Читать книгу: «Goldgier», страница 2

Шрифт:

Doch das Gefäß blieb gefüllt mit kleinen eingeschweißten Goldbarren, die selbst durch die Folie hindurch im Licht seiner Lampe um die Wette strahlten. Träumte er? Lag er vielleicht zu Hause in seinem warmen Bett und fantasierte nur, auf dem nebelkalten Friedhof zu stehen und eine Urne mit Goldbarren in der Hand zu halten? Die Luft war so klamm, das musste real sein. Aber wer, um Gottes Willen, packte eine Urne voller Gold in einen Sarg? Und wem konnte das Gold jetzt gehören? Er hatte es gefunden, aber er wusste auch, dass Münzfunde dem Staat gehörten. Doch das hier waren ja Goldbarren, die noch dazu in Folie eingeschweißt waren. Also sicher nichts Altes. Trotzdem wusste er nicht, wie er den Besitz des Goldes erklären sollte. Arnie wurde ganz schwindelig. Wieder blickte er sich um. Noch immer war er allein. Sollte er einfach alles stehen und liegen lassen und mit dem Gold verschwinden? Wer wusste schon, wie lange die Berliner wirklich auf sich warten ließen? Was, wenn sie genau in dem Moment, in dem er mit dem Behälter unter dem Arm den Friedhof verlassen wollte, angefahren kamen? Dann wäre er ertappt. Arnie wurde heiß. Er musste das Gold an einer anderen Stelle in Sicherheit bringen. Bis auf Kleinigkeiten hatte Arnie noch nie etwas Unrechtes getan, aber das hier war etwas anderes. Denn während er verzweifelt nach einer Lösung suchte, wurde ihm klar, dass er das alles nur für Daniela tat. Er hatte keine Ahnung, warum und wie viel Geld der Typ von neulich von ihr wollte, doch es wäre sicher von Vorteil, über einen Goldschatz zu verfügen, wenn es darum ging, diesen Burschen ruhig zu stellen.

Und dann hatte Arnie eine Idee. Nach einem prüfenden Blick auf sein Handy, das ihm aber keinen entgangenen Anruf anzeigte, schraubte er die Urne rasch wieder zu, wickelte sie in seine Jacke und erhob sich, um sie in den Geräteschuppen zu bringen. Zwei Schritte weit kam er, dann traf ihn ein heftiger Schlag auf den Kopf, und in ihm wurde es so dunkel wie um ihn herum.

Kriminaloberkommissarin Franziska Steinbacher machte sich auf den Heimweg. Obwohl in ihrem Kommissariat momentan kein besonderer Fall zu bearbeiten war, war sie völlig erledigt. Seit Wochen ging dieser üble Magen-Darm-Virus um, der auch sie für ein paar Tage niedergestreckt hatte und von dem sie sich erst noch erholen musste. Hinzu kam, dass ihr die familiäre Situation des Kollegen Hannes Hollermann mächtig auf die Nerven ging. Seit er, besser gesagt, sein ‘Schätzchen‘ Sabrina schwanger war, drehte sich in ihren Gesprächen praktisch alles nur noch um den passenden Kindsnamen, um dicke Beine und Kurzatmigkeit, um Schwangerschaftsgymnastik und in letzter Zeit vor allem um einen möglichen vorzeitigen Blasensprung sowie die daraufhin einsetzenden Wehen und das rechtzeitige Eintreffen des Notarztwagens. Trotz aller Beruhigungsversuche, dass es doch auch ganz normale und völlig unkomplizierte Schwangerschaften gab, ließ sich Hannes nicht von diesem Schreckensszenario abbringen. Ein bisschen verstand Franziska ihn ja, denn noch immer fühlte sich Hannes schuldig am Tod seiner früheren Freundin Mira, weswegen er nun übervorsichtig geworden war. Hannes fuhr seit dem tödlichen Unfall nur noch in absoluten Ausnahmesituationen Auto, was Franziska nicht immer gelassen hinnehmen konnte.

Franziska mochte ihren jüngeren und schlaksigen Kollegen, Hannes war für sie so etwas wie ein kleiner Bruder. Ein kleiner Bruder, der ihr schon mehrmals in wirklich allerletzter Sekunde zu Hilfe gekommen war. Während Franziska über die Schanzlbrücke fuhr, musste sie auf einmal laut loslachen. An diesem Abend sollte Hannes in einem Kurs für werdende Eltern das richtige Atmen lernen und, wie er Sabrina bei der Entbindung unterstützen konnte. Franziska stellte sich gerade vor, wie Hannes hechelte und Sabrina den Rhythmus vorgab, sie mochte nicht glauben, dass junge Eltern danach wieder ungestümen Sex miteinander haben konnten, ohne an das Gehechel während der Entbindung zu denken.

