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Die Botschaft von Poyens Heilungen mithilfe des Magnetismus verbreitete sich durch Neuengland. Zeitungen in vielen Staaten druckten Artikel über seine Erfolge und er wurde in den verschiedensten Teilen der Gesellschaft bekannt. Während der Mesmerismus in Europa eine Angelegenheit der aristokratischen Elite gewesen war und auf sie beschränkt blieb, wurde er in Nordamerika auch in der Mittel- und Oberschicht bekannt und populär. Poyen hatte einen aktivistischen und evangelikalen Hintergrund. Nun nutzte er seine Überredungskünste, um die öffentliche Akzeptanz des Mesmerismus als Teil eines wissenschaftlichen Zugangs zur Beförderung der Humanität zu verstärken. Er prophezeite, wenn die amerikanische Gesellschaft den Magnetismus akzeptiere, dann könne Nordamerika ‚die vollkommenste Nation auf Erden’ werden. Er behauptete außerdem, dass der Mesmerismus auf wissenschaftlicher Beobachtung beruhe und auf einer Grundlage jahrelanger erfolgreicher Praxis stehe. Der Gedanke des Mesmerismus als einer Technik zur Verjüngung und Verbesserung des Menschen verband sich auf diese Weise mit dem amerikanischen Konzept einer offenbaren Bestimmung der Nation und fungierte wie ein Appell an viele Menschen dieser Zeit.210

1839 kehrte Poyen nach Frankreich zurück. Seine ‚Hauptmänner’ verbreiteten den populären Magnetismus auf dem Lande, indem sie seine Methoden demonstrierten und förderten. Als die Vortragenden damit auch in Klein- und schließlich Großstädte kamen, begegneten sie oft reisenden Phrenologen. Und obgleich beide Bewegungen unterschiedlichen Ursprungs waren, übernahmen viele Phrenologen den Mesmerismus.211

1839 kam ein ärztlicher Vortragsreisender aus England nach Nordamerika, Robert H. Collyer. Er war ein Student des Phrenologen Spurzheim gewesen und hatte zudem Interesse am Mesmerismus entwickelt. Mit einer Reihe von Vorträgen wollte er über die Fähigkeiten der Phrenologie berichten. Gleichwohl war er bei seiner Ankunft in Nordamerika bestürzt über das kulturelle Chaos und den Mangel an wirksamer medizinischer Praxis. Er betrachtete den Mesmerismus als natürliche Erweiterung einer nützlichen Phrenologie und sprach diese Verbindung auch an. Als sein Enthusiasmus und die Anwendungsbereiche des Mesmerismus zunahmen, änderte er seine Vorträge jedoch und wurde nun ein sehr bekannter und viel umherreisender Förderer des Mesmerismus. Collyer ist damit ein gutes Beispiel dafür, wie Vortragende zum Thema Magnetismus schnell den Vorteil des bereits etablierten Netzwerks nutzten, in welchem der Mesmerismus die Phrenologie in den Hintergrund drängte.212

1842 ‚entdeckten’ mehrere Phrenologen zur gleichen Zeit den ‚Phrenomagnetismus’ und Collyer galt als einer seiner bekannteren Entdecker. 1842 publizierte er The Mesmeric Magazine und noch im selben Jahr begannen er und andere damit, bestimmte Bereiche des menschlichen Kopfes zu stimulieren, um bessere Ergebnisse zu erzielen. Für eine gewisse Zeit wurden die Begriffe ‚Mesmerismus’ und ‚Phrenologie’ nahezu synonym gebraucht. Gleichwohl wurde der Phrenomagnetismus durch den an Mesmer orientierten Ansatz verdunkelt. Die Nordamerikaner interessierten sich mehr für Mesmers Heilungsansatz durch Magnetismus als für die Phrenologie. So mutierten viele Phrenologen zu Vortragenden über magnetisches Heilen. Der aktive mentale Zustand der Magnetisierten wurde als dynamischer und stärker veränderungsfähig wahrgenommen als derjenige, der auf der Psychologie der Phrenologen beruhte. In den späten 1840ern hatte der Magnetismus die Phrenologie an Popularität überholt, wobei die Mesmeristen und die magnetischen Heiler entlang der früheren Pfade der Phrenologie erblühten. Über den Mesmerismus wurde in den vormals phrenologischen Zeitschriften und der entsprechenden Literatur geschrieben. Magnetische Heiler waren damit überall im Land präsent.213

