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2.6.2Kriterien der Nikotinabhängigkeit

Kriterien der Nikotinabhängigkeit sind nach Stumpfe (1992):

•Der Raucher hat meist einen Zigarettenvorrat zu Hause.

•Wenn er nicht rauchen kann, bekommt er Entzugsbeschwerden: Das ist die körperliche Abhängigkeit.

•Ohne Tabak verspürt er bald ein unbezwingbares Verlangen danach: die psychische Abhängigkeit.

•Die Beschwerden verschwinden nach dem Rauchen einer Zigarette.

•Der Raucher raucht regelmäßig seine Zigaretten, zum Beispiel jede halbe Stunde eine, ganz gleich, ob er arbeitet oder sich ausruht.

•Er raucht den ganzen Tag über, ungefähr 20 bis 30 Zigaretten. Dadurch hält er in seinem Körper einen gleichmäßigen Nikotin-Blutspiegel.

•Trotz körperlicher Beschwerden und Krankheiten, die das Rauchen verursacht, rauchen viele Betroffene weiter. Nur etwa die Hälfte aller Raucher kann bei einer lebensgefährlichen Krankheit, die mit dem Rauchen zusammenhängt, aufhören.

•Der Raucher hat schon mehrfach versucht, mit dem Rauchen aufzuhören.

•Wenn der Raucher einmal längere Zeit nicht geraucht hat, wird er bereits nach einer Zigarette wieder rückfällig.

Kriterien nach der ICD-10:

Tabakabhängigkeit ist in der ICD 10 unter Störungen durch psychotrope Substanzen (F 1) kodiert. Während des vorangegangenen Jahres müssen mindestens drei der nachstehenden Kriterien jeweils gleichzeitig vorhanden gewesen sein (Dilling 1993).

Kriterien nach der ICD-10 (F 17):

1) ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, die psychotrope Substanz zu konsumieren

2) verminderte Kontrollfähigkeit bezüglich des Beginns, der Beendigung und der Menge des Konsums

3) ein körperliches Entzugssyndrom bei Beendigung oder Reduktion des Konsums

4) Nachweis einer Toleranz

5) fortschreitende Vernachlässigung anderer Vergnügen oder Interessen zugunsten des Substanzkonsums; erhöhter Zeitaufwand, um die Substanz zu besorgen

6) anhaltender Substanzkonsum trotz des Nachweises eindeutig schädlicher Folgen

Kriterien nach dem DSM-IV:

Im DSM-IV ist unter der Ziffer 292.0 der Nikotinentzug aufgeführt.

Nach mindestens mehreren Wochen täglichen Nikotinkonsums (Kriterium A) entwickelt sich bei plötzlicher Beendigung oder Reduktion innerhalb von 24 Stunden ein charakteristisches Entzugssyndrom (Kriterium B). Dieses schließt mindestens vier der folgenden Symptome ein:

1. dysphorische oder depressive Stimmung

2. Schlaflosigkeit

3. Ablenkbarkeit, Enttäuschung oder Ärger

4. Angst

5. Konzentrationsschwierigkeiten

6. Unruhe

7. verminderte Herzfrequenz

8. gesteigerter Appetit oder Gewichtszunahme

Kriterium C: Die genannten Entzugssymptome verursachen den Betroffenen in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen.

Kriterium D: Zusätzlich gilt, dass die Symptome nicht auf einen medizinischen Krankheitsfaktor zurückzuführen sind und nicht durch eine andere psychische Störung erklärt werden können.

Kriterien nach Fagerström (FTND):

Durch den »Fagerström Test for Nicotine Dependence« (FTND) wird die Stärke der Tabakabhängigkeit ermittelt. Der Fragebogen besteht aus folgenden 6 Items:

Items des FTND:

1) Wann nach dem Aufwachen rauchen Sie Ihre erste Zigarette?

2) Finden Sie es schwierig, an Orten, wo das Rauchen verboten ist, das Rauchen sein zu lassen?

3) Auf welche Zigarette würden Sie nicht verzichten wollen?

4) Wie viele Zigaretten rauchen Sie im Allgemeinen pro Tag?

5) Rauchen Sie am Morgen im Allgemeinen mehr als am Rest des Tages?

