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Einordnungsspuren

Einordnungsspuren dürfen zum Abbiegen ohne weiteres benutzt werden, auch wenn der weiterführende Radweg dafür verlassen wird. Die Regelung über das Abbiegen (§ 9 StVO) geht dem Radwegebenutzungsgebot vor. Eine Ausnahme davon gilt, wenn die Radverkehrsführung eindeutig das indirekte Linksabbiegen erzwingt (§ 9 Abs. 2 S. 3 StVO).

Zu den Radverkehrsführungen gehören nach der Verwaltungsvorschrift zur StVO nur Markierungen auf dem Boden, die die Linienführung eines Radweges über Kreuzungen und Einmündungen hinwegführen. Bloße Wegweiser und Vorwegweiser als Schild (Verkehrszeichen 442) gehören nicht zu den Radverkehrsführungen. Sie ziehen keinerlei Verhaltenspflicht für Radfahrer nach sich.

Hintereinander fahren

Radfahrer müssen nach der dringend reformbedürftigen Vorschrift des § 2 Abs. 4 StVO einzeln hintereinander fahren. Nebeneinander dürfen sie nur fahren, wenn dadurch der Verkehr nicht behindert wird und in Fahrradstraßen uneingeschränkt. Die Begründung des Bundesverkehrsministers zur StVO erläutert unter Bezugnahme auf die Sondervorschriften für das Fahren in geschlossenen Verbänden (die auch nur das „ zu zweit nebeneinander“ erlauben), dass das Nebeneinanderfahren schon dann verboten ist, wenn dadurch der übrige Verkehr auch nur behindert wird. Eine Behinderung wird teilweise schon dann gesehen, wenn durch das Nebeneinanderfahren das Überholen oder Ausweichen erschwert wird (BayObLG, NJW 1955, 1767). Beschämend wirkt es, sehen zu müssen, wie ganze Familien (und andere Gruppen) einzeln hintereinander herfahren müssen, doch die StVO will es seit 1937 so und die Vorschrift atmet bis heute den Geist der damaligen Zeit unbedingter Automobilförderung.

Das Problem lässt sich jedoch auch bei der geltenden Rechtslage lösen. Danach ist das Nebeneinanderfahren auf den meisten Straßen zu den meisten Zeiten erlaubt. Denn die meisten Straßen sind zu schmal, als dass ein korrekt fahrender Autofahrer auch nur einen einzelnen Radfahrer überholen dürfte: Der erlaubte Abstand des Radfahrers zum Fahrbahnrand plus die Breite des Radfahrers plus den Mindestseitenabstand ergibt zumeist mehr als 3 m. Für den Überholvorgang ist darüber hinaus die Breite des überholenden Autos nötig (meist etwa 1,7 m). In der Summe werden also mindestens 4,5 bis 5,5 m Straßenbreite benötigt. Breiter als 3,5 m sind aber nur wenige Fahrspuren. Die Inanspruchnahme des zweiten Fahrstreifens durch den Autofahrer zum Überholen ist also zumeist unabdingbar (Berechnungen auch bei BayVGH, VRS 117, 360). Ist diese aber gefahrlos möglich, ist schon begrifflich die Behinderung durch die nebeneinanderfahrenden Radfahrer ausgeschlossen. Kann wegen des Gegenverkehrs nicht überholt werden, fehlt es auch an der Behinderung durch die Radfahrer (BayVGH, VRS 117, 360).

Die hier skizzierte Auslegung ist vor Gericht aber noch die Ausnahme und keineswegs allgemeine Erkenntnis. Hier wird oft schon der einzelne Radfahrer als Behinderer des Kfz-Verkehrs angesehen und deshalb so weit als möglich ausgegrenzt. So erklärte das OLG Schleswig noch vor kurzem, Radfahrer würden oftmals „nur als störende Hindernisse im frei fließenden Verkehr empfunden“ (OLG Schleswig, Urteil 7 U 11/12 vom 05.06.2013). Es herrscht häufig noch ein Denken, das den Grundsatz von der „ Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs“ allein aus der Windschutzscheibenperspektive und zur Beschleunigung des motorisierten Verkehrs betrachtet, obwohl dieser von der StVO dem nichtmotorisierten Verkehr nicht per se bevorzugt wird.