Der Mesmerismus wurde nicht zuletzt deshalb in Nordamerika integriert, weil er als auf Erfahrung beruhendes Verbindungsglied zwischen Körper und Geist fungierte. Die Nordamerikaner waren in dieser Zeit durch eine religiöse Revitalisierung gegangen, die viel von jenem Enthusiasmus in sich trug, welcher die Bewegungen des 19. Jahrhunderts allgemein begleitet hatte, und sie glaubten, dass der Mesmerismus den ganzen Menschen behandle. Auch wenn der Mesmerismus keine Religion verkörperte, gingen einige doch davon aus, dass er einen religiösen Aspekt besitze, und sie waren der festen Überzeugung, er unterstütze swedenborgianische Ideen. Aber obgleich manche swedenborgianische Vorstellungen innerhalb dieser Bewegung durch Zeitschriften wie The Magnet verbreitet wurden, wurde der Mesmerismus niemals wirklich swedenborgianisch. Er schien einige Individuen in intensive Erfahrungssituationen und zu einer stärkeren inneren Harmonie mit unsichtbaren Kräften zu bringen. Zudem umfasste er eine Verbindung von bisher unerforschten Bereichen und Fähigkeiten des Mentalen sowie deren Einfluss auf den Körper. Wie auch immer man zu seinen fluidalen Erklärungsmodellen stand, der Magnetismus schien eine Art Einströmen zwischen Geist und Körper zu implizieren, was eine neue Wissenschaft vom Geist nahelegte. Man glaubte, im Trancezustand könnten Körper und Seele sich mittels einer magnetischen Flüssigkeit wechselseitig beeinflussen. Man meinte außerdem, die hypnotisierte Person befinde sich in diesem Zustand in einem harmonischeren und friedlicheren Kontakt mit einer geistigen Kraft214.

Einige Vertreter des institutionellen Swedenborgianismus betrachteten den Mesmerismus als Beweis für Swedenborgs Ausführungen über Körper, Mentales und Geist. Sie sahen in den mesmerischen Phänomenen den Nachweis für Swedenborgs Paradigma des Menschen als duale Geist-Körper-Natur sowie für die Existenz einer parallelen geistigen Wirklichkeitsebene, die mit dieser materiellen Welt koexistiere. Andere institutionelle Swedenborgianer standen dem Mesmerismus hingegen skeptisch gegenüber oder verhielten sich ihm gegenüber indifferent. Die mesmerische Bewegung entzündete großes Interesse im Swedenborgianismus aller Spielarten, in der institutionellen Neue Kirche ebenso wie bei nicht-separatistischen, kirchlichen gebundenen und bei kirchenfernen Swedenborgianern. Die Hellsichtigkeit wurde zu einer neuen Wissenschaft, zur ‚wahren Philosophie’ des Zeitalters, worin ‚das Geistige’ einen Bereich von Ursachen bildete – und die ‚Welten der Materie und des Verstandes’ vereint wären. Ende der 1840 er ließ sich ein plötzlicher Anstieg im allgemeinen Interesse am Swedenborgianismus beobachten, oft aufgrund seiner Verbindung mit dem populären Mesmerismus und dem magnetischen Heilen. Fowler & Wells halfen dabei, Material zu diesen Themen im Land zu verbreiten.215

