch angebracht ist“, lehnte Vael die Förmlichkeiten ab, „aber seid auch gegrüßt, edler Bracke.“

„Gewährt mir trotz Eurer Präsenz die Frage, was Euch nach Brack führt“, bat er inständigst um Auskunft.

„Ich möchte König Male sprechen. Ist er hier?“

„Eure Majestät befindet sich auf der königlichen Hirschjagd. Es wird davon ausgegangen, dass er heute am späten Nachmittag zurückkehrt. Gewährt mir Euch eine Bleibe zu weisen.“

Vael wechselte einen fragenden Blick mit der dunklen Lady und nickte dann sogleich. „Was sollten wir denn sonst tun?“, spottete Shjen bloß. „In den Wald laufen? Und uns als Hirsche verkleiden?“

Im Gänsemarsch folgten sie dem Bracken nun, der sie durch die Tore der Stadt führte. Die Straße mündete sofort in einen kleinen Markt mit Holzständen, die dürftig besucht, aber reichlich bestückt waren. Die wenigen Mägde und Bauern, die sich hier tummelten, klappten ihre Unterkiefer weit auf, als sie die beiden rotäugigen Riesenelfen auf ihren schwarzen Stieren einreiten sahen.

„Vielleicht sollten wir erst kurz zum Stall, damit ihr eure Tiere abgeben könnt“, schlug der Soldat vor, dem die Blicke nicht entgangen waren.

Zustimmend nickten zehn Köpfe. Der alte Wolfsgaukler staunte allerdings ähnlich wie die Einwohner der Stadt, denn der Anblick, der sich ihnen bot, hatte schon etwas Martialisches.

Die Festung war nur im vorderen Bereich wie eine Art Gasse mit Marktplatz aufgebaut, danach führten enge Steintreppen in regelmäßigen, nur kurzen Abständen, zu den nächsten Zellen der Stadt hinauf. Die kleinen Häuschen, die an die Mauern der Befestigungsanlage angeschmiegt waren, glichen einander und es erschien ihm fast so, als wäre die ganze Burg aus einem einzigen Stein gehauen worden. Lediglich die Dächer waren ineinander verkeilte Holzlatten, die so stark abgeschrägt waren, dass wohl niemals Regen drauf liegen bleiben hätte können.

In Gedanken verfolgte Tak nun den Verlauf von imaginärem Wasser, welches erst vom Himmel fiel, dann auf die langen Bretter schlug, sofort herabrann und auf die Pflastersteine tropfte, um schließlich in die Mitte der ebenfalls leicht geneigten Gasse zu fließen, wo eine breite Rinne dann das Nass aus der Stadt führte, in die riesigen Holzfässer, die ihm schon beim Einreiten aufgefallen waren. Grandios. Ich sollte mir das für die Bewässerung meiner Felder abschauen...

Schnell erreichten sie ein Gestüt, wo bereits ein freundlicher Stallmeister gemeinsam mit einigen Knechten an die Gruppe herantrat. Es war ihnen nicht möglich zu erkennen, wie groß die Anlage war, da sie sich um die Mauerkante der oberen Zelle herumbog und somit keinerlei Einsicht gewährte.

Doch aufgrund der Streitmacht, die König Male unterhielt, war den meisten von ihnen klar, dass die Pferdezucht zu den größten Stärken der Stadt gehören musste. Nicht umsonst trug der König seinen Beinamen Herrscher der Reiterei.

Einer nach dem anderen rutschte von seinem Sattel und übergab die Zügel den herbeigeeilten Knechten, nur an die beiden Bullen wagte sich keiner so recht heran.

„Sie werden brav sein“, erklärte Indarî mit gewohnt beschwichtigender Stimmlage.

„Ja, sonst gibt’s Nasenringe“, frotzelte Ryvân. Gut erzogen machte sein Stier kein Geräusch.

Trotzdem musste der Stallmeister persönlich an den beiden schwarzen Rindern Hand anlegen, denn die ängstlichen Blicke seiner Knechte konnte er ihnen nicht verdenken. „Wir werden gut auf sie achten“, erklärte er dann den Reisenden noch, und nun folgten alle zu Fuß dem Bracken.

„Ich möchte mich am Markt umsehen“, ließ König Tanrel verlautbaren. „Außerdem gibt es hier sicher irgendwo eine Schenke, die meinen Krug befüllen kann.“

Bauer Tak und die beiden Soldaten von Kalef schlossen sich dem Zwerg an und folgten den Anderen nicht in die zweite, höher gelegene Zelle der Stadt.