Rechtsunsicherheit gibt es auch bei Massenverkehr von Radfahrern. Tritt ein solcher bei Betriebsschluss oder Schichtwechsel eines größeren Betriebes auf und ist ein Hintereinanderfahren nicht möglich, so sollte die Verwaltung jahrzehntelang nach der gültigen Verwaltungsvorschrift zu § 2 StVO darauf hinwirken, dass sich die Radfahrer möglichst gut in die Ordnung des Verkehrs einfügen. Diese Verwaltungsvorschrift wurde gestrichen, das Problem aber blieb. Unklar ist auch die Behandlung der geschlossenen Verbände. Während die Sonderregel des § 27 Abs. 1 StVO geschlossenen Verbänden das Nebeneinanderfahren zu zweit ohne Einschränkung erlaubt, will die Begründung des Bundesverkehrsministers zur StVO auch diesen das Nebeneinanderfahren verbieten, sobald eine Behinderung des übrigen Verkehrs eintritt.

Dass der Massenverkehr von Radfahrern in vielen Städten und im Naherholungs- und Urlaubsverkehr schon längst zum normalen Alltag gehört, ignoriert die Vorschrift völlig. Warum ein allein im Auto sitzender Verkehrsteilnehmer mehr Breite des Straßenraums beanspruchen darf als zwei oder drei Radfahrer, bleibt ungeklärt. Auch die Kommunikationsbedürfnisse werden ignoriert: Es ist völlig unerklärlich, warum zwei Bürger, die zusammen zu einem Ziel fahren, nur dann miteinander sollen reden dürfen, wenn sie im Auto nebeneinander sitzen. Nicht zuletzt werden mit dem Verbot des Nebeneinanderfahrens Sicherheitsaspekte völlig ignoriert. Denn Autofahrer reagieren besser auf das sich breiter darstellende Bild zweier Radfahrer; das geltende Verbot fördert geradezu das Überholen unter Missachtung des notwendigen Sicherheitsabstandes und schafft damit erst unfallträchtige Situationen. Diese Aspekte ändern jedoch nichts an der derzeit (noch) gültigen Rechtslage.

Radwegebenutzungspflicht

Die allgemeine Radwegebenutzungspflicht ist zum 01.10.1998 abgeschafft worden. Radfahrer müssen seither nur noch dann Radwege benutzen, wenn die jeweilige Fahrtrichtung mit Zeichen 237 (Radfahrer), 240 (Gemeinsamer Fuß- und Radweg) oder 241 (Getrennter Rad- und Fußweg) gekennzeichnet ist. Andere rechte Radwege dürfen sie benutzen. Die frühere „ allgemeine Radwegebenutzungspflicht“, die mancher Autofahrer noch aus seiner Fahrschulzeit kennt (es gab sie ab 1976 im Interesse des schnellen Autoverkehrs), ist seit dem 01.10.1998 im Interesse der Verkehrssicherheit abgeschafft. Sie hatte zunehmend zu Verletzten und Toten geführt.

Die StVO unterscheidet seither zwischen benutzungspflichtigen und nicht-benutzungspflichtigen, anderen Radwegen. Radwege, die sich in einem baulich unzureichenden Zustand befinden oder sonst nicht den Erfordernissen des modernen Radverkehrs entsprechen, dürfen nach der Verwaltungsvorschrift zu § 2 StVO nicht mit den genannten Verkehrszeichen beschildert werden und sind dann nicht mehr benutzungspflichtig.