Die 1840 er und frühen 1850 er wurden von einer enormen Popularität des Mesmerismus begleitet, der sich wie bereits erwähnt über viele Wege verbreitete, die von der Phrenologie bereits erschlossen worden waren. Dies korrelierte mit einem zunehmenden Interesse an swedenborgianischen Überlegungen, das sich wiederum durch die Neugier am Mesmerismus verstärkte. Viele Menschen schrieben dem Mesmerismus die Wiedereinführung swedenborgianischer Ideen zu und umgekehrt diente die Kosmologie Swedenborgs als eine Erklärung für die Phänomene des Mesmerismus. Obgleich sie anfänglich verschiedene Bewegungen bildeten, so koinzidierten sie doch im Nordamerika jener Zeit. Ein wichtiger Vertreter dieser Verschmelzung von Mesmerismus und Swedenborgianismus war Professor George Bush. Das Zusammenspiel von Mesmerismus und Swedenborgianismus bereitete zudem die Bühne für Andrew Jackson Davis, den wichtigsten Philosophen der nächsten bedeutenden Bewegung: des Spiritismus. Dies soll aber erst im Anschluss an einen Überblick über die swedenborgianischen Impulse der 1840 er und 1850 er erörtert werden.

8. SWEDENBORGIANISCHE IMPULSE IN DEN 1840ER UND 1850ERN

In den 1840ern lies sich ein Anstieg des Interesses der Nordamerikaner an Swedenborg beobachten, wie es ihn zuvor nicht gegeben hatte und seither auch nicht mehr geben sollte. Obgleich die Ideen Swedenborgs seit über 50 Jahren in der Neuen Welt präsent waren, schien es in jener Zeit eine kritische Masse zu geben, die von verschiedenen Auslösern entzündet wurde, letztlich zu flammender Begeisterung führte und sich rasch über Neuengland und den Rest des Landes ausbreitete. Im Nordosten des Landes, insbesondere im westlichen Teil des Bundesstaates New Yorks, hatte es verschiedene Wellen enthusiastischer und Erweckungsbewegungen gegeben, die diesem Bereich des Bundesstaates seinen Spitznamen gaben: ‚Burned-over District’.29* Die swedenborgianische Welle schwappte im Kielwasser der Phrenologie und in Verbindung mit dem Mesmerismus über New York und den Nordosten. Umgekehrt sollte diese swedenborgianische Welle ihrerseits eine weitere Bewegung befeuern: den Spiritismus.216

Der Mesmerismus half dabei, ein populäres Interesse an der Erforschung von Körper, Mentalem und Geist zu wecken. Zu dieser Zeit gab es kein dominierendes Paradigma, welches die neuen psychischen Phänomene des Mesmerismus erklärte. Viele Suchende fanden plötzlich Antworten in den Anschauungen Swedenborgs. Viele Unitarier, Universalisten, Quäker und andere aus den fortschrittlichen Traditionen studierten den animalischen Magnetismus und gingen davon aus, dass er auf höhere Sachverhalte verweise. Sie betrachteten die mesmerischen Phänomene als Zeichen einer neuen Wissenschaft des Geistes. Die Welten der Materie und des Mentalen würden sich verbinden, wobei der Geist als Ursache und die Natur als Wirkung fungierten. Es schien, als sei „[…] der Mesmerismus in dieser Zeit als Ausdruck einer Bestätigung der Botschaft Swedenborgs entwickelt worden.” Das Interesse an Swedenborg stieg innerhalb der universalistischen, unitarischen und der Kirchen der Quäker während der 1840 er stark an.217 Obgleich sich der Mesmerismus also nicht unmittelbar auf den Swedenborgianismus bezog, half er dabei, eine swedenborgianische ‚Mode’ ins Leben zu rufen. So entwickelten sich die Anschauungen Swedenborgs in den 1840ern zu einer enthusiastischen Bewegung, „[…] so greifbar und bedeutungsschwer wie jene der Adventisten oder der frühen Erweckungsbewegung.”218 Der Historiker Whitney Cross beschrieb den swedenborgianischen Impuls folgendermaßen:

„Der Swedenborgianismus drang tiefer in die Herzen der Menschen als jene Reformbewegung, die ihm den Weg bereitete, denn es handelte sich um eine Religion. Die Bibel und die Erwecker hatten die Menschen hungrig nach etwas gemacht, das mehr als soziale Versöhnung bedeutete. Swedenborgs Angebot eines neuen Himmels und einer neuen Erde traf dieses Bedürfnis optimal […] Die wissenschaftlich orientierten Menschen waren entzückt, denn er war primär ein Mann der Wissenschaft und schien das Universum auf eine wissenschaftliche Ordnung zurückzuführen. Die Mystiker waren entzückt, denn er führte sie kühn ein in die Mysterien der Intuition und einer unsichtbaren Welt. Die Unitarier mochten ihn, weil er, während er erklärte, Christus sei ‚Jehovah’ selbst, die orthodoxen Ideen der Gottessohnschaft und der Tripersonalität ablehnte. […] Sogar die Ungläubigen mochten ihn, weil er die halbe Bibel verwarf. […] Seine gewaltigen Imaginationen und großartigen Versprechungen passten haargenau zum Geist der sie begleitenden Reformlehren.”219

Obgleich Swedenborgs Anschauungen rationale Erklärungen zur geistigen und natürlichen Existenzebene sowie zum geistigen Wachsen umfassten, stellten sie zugleich die Grundlage einer Religion dar. Dabei ging es nicht um schlichte Neugier angesichts eines neuen Phänomens wie im Falle des Mesmerismus, denn der Swedenborgianismus appellierte zugleich an den wissenschaftlich orientierten wie auch an den religiösen Menschen. Swedenborg schrieb: „Jetzt ist es erlaubt, die Glaubensmysterien intellektuell zu betreten.” Seine Überlegungen appellierten an die Dissenter der etablierten Denominationen, die nach einer spirituellen, religiösen Weltsicht suchten, welche sich vom orthodoxen Mainstream unterschied. Swedenborg machte das gesamte Universum religiös intelligibel, behandelte nahezu jedes einzelne historische dogmatische Thema und erfreute dennoch auch diejenigen, die sich Freiheit von alten Dogmen wünschten. Er postulierte eine zugrunde liegende Liebe Gottes, welche Freiheit und möglichen menschlichen Fortschritt sowohl in dieser als auch in der nächsten Welt sicherstellte – und er bot eine neue Interpretation der Bibel, die höhere Bedeutungen erschloss.220 Der Historiker Sydney Ahlstrohm schrieb dazu:

„Daher fand damals jedes der Hauptthemen der Sektierer – Vollkommenheit, Millenarismus, Universalismus, Illuminismus – einen Platz in seiner Botschaft. Kurz: Seine Popularität schuf in Nordamerikas großer Periode religiöser Erneuerung viel Neues.” 221

Während der 1840 er hielt Emerson Vorträge über Swedenborg und die Transzendentalisten suchten in seinen Werken nach Inspiration. Emersons erstes Buch Nature (1836) wurde fälschlicherweise sogar als swedenborgianisch eingeschätzt. Die Führer der nicht-separatistischen Neuen Kirche lehrten die swedenborgianische Lehre innerhalb der kirchlichen Traditionen, u. a. bei den Universalisten, Quäkern und Episkopalkirchen. Die Versammlungen der separatistischen Neuen Kirche institutionalisierten sich; sie wurden aufgrund ihrer Kontakte und wohl noch mehr durch energische Publikation und Verbreitung von swedenborgianischem Material sehr einflussreich. Die Freien Geister der swedenborgianischen Bewegungen waren zugleich die am stärksten reformorientierten und prüften Ideen wie den Mesmerismus als Beweisgrundlage zur Unterstützung der Paradigmen Swedenborgs. Einer der bekanntesten unter diesen Freien Geistern war der bereits erwähnte George Bush aus New York City.222