Shjen und ihre fünf Gefährten wurden durch den Schlosspark in einen breiten Burgfried und dort dann in eine unverschämt noble Herberge gebracht. Sie glich einem Museum. Überall standen Glasvitrinen mit vergoldeten Kelchen, Silbertabletts, kunstvoll bemalten Vasen, mit Abbildern von Jagdszenen und Göttern. Sogar edel geschwungene Brieföffner, die auch als königliche Dolche durchgehen hätten können, befanden sich in der Ausstellung.

An den Wänden hingen verzweigte Zwölfender, manchmal gar ein ausgestopfter Hirschkopf, zahllose Landschaftsgemälde, die hauptsächlich in grüner und blauer Farbe gehalten waren und einige Schilde, in die lange Schwerter eingefädelt worden waren. Von einem Nussholzregal reckten wuchtige Lexika ihre unterschiedlichen Bücherrücken dem Betrachter entgegen und luden förmlich dazu ein, darin zu schmökern.

„Sehr beeindruckend,“ gestand Lizsan Rûrden, der sich hier wohl länger aufhalten könnte, als es ihre Reise erlaubte, denn was ihm hier an geschichtsträchtigen Schätzen dargeboten wurde, ließ das Herz des Lehrers dann doch höher schlagen.

„Ihr könnt es euch in der Sitzecke gemütlich machen, lesen oder einfach nur die Trophäen und Güter des Königs betrachten“, schlug ihnen der angenehm zuvorkommende Bracke vor und verabschiedete sich schließlich, „wenn ihr noch etwas benötigen solltet, meine Unterkunft ist zwei Räume weiter.“

Dankend neigte Vael ihr Haupt und freute sich auf ein wenig Entspannung in der Sitzecke. Schnell gesellte sich Shjen zu ihr, und auch Kalef nahm Platz. Ryvân und Indarî waren innerhalb des Zimmers neben der Türe stehen geblieben. Beinahe wirkten sie, als würden sie zum antiken Mobiliar dieses Raumes gehören, während Lizsan sich nicht an den Vitrinen satt sehen konnte.

„Was hofft Ihr von König Male in Erfahrung zu bringen?“, wollte Kalef von der Großkönigin wissen.

„Nun, ich hoffe doch, dass er mir das sagen kann...“, seufzte sie etwas verlegen. „Ich war damals dabei, als wir ihn um Hilfe gebeten hatten, und er war nicht nur sehr fürsorglich, sondern stellte auch einige bemerkenswerte Fragen, über die damals noch geheime Organisation Benawen, von der er bereits wusste, als der Rat ihre Existenz noch geleugnet hatte.“

„Mir kommt es nicht so vor, als hätte Brack überhaupt mitbekommen, dass Sterlingholme in Schutt und Asche liegt...“, gestand Shjen misstrauisch, während sie ihren Schal lockerte und die Kapuze zurück warf, sodass die schwarzen Haare sich auf die Schultern legten.

„Was keinerlei Auskunft über das Wissen von Male gibt“, verteidigte die Königin ihren Standpunkt. „Unterschätzt mir bloß den Herrn der Reiterei nicht. Seine Informationen waren schon immer grandios. Zudem verfügt er in den Katakomben von Brack über eine der vollständigsten Bibliotheken der gesamten Freien Welt. Wenn also er nichts weiß, so weiß es vielleicht das Papier.“

„Glaubt Ihr ernsthaft Azazel lässt uns soviel Zeit, dass wir eine der größten Bibliotheken, die existieren, nach einem Weg durchstöbern, wie er aufzuhalten ist? Eher regnet es wieder Sterne...“, vermutete Shjen trocken.

„Gewiss“, gestand Vael, „aber ich war auch nicht in der Annahme, dass wir eine Woche lang lesen werden, viel mehr aber, dass es jemanden in Brack geben könnte, der über den Inhalt der meisten Bücher Bescheid wissen könnte, und uns weiterhelfen würde.“

Mit einem quengelnden Schluchzen beendete Shjen die Debatte.

„Werte Lady Shjen. Gewährt mir eine Frage“, begann Kalef unbeholfen. Als er merkte, dass sie ihn erwartungsvoll anblickte, hätte er fast seine Zunge verschluckt. „Man erzählt sich, Ihr wärt bei der Garde gewesen. Was für einen Rang habt Ihr bekleidet?“

Vorwurfsvoll schielte Shjen an ihm vorbei, um Lizsan anzusehen. Der Elf stand bei den Glasvitrinen und zuckte bloß lächelnd mit den Achseln, als er ihre Blicke bemerkt hatte. „Fußknecht“, gab sie dann spöttisch retour.