6) Kommt es vor, dass Sie rauchen, wenn Sie krank sind und tagsüber im Bett bleiben müssen?

Insgesamt ist eine Punktzahl von 0 bis 10 erzielbar, wobei


0–2 Punkte eine sehr geringe,
3–4 Punkte eine geringe,
5 Punkte eine mittlere,
6–7 Punkte eine starke und 8–10 Punkte eine sehr starke Abhängigkeit bedeuten (Heatherton et al. 1991).

Raucher mit 0 bis 2 Punkten werden als vorwiegend psychisch abhängig und solche mit Punktwerten von 5 bis 10 als überwiegend physisch abhängig beurteilt, ein Punktwert von 3 bis 4 lässt sich nicht eindeutig zuordnen.

Sie finden den FTND-Fragebogen im Anhang als Kopiervorlage für Ihre Klienten.

2.7Erklärungsmodelle für das Rauchen
2.7.1Psychologische Aspekte des Rauchens

Bei einem systemischen Verständnis von Sucht – hier nicht nur aufs Rauchen, sondern auch auf andere Süchte bezogen – wird davon ausgegangen, dass süchtige Menschen sich zunächst durch ein hohes Maß an Pflichterfüllung auszeichnen. Häufig fällt es ihnen schwer, sich abzugrenzen und auf Anfragen des Umfelds auch einmal mit »Nein, ich will nicht« zu antworten. Die mangelnde Fähigkeit, zu den eigenen Bedürfnissen zu stehen, drückt sich aber nicht nur im Umgang mit dem sozialen Umfeld aus, sondern auch darin, wie sie mit ihren eigenen inneren schwachen, regressiven oder lustbetonten Anteilen umgehen. Diese Seiten werden abgespalten.

In der Folge kommt es zu einem Mangelerleben, die abgewehrte regressive Seite kommt, vielleicht über Jahre, nicht zum Zug, bis schließlich, häufig zufällig, eine der Lust, der Regression, dem Spielerischen entgegenkommende Erfahrung mit dem Suchtstoff gemacht wird. Dann tritt das lang ersehnte Erleben des Loslassen-Könnens ein, und aus der Sehnsucht wird die Sucht.

Evident wird dieser Zusammenhang, wenn man die Zigarettenwerbung betrachtet. Diese geht geschickt auf die Sehnsucht des Zielpublikums ein; Menschen, die anscheinend keinerlei Pflichten, dafür aber jede Menge Spaß, Lust und Freiheiten haben, tummeln sich im »Marlboro-Country« oder auf der »Camel-Trophy«. Mit der Realität eines Rauchers, der im fortgeschrittenen Stadium der Abhängigkeit mit dem Zug an der Zigarette keinesfalls ins Marlboro-Land der Freiheit versetzt wird, sondern allenfalls eine kurzfristige Befreiung von seinen Entzugssymptomen erfährt, hat das wenig zu tun. Andererseits darf er sich im weiteren Verlauf süchtig nennen, was tatsächlich bis dahin ungeahnte Freiheiten bergen kann. Wo bisher nicht gewagt wurde zu sagen »Ich will nicht«, steht nun das »Ich will ja gern, aber ich kann leider nicht«. In der Sucht wird die »Sehnsuchtsseite« also dominant, die »Pflichtseite« dagegen dissoziiert; während ohne das Suchtmittel die Verhältnisse genau gegenteilig angeordnet sind.

Da mittlerweile Süchte zunehmend als Krankheiten anerkannt werden, erfährt der Abhängige für sein wenig pflichtbewusstes Verhalten auch keine Sanktionen durch die soziale Umwelt. Die Voraussetzung dafür ist allerdings, dass er sich und andere nicht im Zweifel darüber lässt, dass er nicht in der Lage ist, sein Verhalten bezüglich des Suchtmittels zu steuern. Offensichtlich wird dies beim Alkoholkranken, der seine Frau unter Alkoholeinfluss schlägt, ohne befürchten zu müssen, dass sie sich von ihm trennt – es war ja der Alkohol! Auch der Raucher, der »leider« eine Zigarettenpause machen muss (die er sich ohne Zigarette nicht gönnen würde), handelt nach diesem Schema.