Die Neue Kirche in Nordamerika maß während der 1840 er und 1850 er gemeinsamen Überzeugungen ebenso besondere Bedeutung zu wie Individualität. Damit widersprach sie dem allgemeinen ideologischen Trend der Gesellschaft jener Zeit, ohne sich dabei jedoch von der Außenwelt zurückzuziehen. Mitglieder der Neuen Kirche waren auf allen Ebenen der Gesellschaft aktiv, insbesondere in ihren Berufen und auf intellektueller Ebene. Die Neue Kirche verstand Swedenborgs Schriften als anderen überlegen und erfasste seine Theologie, Kosmologie und Philosophie. Gleichwohl war sie offen für verschiedene Anwendungen dieser Anschauungen und respektierte Individualität. Die Attraktivität der Weltsicht der Neuen Kirche bestand in einer einzigartigen Versöhnung von Religion, Wissenschaft und Spiritualität, die sich besonders an Gebildete wendete.223

Swedenborgianer hatten das Einfließen von mehr Spiritualität in die amerikanische Gesellschaft, Ökonomie und Politik im Blick. Sie erhofften eine allmähliche Reform der irdischen Gesellschaft in Richtung einer himmlischen. Dies sollten ein kontinuierlicher, schrittweiser Prozess sowie mutige Reformen in Bereichen wie Bildung, Ehe und Medizin erreichen. Der Gruppe zufolge sollte sich dies nicht in Gestalt einer revolutionären oder radikalen Veränderung in einem isolierten Bereich vollziehen. Obgleich die Bewegung sich als ganze weniger Aktivitäten, sondern vielmehr dem mündlichen und schriftlichen Diskurs über Reformen verpflichtet sah, „[…] konnte man vor 1860 dennoch einige Swedenborgianer an allen Frontlinien der Reformbewegungen jener Zeit finden.”224

Die damaligen Swedenborgianer standen der Medizin des frühen 19. Jahrhunderts kritisch gegenüber und erkannten deren wichtigste theoretischen und therapeutischen Irrtümer. Die Mainstream-Medizin in jenen Tagen war die sogenannte allopathische Medizin. Sie verfügte über keine einheitliche Theorie der Gesundheit oder einen wirklich vernünftigen Behandlungsansatz. Tatsächlich galten ihre Behandlungsmethoden als nicht hilfreich und sogar gefährlich. Viele Mitglieder der Neuen Kirche waren Ärzte oder Angehörige vergleichbarer Berufe. Doch sie hatten kein schlechtes Gewissen, wenn sie den beklagenswerten Zustand der Medizin in Nordamerika kritisierten. Tatsächlich verließen viele die allopathische Medizin, um Alternativen auszuprobieren, insbesondere die Homöopathie, die bei ihrer Entwicklung in Nordamerika nachhaltig durch Swedenborgianer beeinflusst wurde.225

Eine weniger formelle Form des Swedenborgianismus verbreitete sich auch unter jenen Kirchenfernen, die sich nicht als Teil einer organisierten religiösen Denomination betrachteten, sich aber dennoch nach einer intellektuell ansprechenden Spiritualität sehnten. Swedenborgs Überlegungen, wie die der einander entsprechenden geistigen und natürlichen Wirklichkeitsebenen und die eines liebenden, nicht richtenden Schöpfers, der die Schöpfung nach ihr zugrunde liegenden und verständlichen Gesetzen geschaffen habe, sprach manche an, die auf der Suche nach einer Einheit von Wissenschaft und Geist waren. Swedenborgs Anschauungen durchdrangen die metaphysischen Bewegungen dieser Zeit. Der Historiker Robert C. Fuller schreibt:

„Swedenborgs Einfluss kann in nahezu jeder Philosophie oder Bewegung des 19. Jahrhunderts wahrgenommen worden.” Im selben Abschnitt schließt er: „Der Grund für Swedenborgs Einfluss auf eine derart uneinheitliche Gruppe von Individuen und Sachverhalten ist schlicht, dass seine Schriften eine Vision artikulierten, die unsere wissenschaftlichen und spirituellen Bestrebungen versöhnte.”226

Einige Historiker bemerkten, dass Swedenborg zu einem bedeutenden Symbol der alternativen religiösen Szene wurde. Dies ist ein Beispiel dafür, wie Swedenborg verschiedene Menschen mit sehr unterschiedlichen Interessen ansprach. Obgleich alle Gruppen, die in diesem Kapitel erwähnt wurden, swedenborgianisch geprägt waren, variierten sie von institutionell gebundenen bis hin zu freigeistigen und kirchenfernen Menschen. Die 1840 er und 1850 er wurden deshalb auch als swedenborgianische Renaissance in den Vereinigten Staaten bezeichnet.227

Es ist allerdings wahrscheinlich, dass die Tiefe im Verständnis für Swedenborgs Gedanken stark variierte. Weil der genuine Swedenborgianismus eine komplexe Theorie darstellt, die viele Anschauungen in sich einschließt, wurde sie nicht immer vollständig rezipiert. Häufig sprachen bestimmte Aspekte einzelne Menschen mehr an als andere. Viele Gruppen gebrauchten Swedenborgs Anschauungen auf verschiedene Weise, obschon sie alle in seinen Werken eine gemeinsame Basis fanden.228

Die 1840 er waren eine Zeit neuer Ideen und philosophischer sowie metaphysischer Bewegungen. Drei der bedeutendsten waren der Mesmerismus, der Transzendentalismus und der Swedenborgianismus. Die swedenborgianischen Ideen wurden sehr populär und innerhalb wie außerhalb der institutionalisierten swedenborgianischen Kirchen verbreitet. Viele von Swedenborgs Gedanken wurden durch den Transzendentalismus einbezogen und popularisiert. Mehr noch aber wurden sie durch eine folgende, noch größere metaphysische Bewegung transportiert, die auf einer Mischung aus Magnetismus und Swedenborgianismus beruhte und die 1850ern dominieren sollte: den Spiritismus. Wie es Whitney Cross bereits formulierte:

„Der Mesmerismus führte zum Swedenborgianismus – und der Swedenborgianismus zum Spiritismus.” 229

9. DIE BEWEGUNG DER NEUEN ÄRA

Seit Jahrtausenden wurden Versuche unternommen, Kontakt mit den Geistern der Verstorbenen aufzunehmen. Die Neue Kirche war empfänglich für dieses Thema, denn eine Gruppe früher Swedenborgianer in Schweden hatte in den 1780ern bestimmte Anstrengungen in diese Richtung unternommen und stand im Kontakt zu den frühen Nachfolgern Mesmers in Kontinentaleuropa. Doch sie versiegte schnell, weil sie keine andauernden Wirkungen auf die swedenborgianischen Bewegungen ausüben konnte, wenn man von dem Rest an Empfänglichkeit absieht, der mit Blick auf die unerwünschten Praxis des Kontakts mit Geisterwesen in der Neuen Kirche zurückblieb. Dieser war unerwünscht, da Swedenborg in seinen theologischen Schriften sehr deutlich geäußert hatte, dass jeder Versuch von anderen, Kontakt mit der Geisterwelt aufzunehmen, nur zu Störung und Verwirrung führen werde. Er erklärte, dass er selbst vom Herrn besonders darauf vorbereitet worden sei, als Botschafter der Wahrheit zu dienen – eine singuläre Rolle. Er durfte gleichzeitig sowohl in der geistigen wie in der natürlichen Welt sein. Swedenborg stellte fest, dass er nur dasjenige berichtet habe, was der Herr abgesegnet habe, und dass er es vermeide, dasjenige zu schreiben, was von ihm selbst oder Geisterwesen komme. Er schrieb ferner, dass der Kontakt mit Geisterwesen möglich sei, doch ein gewollter Kontakt könne nur mit missgünstigen Geisterwesen stattfinden, welche die Individuen nur darin täuschen würden, sie seien vom Heiligen Geist erfüllt oder erführen große Wahrheiten – was dann aber gar nicht der Fall sei. Swedenborg untersagte es, in absichtsvoll geplanten Versuchen Kontakt mit den Geistern aufzunehmen.230