Sie bog in die Stephanstraße und fuhr langsam den Berg hinauf. Obwohl sie älter als Hannes war, hatte sie das Thema Kinderkriegen bisher resolut vor sich hergeschoben, auch wenn sie sehr wohl wusste, dass die biologische Uhr laut und heftig tickte. Franziska liebte ihre Freiheit, und in einer Partnerschaft ging es für sie um mehr als nur ums Kinderkriegen. Sie liebte vor allem diese aufregenden und wunderbar erotischen Augenblicke, in denen sie alles vergessen konnte. In ihrem Beruf war sie, soweit es ihr möglich war, eine entschlossene Frau, die sich nicht so leicht unterkriegen oder gar herumkommandieren ließ. Beim Sex mit ihrem Freund Walter dagegen gab sie zu gern die Kontrolle ab und überließ ihm die Führung. Walter war Bühnenbildner am Fürstbischöflichen Opernhaus, und entsprechend geschult war sein Sinn für außergewöhnliche und auch erregende Inszenierungen. Nicht nur auf der Theaterbühne. Es war schon vorgekommen, dass er, während sie noch im Büro war, ihr Wohnzimmer umgeräumt und sie beim Nachhause Kommen in einer Kulisse aus künstlichen Felsen, Fellen und sogar Bäumen erwartet hatte, um mit ihr eine Szene aus ‚Tristan und Isolde‘ nachzuspielen. Franziska musste lächeln. Er hatte ihr die Augen verbunden und ihre Hände gefesselt, um sie König Marke zu übergeben, dem sie versprochen war, und sie hatte damals wirklich geglaubt, er würde sie einem anderen Mann überlassen. Franziska liebte nichts so sehr, wie wenn Walter ihr die Augen verband. Diese bei ihm sehr zärtliche Handlung fachte ihre Lust an, und wenn er ihr dann auch noch die Hände fesselte und sie anschließend an einen Ort brachte, ohne dass sie wusste, wo sie war und was er mit ihr vorhatte, vergaß sie alles um sich herum. Sie lauschte dann auf jedes Geräusch, jede Bewegung und jede Andeutung, die er machte. Bei nichts konnte sie sich so fallen lassen wie bei diesem Spiel aus Macht und Unterwerfung.

Kürzlich erst hatte Walter sie gefragt, ob sie Lust hätte, etwas Neues auszuprobieren, und sofort hatte ein heftiges Prickeln Franziskas Nervenbahnen in Aufruhr versetzt. Allein diese Ankündigung machte ihren Körper weich und willig. Daraufhin hatten sie sich mit dem Laptop ins Bett gelegt und im Internet nach Anregungen gesucht. Auf der Seite einer Frauenzeitschrift waren sie schließlich auf Abbildungen verschiedener Fesselungen gestoßen. Vor allem das japanische Shibari hatte es ihr angetan, weil es dabei nicht um profanes Verschnüren ging, sondern bestimmte Teile des weiblichen Körpers kunstvoll mit geölten Hanfseilen eingerahmt und hervorgehoben wurden. Walter hatte sie fragend angesehen und Franziska hatte lustvoll geseufzt, woraufhin Walter ein leises: „Schauen wir mal“, gemurmelt hatte. Für Franziska wie ein Versprechen.

Sie hatte ihr Mietshaus erreicht und lief, beflügelt von Gedanken an ‚Shibari‘, die Treppe hinauf. Als sie die Wohnungstür öffnete, waren Müdigkeit und Schwäche schon beinahe verschwunden. Walter hatte gekocht. Italienisch.

Ihr Geliebter bewohnte ein Appartement über der Theaterwerkstatt in Maierhof, aber seit er von seinem Auslandsaufenthalt in Palermo zurück war, blieb er immer häufiger auch über Nacht bei ihr. Damit hatte sich eine Routine eingestellt, die sich irgendwie gut anfühlte: Etwa wenn sie, wie kürzlich, krank war und er ihr Tee kochte und sie ins Bad führte, weil ihre Beine zu schwach waren. Andererseits drohte die Gewohnheit aber auch den Reiz der Ungewissheit zu nehmen, weil Franziska jetzt immer damit rechnete, dass er auf sie wartete.

