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THE BEACH BOYS UND BRIAN WILSON: WEIHNACHTEN UND SÜSSER WAHNSINN

Mitte der 70er Jahre fehlte den BEACH BOYS ihr wohl wichtigstes Mitglied. BRIAN WILSON kämpfte nicht nur mit den Drogen, sondern auch mit psychischen Problemen. Mit Mitte 20 begann er Stimmen zu hören. Stimmen, die er keiner Person aus seinem Umfeld zuordnen konnte, die für ihn dennoch vertraut klangen. Sie sagten ihm, dass seine Musik nichts wert sei. Und sie sagten, dass sie ihn töten würden. Wilson begann mit Alkohol und Drogen dagegen anzukämpfen, wollte die Stimmen zum Schweigen bringen. Aber es half nichts. Bereits 1964 zog er sich wegen seiner anhaltenden Probleme vom Touren zurück. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits zwei Nervenzusammenbrüche erlitten und war tablettenabhängig. Ende der 60er war er kaum noch aktives Mitglied der Gruppe und am Album »Holland« von 1973 gar nicht mehr beteiligt.

Nach einem Aufenthalt in einer Klinik blieb Wilson zu Hause und komponierte einen Song nach dem anderen, von denen die wenigsten jemals das Licht der Welt erblickten. Für Wilson war das Songschreiben ein Mittel zur Stressbewältigung, und schon bald war von den mythischen »Bedroom Tapes« die Rede, die als unglaublich persönlich und Lo-Fi, aber auch genial beschrieben wurden. Immer wieder widmete sich Wilson dem Traditional »Shortenin’ Bread«, von dem er regelrecht besessen war und es über Jahre mehrmals neu aufnahm. Micky Dolenz von den Monkees erinnerte sich, wie er zusammen mit Wilson, Harry Nilsson und John Lennon LSD nahm, während Wilson immer wieder und wieder das Stück auf dem Klavier spielte. Zusammen mit Nilsson nahm er dann auch »Clangin’« auf, eine Variation des »Shortenin’ Bread«-Themas. Wilson war so sehr mit dem Stück, das er für das beste Lied aller Zeiten hielt, beschäftigt, dass nicht wenige Musiker*innen dieser Zeit in LA eine eigene »Shortenin’ Bread« -Anekdote erzählen können.

Gelähmt von den Depressionen blieb Wilson meist daheim und nahm so massiv zu, dass er fast hundertfünfzig Kilo wog. Auch seine Kreativität litt und er schrieb immer weniger Songs.

So konnte es nicht weitergehen. Seine Frau Marilyn engagierte den Psychotherapeuten Eugene Landy und Wilson ergab sich seinem Schicksal, um nicht noch einmal in eine Klinik zu müssen. 1976 hatte er sich wieder im Griff und lieferte mit »15 Big Ones« sein erfolgreiches Comeback. »Brian is back« lautete die große Werbekampagne, und auch wenn die Kritiker*innen nicht begeistert waren, die Fans liebten die Platte. Eugene Landy sah das zum Teil als seinen Verdienst und verlangte dementsprechend einen Anteil an den Umsätzen der Band. Nachdem er im Dezember seine Kosten verdoppelte, feuerte ihn Wilsons Cousin Steve Love, der Manager der Beach Boys.

Am 11. April 1977, nur wenige Tage, nachdem die Beach Boys ihren neuen Acht-Millionen-Dollar-Vertrag bei CBS bekannt machten, veröffentlichte Reprise Records den »Big Ones«-Nachfolger »The Beach Boys Love You«. Eigentlich hätte das Album, das Wilson nahezu im Alleingang aufnahm, »Brian Loves You« heißen sollen, doch es galt schließlich, Verträge zu erfüllen. An der Platte schieden sich die Geister. Manche, wie z. B. Patti Smith, hielten es für genial, andere für einen großen Reinfall. Viel Promotion gab es nicht. Unklar ist, ob es daran lag, dass die Band einen neuen Vertrag bei der Konkurrenz unterschrieben hatte oder dass Reprise-Chef Mo Ostin die Platte einfach nicht mochte. Die Verkaufszahlen blieben unter den Erwartungen. Vielleicht war die fehlende Werbung schuld, vielleicht gefiel den Fans das Album aber auch einfach nicht.