Bis in die1840 er hatten spiritistische Bestrebungen, Kontakt mit den Geistern Verstorbener aufzunehmen, innerhalb der Neuen Kirche keine Schwierigkeiten verursacht. Das änderte sich mit einer kleinen, aber bedeutenden Splittergruppe: der Bewegung des Neuen Ära. Sie nahm ihren Ausgang 1844 mit Samuel H. Worcester in New York City. Tatsächlich waren die Ereignisse, die hierzu führten, in den 1830ern von seinem Vater Samuel Worcester, der aus einer Bostoner Geistlichenfamilie stammte, innerhalb der Neuen Kirche in Bewegung gesetzt worden. Samuel Worcester der Ältere hatte Boston in den 1820ern verlassen und wurde Geistlicher in Brigdewater, Massachusetts. 1835 starb seine Tochter Anna mit 17 Jahren. Kurz darauf hatte seine Ehefrau eine Erfahrung, in der sie den Geist ihrer Tochter sah, wie er friedlich ruhte. Samuel Worcester erfuhr zudem zwischen 1835 und seinem Tod im Jahr 1844 eigene Offenbarungen mit Geisterkontakt. Er hielt diese bis wenige Monate vor seinem Tod geheim, als er einen Brief an die Neue Kirche schrieb, in welchem er verkündete, er habe nicht nur mit Geisterwesen kommuniziert, sondern auch Kontakt mit dem Geist Swedenborgs aufgenommen und ebenso zu anderen aus der Neuen Kirche. Und er werde als Swedenborgs Vertreter auf Erden dienen, um Offenbarungen zu übermitteln und das Kommen einer ‚Neuen Ära’ zu proklamieren. Sein Sohn Samuel H. Worcester veröffentlichte diese Texte seines Vaters bald nach dessen Tod 1844.231

Samuel H. Worcester behauptete, in die Fußspuren seines Vaters zu treten, und bildete umgehend eine Gruppe sympathisierender Swedenborgianer in New York City, die sich als ‚Bewegung der Neuen Ära’ bezeichnete. Er behauptete, Swedenborg selbst habe ihn zum Nachfolger seines Vaters als Priester ordiniert. Seine Aufzeichnungen über Geisterkommunikationen zeigen, dass er sich nur mit frühen Vertretern der Neuen Kirche und mit Swedenborg selbst unterhielt. In der kleinen Gruppe befanden sich seine Mutter, seine Schwester, Silas Jones sowie Mr. und Mrs. Douglas.232

Die Bewegung der Neuen Ära bestand also aus Swedenborgianern, die behaupteten, direkten Zugang zu Swedenborg, zum Herrn und zu spiritueller Wahrheit zu besitzen. Sie missbilligten die ‚bloße menschliche Ordination’, was konsequenterweise zum unmittelbaren Bruch mit der etablierten Neuen Kirche führte. John Douglas stritt heftig mit dem Pastor der New Yorker Gemeinschaft, Benjamin F. Barrett, und wurde schließlich aus dieser ausgeschlossen.233

Silas Jones hatte zuvor über Phrenologie und dann über Mesmerismus vorgetragen. Er war aktiver Swedenborgianer in der New Yorker Gemeinschaft geworden, und er repräsentierte einen derjenigen Neulinge in der Neuen Kirche mit mesmerischem Hintergrund, bei denen es wahrscheinlicher war, dass sie Kontakt mit Geistern pflegten. Er unterstützte Douglas während seiner Konfrontation mit Barrett und fuhr darin fort, dessen systematische Lehren über die Bewegung der Neuen Ära in den späten 1840ern fortzusetzen, wobei er öffentlich die Lehren der Neuen Ära verteidigte und die institutionelle Neue Kirche scharf angriff. 1850 wurde er durch einen Geistlichen seinerseits als Geistlicher der Neuen Kirche ordiniert, was aber von der New Yorker Gemeinschaft oder der Generalversammlung der Neuen Kirche nicht anerkannt wurde.