Sie seufzte leise auf. Ihr Walter war ein ganz besonderer Mann – und einer, der es ihr nicht leicht machte. Das Theaterleben und der Umgang untereinander waren für sie noch immer eine fremde Welt. Ein Anflug von Eifersucht war immer präsent, wenn sie sich der Vorstellung hingab, wie die Darstellerinnen halbnackt durch die Gänge liefen, vollgepumpt mit Adrenalin, und Walter mittendrin, der ihnen nur zu gern behilflich war, um mit einer schnellen Nummer, zwischen Requisiten und Stellwänden, herunterzukommen. Sex war eine wunderbare Möglichkeit, zu entspannen. Bei Walter war Franziska immer wieder unsicher, ob er nur sie liebte oder auch all jene Frauen, die er neben seinem Job für ein Aktbild porträtierte. Angeblich hatte er mit allen Frauen geschlafen, bevor er sie malte, weil sie dann besonders schön waren. Ein Gerücht, das Franziska am Anfang ihrer Beziehung häufiger zu Ohren gekommen war, zu dem Walter aber konsequent jeden Kommentar verweigerte.

Franziska war gerade im Begriff, ihre Jacke aufzuhängen, als neben ihr die Küchentür aufging.

„Hände hoch!“ Walter, mit nichts als einer Küchenschürze bekleidet, zielte mit dem Kochlöffel auf sie. Franziska versuchte sich ein Lachen zu verkneifen. Sie ließ ihre Jacke fallen und hob brav die Hände. Walter, noch immer den Kochlöffel auf sie gerichtet, schlich auf sie zu.

„Das Lachen wird dir schon noch vergehen!“, erklärte er mit grimmiger Stimme. „Dies ist ein Überfall und wenn du nicht tust, was ich von dir fordere, dann wirst du das bitter bereuen.“

Alles war wie weggeblasen, Eifersucht, Sorge, Müdigkeit. Franziska kicherte und antwortete mit gespieltem Ernst: „Ich will alles tun, was du von mir verlangst.“ Und fügte hinzu: „Du böser Räuber!“

Walter, der inzwischen vor ihr stand, zog die Luft pfeifend durch die Zähne und schaute sie lüstern an. „So ist es brav.“ Langsam schob er den Stiel des Kochlöffels durch die Knopfleiste ihrer Bluse. „Ausziehen!“, und Franziska beeilte sich, die Knöpfe zu öffnen, bevor Walter sie ihr abriss.

„Sehr schön“, kommentierte Walter die Spitzenunterwäsche und zeigte mit dem Kochlöffelstiel, dass sie die Arme wieder nach oben nehmen sollte. Nachdem Franziska gehorcht hatte, bemerkte Walter: „Du scheinst ja ganz wild darauf zu sein, dass es dir mal jemand so richtig besorgt!“ Franziska nickte schüchtern und ließ ihren Blick dabei über seine wohldefinierten Schultern und Oberarme wandern.

„Darf ich die Arme jetzt wieder herunternehmen?“, fragte Franziska vorsichtig.

„Warum? Du hast doch gesagt, dass du alles tun willst, was ich verlange!“ Walter lächelte verschmitzt.

„Und du hast gesagt, dass du es mir richtig besorgen willst“, konterte Franziska forsch.

„Oh, oh, oh. Nur nicht frech werden. Ich habe nicht gesagt, dass ich es dir besorgen will.“

Franziska zog eine Schnute. „Wer dann?“ Walter zuckte mit den Schultern.

„Hast du Hunger?“, fragte er statt einer Antwort.

Franziska horchte in sich hinein. Wenn Walter sich eine prickelnde Inszenierung ausgedacht hatte, wollte sie jetzt besser nichts essen. Energisch schüttelte sie den Kopf, bis ihr bewusst wurde, dass Walter ja nicht ohne Grund eine Schürze trug. Und zwar nur eine Schürze. „Wir könnten ja später essen.“

„Auch gut!“, bemerkte Walter und deutete mit seinem Kochlöffelstiel an, dass sie sich umdrehen sollte. Franziska gehorchte. „Halt!“, rief Walter und Franziska hielt lauernd in ihrer Bewegung inne. Ein wunderbares Kribbeln erwärmte ihren Leib. Was hatte er sich ausgedacht und was würde als Nächstes kommen, fragte sie sich und fühlte Walters warmen Atem in ihrem Nacken und seine Hände, die ihre Taille umfingen, ihre Brüste streiften und schließlich ihre Arme ergriffen und auf ihren Rücken führten. Franziska dachte an ‚Shibari‘ und ein heißer Schauer ließ sie zusammenzucken. Walter küsste ihren Nacken, streifte die Bluse herunter, öffnete den Verschluss ihres Büstenhalters, ließ auch ihn zu Boden gleiten und widmete sich mit seinen Lippen ihren Schultern und ihrem Rücken. Ein herrliches Beben überlief ihren Körper, während Walter sie langsam in Richtung Schlafzimmer schob, wo er sie auf den Arm nahm, um sie sachte auf das Bett gleiten zu lassen.