Die Benutzungspflicht eines mit Zeichen 237, 240 oder 241 gekennzeichneten Radweges wirkt sich aber nur dann als Benutzungsverbot für eine daneben verlaufende Straße aus, wenn der Radweg dieser Straße baulich und straßenverkehrsrechtlich zuzuordnen ist. So hatte das OLG Hamm über einen Fall zu entscheiden, in dem ein benutzungspflichtig ausgeschilderter Radweg entlang einer Vorfahrtstraße verlief, an der Einmündung einer untergeordneten Straße jedoch um „wenige Meter“ verschwenkt war. Der Bordstein war erst an dieser versetzten Stelle für den Radverkehr abgeflacht. Auf Grund dieses „äußeren Gepräges“ sei der Radweg nicht mehr der daneben verlaufenden Straße „zuzuordnen“, stellt das Gericht ausdrücklich fest (OLG Hamm, NZV 2000, 468). Die Verkehrsregelungen auf dem Radweg sind dann unabhängig von denen auf der parallel verlaufenden Straße. Der Radweg teilt in diesem Falle nicht das rechtliche Schicksal der Straße. Die auf dem an der Vorfahrtstraße entlangführenden Radweg fahrenden Radfahrer sollten nach Ansicht des Gerichts nicht an dem Vorfahrtrecht der Hauptstraße teilnehmen. Handelt es sich bei dem ausgeschilderten Radweg aber um einen von der danebenliegenden Straße unabhängigen, ihr nicht zuzuordnenden, kann das an ihm aufgestellte Zeichen 237, 240 oder 241 auch nicht zu einem Benutzungsverbot der Straße führen. Ob ein Radweg noch der daneben verlaufenden Straße zuzuordnen ist, ist von Fall zu Fall zu entscheiden und hängt ganz wesentlich von der Verkehrsfunktion ab. Wird dem straßenbegleitenden Radweg an Einmündungen die Vorfahrt gegenüber abfließendem und/oder zufließendem Kfz-Verkehr genommen ─ etwa durch Vorfahrt-achten-Schilder ─ kann der Radweg nicht mehr der Vorfahrtstraße zugeordnet werden.

Radwegschilder ordnen auch nur dann wirksam eine Benutzungspflicht für den Radweg an, wenn sie deutlich sichtbar angebracht worden sind und wenn sie nicht nichtig sind. Vielfach sind sie jedoch nicht sichtbar, verdreht oder unklar angebracht oder gar ihrem Inhalt nach nichtig. Dann brauchen sie nicht beachtet zu werden (vgl. das Kapitel zu Verkehrszeichen und das Kapitel zu Vorschriftszeichen, Sonderwege, Zeichen 237).

Die anderen Radwege bleiben ungeachtet der Regelung über die Benutzungspflicht weiterhin ausschließlich dem Radverkehr vorbehalten. Es darf also nicht darauf geparkt oder zu Fuß gegangen werden. Auch die Verkehrssicherungspflicht wird vom Wegfall der Benutzungspflicht nicht berührt. Damit wird dem Gedanken Rechnung getragen, dass es einem Teil der Radfahrer ─ insbesondere den weniger verkehrsgewandten ─ trotz der Mängel des Radweges vorteilhaft erscheinen mag, diesen ─ freiwillig ─ zu benutzen.

Auch in Zukunft gilt auch für beschilderte und damit eigentlich benutzungspflichtige Radwege: Zugeparkte, mit Hindernissen aller Art (z.B. Mülltonnen, Schuttcontainer, Sperrmüll, Falschparker: OLG Köln, VRS 73, 144 und OVG Hamburg, NZV 2001, 52) verstellte oder (z.B. zu Marktzeiten) von Fußgängern „überlaufene“ Wege sind nicht benutzungspflichtig. Ein Ausweichen auf die Fahrbahn ist in solchen Fällen zulässig (ausführlich: Kettler, NZV 2006, 347ff).