BEACH BOYS: ADULT/CHILD (1977)

01. Life Is for the Living

02. Hey Little Tomboy

03. Deep Purple

04. H.E.L.P. Is on the Way

05. It’s Over Now

06. Everybody Wants to Live

07. Shortenin’ Bread

08. Lines

09. On Broadway

10. Games Two Can Play

11. It’s Trying to Say

12. Still I Dream of It


Bootleg-Cover von 1985

Wilson selbst ordnete die Qualität von »Loves You« gleich nach »Pet Sounds« in das Beach-Boys-Œuvre ein und war voller Tatendrang. Nur fünf Tage, nachdem er die Aufnahmen an »Loves You« fertiggestellt hatte, machte er sich im Januar 1977 an die Arbeit, ein weiteres Album zu produzieren, schließlich schuldete die Band Reprise trotz neuem Vertrag noch eine weitere Veröffentlichung. »Adult/Child« wurde ein seltsames Werk, bestehend aus Outtakes der letzten beiden Alben sowie noch älteren Stücken. Wilson lässt das Album mit einer Entertainer-Nummer beginnen, die auch Sinatra gefallen hätte. Kein Wunder, schließlich arbeitete er bei dem Album mit Dick Reynolds zusammen, der zwar schon zuvor für die Beach Boys aktiv war, aber vor allem als Arrangeur für Sinatra selbst tätig war. Auch das Cover »Deep Purple« hätte besser auf eine Platte des Paten aller Crooner gepasst und in »It’s Over Now« heißt es sogar: »I’ll put a Frank Sinatra album on / And cry my blues away«. Selbst eine Version von »Shortenin’ Bread« befand sich auf der Platte. Ein sehr untypisches Album, das Wilson im Juni 1977 mit zwölf Titeln fertigstellte und dem Label übergab, das jegliche Veröffentlichung ablehnte. Kommerziell nicht tragfähig, so das Urteil der Plattenfirma. Auch die Band war wenig begeistert und Mike Love soll beim ersten Hören der orchestralen Demo-Aufnahmen sogar gefragt haben, was zum Teufel Wilson da eigentlich mache.

Um den Vertrag letztendlich doch zu erfüllen, behalf sich die Band damit, ein altes Erfolgsrezept aufzuwärmen. Mike Love und Al Jardine, die mittlerweile die Geschicke der Band leiteten, reisten zusammen mit Brian nach Iowa, um an einem neuen Album zu arbeiten. Beziehungsweise gleich an zwei Alben. 1964 hatten sie eine Weihnachtsplatte aufgenommen, die zum Evergreen wurde. Wieso das Ganze nicht wiederholen? Auch hier wurden einige ältere Aufnahmen mit neuen Stücken zusammengemengt: Cover, Traditionals und eigene Songs. Erneut war das Label nicht besonders erfreut. Man wolle lieber ein normales Studioalbum haben, so die Ansage. Um möglichst schnell den Vertrag mit Reprise erfüllen zu können, wurden drei Weihnachtslieder kurzerhand umgedichtet, neu eingesungen und dem Label zusammen mit den Stücken aus dem anderen Projekt als fertiges Album angeboten. Kurzzeitig mit dem Titel »California Feeling« nach einem (fast) gleichnamigen Song Wilsons, den er ausdrücklich nicht auf der Platte haben wollte. Dann als »Winds of Change« und letztendlich unter dem finalen Titel »M.I.U. Album«, benannt nach der Maharishi International University, in der die Aufnahmen in Iowa stattfanden. 1978 sollte damit dann endlich das letzte Album für Reprise in den Läden stehen.

Mit »Hey Little Tomboy« findet sich sogar ein Stück von »Adult/Child« auf der Platte. Brian Wilson zog sich bald wieder aus der Öffentlichkeit zurück. An die Arbeit an »M.I.U.« könne er sich wegen all der Medikamente gar nicht erinnern und seine Benennung als »Executive Producer« auf der Platte war auch eher symbolischer Natur. Seine Probleme mit der Psyche und den Drogen nahmen wieder zu. Wilson begab sich in die Klinik und ließ sich von seiner Frau scheiden. Er hatte weder seine Gedanken noch seinen Körper unter Kontrolle, nahm wieder zu und zog Kokain. Nach einer Überdosis begab er sich erneut in die Hände des Psychotherapeuten Eugene Landy. Dieses Mal waren es die Beach Boys selbst, die Landy engagierten. Dieser verfolgte eine Strategie der Nonstop-Betreuung und trennte Wilson häufig von seiner Familie und seinen Freund*innen. Wer ihn besuchen wollte, musste erst die Fragen von Dr. Landy über sich ergehen lassen.