Ungläubig schaute Kalef auf, schaute verwirrt zum Lehrer, zu Vael und schließlich wieder zu Shjen. „Wie darf ich das verstehen?“

„Habt Ihr diesen Rang niemals bekleidet?“, fragte die Lady argwöhnisch.

„Nun doch. Bevor ich zum Soldaten wurde“, teilte der Hauptmann mit, und plötzlich erkannte er, dass er offenbar der Einzige im Raum war, der soeben an der Nase herum geführt worden war, denn nicht nur Shjen, sondern eben auch Vael am Tisch und Lizsan hinten bei den Glasvitrinen grinsten. „Geistiger Tollpatsch...“, rügte er sich selbst lauter, als er es eigentlich vorgehabt hatte.

„Das hätt' ich jetzt nicht schöner sagen können“, schmunzelte Shjen und ballerte sofort wieder schroffe, böse Blicke auf Herrn Rûrden. Blicke, die ihn auf mehrfache Art und Weise zu verfluchen schienen, die ihm zuriefen, dass sie, wenn sie es könnten, ihm seine Elfenstiefelchen bis über die Ohren ziehen würden, die ihn von allen Seiten dafür bestraften, dass er mit dem Hauptmann über die Lady gesprochen hatte.


Nachdem sich der alte Bauer Tak beim Eisenwarenstand zwei schöne Andenken an Brack in Form von einer Stahlbrosche und einem Brieföffner, der ihn sehr an die Dolche von Shjen erinnerte, gegönnt hatte, war er gemeinsam mit den beiden Milizionären dem grauen Zwerg gefolgt, der wie ferngesteuert, als wäre er schon viele Male hier gewesen, sofort den Eingang einer Schenke gefunden hatte.

Trotzdem draußen der Tag regierte schien es so, als wäre es vollkommen dunkel, würden nicht einige Öllampen einen kupfernen Schein an die Decke der verrauchten Spelunke werfen. Es befanden sich nicht einmal ein Dutzend Gäste im Inneren, die sich auch nicht besonders gut verteilt hatten, denn alleine acht von ihnen saßen auf Barhockern am Tresen und starrten in ihre Bierhumpen, ohne sich dabei zu unterhalten.

In einer Ecke erspähte Tanrel schnell einen runden, wackeligen Tisch mit klappernden Stühlen rundherum, der ihm als ausreichend für ihn und seine Gefährten erschien. Eine äußerst ansehnliche Kellnerin mit breitem Vorbau und ausladenden Hüften kam sofort zu ihnen und nahm ihre Bestellungen auf, ehe sie sich wieder hinter die Bar stellte und damit begann, die Getränke zu bereiten.

„Was für ein Prachtweib!“, erkannte einer der Milizionäre sofort. Nun verstand Tak auch, warum mehr als die halbe Besucherschaft bei der Bar saß. Die starren gar nicht in ihre Bierkrüge!

„Was ist eigentlich eure Meinung zu unserer Reise?“, interessierte sich König Tanrel.

„Wie darf ich das verstehen?“, verblüffte sich ein Milizionär. „Was sollten wir denn sonst tun?“

„Mir kommt nur irgendwie vor, dass wir bisher recht planlos unterwegs sind“, begründete er seinen Unmut, „und dann diese beiden Riesenspitzohren...“

„O, fast hätte ich Eure Fehde mit den Elfen vergessen, Herr Zwerg“, mischte sich Tak nun ein.

„Quatsch“, wehrte sich dieser sofort. „Darum geht es gar nicht. Dieser Lehrer Rûrden ist doch auch in Ordnung... aber die beiden, ich weiß ja nicht...“

„Sie gehören nicht zu den Dämonen... und das macht sie schon zu Verbündeten“, zeigte sich der alte Tak unerwartet weise. „Es ist an der Zeit, die Sachlage aus verschiedenen Perspektiven zu sehen, vor allem Ihr als Zwerg müsst somit Euren Horizont ein wenig erweitern...“

„Steigt in Euch die Wut?“, fragte Tanrel plötzlich aus heiterem Himmel. „Werdet Ihr sauer auf mich? Verspürt Ihr Hass? Verwandelt Euch endlich in einen Wolf!“

Lächelnd schüttelte Tak den Kopf. „Also wolltet Ihr mich nur aus der Defensive locken, Herr Tanrel?“

„Vielleicht“, knurrte er achselzuckend und machte Platz am Tisch, denn die Getränke trafen ein. Vier nach Honig duftende, dampfende Methumpen wurden abgestellt. Während sich die vollbusige Kellnerin nach vor beugte, kullerten beinahe die Augen aus den Höhlen der beiden Milizionäre.