Diese Abgabe jeglicher Kontrolle hat jedoch einen Nachteil. Will der Betreffende später den Substanzgebrauch beenden, muss er zunächst sein inneres Konzept der fehlenden Kontrolle revidieren und die Verantwortung für sein Tun wieder selbst übernehmen. Führt dagegen weiter der Suchtstoff die Regie, so hat die Person selbst keine Möglichkeit, regulierend einzugreifen (Schmidt 2000). Interessant ist in diesem Zusammenhang der Wunsch vieler Klienten, die mit einer Suchtproblematik zur hypnotherapeutischen Behandlung kommen. Die Hypnose soll bei ihnen bewirken, dass sie nicht mehr rauchen können. Möglicherweise sind solche Klienten, die sich, wie oben erwähnt, meist durch ein hohes Maß an Pflichtbewusstsein und Loyalität auszeichnen, ihren eigenen Suchtanteilen gegenüber zu treu, als dass sie das Rauchen nur einfach deshalb beenden würden, weil sie es nicht mehr wollen, sodass sie auch hier die Legitimation benötigen, nicht mehr zu können.

Auf die Implikationen dieses Modells für die Behandlung wird weiter unten eingegangen.

Lernpsychologisch betrachtet entsteht das Rauchverhalten zunächst durch Lernen am »Modell«. Das Kind oder der Jugendliche erlebt, wie Eltern oder Verwandte die Zigarette als Mittel zur Anregung, Entspannung, Stressreduktion etc. einsetzen und ahmt dieses Verhalten nach. Später wird das erlernte Verhalten durch unterschiedliche Faktoren aufrechterhalten.

Operante Verstärkung: Da die angenehme Wirkung einer Zigarette innerhalb von Sekunden eintritt, ist gemäß der Lerntheorie der Verstärkungseffekt hier besonders ausgeprägt. Die langfristigen negativen Wirkungen zeigen sich erst Jahre später und haben damit kaum Auswirkungen auf die aktuelle Verhaltenssteuerung (Buchkremer 1991). Ein weiterer wichtiger Punkt: Das Rauchen erzeugt nicht nur angenehme Situationen, sondern wird mit zunehmender physischer Abhängigkeit auch mehr und mehr zur einzigen Möglichkeit, die unangenehmen Entzugserscheinungen zu vermeiden oder zu beenden.

Klassische Konditionierung: Das Rauchverhalten wird zudem im Laufe der Jahre durch die zeitliche Kopplung eng mit zahlreichen Situationen und Reizen verknüpft. Tatsächlich antworten viele Raucher auf die Frage, in welchen Situationen sie vor allem zur Zigarette greifen, dass es für sie kaum Situationen gibt, die nicht mit dem Rauchen in Verbindung stehen. Das mit der Nikotinaufnahme verbundene Handlungsritual bewirkt zudem durch klassische Konditionierungsprozesse die gleichen psychotropen und vegetativen Wirkungen wie das Nikotin selbst (Buchkremer 1989).

Hinweisreize: Der Raucher wird außerdem durch bestimmte Hinweisreize, zum Beispiel den Anblick einer Zigarettenpackung, zum Rauchen veranlasst.

Organismusvariable: Zusätzlich wird die sogenannte Organismusvariable, in diesem Fall die physische Nikotinabhängigkeit, wirksam (Buchkremer 1991).

In der psychoanalytischen Tradition wird das Rauchen als orale Ersatzbefriedigung verstanden. Der süchtige Raucher regrediert in frühe Kindheitsstadien, um die damals nicht oder nicht ausreichend erlebte orale Befriedigung nachzuholen (Buchkremer 1991).

2.7.2Physiologische Aspekte der Nikotinsucht und des Nikotinentzugs

In diesem Abschnitt sollen die physiologischen Aspekte im Zusammenhang mit Nikotinsucht und -entzug kurz umrissen werden.