Das Verhalten von Landy, der sich bald auch als Produzent, Komponist, Manager und Marketing-Fachmann verstand, wurde zunehmend bizarrer. Er stopfte Wilson mit Medikamenten voll und hielt ihn in vollständiger Abhängigkeit.

Elf Jahre nach »M.I.U.« veröffentlichte Brian Wilson schließlich sein Solodebüt. Die ersten neuen Aufnahmen wurden von der Kritik hoch gelobt, fanden bei Fans allerdings wenig Anklang. Fünf der elf Songs soll Eugene Landy mitgeschrieben haben. Produzent ANDY PALEY berichtete, wie der Psychotherapeut in Sessions reinplatzte und von Wilson verlangte, Texte und Arrangements zu verändern. Manche Credits ließ er unter Druck an seine damaligen Freundin Alexandra Morgan überschreiben. Zusammen mit Landy und Andy Paley machten sich der Therapeut und sein Klient an eine neue Platte. Landy schrie Wilson an, dass er wieder Musik machen solle. »Sweet Insanity«, so der »geschmackvolle« Titel des zweiten Soloalbums von Wilson, sollte nie das Licht der Welt erblicken. Die Plattenfirma hatte Bedenken, und dann verschwanden auch noch die Masterbänder, aber auch Landy verschwand dann endlich. Bereits 1986 lernte Wilson die Managerin MELINDA LEDBETTER kennen, die dafür sorgte, dass der Therapeut gehen musste. Nur wenige Monate nach ihrem Kennenlernen versuchte sie, gegen Landy vorzugehen, konnte jedoch nichts erreichen, da sie nicht zur Familie gehörte. Mit Unterstützung von Wilsons Mutter und seinem Bruder Carl ging Ledbetter schließlich juristisch gegen den Therapeuten vor. Als Landy Wilson dazu zwang, sein Testament zu seinen Gunsten zu ändern, wurden CARL WILSONs Anwälte tätig. Mit Hilfe seiner Haushaltshilfe und einzigen Freundin in den neun Jahren Überwachung durch Landy konnte Wilson eine Kopie des Testaments an Ledbetter übergeben. Diese erwirkte mit der Unterstützung von Carl Wilson 1991 eine gesetzliche Verfügung, die Landy jeglichen Kontakt zu Brian untersagte.

MERRY CHRISTMAS FROM THE BEACH BOYS (1977)

01. Christmas Time Is Here Again

02. Child of Winter (Christmas Song)

03. Winter Symphony

04. Michael Row the Boat Ashore

05. Seasons in the Sun

06. Morning Christmas

07. Alone on Christmas Day

08. Go and Get That Girl

09. Santa’s On His Way (Neue Fassung von »H.E.L.P. Is On the Way«)

10. I Saw Mommy Kissing Santa Claus

11. Xmas Carol Medley

BRIAN WILSON: SWEET INSANITY (1991)

01. Intro

02. Someone to Love

03. Water Builds Up

04. Don’t Let Her Know She’s an Angel

05. Do You Have Any Regrets?

06. Brian

07. The Spirit of Rock & Roll (featuring Bob Dylan and Jeff Lynne)

08. Rainbow Eyes

09. Love Ya

10. Make a Wish

11. Smart Girls

12. Country Feelin’ (CD Bonus)

Die Arbeit mit Andy Paley setzte Wilson unterdes fort. Direkt nachdem Landy aus Wilsons Leben verschwunden war, rief dieser Paley an und berichtete, dass sie von nun an machen könnten, was immer sie wollten. Mehrere Dutzend Songs entstanden in den sogenannten Andy- Paley-Sessions von 1992 bis 1997. Es ist unklar, zu welchem Zweck die Songs mit Paley aufgenommen wurden. Paley verstand es so, dass Wilson an Material für die Beach Boys arbeitete, denn er dachte oft über Harmoniegesangslinien nach, für die die Band so berühmt war. Tatsächlich trafen sich Wilson und Mike Love 1995, um an gemeinsamem Material für die Beach Boys zu arbeiten, brachten aber lediglich einen einzigen Song zustande. Über die Jahre erschienen einige wenige Songs wie z. B. »Where Has Love Been« auf dem Soloalbum »Imagination« von 1998 oder »Soul Searchin’« und »You’re Still a Mystery« auf dem Beach Boys-Box-Set »Made in California« von 2013, der Großteil dieser Aufnahmen ist bisher jedoch unveröffentlicht.