Auch fehlt es an der Benutzungspflicht, wenn man den Radweg nicht erreichen kann (mit einer Rikscha, einem Trike oder mit Anhänger einen dicht abgepollerten Radweg) oder wenn der Radweg zu schmal für das Rad ( Rikscha, Trike, Rad mit Anhänger) ist. Das Fahrbahnnutzungsrecht einer Rikscha sei „unstreitig“, meint das OLG Dresden (OLG Dresden, NJW 2005, 452; a.A. Müller, NJ 2005, 227). (Behinderte) Personen, die ein Drei- oder Sonderrad benutzen, sollten sich also nicht von der Radwegebenutzungspflicht verunsichern lassen: Entpuppt sich die Breite des Radweges, sein schlechter Zustand, eine Kippgefahr bei Unebenheiten und schlechten Absenkungen, eine Absperrung z.B. durch Pfähle, Absperrketten oder Umlaufgitter für sie als unüberwindbares Hindernis oder gefährliche Falle, besteht keine Benutzungspflicht. Allerdings ist auf den Einzelfall abzustellen. Dass man bestimmte Radwege mit einem Rad nicht befahren kann, gibt noch nicht das Recht, sämtliche benutzungspflichtig ausgeschilderten Radwege unabhängig davon zu ignorieren, ob sie im Einzelfall zuständlich benutzbar sind oder mindestens im weiteren Verlauf die Gefahr der Unbenutzbarkeit in sich bergen. Der Fahrer eines vollverkleideten einspurigen Liegerades ist mit seinem diesbezüglichen grundsätzlichen Anliegen gescheitert (VGH Baden-Württemberg, VerkMitt 2001, 13 und BVerwG, NZV 2001, 494).

An der Benutzungspflicht fehlt es auch, wenn man den Radweg nicht finden kann: Niemand muss z.B. „riechen“, dass ein in einer Unterführung verschwindender Radweg auf der anderen Seite in die gewünschte Richtung weitergeht, wenn das nicht kenntlich gemacht ist. Die Benutzungspflicht beginnt hier erst an der nächsten zumutbaren Auffahrt des (wieder als solcher) erkennbaren Radweges.

Auch in weiteren Fällen fehlt es auch bei gekennzeichneten Radwegen an der Benutzungspflicht: Ist vor einer Kreuzung nicht zu erkennen, dass es hinter der querenden Straße, in die man einbiegen möchte, einen separaten (z.B. hinter Park- und Grünstreifen versteckten) Radweg gibt, braucht man diesen nicht zu benutzen. Denn Verkehrszeichen haben nur dann Rechtswirkung, wenn ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer sie schon „mit einem raschen und beiläufigen Blick“ erfassen kann (OVG Münster, NJW 1990, 2835; BVerwG, NJW 1997, 1021; OVG Münster, NZV 2005, 335; BVerwG, NJW 2008, 2867). Niemand ist verpflichtet, erst die Kreuzung zu überqueren und auf der anderen Seite nach einem Radweg zu suchen. Der Fall kann sowohl für Rechtsabbieger als auch für Linksabbieger auftreten: bei Rechtsabbiegern, wenn es jenseits der Kreuzung einen für beide Richtungen freigegebenen Radweg gibt (ein linker Radweg für Rechtsabbieger); bei Linksabbiegern insbesondere bei gegenüber der Fahrbahn stark zurückgelegten Radwegen. Auch in der eigenen Stadt wird es immer wieder vorkommen, dass der Radfahrer einen solchen versteckten Radweg ─ noch ─ nicht kennt.

In der Radwegebenutzungspflicht verbirgt sich ein erhebliches Problem: Radwege müssen auch dann in der vorgeschriebenen Richtung benutzt werden, wenn diese richtige Benutzung große Umwege oder gar die Überquerung gefährlicher Kreuzungen mit sich bringt. Das ist oft der Fall bei baulicher Trennung der Fahrtrichtungen. Hier ist an die Kommunen zu appellieren, die Wegeführung besser zu gestalten. Der einzelne Radfahrer darf sich nicht wegen der unbequemen oder gefährlichen Folgen der Vorschriften über diese hinwegsetzen.