Über die physiologischen Mechanismen im Zusammenhang mit der Nikotinabhängigkeit ist bekannt, dass Nikotin an den AcetylcholinRezeptoren andockt. Es erregt dabei wie ACh Rezeptoren des Parasympatikus, wobei zwischen nikotinergen und muskarinergen Rezeptoren (N- bzw. M-Rezeptoren) und deren Wirkungen unterschieden wird. Das Nikotin ist jedoch »wirksamer als das ACh, weil die Verbindung mit dem Rezeptor stärker ist und länger anhält« (Ashton a. Stepney 1983).

Über die nikotinergen Rezeptoren führt Nikotin in geringen Dosen durch Stimulation sympathischer Ganglien zur Steigerung der Herzfrequenz und leichter Blutdruckerhöhung, Emotionen werden gedämpft und das Konzentrationsvermögen gesteigert. Umgekehrt kann Nikotin – höher dosiert – durch eine Blockade der sympathischen Ganglien bzw. durch Erregung der parasympathischen Ganglien die Herzfrequenz verlangsamen.

Die Wirkung des Nikotins ist mehrfach in Selbstmedikamentationsversuchen an Affen und Ratten untersucht worden. Aus diesen Tierversuchen könnte abgeleitet werden, dass es die Gedächtnisleistung fördert und aggressives Verhalten vermindert (Jaffe 1985). Außerdem zeigte sich, dass geringe Dosen motorisch stimulierend wirken, sodass Nikotin als Psychostimulans einzuordnen ist. Diese lokomotorisch erregenden Effekte kommen über eine verstärkte Dopaminfreisetzung aus dem Nucleus accumbens im hinteren Teil des mesolimbischen Systems zustande. Dieselben Reaktionen im Zusammenhang mit Dopamin sind bei der Gabe von Amphetamin und Kokain zu beobachten, vermutlich ist der zugrunde liegende Mechanismus identisch. Zusätzlich stimuliert Nikotin die Freisetzung von Noradrenalin aus Anteilen des ventralen Hippocampus.

In den zerebralen Strukturen von Rauchern findet sich eine höhere Dichte von Nikotinrezeptoren als bei Nichtrauchern, wobei die zusätzlichen Rezeptoren vorwiegend im Hippocampus, Gyrus rectus und im zerebellären Kortex gebildet werden. Besonders angereichert sind diese Rezeptoren im (bereits im Zusammenhang mit den lokomotorischen Effekten erwähnten) Nucleus accumbens. Dort ist auch das vom Dopamin regulierte Belohnungssystem lokalisiert.

Da im Tierversuch Dopamin durch Nikotingaben freigesetzt wird, kann angenommen werden, dass dieser Kern für die Entwicklung der Abhängigkeit bedeutsam ist. Er bewirkt das bekannte Glücks- und Entspannungsgefühl beim Genuss, wobei die Gefühlsqualität vom anfänglichen »Lieben« der Zigarette schnell ins unbedingte Verlangen danach umschlägt. Bei stark abhängigen Rauchern sind jedoch noch zahlreiche weitere Gehirnregionen (Hippocampus, Neokortex, Gyrus rectus, Kleinhirnrinde, mittlere Raphe) involviert. »Chronische Nikotininfusionen führen zur verstärkten Bildung von Nikotinrezeptoren, doch vermutlich auch zu einer Abnahme der Gesamtzahl der Rezeptoren, die tatsächlich arbeiten« (Krogh 1993, S. 101 f). Die Rezeptoren werden also durch die lang anhaltende Nikotinwirkung desensibilisiert.

Die Stärke der Nikotinabhängigkeit steht unter Umständen im Zusammenhang mit den vermehrt gebildeten Nikotinrezeptoren, wahrscheinlich wird das überschüssige Nikotin an desensibilisierte oder inaktivierte Sensoren gebunden.

Als weitere Wirkung des Nikotins ist aus postmortalen Studien an menschlichen Gehirnen bekannt, dass starkes Rauchen zu einer Abnahme der 5-HT-Konzentration im Hippocampus führt. Da Angstreize beim Menschen zu einer vermehrten 5-HT-Freisetzung führen und Anxiolytika diese unterdrücken, könnte dies die anxiolytische Wirkung von Nikotin erklären.