SSV-NSMABAAOTWMODAACOTIATW: EIN GROSSES »FUCK YOU« AN DIE PLATTENFIRMA

»Wenn Donald Trump tatsächlich Präsident würde, wäre das ein Grund für mich ein neues Album zu veröffentlichen«, verkündete THE SISTERS OF MERCY-Mastermind ANDREW ELDRITCH in einem seiner seltenen Interviews im Juni 2016 mit dem Classic Rock Magazin. Trump wurde tatsächlich Präsident, aber ein neues Sisters-Album ist bis dato nicht erschienen. Genau genommen ist »Vision Thing« aus dem Jahr 1990 das bisher letzte Album der Band, die jedoch weiterhin besteht und regelmäßig auf Tour geht.

Was wirklich damals passierte, ist unklar. Klar ist, dass Eldritch nach der Veröffentlichung von »Vision Thing« dem Label East West Records, einer Tochter von Time Warner, noch zwei weitere Sisters-Alben zugesichert hatte. Statt aber neue Musik zu produzieren, bestreikte Eldritch seine Plattenfirma und verweigerte neues Material. Grund dafür war die mangelhafte Unterstützung für die Sisters Of Mercy durch das Label, insbesondere in den USA – so zumindest Eldritchs Eindruck. Unterschrieben hatte Eldritch seinen Vertrag damals mit WEA Records, einer Tochter von Warner Music. Nachdem Warner 1988 expandierte und East West zukaufte, waren die Sisters Of Mercy plötzlich dort unter Vertrag und Eldritch zeigte sich von der Arbeit seines unfreiwilligen neuen Partners gänzlich unbeeindruckt.

Dennoch gab es seitens Eldritch zumindest kurzzeitig den Willen, neues Material zu liefern, und Eldritch traf sich mit Sisters-Gründungsmitglied Gary Marx, weil dieser neue Stücke für die Band schreiben sollte. Nachdem Marx elf Backing-Tracks geliefert hatte, hörte er nie wieder ein Wort von seinem ehemaligen Bandkollegen. Jahre später stellte Marx die Songs fertig und veröffentlichte sie 2007 unter dem Titel »Nineteen Ninety Five and Nowhere«.

Die Sisters indes streikten weiter. Erst 1997, nach sieben Jahren ohne ein neues Album, konnte sich Eldritch aus dem Vertrag lösen: Statt zwei neuen Alben als Sisters Of Mercy, lieferte er East West ein neues Album des eigens hierfür gegründeten Projekts SSV-NSMABAAOTWMODAACOTIATW, oder kurz SSV. Wofür der Name steht ist unklar, doch angeblich gab Eldritch selbst den Hinweis, dass es »Screw Shareholder Value – Not So Much A Band As Another Opportunity To Waste Money On Drugs And Ammunition Courtesy Of The Idiots At Time Warner« heißen könnte. Tatsächlich schaffte der Sisters-Frontman, die Bedingung durchzudrücken, dass East West das Album mit dem Titel »Go Figure« vorher nicht hören durfte. East West durfte dafür 75.000 Pfund einbehalten, die sie wiederum Eldritch schuldeten.

Das Label entließ die Sisters Of Mercy also bei Anlieferung einer ungehörten Platte unter anderem Namen aus dem Vertrag. Dementsprechend lieferte Eldritch ein nahezu unhörbares Produkt. Die Musik ließ er von Peter Bellendir, dem Schlagzeuger von X-Mal Deutschland und Eisenvater, produzieren, generische, elektronische Musik. Zuvor hatte er ein paar Texte über das Erschießen von Menschen und den Drogenverkauf an Schulkinder auf ein Band gemurmelt, die dann über die Musik gelegt wurden. Um dem Ganzen dann die Krone aufzusetzen, wurden zum Schluss die Drums aus allen Tracks entfernt. Übrig blieb im besten Fall, wie bei »Knife Paper Stone and Guns«, Techno mit geflüsterten Vocals, bei denen die Hörer*innen stets auf den Einsatz der Drums warten: ein wahrlich unhörbares Werk. Doch tatsächlich plante das Label, die Platte zu veröffentlichen. Zumindest für kurze Zeit. Am 24. Oktober 1997 erschien eine Vorabsingle mit drei Tracks des Projekts.