Ein weiteres Problem liegt bei linken Radwegen darin, dass der rechts fahrende Radfahrer und auch der Kraftfahrer oft nicht wissen, dass der Radweg auch in die „falsche“ Richtung ausgewiesen ist. Denn an einer entsprechenden Kennzeichnung fehlt es oft. Das führt zu gefährlichen Situationen nicht nur für den vermeintlichen „Geisterfahrer“ auf dem Radweg. Auch hier hilft nur, auf sich aufmerksam zu machen (mit der Klingel oder durch Rufen).

Manche Gemeinden richten auch „ linke gemeinsame Fuß- und Radwege“ mit dem Zeichen 240 ein. Diese müssen der Beschilderung entsprechend auch von Radfahrern benutzt werden. Im Vorfahrtsverhältnis zum Kraftfahrer bilden sie also linke Radwege, nur im Verhältnis zum Fußgänger sind besondere Rücksichten zu nehmen.

Seit 2009 sind linke freiwillige Radwege ausdrücklich geregelt. Nach § 2 Absatz 4 dürfen linke Radwege ohne die Zeichen 237, 240, 241 benutzt werden, wenn dies durch das allein stehende Zusatzzeichen „Radfahrer frei“ angezeigt ist. Dass soll dazu dienen, dass die Straßenverkehrsbehörden merken, dass sie solche Angebote schaffen können, ohne sie gleich verpflichtend für alle zu machen. So können die auf Sicherheit bedachten Radfahrer diese in der Regel außerordentlich gefährlichen linken Verkehrsführungen meiden, Radfahrer, die von Sicherheit nichts wissen oder andere Prioritäten setzen, können dann allerdings links fahren. Für linke Benutzungspflichten, die nur in der Annahme angeordnet wurden, es gäbe keine Möglichkeit, linken freiwilligen Radverkehr zu erlauben, ist jedenfalls nach dieser ausdrücklichen Regelung im Gesetz kein Raum mehr.

Durch die StVO-Novelle von 1997 sollte erreicht werden, dass die Behörden nur noch solche Radwege mit den Zeichen 237, 240, 241 ausschildern, die nach der Beschaffenheit zumutbar sind und deren Linienführung eindeutig, stetig und sicher ist. Doch es wird immer wieder vorkommen, dass der Behörde eine Verschlechterung des Weges entgeht oder dass die Behörde ihrer Prüfpflicht nach der Verwaltungsvorschrift zu § 2 Absatz 4 StVO nicht genügend nachkommt und dann unzumutbare Wege mit den Zeichen 237, 240 oder 241 gekennzeichnet sind. Deren Benutzung wird auch in Zukunft nicht verlangt (vgl. OLG Oldenburg, VkBl 1953, 190; OLG Düsseldorf, NZV 1992, 290; OLG Köln, NZV 1994, 278; Bouska, NZV 1991, 129). In Betracht kommen die verschiedensten Umstände. Schlaglöcher, fehlende (zu geringe, scharfkantige) Bordsteinabsenkungen, Längsrillen im Pflaster oder Asphalt, hochstehende oder tiefliegende Hydranten-, Vermessungspunkt- oder Gullydeckel, Überwucherungen durch Gebüsch oder Brennnesseln, Verwerfungen des Belags durch Wurzeln, Glasscherben etc. machen Wege für jedes Rad unpassierbar. Gleiches gilt für Schneedecken etc. im Winter (BGH, NZV 1995, 144; BGH, NJW 2003, 3622; OLG Naumburg, NJW-RR 2012, 275). Das OLG Celle gibt sogar eine haftungsrechtliche Empfehlung, auf die geräumte und gestreute Fahrbahn auszuweichen, wenn es auf dem Radweg angetauten Schneematsch gibt: Hier müsse man mit Eis glätte rechnen, und wer dann trotzdem nicht auf die Fahrbahn ausweicht und auf dem Radweg stürzt, habe keinen Anspruch aus Verletzung der Räum- und Streupflicht (OLG Celle, NZV 2001, 217; ähnlich OLG Oldenburg, MDR 2003, 454 für einen mit Zeichen 240 ausgeschilderten Gemeinsamen Fuß- und Radweg; genau umgekehrt jedoch BGH, NJW 2003, 3622). Aber auch für das konkret benutzte Rad kann der Radweg unpassierbar sein: Der bauliche Zustand wird bei Rennrädern mit ihren schmalen Reifen eher relevant als bei Hollandrädern mit Ballonreifen, schmale Radwege sind mit Anhänger unpassierbar, eng verschwenkte auch mit einem Tandem. Auch in diesen Fällen gibt es keine Radwegebenutzungspflicht.