Auch die von Rauchern empfundene Stressreduktion durch das Rauchen sowie die Neuropathologie der Depression scheint mit der 5-HT-Freisetzung in Zusammenhang zu stehen. Depressive Patienten rauchen häufiger, was auf eine antidepressive Wirkung des Rauchens schließen lässt. Umgekehrt scheinen einige Antidepressiva in der Raucherentwöhnung brauchbar zu sein.

Die folgende Abbildung stellt diese Zusammenhänge schematisch dar:


Abb. 3: Darstellung der für die Ausbildung der Abhängigkeitsreaktionen verantwortlichen Hirnareale und der Angriffspunkte von Nikotin am mesolimbischen dopaminergen System (aus: Tabakabhängigkeit, Haustein, K.-O. u. Groneberg, D. [2008] Kap. 4, S. 93, Abb. 4.10, Springer Verlag Berlin Heidelberg. Orginalcopyright (2001) Deutscher Ärtzteverlag, Köln. Mit freundlicher Genehmigung von Springer Science and Business Media.)

Neuerdings werden auch genetische Aspekte im Zusammenhang mit der Nikotinsucht diskutiert. In einer Studie an 2.680 Zwillingspaaren sowie 543 einzelnen Zwillingen wurden Persönlichkeitsfaktoren und Rauchverhalten verglichen. Es zeigte sich, dass die Zusammenhänge bei monozygoten Zwillingen stärker ausgeprägt waren als bei dizygoten Paaren (Heath et al. 1995). Allerdings beziehen sich diese Ergebnisse nicht auf die Entwicklung des Rauchverhaltens, sondern vielmehr auf starkes Rauchen und die Unfähigkeit, es zu beenden.

Das Resultat der oben beschriebenen Vorgänge lautet für den Raucher, dass er sich beim Nikotinentzug – und dieser wird bei starken Rauchern spätestens 30 bis 40 Minuten nach dem Konsum der letzten Zigarette spürbar – missgelaunt, depressiv und reizbar fühlt. Die Dopaminausschüttung geht zurück beziehungsweise das vom Körper produzierte Dopamin wird nicht mehr zuverlässig erkannt. Beim Nikotinentzug sinkt jedoch nicht nur die Stimmung, auch die Konzentrationsfähigkeit leidet. Am in England bereits seit 1984 fest etablierten Nichtrauchertag (an dem auch starke Raucher auf die Zigarette verzichten) passieren der Statistik zufolge mehr Unfälle als an jedem anderen Tag im Jahr, teilweise 10 % mehr (Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 23. 06. 2000).

Einen Faktor, der beim Nikotinentzug zumeist zunimmt, gibt es allerdings: das Körpergewicht. »Die durchschnittliche Gewichtszunahme liegt in den ersten Monaten bei 2,5 Kilogramm, nach 6 bis 12 Monaten beträgt sie etwa 4 Kilo« (Düsseldorfer Forschungsstelle für Nikotinabhängigkeit 2000). Der Grund dafür liegt zum einen in der sinkenden und damit Energie sparenden Pulsfrequenz nach dem Entzug; die durchschnittliche Pulsfrequenz eines Rauchers liegt bei 84 Schlägen, nach dem Aufhören sind es nur noch 72 Schläge in der Minute. Zum anderen senkt Nikotin die Insulinausschüttung und erhöht damit den Blutzuckerspiegel, nach dem Entzug sinkt dieser ab. Die Folge davon ist der bekannte Heißhunger auf Süßes, der viele ehemalige Raucher in der ersten Zeit immer wieder befällt. Verantwortlich für das geringere Gewicht von Rauchern ist außerdem die erhöhte Sekretion von Katecholaminen aus dem Nebennierenmark und von Steroidhormonen aus der Nebennierenrinde (Haustein 2001).

Die wichtigsten Nikotinentzugserscheinungen werden im folgenden Kasten nochmals zusammengefasst.

Nikotinentzugserscheinungen:

•Erregbarkeit, Ruhelosigkeit und depressive Verstimmungen

•Konzentrationsschwäche

•Angstgefühle

•Hunger und Gewichtszunahme

•Schläfrigkeit und Schlafstörungen

•heftiges Verlangen nach einer Zigarette (»craving«)

Die Ausprägung der einzelnen Symptome kann individuell stark schwanken, die durchschnittliche Dauer variiert von einigen Tagen oder Wochen bis hin zu Monaten.