Außerdem schickte East West eine Presseankündigung samt Sellingpoints raus, auf der das Album für den 17. November desselben Jahres angekündigt wurde:

»Wer den Namen Andrew Eldritch hört, hat bestimmte Erwartungen. Doch die werden mit seinem neuen Projekt SSV höchst überraschend und konsequent unterlaufen: keine breitflächigen Soundlandschaften zwischen Endzeit-Drums und hypnotischen Vocals, sondern kühle, klare Beats und scharf konturierte Songstrukturen. Dance, Techno, Club in der eigenwilligen, immer unverkennbaren Lesart des Andrew Eldritch, der die europäische Rockmusik der 80er und 90er Jahre entscheidend prägte. Nie war der britische Musiker vereinnehmbar, immer Individualist, wenn er auch zahllose Fans anzog – als Konzertgänger und Plattenkäufer. SSV setzt diesen selbstbestimmten Weg der Avantgarde schlüssig, aufregend und zeitgemäß fort. Andrew Eldritch auf neuen Wegen.«


SSV: Go Figure (1997)

01. Nice

02. Knife Paper Stone and Guns

03. Two in the Nose

04. Bad Vultee

05. Gone

06. Drugsar

07. High School

08. Feel No Pain

09. Go Figure

10. Shut the Fuck Up

Sogar mindestens eine Anzeige wurde für das Album geschaltet und Promo-Tapes für die Presse verschickt. Irgendwann muss dann irgendwem beim Label aufgefallen sein, dass die Platte eine riesengroße Verarsche von Eldritch war, um aus dem Vertrag zu kommen. Letztendlich kam »Go Figure« nie in die Läden. Und die Sisters Of Mercy? Die touren weiterhin durch die Lande, aber selbst Donald Trumps Präsidentschaft verhalf den Fans zu keiner neuen Platte.

DIE UNVERÖFFENTLICHTE PLATTE ALS BLAUPAUSE

Es gibt nicht wenige Platten, bei denen die unveröffentlichte Platte zum Entstehungsprozess der letztendlich veröffentlichten Platte gehört. Oftmals ist es nur ein Arbeitstitel, der sich verselbstständigt und in Fan- Mythen weiterlebt. Manchmal ist es aber auch ein Projekt, das so viele Iterationen durchmacht, dass der Beginn kaum etwas mit dem Endergebnis zu tun hat. Folglich bleibt es meist den Fans selbst überlassen, ob sie das Album als eigenständiges Werk ansehen. Wie sehr muss sich die erschienene Platte von der nicht erschienen Platte unterscheiden, damit sie als unveröffentlichtes Album in die Historie eingeht? Ist NIRVANAs »In Utero« im ursprünglichen Mix von Steve Albini ein eigenständiges Album? Nur weil Scott Litt »Heart Shaped Box« neu mixte und Cobain dafür neue Backing-Vocals und eine Akustikgitarre aufnahm? Oder wegen des neuen Mixes zu »All Apologies«? Oder vielleicht doch, weil in letzter Minute der Song »I Hate Myself and Want to Die« vom Album gestrichen wurde? Für Albini ist die Sache klar: Das Album, das er lieferte, war gänzlich anders als das, was letztlich herauskam. Auch Bob Weston, der mit ihm zusammen die Aufnahmen ausführte, bestätigt diese Einschätzung. Erst 2003 erschien in England eine Vinyl-Neuauflage von »In Utero«, die auf Albinis ursprünglichen Mix zurückgriff. Allerdings wurden die Aufnahmen in den Abbey Road Studios remastered. Wer das Exemplar mit der Bestellnummer 424 536-1 sein Eigen nennt, wird feststellen müssen, dass die Unterschiede doch relativ marginal sind. Und auch Albini hat mit der Zeit seinen Frieden gefunden, das Wichtigste für ihn sei, dass die Platte, die in die Läden kam, eben die war, die die Fans hören sollten.