Ein häufig in diesem Zusammenhang auftretendes Problem ist folgendes: Ein ansonsten brauchbarer Radweg wird von einer einmündenden Kopfsteinpflasterstraße mit Längsrillen unterbrochen. Um einen Sturz auf diesen kurzen Teilstücken zu vermeiden, ist es durchaus erlaubt, eine sichere Strecke auf der Fahrbahn zu wählen.

Zwar gibt nicht schon jede geringe Erschwerung der Benutzung des Radweges gegenüber der Benutzung der Fahrbahn dem Radfahrer das Recht, diese zu nutzen, aber Umstände, die die Benutzung des Radweges erheblich erschweren, reichen (OLG Oldenburg, VkBl 1953, 190). Ist der Zustand des Radweges so, dass er noch benutzt werden kann, aber zum Langsamfahren zwingt, besteht keine Benutzungspflicht. So verneint das OLG Köln die Radwegebenutzungspflicht ausdrücklich nicht nur, wenn der Radweg sich in einem solch schlechten Zustand befindet, dass er gar nicht benutzt werden kann, sondern auch (schon) dann, wenn „das schnelle Befahren mit einem Rennrad nicht möglich war, der Weg aber bei reduzierter Geschwindigkeit“ hätte benutzt werden können (OLG Köln, NZV 1994, 278). Der Radfahrer braucht sich danach nicht auf den Radweg verweisen lassen, wenn er schneller fahren will und kann als der Radweg es zulässt ─ jedenfalls bei Geschwindigkeiten unter 50 km/h.

Eine Grenze sieht der VGH Baden-Württemberg jedoch bei den Geschwindigkeiten, die vollverkleidete einspurige Liegeräder erreichen. Dem Fahrer eines solchen Rades hielt das Gericht entgegen, niemand habe ein Recht darauf, mit der höchstmöglichen Geschwindigkeit am Straßenverkehr teilzunehmen, die er mit seinem Fahrzeug erreichen kann (VGH Baden-Württemberg, VerkMitt 2001, 14). Allerdings ergibt sich aus dem Urteil nicht, welche Schwierigkeiten der Liegeradfahrer auf dem fraglichen Radweg zu meistern gehabt hätte und wie langsam er dort hätte fahren müssen, um eine Eigen- und Fremdgefährdung auszuschließen. So richtig der Ausgangssatz ist, dass niemand das Recht hat, die ihm höchstmögliche Geschwindigkeit immer ausfahren zu können, so falsch wäre es, daraus abzuleiten, dass man deswegen beliebig schlimme Schikanen hinnehmen müsste, obwohl es direkt daneben eine gut befahrbare allgemeine Fahrbahn gibt. Dem Urteil ist leider auch nicht zu entnehmen, ob das Gericht meinte, dass der Radfahrer wusste oder jedenfalls wissen musste, dass ausgerechnet dieser Radweg zufällig auch mit seinem Rad befahrbar war. Wenn man viele oder gar die meisten Radwege einer Stadt erfahrungsgemäß mit einem bestimmten Rad nicht oder kaum befahren kann, ist es nicht zumutbar, jeden einzelnen daraufhin abprüfen zu müssen, ob er nicht doch befahrbar ist und gegebenenfalls zurückschieben zu müssen. Denn das käme für (behinderte) Dreiradfahrer etwa einem Mobilitätsverbot gleich. Auch kann man dem Urteil keine Erörterung darüber entnehmen, ob der fragliche Radweg vielleicht zwar mit Zeichen 241 ausgeschildert war, diese Beschilderung aber in Ermangelung einer Rechtsgrundlage rechtswidrig oder gar nichtig war; auch dadurch ist es höchst bedenklich.