2.8Zusammenfassung

Rauchen macht krank, unfruchtbar und impotent und so abhängig wie sonst nur Opiate. Trotzdem wird weiter heftig geraucht, und der Nichtraucherschutz hat, zumindest in Deutschland, trotz vieler positiver Veränderungen in den letzten Jahren einen schweren Stand. Nach wie vor beginnen viele Jugendliche zu rauchen; das Einstiegsalter liegt immer niedriger. Dies sind schlechte Nachrichten, aber gute für Sie, wenn Sie Raucherentwöhnungskurse anbieten wollen. Beachten sollten Sie dabei die in diesem Kapitel beschriebenen lernpsychologischen und systemischen Aspekte der Sucht, sowie die physiologischen Auswirkungen des Nikotinentzugs.

3.Was Sie sich als Therapeut klar machen müssen und was Sie Ihren Klienten erklären können sollten

Dieses Kapitel gibt Ihnen einen Überblick über die Wirkfaktoren

•von Psychotherapie im Allgemeinen,

•der Hypnotherapie,

•der Hypnotherapie speziell nach Milton Erickson und

•psychotherapeutischer Gruppenbehandlungen.

3.1Allgemeine psychotherapeutische Wirkfaktoren

Jeder Therapeut wünscht sich, dass die von ihm praktizierte therapeutische Richtung besonders erfolgversprechend ist. Hypnotherapeuten haben Glück, sie bekommen diesen Wunsch weitgehend erfüllt. Dennoch sollten Sie sich stets darüber im Klaren sein, dass die therapeutische Ausrichtung nur die halbe oder, wie Sie sehen werden, nicht mal die halbe Miete ist.

Bei aller Unterschiedlichkeit der verschiedenen Therapieschulen gibt es viele wesentliche Faktoren, die allen psychotherapeutischen Behandlungsformen gemeinsam sind. In ihrem Wettstreit, der sich gerade in den letzten Jahren aufgrund zunehmender Konkurrenz um die Anerkennung durch die Krankenkassen verschärft hat, gerät diese wichtige Tatsache häufig aus dem Blickfeld. Die jeweilige Forschung sieht ihre Aufgabe vornehmlich in der Herausarbeitung der Unterschiede zwischen den Therapieformen. Dieses Buch stellt diesbezüglich keine Ausnahme dar.

Dennoch befasst sich der folgende Abschnitt mit den gemeinsamen Faktoren aller Therapieschulen (Hubble, Duncan a. Miller 1999), um der oft vernachlässigten Tatsache gerecht zu werden, dass Therapie nicht nur deshalb wirkt, weil Psychotherapeuten sich intensiv und kompetent um Klienten bemühen, sondern auch deshalb, weil ein Großteil der erfolgten Veränderung auf den Fähigkeiten und Ressourcen der Klienten selbst beruht.

Schade für die Therapeuten, die Therapieerfolge am liebsten nur sich selbst zuschreiben möchten, schön für diejenigen, die froh sind, sich nicht nur auf die eigene, sondern auch auf die Kompetenz ihrer Klienten verlassen zu können.

Michael Lambert schlug auf der Basis umfassender Studien (Lambert 1992) vier therapeutische Faktoren als wesentliche Elemente vor, die zur Heilung beitragen.

Therapeutische Faktoren:

•extratherapeutische Faktoren: Gemeinsamer Faktor »Klient«

•Beziehungsfaktoren

•Placebo-/Erwartungs-Faktoren

•die spezifische Technik des Therapeuten

Gemeinsamer Faktor »Klient«

Hierzu zählen Patientenmerkmale, also all das, was die Klienten zur Therapie mitbringen und was ihr Leben außerhalb der Therapie beeinflusst. Dazu gehören interne und soziale Ressourcen ebenso wie Glaubenssätze und Überzeugungen und selbst zufällige Ereignisse. Dieser Faktor erklärt 40 % der Veränderungen im Verlauf der therapeutischen Behandlung.