„Aber aufpassen, du weißt ja, auf meine Pille können wir uns diesen Monat nicht verlassen.“ Aufreizend aalte sich Franziska und schloss die Augen.

„Na klar, auf mich kannst du dich verlassen.“ Walter zog ihr Hose und Slip herunter. Sie lächelte versonnen, als Walter sich über sie beugte und sie zärtlich auf den Mund küsste, bevor er ihre Arme nahm und sie über ihrem Kopf zusammenführte. „Und genauso bleibst du jetzt liegen!“, befahl er. Es gehörte zu den Spielregeln, Befehlen wie diesem zu gehorchen. Ihre Zungen berührten sich, umkreisten sich, und als Walter mit der Hand ihre Brüste streichelte und dabei immer wieder sanft die Knospen berührte, stöhnte Franziska laut, riss die Augen auf und blickte in Walters zufriedenes Gesicht. Seine Zunge leckte über ihre Lippen, das Kinn und die Nasenspitze, bevor er sie erneut in ihren Mund schob. Seine Hand streichelte ihren Bauch, ihre Hüften, die Oberschenkel. Erst außen, dann die Innenseiten. Er drückte ihre Beine auseinander. Ihren Venushügel berührte er nur ganz vorsichtig. Pause. Wieder eine zärtliche Berührung, während seine Zunge die ihre umkreiste und er sie zärtlich biss. Franziska hob ihr Becken an, versuchte sich zu Walter hinüberzudrehen, doch der erinnerte sie mit festem Griff an seine Anweisung, und nachdem sie gehorcht hatte, fuhr er fort mit seinen quälend zarten Berührungen und den fast nicht zu ertragenden Pausen. Franziskas Körper bebte und ihr Stöhnen wurde zum Keuchen. Sie hielt es nicht mehr aus. Aber immer wenn sie dachte, jetzt, jetzt ist es gleich so weit, hörte Walter wieder auf und ließ sie sich beruhigen, bevor er sie erneut anfachte.

„Ich könnte dich jetzt ein Weilchen so liegen lassen und in der Zwischenzeit die Seile holen“, überlegte er und spielte weiter mit ihrer Vulva. „Und dann setzt du dich auf und ich mache aus deinem Körper ein wunderbares Kunstwerk.“

„Oh bitte, ich halte es nicht mehr aus“, bettelte Franziska auf diese Ankündigung hin.

Walter nahm seine Hände von ihr. „Hast du schon genug?“, fragte er lüstern.

„Nein, nein, bitte nicht aufhören, nicht aufhören. Alles, nur nicht aufhören“, flehte Franziska und wand sich in ihrer Haltung, die sie nicht verlassen durfte.

„Gut, dann könnte ich deine Hände über den Kopf nach hinten führen, dann kannst du dich überhaupt nicht mehr bewegen und ich könnte deine Brüste streicheln oder mit hübschen Schmuckstücken behängen und dich vielleicht sogar malen …“

Walters Berührungen wurden intensiver und in Franziskas Becken pochte die Lust so heftig, dass sie nur noch stoßweise atmen konnte. Sie schloss die Augen, spürte, wie er das Gewicht verlagerte und sich zwischen ihre Beine kniete. Sie hob den Kopf und sah, wie er sich zu ihr herunterbeugte und abwechselnd ihre Oberschenkel küsste, bis er ihren nassen Schoß erreichte. Seine Zunge drang in sie ein, leckte sie mit Hingabe und ließ sie erneut betteln. „Oh, bitte, bitte“, flüsterte Franziska. Ihr Körper zitterte und bebte heftig. Mit ihren Händen wollte sie seinen Kopf umfassen, um ihn festzuhalten, doch sie musste sie ja über ihrem Kopf behalten. Ihre Atmung nahm eine gefährliche Frequenz an. Sie war kurz vorm Hyperventilieren, und um sich ein wenig zu beruhigen, atmete sie tief ein und aus. Walter schien verstanden zu haben und küsste und leckte sich langsam ihren Bauch hinauf, umkreiste die Knospen ihrer Brüste, was Franziska erneut in heftigen Aufruhr versetzte.

„Ganz ruhig“, flüsterte Walter in ihr Ohr und knabberte und saugte daran, was sie noch mehr aus der Fassung brachte.