Unter dem Aspekt der Sozialen Sicherheit birgt die Radwegebenutzungspflicht ein besonderes Problem insbesondere für Radfahrerinnen: Auch der Radweg am Gebüsch des Parks entlang ist erstens überhaupt und zweitens sogar nachts für Frauen benutzungspflichtig. Dagegen kann sie sich rechtlich auch nicht zur Wehr setzen. Es bleibt einstweilen leider nur die Möglichkeit, Umwege zu fahren und Angsträume zu vermeiden. Nur ein schwacher Trost bei dieser „ strukturellen Gewalt durch Planung“ dürfte sein, dass die soziale Sicherheit von Radverkehrsanlagen (z.B. unter den Aspekten Nachtrouten, Beleuchtung) in den Empfehlungen für Radverkehrsanlagen der Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen behandelt wird. Liegt der fragliche Radweg z.B. hinter der Schallschutzmauer neben der Kleingartenanlage, muss allerdings hinterfragt werden, ob er noch der Straße zuzuordnen ist: Fehlt es daran, darf durchaus die Straße benutzt werden.

Wer das Problem Radwegebenutzungspflicht an einer bestimmten Stelle jedoch grundsätzlich und unabhängig von den eben genannten Aspekten und unabhängig von anderen temporären und individuellen Hindernissen angehen will, muss rechtlich dagegen vorgehen. Eine Klage beim Verwaltungsgericht gegen die Behörde kann durchaus Erfolg haben (vgl. das Kapitel Recht gegenüber Behörden, Straßenverkehrsrecht).

Für alle Fälle, in denen kein benutzbarer Radweg vorhanden ist, gilt: Es ist auf die Fahrbahn auszuweichen (AG Darmstadt, NZV 1992, 369); ein Ausweichen auf den Gehweg ist lediglich Kindern bis zum vollendeten 10. Lebensjahr erlaubt. Wenn drängelnde Kraftfahrer durch wüstes Hupen zu verstehen geben, dass sie glauben, es gebe einen benutzungspflichtigen Radweg oder man solle gefälligst auf den Fußweg ausweichen, sind sie im Unrecht. Passiert dergleichen im Winter, wenn die Radwege vereist, die Fahrbahnen aber relativ frei sind, ist das Hupen und „Schneiden“ besonders gefährlich. Hier kann an eine Strafanzeige gegen die betreffenden Kraftfahrer gedacht werden. Ist der Radweg nur auf einer Teilstrecke nicht benutzbar, muss der Radfahrer bei der nächsten zumutbaren Gelegenheit wieder auf den Radweg wechseln.

Auch Wege, die nicht ausdrücklich als Radweg gekennzeichnet sind, dürfen von Radfahrern benutzt werden (OLG Karlsruhe, DAR 2000, 307). Gehweg und damit für Radfahrer tabu sind nur solche öffentlichen Verkehrsflächen, die zur Benutzung durch Fußgänger bestimmt und eingerichtet sowie durch Trennung von der Fahrbahn als solche erkennbar sind. Als Gestaltungsmerkmale kommen dabei etwa die Pflasterung, Bordsteine und Trennlinien in Betracht (OLG Karlsruhe, DAR 2000, 307; OLG Karlsruhe, NZV 2004, 271; OLG Frankfurt/Main, VerkMitt 2004, 37). Fehlt es an solchen Merkmalen zugunsten des Fußverkehrs, ist der Weg auch dem Radverkehr gewidmet.

Obwohl Seitenstreifen nicht als Bestandteil der Fahrbahn gelten, dürfen Radfahrer rechte Seitenstreifen benutzen, wenn keine Radwege vorhanden sind und Fußgänger nicht behindert werden. Eine Benutzungspflicht für Seitenstreifen besteht nicht.

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23 декабря 2023
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381 стр. 2 иллюстрации
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9783944101316
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