Cover des Promo-Tapes von »Verse Chorus Verse«

Aber ist es wirklich so einfach? Während des Entstehungsprozesses hatte »In Utero« nicht nur einen, sondern gleich zwei Arbeitstitel. Zum einen »Verse Chorus Verse«, ein Titel, der den generischen Aufbau von Popsongs aufgriff und zum anderen »I Hate Myself and Want to Die«, einen Titel, den Cobain selbst als »ziemlich negativ, aber auch irgendwie lustig« bezeichnete. Damals enthielt das Album auch noch einige Songs mehr. Darunter der temporäre Titelsong »Verse Chorus Verse«, der ebenfalls zusammen mit Albini eingespielt wurde. 1993 erschien er als Hidden-Track auf dem Benefiz-Sampler »No Alternative«. Unter dem Titel »Sappy« wurde er dann später auf dem Box-Set »With the Lights Out« sowie der Jubiläumsedition von »In Utero« 2013 verwertet. Auch der andere temporäre Titelsong, »I Hate Myself and Want to Die«, wurde mit Albini aufgenommen und erblickte das Licht der Welt auf einer Compilation (»The Beavis and Butt-Head Experience«), wurde aber von der finalen »In Utero«-Tracklist gestrichen, da das Album laut Cobain bereits genug lärmige Songs hatte.

Zumindest zeitweise waren »Verse Chorus Verse« und »I Hate Myself and Want to Die« sogar zwei eigenständige Alben. In seinen Tagebüchern schrieb Cobain, dass er als erstes die rohe Albini-Version mit insgesamt 14 Songs als »I Hate Myself and Want to Die« ausschließlich auf Vinyl, Kassette und 8-Track und ohne Promotion veröffentlichen wolle und einen Monat später dann die uns bekannte Version mit überarbeiteten »Heart Shaped Box« und »All Apologies« auf LP, CD und Kassette mit lediglich zwölf Titeln, allerdings unter dem Titel »Verse Chorus Verse« und nicht »In Utero«. Unklar bleibt, ob der andere Titel auch ein anderes Tracklisting impliziert hätte. Wir kennen also »In Utero« und vielleicht über Umwege sogar die Albini-Version mit dem identischem Tracklisting, aber mit Sicherheit kennen wir nicht das zeitweise geplante Album mit dem Titel »I Hate Myself and Want to Die«. Womöglich wäre auch diese Platte mit dem Titel »Verse Chorus Verse« ganz anders als »In Utero« gewesen.

BRUCE SPRINGSTEEN: THE TIES THAT BIND (1979)

01. The Ties That Bind

02. Cindy

03. Hungry Heart

04. Stolen Car [andere Version als auf »The River«]

05. Be True

06. The River

07. You Can Look (But You Better Not Touch) [Andere Version als auf »The River«]

08. The Price You Pay

09. I Wanna Marry You

10. Loose End

»The River« von BRUCE SPRINGSTEEN dagegen war zuerst gar nicht als Doppelalbum geplant und Springsteen hatte mit »The Ties That Bind« Ende 1979 bereits ein fertiges Uptempo-Album in der Tasche. Als er dann aber den ruhigen Song »The River« schrieb, war ihm klar, dass er das Stück nicht zurückhalten konnte. Der Song über ein junges Paar, das wegen einer ungewollten Schwangerschaft dasselbe gleichförmige Leben ihrer Eltern und Großeltern führen musste, erzählte die Geschichte von Springsteens Schwester Ginny. Gleichzeitig passte er aber auch von der Stimmung her nicht auf »The Ties That Bind«. Springsteen schrieb also weitere neue Songs und erweiterte das Album zur Doppel-LP. »Zu klein« erschien ihm die ursprüngliche Platte, und auch mit der Produktion und dem Sound war er unzufrieden. So wurden aus geplanten fünf Wochen Studiozeit geschlagene 18 Monate. »Stolen Car«, enthalten auf beiden Alben, unterscheidet sich jeweils stark im Arrangement. 2015 wurde das geplante Album letztlich in einem Box-Set so veröffentlicht, wie es ursprünglich geplant war, ergänzt um allerlei Bonusmaterial und einer Dokumentation.

Gänzlich umgekehrt war dagegen der Weg, den Springsteen bei »Nebraska« einschlug. Springsteen spielte die Demos der Songs zusammen mit Mike Batlan auf seinem Teac-Vierspurrekorder an einem Tag im Januar 1982 ein. Ganze 15 Stücke zeichneten die beiden bis tief in die Nacht auf. Für die meisten brauchte Springsteen nicht mehr als vier oder fünf Takes, darunter auch ein nicht ganz unbedeutender Song namens »Born in the USA«. An weiteren Tagen kamen einige wenige Overdubs hinzu, bevor die Songs abgemischt wurden.