„Wie die Geier...“, scherzte Tanrel und hob sich den Krug zwischen den Bart. Er schluckte hörbar, nuckelte, schluckte. Aus seinen Mundwinkeln quoll Honigwein, sickerte in seine grauen, wuchernden Haare. Ohne ein einziges Mal abgesetzt zu haben, stellte er den leeren Humpen scheppernd auf den Tisch und rülpste so laut, dass sich fast die Wände bogen.

Mit seinem Unterarm strich er sich quer über die untere Hälfte seines Gesichtes. Just bestellte er nach. „Soviel Durst! Ich könnte glatt eine ganze Brauerei leer saufen...“

„Zwerge...“, murmelte Tak kopfschüttelnd vor sich hin und schenkte der lieblich anzusehenden Kellnerin ein entschuldigendes Lächeln.

„Spielt Ihr ein Musikinstrument, Wolfsgaukler?“, informierte sich König Tanrel. „Dann könnten wir nämlich gleich auf den Tischen tanzen.“

„Verzeiht“, bedauerte Tak und nahm verlegen einen Schluck von seinem Getränk.

„Ich könnte singen!“, schlug Tanrel vor, als wäre es wie ein Blitz in ihn eingefahren.

„O das muss nicht sein...“, lehnte ein Milizionär zurückweisend ab.

„Doch das muss! Ich werde singen. Und ihr werdet summen!“ Fast wirkte es wie ein Befehl, doch als er dann mit seiner tiefen, kehligen Stimme begann, verstummten die Drei, denn offenbar konnte er Vieles nicht, aber singen wohl doch:

Fernab von Heir und Ore

Da lebt' einst Baran Eisenschwung

Sein Name klang in aller Ohr

Und alle seine Taten drum

Seien Sagen, Mythen und Geschichten

Die man niemals mehr vergisst

Und sich neben all den andern Pflichten

Doch immer noch mit Baran misst.

Im Kampf gegen Suor sodann

Die Axt er damals schon erhob

Entschied den Ausgang und fortan

Gesungen sei ihm jeder Dankeslob

Fernab von Heir und Ore

Da lebt' einst Baran Eisenschwung

Sein Name klang in aller Ohr

Und alle seine Taten drum

Wurd'n erzählt von jedem Zwerg

Jeder Maid und jedem Kind

Man kannt' ihn ob Tal ob Berg

Sogar gekannt wurd' er vom Wind

Auf Drachen flog er in den Wald

Und fällte dort den schwarzen Riesen

Auf dass er sich dann alsbald

Sogar im Mensch'krieg hat bewiesen

Fernab von Heir und Ore

Da lebt' einst Baran Eisenschwung

Sein Name klang in aller Ohr

Und alle seine Taten drum

Begleiten Met und alles drumherum!

Sprachlosigkeit machte sich breit. Sogar der alte Tak hatte von dem besungenen Helden bereits gehört, konnte somit nachvollziehen, wie wertvoll dieses Lied für die Zwerge war.

Außerdem bereitete es ihm Spaß, dem König zu lauschen. Seine Stimme war klangvoll und tief. Es hob merklich die Laune in der gesamten Kneipe. Keinesfalls hätte sich Tak ausmalen können, dass der Nachmittag so derartig schnell verfliegen würde, aber Tanrel schien es zu verstehen, Kurzweil zu verbreiten.


Es sollte nicht wie erwartet der späte Nachmittag sein, an dem die Tür ihrer Herberge aufgeschlagen wurde, sondern Abend, aber umso erleichterter waren Vael und Lizsan schließlich, als sie in das Gesicht von König Male schauen konnten.

Seine buschigen Augenbrauen hatten sich nicht verändert. Er war offenbar keinen Tag gealtert. Warum auch? Das letzte Mal als Vael ihn gesehen hatte, lag gerade Mal etwa sechs Monate zurück. „Ihr habt Euch gut gehalten“, begrüßte sie ihn dennoch. „Auch wenn ich Euch ohne den albernen Jagdhut in Erinnerung habe“, schmunzelte sie.

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22 декабря 2023
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9783944771342
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