„Ich kann nicht mehr!“, jammerte Franziska, und endlich hatte Walter ein Einsehen. Als er langsam in sie drang, begann sie zu winseln. „Oh Gott, ist das schön“, hauchte sie und gab sich, begleitet von erlösendem Stöhnen, einem wunderbaren Höhepunkt hin, dem sich Walter nur wenige Stöße später anschloss.

Erst als sich ihre Atmung und ihr Puls langsam wieder beruhigt hatten, drehte sich Franziska zu dem ebenfalls erschöpften Walter um und kuschelte sich glücklich an seine Brust. „Wie bist du nur auf die Sache mit dem Kochlöffel gekommen?“, wollte sie wissen und streichelte ihn sanft.

„Mir ist nichts Besseres eingefallen, und ich dachte mir, wenn ich nicht so tue, als hätte ich mir etwas Verrücktes überlegt, dann kriege ich dich heute nicht ins Bett.“

Franziska richtete sich auf. „Wieso ausgerechnet heute?“, wollte sie wissen.

„Weil meine App sagt, dass du heute deinen Eisprung haben solltest, und das ist nun mal der richtige Zeitpunkt, um schwanger zu werden.“ Walter schien zufrieden und versuchte Franziska eine Hand auf den schlanken Bauch zu legen. „Bald schon wächst hier …“, weiter kam er nicht.

Franziska war aufgesprungen. „Bist du verrückt? Hast du etwa nicht verhütet? Wie konntest du nur? Wer hat dir gesagt …“ Diesmal war es an Franziska, die ihre Fragen nicht zu Ende stellen konnte, denn Walter war ebenfalls aus dem Bett geklettert. Fest zog er sie in eine Umarmung und legte ihr dabei die Hand auf den Mund.

„Ganz ruhig, Tiger, ganz ruhig. Ich nehme jetzt meine Hand weg und du versprichst mir, dass du mir zuhörst.“ Franziska riss sich los, nickte aber zum Zeichen, dass sie reden konnten.

„Natürlich habe ich dich nicht hintergangen, und ich habe auch keine Ahnung, ob du deinen Eisprung hast. Ich wollte einfach mal sehen, wie du reagierst.“ Franziska schwieg. „Das weiß ich ja jetzt!“ Walter machte ein enttäuschtes Gesicht und sah Franziska traurig an.

„Aber du wusstest doch, dass ich noch nicht bereit bin für die Mutterrolle. Ich liebe meinen Beruf. Da passt ein Kind nicht rein. Ich sehe doch bei Hannes, wie schwierig das ist“, rechtfertigte sich Franziska.

„Ja klar. Das habe ich auch verstanden. Nur werden wir beide auch nicht jünger und … ach, vergiss es.“ Walter ließ sie stehen und verschwand im Bad. Franziska, noch immer völlig geplättet von seinem Experiment, kroch zurück ins Bett, zog die Decke hoch und versuchte ihre Gedanken zu sortieren, als sie hörte, wie die Wohnungstür ins Schloss fiel.

„Verdammt!“, rief sie hinter Walter her und sprang aus dem Bett. Auf dem Weg zur Tür musste sie an der Küche vorbeilaufen. Ihr Blick fiel auf den gedeckten Tisch, auf die Kerzen und die Rosen in der Vase. Mit angehaltenem Atem betrat sie den Raum. Auf dem Herd standen Töpfe mit Ravioli und Tomatensoße, selbstgemacht natürlich, genau wie sie es liebte, auf dem Tisch entdeckte sie eine Karte. „Alles Liebe zum 5-Jährigen. Du bist die Frau meines Lebens, und ich weiß nicht, wie ich ohne dich leben soll“, stand dort in Walters schönster Schrift. Und darunter, fast unleserlich, wie eiligst hingekritzelt: „Aber ich werde es lernen.“

Resigniert ließ sich Franziska auf einen der Küchenstühle fallen, zog die Rotweinflasche heran und schenkte sich ein. Hatte sie falsch reagiert? Hatte sie etwa kein Recht auf eine Mitentscheidung? Wer wäre denn schwanger – sie oder Walter? Wer würde denn auf den Beruf verzichten – sie oder Walter? Und dann diese große Angst: Wer würde denn wieder mit dem Aktmalen beginnen, wenn sie, zu Tode erschöpft von der Hausarbeit, abends kein Interesse mehr aufbringen könnte für die ‚Inszenierungen eines Künstlers‘?