Springsteens Produzent und Manager Jon Landau war nach der Übergabe der Tapes sofort klar, dass die meisten Songs nur wenig Bearbeitung brauchten und im besten Falle von folkigen Arrangements getragen werden sollten. Einige Songs verlangten aber nach rockigeren Versionen. Also ging Springsteen mit seiner E STREET BAND ins Studio und nahm einige der Demos neu auf. Unter den zwölf Stücken dieser ersten Session befanden sich allerdings hauptsächlich Songs, die wir nicht von »Nebraska« kennen, sondern vom Nachfolger »Born in the USA«, neben dem Titelstück u. a. auch »Glory Days« und »Cover Me«.

Erst in einer zweiten Session nahm die Band Stücke wie »Johnny 99«, »Mansion on the Hill«, »My Fathers House« und »Open All Night« auf. Das eigentliche Ziel, durch die Demos mit der Band effektiver im Studio zu arbeiten, erwies sich allerdings bald als Fehleinschätzung. Vielmehr vermisste Springsteen den rauen, folkigen Klang seiner ursprünglichen Aufnahmen. Mehr als einen Monat brauchte er, um sich sicher zu sein: Der Weg, den er mit Band eingeschlagen hatte, machte keinen Sinn.

Also fragte er Tontechniker und Produzent Tobe Scott, ob es nicht möglich wäre, ein vernünftiges Ergebnis zu erzielen, indem man einfach die Demos mastern würde. Ein grandioser wie auch mutiger Schachzug, Nebraska wurde Blaupause für Lo-Fi-Singer-Songwriter*innen und eines der besten Alben des Bosses. Mit dem kompromisslosen Sound lief Springsteen allerdings Gefahr, Kritiker*innen wie Fans zu vergraulen. Das Album kletterte dennoch bis auf Platz 3 der Billboard Charts, und schon ein Jahr später wurde das Werk durch JOHNNY CASH geehrt, der zwei Songs der Platte coverte.

Obwohl Springsteen gerne alte Schätze aus seinen Archiven kramt, sagte sein Manager Jon Landau 2006, dass es unwahrscheinlich sei, dass die Bandaufnahmen, die Fans »Electric Nebraska« tauften, je erscheinen werden. Einzig und allein die Liveshows von 1984 und 1985 können einen Eindruck davon vermitteln, wie diese vielleicht klangen.

Auch die COWBOY JUNKIES hatten Schwierigkeiten mit der Produktion, als sie den Nachfolger zu ihrem Erfolgsalbum »The Trinity Sessions« aufnehmen wollten. Wieso also nicht das Erfolgsrezept wiederholen? Statt einer Kirche wählte die Band diesmal ein Museum, den Sharon Temple. Wie auch schon bei den »Trinity Sessions«, nahm die Band mit einem einzigen 360°-Mikrofon auf. Ganze drei Tage brauchte Produzent Peter Moore, um klanglich brauchbare Aufnahmen überhaupt erstellen zu können. An nur einem Nachmittag nahm die Band dann das Album auf, das Fans »The Sharon Temple Sessions« tauften. Die Band war zufrieden und übergab die Aufnahmen ihrem Label, das sich weniger begeistert zeigte. Gemeinsam wurde beschlossen, das Album erst einmal zurückzuhalten. Nach einer Tour, auf der die neuen Songs frische Arrangements bekamen, entschloss sich die Band, die Platte noch einmal von Anfang einzuspielen. Dieses Mal in einem Studio. Zwar wurde wieder mit einem 360°-Mikrofon aufgenommen, doch alle Instrumente wurden zusätzlich auch einzeln abgenommen, sodass die Band für das Abmischen der Platte einen Externen suchte. Unzufrieden mit dem gelieferten Ergebnis, übernahmen letztendlich die Cowboy Junkies selbst, ergänzt um Moore und Tontechniker Tom Henderson, die Abmischung der Platte. So gibt es das Album, das unter dem Namen »The Caution Horses« erscheinen sollte, tatsächlich in drei Versionen, von denen bisher nur eine offiziell erschien. Ein Relikt der »Sharon Temple Sessions« fand in Form des Covers dennoch seinen Weg an die Öffentlichkeit. Dort ist die Band nämlich vor besagtem Gebäude zu sehen.


Offizielles Cover von »The Caution Horses«: Die Cowboy Junkies vor dem namensgebenden Sharon Temple.

1 236,45 ₽
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0+
Объем:
362 стр. 37 иллюстраций
ISBN:
9783955756161
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
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