Die therapeutische Beziehung

Die Aspekte der Therapiebeziehung werden als »allen Behandlungsformen gemeinsame Faktoren« bezeichnet. Sie stehen nach Lambert für 30 % der Varianz. Es handelt sich hier um eine ganze Bandbreite von Beziehungsvariablen wie Fürsorge, Empathie, Wärme, Akzeptanz und Bestätigung, die besonders Carl Rogers im Rahmen eines klientenzentrierten Ansatzes bekannt gemacht hat, welche sich aber in den meisten Therapieformen finden lassen.

Hoffnung als Grundlage des gemeinsamen Faktors Placebo und Erwartung

Allein die Aussicht auf Hilfe soll 15 % der Wirkung einer Therapie ausmachen. Diese Klasse der therapeutischen Faktoren bezieht sich auf den Teil der Besserung, der sich aus dem Wissen des Klienten, behandelt zu werden, ergibt. Nach Franks und Franks (1991) zeichnen sich erfolgreiche Therapien dadurch aus, dass Klienten und Therapeuten an ihre heilende Kraft glauben. Der Placeboeffekt, oft als Störvariable betrachtet, ist aus dieser Sicht ein wichtiger positiver Faktor in der Psychotherapie.

Psychotherapeutische Technik

Die jeweilige psychotherapeutische Technik mit ihren spezifischen Annahmen, Erklärungen, Lösungsstrategien und Interventionen macht ebenfalls 15 % des Therapieerfolgs aus. Abhängig von der theoretischen Orientierung werden unterschiedliche Inhalte betont. Den meisten Therapieschulen gemeinsam ist die Erwartung der Therapeuten, dass die Klienten etwas in ihrem Leben verändern, und die Idee, sie darauf vorzubereiten, sich selbst zu helfen. Die therapeutische Technik ist also keinesfalls bedeutungslos, sie stellt einen (jedoch nicht den einzigen) Wirkfaktor dar, der zum positiven Ergebnis der Behandlung beiträgt.

Insgesamt gesehen schließen sich gemeinsame Faktoren und spezifische Techniken als Determinanten des Therapieerfolgs nicht aus. Im Übrigen können therapeutische Techniken nur bis zu einem gewissen Grad unabhängig von den gemeinsamen Faktoren betrachtet werden (Butler a. Strupp 1986); jede Technik wird im innerpersonellen Kontext angeboten und ist in die Erwartungen und Überzeugungen der Teilnehmenden eingebunden.

Zu den spezifischen Merkmalen der Hypnose gehört es, in einem Maß mit dem unspezifischen Faktor »Hoffnung« verknüpft zu sein, über das viele andere Verfahren nicht verfügen. Hypnose kann auch als ein Ritual verstanden werden, das – wie sonst vielleicht nur der Glaube – »Berge versetzt« und damit ganz wesentlich zur Steigerung der Effektivität einer Behandlung beiträgt. Kirsch und Kollegen (Kirsch 1995) konnten in Metaanalysen nachweisen, dass Hypnose die Effektstärke von kognitiver Verhaltenstherapie nahezu verdoppelt.

Ähnliches gilt für den unspezifischen Faktor »therapeutische Beziehung«. Es gehört zu den wesentlichen Charakteristika der Hypnotherapie, dass Klienten in der Hypnose regredieren und den Therapeuten in einer permissiven, wohlwollenden und fürsorglichen Elternrolle erleben, was wiederum die ideale Voraussetzung für eine fruchtbare Gestaltung der Therapiebeziehung ist.

Dennoch sollte Hypnose nicht nur auf ihren Ritualcharakter oder auf die positive Gestaltung der therapeutischen Beziehung reduziert gesehen werden. Die spezifischen und wirksamen Mechanismen der Hypnotherapie werden im nächsten Abschnitt näher erläutert.

Abb. 4: Anteil unterschiedlicher therapeutischer Faktoren am Therapieerfolg

Das Fazit aus dem Gesagten für Ihre therapeutische Grundhaltung:

•Ressourcen der Klienten evaluieren und nutzen

•großes Augenmerk auf die Gestaltung der therapeutischen Beziehung richten

•Begrüßen des Placeboeffekts und Verstärkung von Hoffnung beim Klienten

•Demut bezüglich der eigenen Fähigkeiten und Techniken, denn sie machen nur 15 % des Erfolgs aus!

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