In Franziskas Bauch grummelte es. Sie hatte Hunger. Seufzend blickte sie sich um, fand, dass es sinnlos wäre, wenn sie hungrig bliebe, und belud sich einen Teller mit Ravioli. Sie zündete eine Kerze an, murmelte: „Du Blödmann!“ Ohne genau zu wissen, wen sie damit meinte: sich selbst oder Walter, setzte sich an den Tisch und spießte eine Ravioli auf. Das Essen war kalt, aber es schmeckte wunderbar. Wie immer eben, wenn Walter für sie gekocht hatte. Sie aß ein paar Bissen und überlegte, ob sie den Teller in die Mikrowelle schieben sollte, ließ es aber bleiben. Ihr fehlte die Kraft. Ihr fehlte Walter. Traurig hob sie das Glas und wollte es gerade ansetzen, als ihr Smartphone klingelte. Sie stellte das Glas zurück und lief in den Flur. Vielleicht will er sich entschuldigen, dachte sie mit Herzklopfen. Sie blickte aufs Display. Es war die Nummer ihres Kollegen Obermüller, des treuesten Ermittlers, den sie sich vorstellen konnte.

Als es endlich wieder heller um ihn wurde, befand sich Arnie am Grunde des von ihm zuvor ausgeschaufelten Grabs, direkt über den sterblichen Überresten von Theo Koller, was ihn aber nicht störte. Überhaupt schien ihm, hier unten am Grunde der Grube, alles völlig gleichgültig zu sein. Nichts war wichtig oder gar von Bedeutung. Inzwischen war alles einfach wurscht.

Er konnte seinen Körper nicht mehr spüren – wurscht.

Er lag völlig verdreht im Matsch – wurscht.

Sein Gesicht berührte die sauber abgestochene Erde – wurscht.

Er lag so dicht an der Erdkrume, dass er praktisch keine Luft bekam – wurscht.

Moment mal! Wenn er nicht atmen konnte, dann konnte er doch auch nicht denken, und wenn er nichts spürte, dann konnte er …

Arnie überlegte, was wohl passiert war, aber es fiel ihm einfach nichts dazu ein. In seinem Kopf war nichts als Leere und Gleichgültigkeit. Aber wie konnte ihm das alles nur wurscht sein?

Und warum machte ihm das alles so gar, gar nichts aus?

Eine Weile ließ er dieses ‚Mir-doch-wurscht‘ auf sich wirken, dann wurde es ihm langweilig, und er wünschte sich, es wäre ihm zumindest an einem anderen Ort alles wurscht, als ausgerechnet hier unten in dieser dunklen Grube.

Doch noch bevor ihm einfiel, welcher Ort dies sein sollte, erhob er sich auch schon aus dem Grab und schwebte aufwärts. Höher und immer höher, weit über den Grubenrand hinauf. Er ließ die Grabsteine, Sträucher und Bäume unter sich, stieg höher und höher und begann, wie selbstverständlich eine Runde über dem Friedhof zu drehen.

Über ihm schien der Mond. Sein Licht und das Wehen des Windes ließen die Schatten der Bäume zwischen den Grabsteinen herumalbern. Arnie musste lachen, weil es gerade einfach nichts mehr gab, was er nicht lustig fand. Frei und zufrieden, wie er sich inzwischen fühlte.

Ausgelassen wie ein Papierdrachen im Herbstwind, schwebte Arnie über den Friedhof, besuchte erst die prachtvolle Stockbauer-Gruft, anschließend die noch prachtvollere Baratsits-Gedächtniskapelle und stattete anschließend allen Passauer Ehrenbürgern und Bischöfen an ihren Friedhofsadressen einen Besuch ab. Zu schade, fand er, dass keiner zu Hause war. Wäre doch nett gewesen, wenn er mit dem einen oder anderen hätte plaudern können.

In dieser wunderbaren und völlig neuen Situation hörte Arnie plötzlich eine Stimme, die nach ihm rief. Oder eigentlich mehr die Ahnung einer Stimme, ein Gefühl, das ihm immerhin nicht wurscht war. Und obwohl Arnie die Stimme nicht wahrhaftig hören konnte, zog sie ihn magisch zurück zum Grab von Theo Koller, wo er entsetzt feststellte, dass sein Körper noch immer am Fuße der Grube lag.

Wie konnte das denn sein, fragte sich Arnie gerade, schließlich schwebte er doch frei wie ein Vogel über dem Friedhof dahin, als er die Antwort in seinem Inneren hörte. Du bist tot, Arnie, und damit ist deine Seele jetzt frei, darum fühlst du dich so großartig und leicht. Da unten liegt nur deine sterbliche Hülle. Doch Arnie erschrak noch nicht einmal, auch das war ihm wurscht, er war einfach tot. Na und, dachte er, weil tot zu sein doch sehr befreiend war. Keine Sorgen, keine Ängste, keine Schuldgefühle, keine …

Endlich wusste Arnie, warum all die toten Menschen, denen er, aufgebahrt in ihren Särgen, seine Aufwartung gemacht hatte, immer so friedlich dreinschauten. Sie alle wussten längst, was zu entdecken er gerade im Begriff war. Der Tod war die Erlösung. So einfach war das.