Jones suchte eindeutig die Herausforderung der Neuen Kirche durch die Bewegung der Neuen Ära. Dies sollte als ein Mittel zur Reform und zur Vitalisierung der Neuen Kirche dienen und ihren Geistlichen helfen, göttliche Inspiration und Ordination zu finden. Die Gruppe der Neuen Ära förderte aktiv Kommunikation mit Geisterwesen innerhalb des swedenborgianischen Kontextes als ein Mittel für geistiges Wachstum. Sie gaben zu, dass dabei ein Risiko bestehe, aber sie gingen auch davon aus, dass sie gute Geister an deren ordnungsgemäßem Verhalten und ihrer Übereinstimmung mit Swedenborgs Schriften erkennen könnten.234

Jones und die Anhänger der Neuen Ära erzürnten die etablierte Neue Kirche insbesondere mit ihren Behauptungen, diese neue Wahrheit exklusiv zu kennen. Sie erinnerten sie dabei an die Bibelchristen, die vor zwei Jahrzehnten in Manchester, England, entstanden und nach Philadelphia ausgewandert waren. Die Einstellung der institutionellen Neuen Kirche lautete: Obgleich der Geisterkontakt möglich ist, etwa während einer mesmerischen Trance in einem anormalen psychischen Zustand, so ist er dennoch nicht nützlich oder wünschenswert. Dies führe ausschließlich gefährliche oder irreführende Ergebnisse herbei.235

Es gab viele der Neuen Ära vergleichbare Aktivitäten innerhalb der Neuen Kirche, insbesondere in Michigan unter der Führung von Henry Weller. Er veröffentlichte die Zeitschrift The Crisis, welche die Sache der Neuen Ära ab 1852 unterstützte. Die Zeitschrift wurde von 1852 bis 1865 publiziert, anschließend in New Church Independent umbenannt und bis zu seinem Tod 1868 von Weller geleitet.

Mit den 1860ern dünnte sich die Bewegung der Neuen Ära aus. 1850 hatte Samuel H. Worcester die Bewegung verlassen und war zur Neuen Kirche zurückgekehrt, in der er ein anerkannter ordinierter Geistlicher werden sollte. Bald folgten weitere seinem Beispiel. Viele, die an dieser kleinen, aber bedeutenden Bewegung beteiligt waren, schlossen sich wieder dem Hauptstrom der Neuen Kirche an, wobei einige, die das nicht taten, ausgeschlossen wurden. Auch wenn sie Teil einer eklektischen Gruppe waren, teilten diese Individuen gemeinsame Eigenschaften, die in der Tradition der swedenborgianischen Neuen Kirche wurzelten. Sie betonten die innere Kommunikation mit der Welt der Geisterwesen und spielten die äußeren Probleme, welche die Nicht-Swedenborgianer aufregten, herunter. Ihre Wirkung auf die Neue Kirche als Ganze bestand darin, dass jede Veränderung oder Wiedereinführung im Sinne spiritistischer Tendenzen zurückgewiesen wurde.236

Die Bewegung der Neuen Ära war aber nicht nur wegen ihrer Wirkung auf die etablierte Neue Kirche von Bedeutung, sondern auch aufgrund der Interaktion ihrer Mitglieder mit der frühen spiritistischen Bewegung. Dies wird noch an einer späteren Stelle in diesem Buch untersucht.

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23 декабря 2023
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