Aber nur für dich , hörte er wieder diese Stimme, ganz leise und von ganz weit hinten in seinem Bewusstsein, und gleich darauf sah er ein Bild von Daniela.

Arnie, was scherst du dich noch um andere , lachte die erste Stimme, die Totsein einfach nur großartig fand. Deine Seele ist frei, du solltest das feiern, statt dir Gedanken zu machen.

Arnie nickte. Ganz genau, mir doch wurscht, beteuerte er eifrig. Doch das Stimmchen säte Zweifel in seine neuen Glaubenssätze, und dann spürte er auch schon, wie weitere Stimmen zu ihm sprachen.

Ihm war auf einmal, als würden sie in ihn hineinkriechen, um ihn ganz mit ihrer Mission zu erfüllen. Arnie begann sich unwohl zu fühlen, gerade hatte er seinen neuen Zustand zu schätzen gelernt, da kam dieses seltsame Gefühl, und schon war er wieder über der Grube.

Dort hatten sich inzwischen viele Leute versammelt, und Arnie war sofort klar, dass sie nur seinetwegen hier waren. Gerührt ließ er sich auf einem Grabstein nieder, um sie zu betrachten. So viele Leute und so viele Kerzen und Ansprachen.

Ein letzter Blick hinunter in die Grube, um von seinem verdrehten Leib Abschied zu nehmen, bevor sie die Erde auf ihn werfen würden. Er blickte sich um, vielleicht kam ja noch ein Chor, der das ‚Ave Maria‘ für ihn anstimmen würde. Arnie mochte dieses Lied, es hatte etwas so Feierliches, und er hätte auf jedes Grab zeigen können, an dem es gesungen worden war. Da der Chor auf sich warten ließ, ließ Arnie sich nur stumm auf dem Grabstein nieder und schaute den Menschen zu, die erstaunlich geschäftig herumliefen. Er hatte keine Ahnung, welche Aufgaben sie hatten, aber er wusste, dass das, was sie taten, bei einer Beerdigung nicht üblich war. Denn Arnie lag jetzt auf einer Trage und hatte noch immer seine Latzhose und das dicke Hemd an, das er beim Graben zu tragen pflegte. Niemand hatte sich die Mühe gemacht, ihn herzurichten und umzuziehen. Noch nicht einmal die Stiefel hatten sie geputzt. Und das alles ihm, dem Totengräber vom Innstadtfriedhof! Tatsächlich aber war es ihm wurscht. Wurscht, bis es ihm nicht mehr wurscht war. Denn die Stimmen, die nach ihm riefen, wurden immer mehr und immer lauter und sie hatten alle nur eines im Sinn: Sie wollten ihn zurückholen. Zurück in diesen geschundenen Leib stecken.

„Geht weg, verschwindet!“, rief er ihnen zu, sprang auf und versuchte sie zu verscheuchen. Allerdings nahm niemand Notiz von ihm.

Arnie war zum Heulen zumute: An seinem Grab gab es keine Musikanten und keinen Sarg, nur ein planloses Durcheinander.

Am liebsten hätte er all diesen Leuten gehörig die Meinung gesagt, aber er konnte ja nicht, und außerdem fiel ihm gerade auf, dass er sie auch nicht kannte. Und weil er eigentlich keine Lust darauf hatte, sich weiterhin diesen ganzen unwürdigen Zirkus anzusehen, beschloss er, sich aufzuschwingen, um mehr von der nächtlichen Stadt zu entdecken, die er ja zum ersten Mal aus der Vogelperspektive betrachten durfte. Da bemerkte er, dass erneut etwas Seltsames in ihm vorging.

Das mit dem Schweben hatte doch gerade so gut funktioniert, warum klappte es jetzt nicht mehr? Er flog ein Stückchen in den Himmel, kam bis zur Kirche Sankt Gertraud und wollte schon den Inn Richtung Dom überqueren, als er mit einem kräftigen Ruck zurück zum Grab von Theo Koller geholt wurde. Ohne sich einen Reim darauf machen zu können, schwang er sich erneut auf, diesmal schwebte er zur Sendeanlage des Bayerischen Rundfunks auf dem Kühberg, weil man von hier oben einen tollen Blick auf die Stadt hatte. Kaum hatte er die Sendemasten erreicht, tat es einen erneuten Ruck, und Arnie befand sich schon wieder über dem Grab von Theo Koller. Verdammt, dachte Arnie ärgerlich und startete zu einem weiteren Versuch, diesmal ins Lindental hinauf bis ins österreichische Schardenberg und über Freinberg zurück über die grüne Grenze bei der Tankstelle in Achleiten. Herrlich war das, so frei durch die Lüfte zu schweben. Niemand konnte ihn sehen, niemand konnte ihn aufhalten. Arnie plante, über die Donau und dann über Grubweg und Hals hinauf zum Oberhaus zu fliegen, doch kurz nach der Tankstelle schien ihm die Puste auszugehen. Er fühlte sich auf einmal so schwer und kaum noch manövrierfähig, und gleich darauf wusste er auch, warum.

Du musst zurück, hörte er die Nörgelstimme, die scheinbar alles tat, um ihm das hier zu vermasseln. Du musst doch Daniela retten! Und wieder schickte sie ihm ein Bild seiner Liebsten, die so verzweifelt durch die Wohnung lief, die er so gut kannte und in der er so viel Schönes erfahren hatte. Er sah sie weinen und weinen, etwas, was er an Daniela noch nie erlebt hatte, und dann dachte er an das Gold in der Urne.

Das Gold, natürlich! Arnie hatte ganz vergessen, dass ihm solche irdischen Dinge inzwischen doch wurscht waren, weil sie ihm gerade eben nicht mehr ganz wurscht waren, sondern auf seltsame Weise wieder existenziell wurden – warum auch immer. Tatsächlich lag er selbst im nächsten Moment auf der Trage und etwas blendete ihn so sehr, dass er die Augen ganz fest zusammenkneifen musste. Das kann nur mein Gold sein, dachte er und hätte sich am liebsten auch die Ohren zugehalten, weil all die Stimmen wild durcheinander redeten. Fremd und laut und wild. Doch Arnie konnte nicht einfach weghören; instinktiv wusste er, dass es für dieses ganze Durcheinander nur einen Grund geben konnte: Sie alle waren auf sein Gold aus.

Als Arnie bewusst war, was das ganze Geschrei zu bedeuten hatte, versuchte er von der Trage herunterzuspringen. Schließlich musste er sie abhalten, musste sein Gold retten, um Daniela damit für immer in Sicherheit zu bringen.

Du musst es zurückholen, du musst es dir zurückholen , riet ihm die geheimnisvolle Präsenz ganz tief in seinem Inneren.

„Hallo, können Sie mich jetzt verstehen?“, fragte ihn ein tiefer, männlicher Bass, der von weit her zu ihm zu sprechen schien.

„Wo ist mein Gold?“, versuchte Arnie zu fragen, denn die menschlichen Laute hörten sich kompetent an, vielleicht wussten sie ja etwas. Das Sprechen fiel ihm schwer, und wegen des grellen Lichtes ließ er die Augen lieber geschlossen. Als er keine Antwort erhielt, öffnete er sie doch ein wenig, was aber keine gute Idee war. Ein heller Scheinwerfer zeigte direkt auf ihn, und als er versuchte, einen Arm zu heben, um mit der Hand das grelle Licht abzuwehren, fuhr ein heftiger Schmerz in Arm und Oberkörper. Kraftlos ließ er den Arm zurück auf die Unterlage sinken und hoffte, dieses ‚Mir-doch-wurscht-Gefühl‘ würde ihn augenblicklich wieder erlösen.

Stattdessen begann eine Hand vorsichtig sein Gesicht zu tätscheln. „Hallo, hierbleiben!“

„Er kommt wieder zu sich!“, freute sich die erste Stimme, und weil sie sich so sehr um ihn bemühte, gab Arnie schließlich nach, kehrte in seinen geschundenen Körper zurück – und wurde augenblicklich von einem pochenden Schmerz erfasst, der ihn vom Kopf bis in die Fußspitzen ausfüllte. Wie heiße Lava. Mit flachen Atemzügen versuchte er still zu liegen. Inzwischen war er sich nicht mehr sicher, ob er wirklich die richtige Entscheidung getroffen hatte.

865,41 ₽
Возрастное ограничение:
0+
Объем:
445 стр. 9 иллюстраций
ISBN:
9783746794983
Издатель:
Правообладатель:
Bookwire
Формат скачивания:
epub, fb2, fb3, ios.epub, mobi, pdf, txt, zip

С этой книгой читают